Juristische Überlegungen zur Notfallsanitäterausbildung 1. Notfallsanitätersymposium Hamburg, 17. Juni 2014 Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Gesetzgebungskompetenz • Gesetzgebungskompetenz liegt bei den Ländern, es sei denn, das Grundgesetz weist die Gesetzgebungskompetenz dem Bund zu (Art. 70 GG) • Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG: „…Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen…“ Berufszulassung • Umfang der Bundeskompetenz: „Zulassung zu […] anderen Heilberufen“ – Schaffung eines Berufsbildes (obj./subj. Berufszulassungsschranken) – nicht die Regelungen der Art und Weise der Berufsausübung (=>Länderkompetenz) – nicht die schulische Umsetzung (=> Länderkompetenz) – Bundeskompetenz nur für Berufszulassungsgesetz =>Tätigwerden unter der Berufsbezeichnung NotSan nur mit staatlicher Erlaubnis Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Ausbildungsstruktur Ausbildungsträger Schule (organisatorische Gesamtverantwortung/ Praxisbegleitung) Schule Theore4scher und prak4scher Unterricht Krankenhaus Prak4sche Ausbildung/ Praxisanleitung Lehrre>ungswache Prak4sche Ausbildung/ Praxisanleitung Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Ausbildungsträger – Vertrag • Vertragspartner des Auszubildenden (§ 12 NotSanG) derjenige mit dem der Ausbildungsvertrag geschlossen wird: • • • • • Hilfsorganisation, Feuerwehr, Rettungsdienstunternehmer, Schulen, etc. Ausbildungsträger – Pflichten • Pflichten (§ 13 NotSanG) – planmäßige, zeitliche und sachliche Gliederung der Ausbildung => Sicherstellen dass Ausbildungsziel innerhalb der Ausbildungszeit erreicht wird: grds. erfüllt, wenn Schüler auf geeignete Schule geschickt wird – kostenlose Bereitstellung der Ausbildungsmittel – sinnvoller Arbeitseinsatz des Schülers: muss dem Ausbildungszweck förderlich sein (Einsatz nicht nur im Krankentransport) Ausbildungsträger – Vergütung • Zahlung einer angemessenen Vergütung (§ 15 NotSanG) – Höhe nicht ausdrücklich geregelt: Abstellen auf vergleichbare Ausbildungsberufe (Krankenpfleger ...) – Berücksichtigung der Funktion der Vergütung: • Lebensunterhalt • Nachwuchsförderung • Entlohnung für Dienste – Objektiver Maßstab => Orientierung an Tarifverträgen – keine Berücksichtigung der finanziellen Situation des Ausbildungsträgers oder dessen gemeinnütziger Ausrichtung Exkurs: Refinanzierung • Refinanzierung der Aus- oder Fortbildungskosten zum NotSan nicht im NotSanG geregelt • Vorschlag des Bundesrates für § 5 Abs. 4 NotSanG wurde nicht übernommen: „(4) Die nach diesem Gesetz entstehenden Kosten für die Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern werden von den Krankenkassen und den anderen Trägern der sozialen Sicherung getragen.“ Exkurs: Refinanzierung • Aber: Aus-/Fortbildungskosten sind Personalkosten! – Kosten des Rettungsdienstes, wenn erforderlich und nicht unwirtschaftlich – erforderlich spätestens dann, wenn Landesrettungsdienstgesetze den Einsatz von NotSan (zwingend) vorsehen – vgl. Entwurf ThürRettG (§ 18 Abs. 2 S. 2) „Die Kosten für die weitere Ausbildung vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter werden von den Kostenträgern getragen, soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist.“ • Hinweis: Weist der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zur Nachqualifizierung zum NotSan an, sind die insoweit entstehenden Kosten vom Arbeitgeber zu zahlen. Ausbildungsträger – Haftung • Haftung: – Ausbildungsvertrag besteht zwischen Schüler und Ausbildungsträger! – Ausbildungsträger setzt Schulen, LRW, Krankenhäuser als Erfüllungsgehilfen ein: diese helfen, die Verpflichtung des Ausbildungsträgers zur planmäßigen, sachlichen und zeitlichen Gliederung der Ausbildung umzusetzen - Ausbildungsträger haftet für Fehlverhalten durch Schulen, LRW, Krankenhäuser wie für eigenes Verschulden! Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Schulen - Aufgaben • Aufgaben (§ 5 Abs. 2 und 3 NotSanG) – Koordination und Organisation des theoretischen und praktischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung – Ansprechpartner für Schüler – Durchführung theoretischer und praktischer Unterricht – Praxisbegleitung für praktische Ausbildung (Praxisanleitung durch LRW/Krankenhäuser) – kann selbst Ausbildungsträger sein Schulen - Anerkennung • Erstmalige Anerkennung (§ 6 NotSanG) setzt voraus: – Leitung: hauptberuflich, Hochschulabschluss – Lehrkräfte: ausreichende Anzahl (vglb. KrPfl. 15/1); Hochschulabschluss – Erforderliche Räume und Lehr-/Lernmittel – prakt. Ausbildung an genehmigter LRW/ geeignetem Krankenhaus muss durch entsprechende Vereinbarungen sichergestellt sein Schulen – Weitergeltung • Weitergeltung der Anerkennung von staatlich bereits anerkannten Schulen (§ 31 NotSanG): – vor Inkrafttreten des NotSanG bereits staatlich anerkannt und – keine Rücknahme der Anerkennung, • wenn innerhalb von 5 Jahren Eignung der Leitung nachgewiesen • wenn innerhalb von Jahren 10 Eignung der Lehrkräfte nachgewiesen • wenn innerhalb von 1 Jahr nachgewiesen, dass prakt. Ausbildung sichergestellt ist oder … Schulen – Weitergeltung • Bestandsschutz (§ 31 Abs. 3 NotSanG): – Eignung der Leitung und Lehrkräfte gilt als erfüllt, wenn durch Personen, die bei Inkrafttreten des NotSanG: • eine Schule leiten • als Lehrkräfte an einer Schule unterrichten • über Qualifikation zur Leitung/Tätigkeit als Lehrkraft an Schule verfügen, oder • Weiterbildung zur Leitung einer Schule oder zur Lehrkraft an Schule teilnehmen und diese bis 01.01.2015 abschließen Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Ausbildungsziel • § 4 Abs. 1 NotSanG „Die Ausbildung zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermitteln. Dabei sind die unterschiedlichen situativen Einsatzbedingungen zu berücksichtigen. Die Ausbildung soll die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter außerdem in die Lage versetzen, die Lebenssituation und die jeweilige Lebensphase der Erkrankten und Verletzten und sonstigen Beteiligten sowie deren Selbständigkeit und Selbstbestimmung in ihr Handeln mit einzubeziehen.“ Ausbildungsziel • Das Allgemeine Ausbildungsziel wird in Abs. 2 konkretisiert: – Eigenverantwortliche Durchführung • § 4 Abs. 2 Nr. 1 NotSanG – Im Rahmen der ärztlichen Mitwirkung • § 4 Abs. 2 Nr. 2 NotSanG – Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und Menschen • § 4 Abs. 2 Nr. 3 NotSanG Kompetenzen • § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c NotSanG „Durchführen medizinischer Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz und dabei Anwenden von in der Ausbildung erlernten und beherrschten, auch invasiven Maßnahmen, um einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind,“ • Erweiterung der Kompetenzen ggüb. RettAss? Kompetenzen – eigenverantwortlich • Eigenverantwortliche Durchführung – Invasive Maßnahme durch NotSan wie durch RettAss tatbestandliche Körperverletzung -> strafrechtliche Rechtfertigung nötig! – Rechtfertigung durch Einwilligung? • Wenn Verstoß gegen HeilprG, dann keine Einwilligung möglich (vgl. § 134 BGB) Kompetenzen – eigenverantwortlich • Verhältnis RettAssG/NotSanG und HeilprG – Lex posterior? – Lex specialis (vgl. ArbG Koblenz Urt. v. 07.11.2008 2 Ca 1567/08)? – Gesetzesbegründung NotSanG: „In besonderen Fällen erweitern sich die Anforderungen an den Umfang der Tätigkeiten [...]. Dann wird [...] erwartet, dass sie oder er invasive Maßnahmen anwendet. [...] Es muss sich um eine konkrete Gefährdungssituation handeln, die insbesondere voraussetzt, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig anwesend sein kann. In diesem Fall dient die Übernahme der eigentlich heilkundlichen Tätigkeiten, die der ärztlichen Behandlung vorbehalten wären, dem Schutz des Lebens oder der Gesundheit der Patientin oder des Patienten als besonders hohem Schutzgut. Die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten ist zeitlich befristet. Sie besteht nur bis zum Eintreffen einer notärztlichen oder sonstigen ärztlichen Versorgung.“ Kompetenzen – eigenverantwortlich • HeilprG tritt nicht hinter RettAssG/NotSanG zurück • keine Erlaubnis nach HeilprG • HeilprG anwendbar => Strafbarkeit gem.§ 5 HeilprG => keine rechtfertigende Einwilligung in die Körperverletzung wg. § 134 BGB möglich • Rechtfertigung nur durch § 34 StGB: rechtfertigender Notstand (Notkompetenz) (vgl. Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum NotSanG) Kompetenzen – Mitwirkung • Im Rahmen der Mitwirkung – Vertikale Arbeitsteilung: Delegation und Weisung • Assistenz bei ärztlichen Maßnahmen • Einzelfalldelegation in Anwesenheit eines Arztes • Generaldelegation des ÄLRD/verantwortlicher Arzt Mitwirkung – Einzelfalldelegation • Der Arzt überträgt nach Diagnosestellung konkrete Maßnahme zur eigenständigen Durchführung heilkundlicher Maßnahmen bei ärztlicher Anwesenheit (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. b NotSanG) • Die Delegation ist zulässig, wenn: – Maßnahme nicht ausschließlich dem Arzt vorbehalten ist, die Maßnahme also spezifische ärztliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert => diagnostischen/therapeutischen Entscheidungen delegierbar – durch die Delegation das Risiko für den Patienten nicht erhöht wird Mitwirkung – Generaldelegation • ÄLRD/ verantwortlicher Arzt gibt standardmäßig bei von ihm bestimmten Notfallbildern/-situationen eine eigenständige Durchführung von heilkundlichen Maßnahmen durch den NotSan vor • Auswahl der Standardsituationen obliegt dem ÄLRD/ verantwortlichen Arzt => weitreichende auf den konkreten Rettungsdienstbereich abgestimmte Handhabung möglich! • Durchführung der Maßnahme durch NotSan setzt Beurteilung des Zustands durch NotSan voraus => Delegation der Diagnosestellung/qualifizierte Ersteinschätzung Delegation - Rechtsfolgen • Rechtsfolgen bei rechtmäßiger konkreter wie generalisierter Delegation: – Kein Verstoß gegen HeilprG, weil keine selbstständige Ausübung der Heilkunde durch NotSan – Keine tatbestandliche Körperverletzung wegen mutmaßlicher Einwilligung ggü. Arzt die NotSan umfasst – Verantwortung bleibt beim delegierenden Arzt! Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Wann brauchen wir den NotSan? • Einsatz des NotSan ist Regelung der Berufsausübung und damit eine Aufgabe der Bundesländer • Einsatz von NotSan muss in den Landesrettungsdienstgesetzen vorgesehen werden • Regelungen sind in den nächsten Monaten zu erwarten… Beispiel: Thüringen • Gesetzesentwurf, Inkrafttreten voraussichtlich zum 01.01.2015 • Aufnahme des NotSan in das ThürRettDG § 14 Abs. 4 Satz 1 ThürRettG (neu): „Die Zentrale Leitstelle ist [...] mit mindestens zwei Leitstellendisponenten zu besetzen, wovon eine Person die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ nach den §§ 30 oder 32 Abs. 1 des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) [...] oder „Notfallsanitäter“ im Sinne des § 1 NotSanG besitzen muss.“ Beispiel: Thüringen • Besetzung der Rettungsmittel § 16 Abs. 2 ThürRettG (neu): „[...] Dabei müssen die in der Notfallrettung eingesetzten Rettungsfahrzeuge mit mindestens einem Rettungsassistenten im Sinne des § 1 des Rettungsassistentengesetzes vom 10. Juli 1989 (BGBl. I S. 1384) in der jeweils geltenden Fassung oder Notfallsanitäter im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 besetzt sein. [...]“ • Übergansregelung (i.d.F des Innenausschusses) § 34 Abs. 3 ThürRettG (neu): „Der Einsatz von Rettungsassistenten nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und § 16 Abs. 2 Satz 2 ist bis einschließlich 31. Dezember 2022 zulässig.“ Roter Faden • • • • • • • Gesetzgebungskompetenz Struktur Ausbildungsträger Schulen Kompetenzen Einsatz der NotSan Überleitung Ausbildung zum RettAss • § 32 NotSanG „(1) Eine Ausbildung zur Rettungsassistentin oder zum Rettungsassistenten, die vor Außerkrafttreten des Rettungsassistentengesetzes vom 10. Juli 1989 (BGBl. I S. 1384), das zuletzt durch Artikel 19 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686) geändert worden ist, begonnen worden ist, wird nach den Vorschriften des Rettungsassistentengesetzes abgeschlossen. Nach Abschluss der Ausbildung erhält die antragstellende Person, wenn die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nummer 2 und 3 vorliegen, die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Rettungsassistentin“ oder „Rettungsassistent“ zu führen.“ […] Weiterqualifizierung […] „(2) Eine Person, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes eine mindestens fünfjährige Tätigkeit als Rettungsassistentin oder Rettungsassistent nachweist, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nummer 2 und 3 die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Notfallsanitäterin“ oder „Notfallsanitäter“ zu führen, wenn sie innerhalb von sieben Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die staatliche Ergänzungsprüfung besteht.“ […] Vom RettAss zum NotSan... […] Satz 1 gilt entsprechend für eine Person, die bei Inkrafttreten des Gesetzes 1.eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Rettungsassistentin oder Rettungsassistent nachweist und zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung an einer weiteren Ausbildung von 480 Stunden teilgenommen hat oder 2.eine geringere als eine dreijährige Tätigkeit oder, bei Personen nach Absatz 1, keine Tätigkeit als Rettungsassistentin oder Rettungsassistent nachweist und zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung an einer weiteren Ausbildung von 960 Stunden teilgenommen hat. […] Eine Person […] erhält […] die Erlaubnis[…], wenn sie innerhalb von sieben Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die staatliche Prüfung besteht.“
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