Trump macht Ernst

Welt und Werk
WILLY SAEGER/ULLSTEIN BILD
Mit der Entstehung des Imperialismus geriet die literarische Gattung
Drama in die Krise. Die aktuelle Zuspitzung sozialer Widersprüche bietet die Chance seiner Renaissance.
Zum ­historischen Verhältnis von Drama und Theater. Von Jens Mehrle
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GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 26. JANUAR 2017 · NR. 22 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT
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»Anti-IS«-Offensive auf Mossul:
Kriegsverbrechen, über die niemand berichtet. Interview
»Unverschämte Märchenstunde«:
ATTAC-Streitgespräch über das
Freihandelsabkommen CETA
François Fillon will Präsident von
Sollte sie nicht auch den Nobelpreis
Frankreich werden. Seine Gattin
bekommen? Neue Literatur zur
wird schon ordentlich alimentiert
Sängerin Joni Mitchell
Erneut HDP-Abgeordnete
festgenommen
Razzia bei
Reichsdruiden
Istanbul. Gleich vier Abgeordnete
der linken und prokurdischen Oppositionspartei HDP wurden am Mittwoch in der Türkei vorübergehend
festgenommen. Die Abgeordneten
Osman Baydemir, Ahmet Yildirim,
Imam Tascier und Mehmet Emin
Adiyaman wurden wegen laufender
Strafverfahren unter anderem wegen vermeintlicher Beleidigung von
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zwangsweise zum Verhör den
Staatsanwaltschaften vorgeführt.
Unterdessen wurde der unter Terrorismusvorwürfen seit November
inhaftierte und abgesetzte Oberbürgermeister der Stadt Mardin, Ahmet
Türk, aus dem Gefängnis von Elazig in das örtliche Universitätsklinikum verlegt. Der 74jährige Politiker
hat einen Herzschrittmacher und
leidet an Diabetes. Das Institut für
Rechtsmedizin verlangte daher vor
kurzem die Freilassung Türks aufgrund gesundheitlicher Probleme.
Nick Brauns
PAUL ZINKEN/DPA- BILDFUNK
Länderübergreifende
Durchsuchungsaktion: Waffen
und Munition bei mutmaßlichen
Rechtsterroristen gefunden.
Von Claudia Wangerin
E
»Reichsbürgern« pflegt und im Internet offen antisemitische Vernichtungsphantasien verbreitete. Laut SWR gilt
er als Hauptbeschuldigter, als Quelle
wurden »Sicherheitskreise« angegeben. Bei der genannten Person aus dem
baden-württembergischen Schwetzingen kann es sich nur um Burghard B.
alias »Burgos von Buchonia« handeln.
Die Bundesanwaltschaft hat allerdings
in ihrer Pressemitteilung keine Namen
genannt und wollte mit Blick auf die
laufenden Ermittlungen vorerst keine
weitergehende Auskunft erteilen.
Burghard B. selbst hat jedoch in
der Öffentlichkeit kein Blatt vor dem
Mund genommen – er machte in ähnlicher Form auf sich aufmerksam wie
die Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe »Oldschool Society«, die
zur Zeit in München vor Gericht stehen. Sein Facebook-Profil beinhaltet
Sprüche wie »Antisemit ist, wer sich
das Denken nicht verbieten lässt«;
eine Art Stellenanzeige im Reichs-
bürgerstil teilte er dort bereits im August 2015: »Juristen gesucht – für den
deutschen Volksgerichtshof«. Tagesschau.de veröffentlichte am Mittwoch
außerdem einen Screenshot mit dem
eindeutigen Gewaltaufruf des Judenhassers mit dem weißen Rauschebart:
»Scheiß auf Kollateralschäden. Vernichte die, welche du für deine Feinde
hältst. Beginne noch heute.« Darunter hatte er am Dienstag geschrieben:
»Schweineköpfe in jede Synagoge, Moschee und jede Dönerbude.
Schlachthöfe können liefern.« Nach
Informationen des SWR wurden bei
der Razzia in Schwetzingen aber auch
Waffen und scharfe Munition gefunden – ebenso in Rietz-Neuendorf in
Brandenburg. An der Durchsuchungsaktion waren laut Bundesanwaltschaft
insgesamt rund 200 Polizeibeamte
beteiligt. Trotz des schwerwiegenden
Vorwurfs gegen sechs Personen soll
es zunächst nur zwei Festnahmen gegeben haben.
Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) forderte am
Mittwoch »dauerhaften Ermittlungsdruck auf rechte Strukturen«. Nach
Einschätzung von Sicherheitskreisen
sei die Zahl der gewaltorientierten
Rechten im vergangenen Jahr um etwa
300 auf 12.100 Personen gestiegen,
berichtete der Tagesspiegel. Renner
nannte neben »Kameradschaften«
und Neonaziparteien »Reichsbürger,
religiös Völkische oder rechte Esoteriker« als Gefahr. Sie verwies auf den
Tod des Polizeibeamten, der im Oktober 2016 von einem Reichsbürger in
Georgensgmünd erschossen worden
war. In diesem Fall wird allerdings
auch gegen einen Kollegen des Toten
ermittelt – nach einem Bericht des
Nordbayerischen Kurier am Montag
wegen Verdachts der Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen. Der Mann
und ein weiterer Beamter sollen mit
dem Todesschützen in Kontakt gestanden haben.
Trump macht Ernst
USA: Präsident bekräftigt Grenzwall zu Mexiko. Journalisten bei Protesten verhaftet
W
enige Tage nach seinem
Amtsantritt macht der
neue US-Präsident Donald
Trump mit einem seiner zentralen
Wahlkampfversprechen ernst. Noch am
Mittwoch (Ortszeit) wollte er laut Medienberichten per Dekret den Bau des
Grenzwalls an der Grenze zu Mexiko
anordnen, um Migranten an der Einreise in die USA zu hindern. Allerdings ist
dies zunächst nur eine Absichtserklärung – viele Details des Mauerbaus sind
weiterhin ungeklärt. Nach Trumps Willen soll Mexiko – und nicht Washington selbst – die gigantische Anlage an
der 3.200 Kilometer langen Grenze
finanzieren. Die mexikanische Regierung lehnt dies jedoch strikt ab. Die
Finanzmittel sollen deshalb zunächst
aus der US-Staatskasse »vorgeschossen« werden. Eine offizielle Schätzung
der Kosten liegt bislang nicht vor. Nach
Angaben mancher Experten könnten sie
bei mehr als 20 Milliarden Dollar (18,5
Milliarden Euro) liegen.
Der Staat geht derweil gegen Journalisten vor, die über die Proteste gegen
Trumps Amtseinführung am Freitag
berichtet hatten. Mindestens sechs Berichterstattern droht laut Medienberich-
ten eine mehrjährige Haftstrafe. Wie
die britische Zeitung The Guardian
am Dienstag in ihrer Onlineausgabe
schrieb, sollen die während der Proteste verhafteten Medienschaffenden,
die sich mittlerweile wieder in Freiheit
befinden, wegen »Aufruhrs« angeklagt
werden. Bei einer Verurteilung drohen
bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 25.000 USDollar. Unter den Verhafteten befindet
sich auch ein Mitarbeiter des russischen
Senders RT America.
Jack Keller, Produzent der Webserie
»Story of America«, erklärte gegenüber
Journalisten, er sei insgesamt 36 Stunden festgehalten worden – obwohl er
gegenüber den Beamten erklärt hatte, er
berichte als Journalist von den Demonstrationen.
Die Nachrichtenagentur AP berichtete am Mittwoch zudem, dass sich
zwei Anordnungen im Entwurfsstadium befänden, mit denen eine Wiedereinführung von im Jahr 2015 offiziell
abgeschafften »verschärften Verhörmethoden« und die Wiedereröffnung
geschlossener Geheimgefängnisse des
Auslandsgeheimdienstes CIA vorbereitet werden könnten. (AFP/jW)
US-Index Dow Jones
knackt Rekordmarke
AP PHOTO/RICHARD DREW
Auch in Berlin wurden am Dienstag
von den Verdächtigen genutzte
Räume durchsucht
ine bisher kaum beachtete
Mischszene aus sogenannten
Reichsbürgern und »keltischen
Druiden« war am Mittwoch morgen
Ziel einer länderübergreifenden Polizeirazzia. Wegen des Verdachts auf
Bildung einer rechtsterroristischen
Vereinigung wurden insgesamt zwölf
Wohnungen und weitere Räume in
Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz
und Sachsen-Anhalt durchsucht, teilte
die Bundesanwaltschaft mit. Sechs der
sieben Beschuldigten sollen seit dem
Frühjahr 2016 bewaffnete Angriffe auf
Asylsuchende, Jüdinnen und Juden,
aber auch auf Polizeibeamte als Repräsentanten der Staatsmacht geplant
haben, eine weitere Person gilt als
Unterstützer.
Nach Informationen der Berliner Zeitung, des SWR und des Portals tagesschau.de steht im Zentrum
der Ermittlungen ein Mann, der sich
als Druide bezeichnet, Kontakte zu
WWW.JUNGEWELT.DE
New York/Berlin. Der wichtigste USBörsenindex Dow Jones Industrial
ist am Mittwoch erstmals in seiner
mehr als 130jährigen Geschichte
über die Marke von 20.000 Punkten geklettert. Damit setzte er den
nach dem Wahlsieg des neuen USPräsidenten Donald Trump begonnenen Kursaufschwung eindrucksvoll fort. Kurz nach dem Handelsstart in New York rückte der Index
bis auf 20.033,77 Zähler vor.
Marktbeobachter hatten das Erreichen der Rekordschwelle bereits
erwartet. Der »Dow« hatte zwar
noch nie die Marke übersprungen,
zuletzt war er ihr aber immer wieder nahegekommen. Dies deutet
darauf hin, dass die kapitalistische
Basis in den USA bereits mit
wehenden Fahnen auf den TrumpKurs eingeschwenkt ist, während
die Vertreter des geistig-kulturellen
Überbaus sich weiterhin mit heftigen Angriffen gegen die neue
Administration stemmen. (dpa/jW)
wird herausgegeben von
1.992 Genossinnen und
Genossen (Stand 17.1.2017)
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