SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Dietmar Bartsch (LINKE), Vorsitzender der Bundestagsfraktion, gab heute, 26.01.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Bundestag beschließt Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 26.01.2017 Bartsch (LINKE): Afghanistan ist für Mali die "Blaupause" Baden-Baden: Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sieht für die UNBlauhelmmission in Mali ein Scheitern des internationalen Einsatzes wie in Afghanistan heraufziehen. Im SWR-Tagesgespräch sagte Bartsch, für die Verhältnisse in Mali seien die heutigen Zustände in Afghanistan mit der Wiederkehr der Taliban und dem fortgesetzten Staatszerfall offensichtlich die "Blaupause", Deshalb sei eine Zustimmung seiner Fraktion zur geplanten Ausdehnung des Bundeswehrkontingents ausgeschlossen. Er sei dafür, dass die Linke künftig "jeden Einzelfall" einer Mission daraufhin prüfe, ob deutsche Soldaten - wie seinerzeit etwa beim Einsatz zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen- daran teilnehmen könnten, sagte Bartsch. Die Zeit der "Kriegseinsätze" müsse aber "vorbei" sein. Er sei sicher, dass es im Fall einer rotrotgrünen Bundesregierung für viele Abgeordnete der SPD und "auch für Martin Schulz eine Befreiung" sein werde, wenn dank der Linken eine andere außenpolitische Linie eingeschlagen werde. Wortlaut des Live-Gesprächs: Geissler: Heute hätten Sie im Parlament eine echte Chance, für das Ziel Rot-Rot-Grün einen Pflock einzuschlagen und zu sagen, beim Thema Auslandseinsätze kann sich die Linke auch bewegen: In diesem Fall stimmen wir zu. Warum nutzen Sie diese Gelegenheit nicht? Bartsch: Neben unserer grundsätzlichen Kritik, hat das mit Rot-Rot-Grün ja nichts zu tun. Das ist ein Einsatz, der von Frau von der Leyen und von Frau Merkel in besonderer Weise vorangetrieben wird. Hier ist es wichtig, dass auch im Parlament sich die Position der Menschen in Deutschland widerspiegelt. Denn es ist ja nicht so, dass es dort eine hundertprozentige Zustimmung gibt, sondern deutliche Ablehnung. Aber in der Sache selbst: In der Anmoderation wurde zu Recht gesagt, es ist eine der gefährlichsten Einsätze. Ich kann dann nur sagen, einmal nach Afghanistan geschaut, wie es dort begann, und dann heute ein Résumé gezogen, dann wird man sagen, es war eine falsche Entscheidung, und in Mali drohen wir in eine ähnliche Situation zu kommen. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Geissler: Dieser Einsatz ist gefährlich, hat viele Unwägbarkeiten, keine Frage, aber, jetzt läuft er nun mal seit vier Jahren und die Bundesregierung sagt, wir können uns nicht einfach zurückziehen. Könnten wir das einfach doch, aus Ihrer Sicht? Bartsch: Es geht ja gar nicht um einfach, aber schauen Sie, die Lage verschärft sich jetzt. Erstmalig wird sogar eine Kriegszulage gezahlt. 110 Euro, das sagt ja alles, täglich. Das sagt ja alles über die Einschätzung, die selbst in der Bundesregierung vorliegt. Geissler: Das ist ja das Gefährdungspotential für die Soldaten, aber die UNO warnt: Ein Abzug der Internationalen Truppe aus Mali würde bedeuten, dass der Staat vollends zerfällt, wir also eine Art neues Somalia oder Libyen bekämen. Würden Sie das in Kauf nehmen, für einen Abzug? Bartsch: Wissen Sie, der Punkt ist doch, lassen Sie uns nach Afghanistan schauen. Da haben wir eine Blaupause. Die Lage dort ist eine Katastrophe. 2002 wurden wir beschimpft, als wir gesagt haben, dass ist ein Fehler. Heute gibt es niemanden mehr, der nicht sagt, es ist eine falsche Entscheidung gewesen. Wir haben dort Milliarden für Krieg ausgegeben. Wir haben tote Zivilisten, Zehntausende. Wir haben über 50 tote Bundeswehrsoldaten. Jetzt kommt die Taliban zurück, das Land zerfällt, der Mohnanbau ist so hoch wie noch nie. Geissler: Alles mag stimmen, was Sie sagen. Aber sorry, das worauf sie abheben, ist doch, sozusagen, verschüttete Milch. Ich stell mir einfach die Situation vor, dass Sie am Kabinettstisch von Martin Schulz sitzen und frage Sie, würden Sie dort nur dann bleiben, wenn der Mali-Einsatz und alle Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden? Bartsch: Was mich interessieren würde, ist, wie Martin Schulz zu diesen Einsätzen steht. Das ist, finde ich, eine interessante Frage. Geissler: Aber mich würde jetzt interessieren, wie Sie dazu stehen? Bartsch: Ich bin ja sofort dabei. Man braucht die Linke nicht, um die bisherige Politik fortzusetzen. Dafür werden wir uns an keinen Regierungstisch setzen. Selbstverständlich zählt dort auch die Außenpolitik dazu. Wenn wir heute eine Situation haben, 13 Bundeswehrmandate, über 3.000 Soldaten im Ausland, dann kommt dazu, dass Deutschland einer der größten Waffenexporteure ist. Wir tragen mit dafür Verantwortung, dass die Situation bei Flüchtlingen und ähnlichen so ist. Wenn wir das nicht annehmen und hier Schlussfolgerungen ziehen, wenn irgendwer glaubt, die Linke wird das alles so mitmachen, der liegt völlig falsch. Wir brauchen dort eine totale Evaluation, das ist notwendig, und im Übrigen wird es für viele Abgeordnete der SPD und, ich hoffe auch für Martin Schulz, eine Befreiung werden, dass hier außenpolitisch, eine andere Linie gefahren wird. Geissler: Evaluation ist ein gutes Stichwort. Ich zitiere nochmal aus dem einschlägigen Papier ihrer Fraktion. Da steht: „Die Linke lehnt alle Auslandseinsätze, auch mit UNMandat ab, und fordert den vollständigen Abzug der Bundeswehr aus allen Einsatzgebieten.“ Ist das, das ist meine Frage, eine Position, die nicht mehr verhandelbar ist, auch nicht für eine rot-rot-grüne Koalition? Bartsch: In Wahlkämpfe geht man mit klarer Position. Man steht für seine Position und da wirbt man bei den Menschen. Wenn diese Position entsprechende Zustimmung hat, geht man mit denen in Verhandlung. Sie kennen meine Sicht, ich war und bin immer dafür, dass wir jeden Einzelfall prüfen. Ich habe auch schon im Deutschen Bundestag bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen für einen Einsatz gestimmt. Wir haben dort in der Linken immer auch Diskussionen, aber eins muss doch klar sein: Die Kriegseinsätze müssen vorbei sein. Wenn wir endlich mal auf die Ergebnisse schauen, was hat es denn gebracht, ist denn die Welt, seit sich Deutschland dort engagiert, friedlicher geworden. Das Gegenteil ist der Fall. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Geissler: Als vor zwei Jahren die USA im Nordirak Luftangriffe gegen den IS geflogen haben, jenseits der Geschichte mit den Chemiewaffen, als sie Luftangriffe flogen, um die Jesiden zu schützen, da haben Sie hier, an dieser Stelle, die Luftschläge zu diesem Zweck gut geheißen. War das denn kein Kampfeinsatz in Ihren Augen? Bartsch: Schauen Sie, damals hat der IS einen Völkermord an den Jesiden geplant, und mit Hilfe auch der Kurden, insbesondere auch der PKK sind die Jesiden gerettet worden… Geissler: Sie hatten sich gegen Waffenlieferungen an die Kurden gewagt, seiner Zeit. Bartsch: …da ist unterstützt worden, und das war eine richtige Entscheidung. Geissler: Richtige Entscheidung, aber ein Kampfeinsatz dieser Art sollte für die Bundeswehr, entschuldigen Sie, dasw ich nochmal dabei bleibe, indiskutabel bleiben, aus Ihrer Sicht? Bartsch: Ich sage nochmal, Kriegseinsätze der Bundeswehr lehnen wir ab. Und wir müssen mal die Frage stellen, warum kommen wir denn überhaupt auf diese Gedanken, müssen wir nicht unsere Politik grundsätzlich ändern. Eine friedliche Außenpolitik, die dafür sorgt, dass Kampfeinsätze nicht notwendig sind. Es wird immer über den Endpunkt geredet und das ist grundsätzlich falsch… Geissler: Das ist aber die langfristige Perspektive. Bartsch: …wenn wir keine Veränderung vollziehen, wenn wir nicht endlich aufhören, wir stellen dann Soldaten, liefern vorher Waffen, möglichst an alle Konfliktparteien. Wir sorgen mit unserer Wirtschaftspolitik dafür, dass die Konflikte so kommen, und dann wollen wir überall Weltpolizist sein? Nein, das ist völlig falsch. Wenn wir alle Konflikte militärisch etwa befrieden wollen, liegen wir völlig falsch. Eine andere Politik auf wirtschaftlicher Seite und eine Korrektur auch in der Außenpolitik ist notwendig. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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