DE DE ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Europäisches Parlament
2014-2019
Plenarsitzungsdokument
B8-0121/2017
25.1.2017
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der
Kommission/der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und
Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zur Krise der Rechtsstaatlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo und
in Gabun
(2017/2510(RSP))
Hilde Vautmans, Petras Auštrevičius, Izaskun Bilbao Barandica, Marielle
de Sarnez, Javier Nart, Carolina Punset, Pavel Telička
im Namen der ALDE-Fraktion
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B8-0121/2017
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Krise der Rechtsstaatlichkeit in der
Demokratischen Republik Kongo und in Gabun
(2017/2510(RSP))
Das Europäische Parlament,
–
unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung von Federica Mogherini, Vizepräsidentin
der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, und
Kommissar Neven Mimica vom 24. September 2016 im Anschluss an die Bekanntgabe
der endgültigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl durch das Verfassungsgericht in
Gabun,
–
unter Hinweis auf die Presseerklärung der Afrikanischen Union vom 1. September
2016, in der Gewalt verurteilt und eine friedliche Lösung des Konflikts, der nach den
Wahlen in Gabun ausgebrochen ist, gefordert wird,
–
unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der VP/HR vom 11. September 2016 zu
Gabun,
–
unter Hinweis auf die vorläufige Erklärung der Wahlbeobachtungsmission des Büros
für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE vom
29. August 2016,
–
unter Hinweis auf das Abkommen von Cotonou, das im Jahr 2000 von den AKPStaaten und der EU unterzeichnet wurde, und seine folgenden Überprüfungen,
–
unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte,
–
unter Hinweis auf das am 11. Juli 2003 angenommene Protokoll zur Afrikanischen
Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker über die Rechte der Frauen in
Afrika, insbesondere dessen Artikel 9,
–
unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Afrikanischen Union, der Vereinten
Nationen, der Europäischen Union und der Internationalen Organisation der
Frankophonie vom 24. September 2016 zur Lage in der Demokratischen Republik
Kongo,
–
unter Hinweis auf die Entschließungen der Paritätischen Parlamentarischen
Versammlung AKP-EU vom 18. Mai 2011 zu den Herausforderungen für die Zukunft
der Demokratie und die Achtung der verfassungsmäßigen Ordnung in den AKP-Staaten
und der EU, vom 27. November 2013 zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und die
Bedeutung unparteiischer und unabhängiger Gerichte sowie vom 13. Juni 2016 zu der
Lage vor den Wahlen und der Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo,
–
unter Hinweis auf die Erklärung vom 7. April 2016 der VP/HR, Federica Mogherini,
zur politischen Lage in der Demokratischen Republik Kongo nach den
Präsidentschaftswahlen,
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unter Hinweis auf die Verfassung von Gabun,
–
unter Hinweis auf die Verfassung der Demokratischen Republik Kongo,
–
unter Hinweis auf die Resolution 19/36 des VN-Menschenrechtsrates vom 23. März
2012 zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,
–
unter Hinweis auf die Resolution 67/97 der VN-Generalversammlung vom
14. Dezember 2012 zu Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene,
–
unter Hinweis auf die Erklärung der Afrikanischen Union über die Grundsätze für
demokratische Wahlen in Afrika (2002),
–
gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A.
in der Erwägung, dass in Gabun am 27. August 2016 Präsidentschaftswahlen
stattfanden; in der Erwägung, dass am 31. August 2016 Ali Bongo, der amtierende
Präsident, nach der Bekanntmachung des vorläufigen Ergebnisses durch den
Innenminister, der sich auf die Ergebnisse der nationalen Wahlkommission (CENAP)
stützte, mit ca. 5 600 Stimmen Vorsprung zu seinem Hauptgegner, Jean Ping, zum
Gewinner der Präsidentschaftswahl erklärt wurde; in der Erwägung, dass Ping und seine
Anhänger das Ergebnis sofort angefochten und verurteilt haben; in der Erwägung, dass
beim Verfassungsgericht von Gabun Berufung wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten
bei der Wahl eingelegt und eine Neuauszählung gefordert wurde;
B.
in der Erwägung, dass internationale Beobachter, insbesondere die EUWahlbeobachtungsmission, Auffälligkeiten bei der Stimmabgabe, vor allem in der
Heimatprovinz von Ali Bongo, Haut-Ogooué, festgestellt haben; in der Erwägung, dass
die Opposition außerdem eine Neuauszählung der Stimmen in dieser Provinz fordert, in
der Präsident Ali Bongo bei einer Wahlbeteiligung von 99 % 95 % der Stimmen erhielt,
was bedeutet, dass die Stimmen, die dort bei einer solchen offiziell angegebenen
Wahlbeteiligung abgegeben wurden, allein ausgereicht hätten, um die Wahl zu
gewinnen; in der Erwägung, dass die Mitglieder der gabunischen Wahlkommission die
Stimmauszählung in Haut-Ogooué ebenfalls anzweifeln;
C.
in der Erwägung, dass mehrfach versucht wurde, die EU-Wahlbeobachtungsmission,
die den Wahlprozess scharf kritisiert hat, vor allem durch eine heftige
Diffamierungskampagne in der Presse gezielt einzuschüchtern, und dass die EUWahlbeobachtungsmission außerdem von den gabunischen Behörden, die Einspruch
gegen sie einlegten und ihre Arbeit untersuchten, massiv bedroht und unter Druck
gesetzt wurde, um ihren Bericht zu diskreditieren;
D.
in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht am 24. September 2016 das endgültige
offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl verkündete, mit dem Ali Bongos Sieg
bestätigt wurde; in der Erwägung, dass jedoch im Rahmen der Prüfung der Berufung
noch nicht alle Zweifel im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl ausgeräumt
worden sind;
E.
in der Erwägung, dass Joseph Kabila seit 2001 Präsident der Demokratischen Republik
Kongo ist; in der Erwägung, dass Präsident Kabilas Amtszeit am 20. Dezember 2016
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endete, dass das Mandat des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo gemäß
der Verfassung auf zwei Amtszeiten begrenzt ist und dass die nächsten
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ursprünglich für Ende 2016 anberaumt waren;
F.
in der Erwägung, dass ein erster Versuch, die Verfassung der Demokratischen Republik
Kongo so zu ändern, dass Präsident Kabila für eine dritte Amtszeit kandidieren kann, im
Jahr 2015 aufgrund der Mobilisierung der Zivilgesellschaft und deren entschiedenem
Widerstand scheiterte; in der Erwägung, dass derartige Versuche zu immer stärker
werdenden politischen Spannungen, Unruhen und Gewalt überall im Land geführt
haben;
G.
in der Erwägung, dass Präsident Kabila und ein Teil der Opposition am 18. Oktober
2016 eine Vereinbarung unterzeichnet haben, in deren Rahmen die
Präsidentschaftswahlen auf April 2018 verschoben werden sollen; in der Erwägung,
dass Präsident Kabila, dem es demnach gestattet wurde, nach 2016 weiter an der Macht
zu bleiben, gemäß den Bestimmungen dieser Vereinbarung den Oppositionellen Samy
Badibanga zum neuen Übergangsministerpräsidenten ernannt hat, der mit der Bildung
einer neuen Regierung betraut ist;
H.
in der Erwägung, dass die Vertragsparteien des Abkommens vom 18. Oktober 2016
nach monatelangen Verhandlungen am 31. Dezember 2016 eine umfassende und alle
Seiten einschließende politische Vereinbarung getroffen haben;
I.
in der Erwägung, dass die Situation in den beiden Ländern zwar sehr unterschiedlich ist,
dass sie aber gleichermaßen von einer instabilen politischen Lage und Gewalt geprägt
ist;
J.
in der Erwägung, dass durch verlängerte Amtszeiten große Machtanhäufung und
Personalisierung von Macht sowie Einfluss auf Privilegien und Korruption ermöglicht
werden, und dass sich die politische Klasse unter diesen Umständen nicht erneuern
kann;
K.
in der Erwägung, dass es zu den Eigenschaften von Demokratien gehört, dass die
Verfassung geachtet wird, auf die der Staat, die Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit
aufbauen, und dass es freie und faire Wahlen gibt, durch die Macht auf friedliche Art
und Weise auf diejenigen Personen übertragen wird, die durch die Wahlen legitimiert
worden sind, und dass es Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit gibt;
L.
in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen schon mehrfach berichtet haben,
dass sich die Lage der Menschenrechte, des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der
Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Ländern im Vorfeld von Wahlen
verschlechtert haben, und dass u. a. unverhältnismäßige Gewalt gegen friedliche
Demonstranten, Journalisten, führende Politiker und weitere Personen angewandt wird;
1.
bedauert, dass in den letzten Monaten in beiden Ländern Menschen bei
Demonstrationen ums Leben gekommen sind und spricht den Familien der Opfer und
den Menschen in der Demokratischen Republik Kongo und in Gabun seine tief
empfundene Anteilnahme aus;
2.
erklärt sich tief besorgt darüber, dass die Situation in beiden Ländern sowohl vor als
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auch nach den Wahlen immer instabiler wird; weist die Behörden und insbesondere die
Präsidenten darauf hin, dass sie dafür verantwortlich sind, die Bürger im gesamten
nationalen Hoheitsgebiet zu schützen, insbesondere vor Misshandlung und Gewalt, und
unter strengster Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu regieren;
3.
verurteilt aufs Schärfste Gewalt in sämtlichen Formen, Menschenrechtsverletzungen,
willkürliche Verhaftungen und illegale Inhaftierungen und insbesondere den
Missbrauch des Rechtssystems und die Gewalt und die Einschüchterungen gegenüber
Menschenrechtsaktivisten, politischen Gegnern und Journalisten sowie die Verletzung
der Presse- und Meinungsfreiheit vor und nach den Präsidentschaftswahlen; fordert die
Behörden auf, unverzüglich alle den Medien auferlegten Restriktionen aufzuheben;
fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen;
4.
fordert, dass die Gewalt im Zusammenhang mit den Wahlen und der Vorwurf der
schweren Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten unabhängig und
objektiv untersucht werden, und hebt hervor, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass
alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden; fordert darüber hinaus, dass die EU
und die AKP-Staaten in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der
Afrikanischen Union die Gesamtsituation in beiden Ländern weiterhin engmaschig
überwachen;
5.
stellt fest, dass sich die Sicherheitslage verbessert hat und fordert alle Beteiligten auf,
von weiteren Aktivitäten abzusehen, durch die Frieden und Stabilität in den Ländern
gefährdet werden könnten; fordert alle politischen Akteure, die derzeit an den
Auseinandersetzungen vor und nach den Wahlen beteiligt sind, auf, verantwortlich zu
handeln, sich zurückzuhalten und mögliche Streitigkeiten verfassungsgemäß und auf
legalem Weg beizulegen;
6.
fordert die Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und die Grundsätze der
Menschenrechte, einschließlich Meinungs- und Pressefreiheit, unter allen Umständen
geachtet werden;
7.
stellt fest, dass einige Anhänger der Opposition entschieden haben, sich an dem Dialog
zu beteiligen, zu dem der gewählte Präsident Ali Bongo am 14. November 2016
aufgerufen hat, um die kommenden Wahlen, insbesondere die Parlamentswahlen, die im
Jahr 2017 stattfinden sollen, vorzubereiten; weist darauf hin, dass sich der
Oppositionsführer Jean Ping allerdings nicht an diesem Dialog beteiligen und zu einem
eigenen nationalen Dialog aufrufen möchte; stellt daher infrage, inwiefern ein solcher
Prozess wirksam sein kann, und betont, wie wichtig ein offenes und transparentes
Vermittlungsverfahren wäre, um die Krise nach der Wahl zu überwinden;
8.
fordert die EU und die AKP-Staaten auf, in einen umfassenden und ausgewogenen
politischen Dialog mit der gabunischen Regierung zu treten, um zu erreichen, dass sich
diese zur Stärkung der Demokratie, verantwortungsvollem Regieren und der Achtung
der Menschenrechte und Grundfreiheiten verpflichtet, zu Werten also, die im
Abkommen von Cotonou und der Gründungsakte der Afrikanischen Union enthalten
sind;
9.
weist erneut darauf hin, dass sich die Demokratische Republik Kongo im Rahmen des
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Abkommens von Cotonou dazu verpflichtet hat, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
die Grundsätze der Menschenrechte zu achten, zu denen Meinungs- und Medienfreiheit,
verantwortungsvolles Regieren und Transparenz in politischen Ämtern zählen; stellt
fest, dass der Dialog, der mit den Behörden der Demokratischen Republik Kongo
gemäß Artikel 8 des Abkommens von Cotonou geführt wird und mit dem Fragen zum
Wahlprozess endgültig geklärt werden sollen, zu keinem Ergebnis führt;
10.
bedauert, dass die Regierung und die unabhängige nationale Wahlkommission (CENI)
es nicht geschafft haben, die Präsidentschaftswahl innerhalb der verfassungsgemäßen
Frist abzuhalten; ist weiterhin zutiefst besorgt darüber, welche Rolle die unabhängige
nationale Wahlkommission, von der die Legitimität des Wahlprozesses in hohem Maße
abhängen wird, tatsächlich spielt; weist erneut darauf hin, dass die Wahlkommission ein
unparteiisches und alle einbeziehendes Gremium sein sollte, das mit ausreichend
Mitteln ausgestattet sein muss, um einen umfassenden und transparenten Prozess zu
ermöglichen;
11.
begrüßt die Bemühungen der nationalen Bischofskonferenz der Demokratischen
Republik Kongo (CENCO), einen breiten Konsens über einen politischen Übergang zu
erzielen; stellt fest, dass eine Übergangszeit benötigt wird, während der der Präsident
sein Amt nur unter Aufsicht eines Übergangsrates, in dem die Opposition stark vertreten
ist, ausüben kann;
12.
begrüßt die umfassende und alle einbeziehende politische Vereinbarung, die am
31. Dezember 2016 erreicht worden ist; weist alle Beteiligten erneut darauf hin, dass sie
sich dazu verpflichtet haben, diese Vereinbarung einzuhalten, und fordert sie dazu auf,
alle Elemente dieser Vereinbarung umzusetzen und so bald wie möglich einen
konkreten Zeitplan für die nächsten Wahlen festzulegen; fordert die EU und die
Mitgliedstaaten auf, die Organisation von friedlichen, transparenten und fairen Wahlen
mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen;
13.
verurteilt aufs Schärfste alle Versuche, gegen den Willen der Bevölkerung länger als
erlaubt an der Macht zu bleiben und somit gegen die Verfassung und andere nationale
Gesetze zu verstoßen; begrüßt, dass der Dialog zwischen den AKP-Staaten verstärkt
wird, um sicherzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassungen der Länder
geachtet werden; fordert die EU und die AKP-Staaten auf, möglichen zukünftigen
politischen Krisen im Rahmen eines intensiven politischen Dialogs gemäß Artikel 8 des
Abkommens von Cotonou zu begegnen;
14.
beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Regierung und dem Parlament
der Demokratischen Republik Kongo und der Regierung und dem Parlament von
Gabun, dem AKP-EU-Ministerrat, der Kommission, dem Rat, der Ostafrikanischen
Gemeinschaft und den Regierungen ihrer Mitgliedstaaten, der Vizepräsidentin der
Kommission/der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den
Institutionen der Afrikanischen Union und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen
zu übermitteln.
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