Neudefinition der Umsatzerlöse und ihre Folgen

Neudefinition der Umsatzerlöse und ihre Folgen
[27.01.2017]
Von: Sven Jacob
Nach der Neufassung des § 277 Abs. 1 HGB infolge des BilRUG (anzuwenden auf Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen) sind als Umsatzerlöse „die
Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus
der Erbringung von Dienstleistungen der Kapitalgesellschaft nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern“ auszuweisen.
Bisher waren Erlöse nur unter den Umsatzerlösen zu erfassen, wenn diese der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und dem typischen Leistungsangebot des Unternehmens zugeordnet werden konnten. Sogenannte atypische Erlöse oder auch einmalige Erlöse wurden regelmäßig unter den sonstigen betrieblichen Erträgen oder unter den außerordentlichen Erträgen ausgewiesen. Durch das BilRUG entfällt nun der Begriff der „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ und damit auch die Begrenzung der Umsatzerlöse auf
solche, die einer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit bzw. dem typischen Leistungsangebot
eines Unternehmens zuzuordnen sind. Dies dürfte regelmäßig zu einer Ausweitung der
Umsatzerlöse mit korrespondierendem Rückgang der sonstigen betrieblichen Erträge
führen.
Als Kriterium für die Abgrenzung der sonstigen betrieblichen Erträge von den Umsatzerlösen wird aufgrund der mit dem BilRUG einhergehenden Gesetzesänderung insbesondere zu prüfen sein, ob mit einem Ertrag ein konkreter Leistungsaustausch verbunden ist.
Daher werden Erträge aus der Veräußerung von Anlagevermögen, Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen, Umwandlungsgewinne oder auch Versicherungsentschädigungen auch künftig regelmäßig unter den sonstigen betrieblichen Erträgen auszuweisen sein, da in diesen Fällen ein Leistungsaustausch zu verneinen ist. Weiterhin sind
konkrete Vorgaben im Gesetz (z. B. Ausweis von Währungsgewinnen) zu beachten. Auf
der anderen Seite werden beispielsweise Erlöse aus der Vermietung und Verpachtung,
selbst wenn sie nicht regelmäßig im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit betrieben wird, sondern eine Nebentätigkeit des bilanzierenden Unternehmens darstellt,
künftig als Umsatzerlöse auszuweisen sein, da in solchen Fällen ein Leistungsaustausch
klar gegeben ist.
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Soweit es sich um Weiterbelastungen bestimmter Aufwendungen zwischen Konzernunternehmen (sogenannte Konzernumlagen) handelt, wird künftig genauer zu prüfen sein.
Soweit die Erlöse dabei aus der Erbringung von Dienstleistungen einer Konzerngesellschaft für eine andere Gesellschaft des betreffenden Konzerns resultieren (z. B. Buchhaltungsleistungen etc.), liegen künftig Umsatzerlöse vor. Soweit jedoch lediglich die einer
Konzerngesellschaft im (Konzern-)Außenverhältnis entstehenden Aufwendungen weiterbelastet werden (reine „Kostenumlage“, reine Umverteilung), führt dies dementgegen
nicht zu Umsatzerlösen.
Des Weiteren sind durch die Regelung in § 277 Abs. 1 HGB n. F. künftig sonstige direkt
mit dem Umsatz verbundene Steuern von den Umsatzerlösen abzuziehen. Hierunter
können grundsätzlich Verbrauchssteuern (z. B. Energiesteuern, Stromsteuern, Kaffeesteuern, Branntweinsteuern) fallen, die zeitgleich mit der korrespondierenden Umsatzrealisierung entstehen und am Abschlussstichtag nicht als Herstellkosten zu aktivieren
sind.
Einhergehend mit den Umsatzerlösen und den sonstigen betrieblichen Erträgen verändern sich ebenfalls die Materialaufwendungen bzw. Herstellungskosten sowie die sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Wie die außerordentlichen Erträge entfällt künftig
auch der Ausweis von außerordentlichen Aufwendungen. Posten, die vormals hierunter
auszuweisen waren, sind künftig den sonstigen betrieblichen Erträgen bzw. Aufwendungen zuzuordnen.
Korrespondierend wirkt sich die Änderung in der Definition der Umsatzerlöse auch auf
verschiedene Bilanzposten aus. Betroffen sind hier Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, die sich jeweils entgegengesetzt zu den sonstigen Vermögensgegenständen und den sonstigen Verbindlichkeiten verändern. Des Weiteren ist im Einzelfall zu untersuchen, ob sich aufgrund der
Änderungen bei den Materialaufwendungen bzw. Herstellkosten ein Anpassungsbedarf
bei der Bewertung des Vorratsvermögens ergibt.
Zu beachten ist zudem, dass bei einer fehlenden Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse
infolge der erstmaligen Anwendung der neuen Umsatzerlösdefinition verschiedene Anhangsangaben notwendig werden. So ist nach Art. 75 Abs. 2 EGHGB bei der erstmaligen
Anwendung der neuen Umsatzerlösdefinition auf die fehlende Vergleichbarkeit der Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr hinzuweisen.
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Zusätzlich ist nachrichtlich der Betrag der Umsatzerlöse anzugeben, der sich für das Vorjahr bei Anwendung der Neudefinition nach § 277 Abs. 1 HGB ergeben hätte. Bei Aufstellung eines Lageberichts können sich durch die BilRUG-Umstellung ebenfalls weitergehende Angaben, wie etwa bei der Prognoseberichterstattung, ergeben.
Die Ausweitung der Umsatzerlöse kann zudem auch Auswirkungen auf die Bestimmung
der Größenklassen gemäß § 267 HGB haben. Schließlich ist anzumerken, dass sich aufgrund der Änderung des Umfangs der Umsatzerlöse Veränderungen bei verschiedenen
und u. U. wesentlichen Bilanz- bzw. Ergebniskennzahlen ergeben können. Dies wiederum kann entsprechende Auswirkungen auf Verträge haben, die sich auf solche Kennziffern beziehen (z. B. Finanzkennzahlen in Kreditverträgen, Bonusregelungen mit Kunden oder Tantiemenregelungen in Arbeitsverträgen).
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