ANZEIGE In diesem Heft Titel Familie Die klassische Rollenverteilung ist ökonomisch riskant, in Deutschland aber noch weit verbreitet Debatte Das Jahr 2017 muss für den Feminismus besser werden 10 19 Deutschland Leitartikel Die Fußfessel ist mit dem liberalen Rechtsstaat nicht vereinbar 6 Meinung Kolumne: Der schwarze Kanal / So gesehen: Ein Toast auf Wurstminister Christian Schmidt 8 Deutsche Geheimdienste warnen vor russischer Spionage / Abgasuntersuchung wieder für alle Autos / Bundeswirtschaftsministerium ist baufällig 20 Sicherheit Die politische Beißhemmung im Fall Anis Amri 24 Terrorismus Lassen sich potenzielle Attentäter mithilfe von Fußfesseln überwachen? 28 Essay Eine neue Ära der Informationskriege hat begonnen 30 Rüstung Minister Sigmar Gabriel will Waffenexporte vom Parlament genehmigen lassen 32 Europa Ein Zögling von Silvio Berlusconi soll EU-Parlamentspräsident werden 34 Kriminalität In einem Fall von betrügerischem Emissionshandel glauben die Ermittler, den Drahtzieher gefunden zu haben 36 Parteien Ausgerechnet die Grünen haben ein Frauenproblem 38 Extremismus Der Totalitarismusforscher Steffen Kailitz zum bevorstehenden Ende des NPD-Verbotsverfahrens in Karlsruhe 40 Entwicklung Die Bundesregierung plant einen radikalen Wandel ihrer Afrikapolitik 42 Recht Warum es nach Vergewaltigungsanzeigen so selten zu Verurteilungen kommt 44 Zeitgeschichte Wie Erich Honecker CSU-Chef Franz Josef Strauß in Verhandlungen um den Milliardenkredit für die DDR austrickste 48 Subventionen Die Tagebücher von Kurt Biedenkopf bringen Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich in Bedrängnis 50 70 SPIEGEL-Jahre Briefe kritischer Leser – und die Antworten der Redaktion 52 Gesellschaft Früher war alles schlechter: Rückläufige Zahl von Abtreibungen / Jogginghosen als moderne Keuschheitsgürtel Eine Meldung und ihre Geschichte Die Mutter eines behinderten Sohnes gab ihr Bundesverdienstkreuz zurück Klischees Was die EU uns an Geschenken macht – und warum es keiner merkt Kolumne Leitkultur 58 59 60 65 Wirtschaft Maut könnte Minusgeschäft werden / Bahn wird pünktlicher / Linde-Aufsichtsrat Wolfgang Reitzle im Visier der BaFin 66 Dieselskandal Volkswagen feiert die Einigung mit der US-Justiz, doch ausgestanden ist die Betrugsaffäre noch längst nicht 68 Bergbau Die RAG hat ihr Problem mit giftigen Abwässern nicht gelöst 71 Konsum Craft-Beer-Pionier Greg Koch verrät, wie er Deutschland für Feinkostbier begeistern will 72 Landwirtschaft Die Politik hat die Gefahren durch Überdüngung lange ignoriert 74 Luftfahrt Die First Class hat ein Imageproblem – sie gilt einfach als zu teuer 76 Presserecht Die Komikerin Carolin Kebekus wehrt sich gegen Berichte über ihr Privatleben – warum eigentlich? 77 Ausland Lesen Sie den SPIEGEL doch mal hier: Analyse: Der vermeintliche Pressedeal des israelischen Premiers Netanyahu / Setzte Indiens Regierungspartei Trolle ein, um Gegner zu diffamieren? 80 USA Der Narzisst im Weißen Haus – wie tickt, was treibt Donald Trump? 82 SPIEGEL-Gespräch mit Trump-Berater Newt Gingrich über den zukünftigen Kurs des neuen Präsidenten 88 Affären Das Trump-Dossier und seine Folgen 90 Türkei Die Entlassungen beim Militär nach dem Putsch werden zum Problem für die Nato 92 Sport Fußball könnte auch Olympia überholen / Magische Momente: Anni Friesinger-Postma über ihren legendären Sturz bei Olympia 95 Doping Interne Dokumente zeigen, wie hilflos selbst die härtesten Fahnder gegen Betrüger sind 96 Wissenschaft Europas Grenzzäune werden Wildtieren zum Verhängnis / 500 Jahre alte Armprothese entzückt Historiker / Kommentar: Keine Schlafmittel für Babys 102 Zeitgeschichte Welches Geheimnis birgt der Nazibunker in Ludwigsfelde? 104 Netzwelt Wenige Fitnesstracker machen fit, alle schlampen mit Nutzerdaten 107 Medizin Lange Wege mit Wehen – die Schließung von Geburtsstationen macht Schwangeren Angst 108 Verkehr Seelenlos auf See – Ingenieure entwickeln das autonom fahrende Schiff 112 Kultur Nazis fälschten „entartete“ Kunst / „The Great Wall“ – China und Hollywood vereint / Kolumne: Zur Zeit 114 Legenden Eine Biografie über Hans Fallada erzählt von der Selbstzerstörung eines Schriftstellers 116 Ökonomie Nobelpreisträger Angus Deaton im SPIEGEL-Gespräch über die Armut, die der Wohlstand produziert 122 Klassik Die Karriere der HolocaustÜberlebenden Zuzana Růžičková 128 Konzertkritik Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie 130 Bestseller Impressum, Leserservice Nachrufe Personalien Briefe Hohlspiegel / Rückspiegel Mein Schiff ® Familienkabine Außen Entdecken Sie den Unterschied: Nur Mein Schiff ® hat Premium Alles Inklusive an Bord. Erfahren Sie mehr in Ihrem Reisebüro, auf www.tuicruises.com oder unter +49 40 600 01-5111. 120 132 133 134 136 138 Wegweiser für Informanten: www.spiegel.de/investigativ DER SPIEGEL 3 / 2017 5 * Im Reisepreis enthalten sind ganztägig in den meisten Bars und Restaurants ein vielfältiges kulinarisches Angebot und Markengetränke in Premium-Qualität sowie Zutritt zum Bereich SPA & Sport, Kinderbetreuung, Entertainment und Trinkgelder. | TUI Cruises GmbH Anckelmannsplatz 1 · 20537 Hamburg · Deutschland Das deutsche Nachrichten-Magazin Leitartikel Der Staat und seine Feinde Die elektronische Fußfessel für Gefährder verstößt gegen Grundprinzipien des Rechtsstaats. 6 DER SPIEGEL 3 / 2017 solche gelten. Die Fußfessel für Gefährder ist eine vorweggenommene Strafe, eine Strafe vor der Tat. Sie schränkt die Freiheit eines Menschen ein und verletzt seine Privatsphäre. Sie ist auch ein Stigma. Der deutsche Rechtsstaat bestraft diejenigen, die gegen ein Gesetz verstoßen haben. Das Urteil fällt ein Richter nach fairer Verhandlung. Doch um als Gefährder eingestuft zu werden, muss man nicht gegen das Gesetz verstoßen haben. Es reicht, wenn die Behörden glauben, man könnte es in Zukunft tun. Es geht um unterstellte Absichten, um die Gesinnung. Das widerspricht der Idee des Strafrechts: Verfolgt und bestraft wird, wer Böses tut, nicht, wer Böses denkt. Dieser Grundsatz wurde in den vergangenen Jahren aufgeweicht, etwa durch das BKA-Gesetz. Es bietet dem Bundeskriminalamt rund 20 Möglichkeiten zur präventiven „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“: von der Rasterfahndung über die Telefonüberwachung bis zum Gewahrsam bei Gefahr. Die rechtlichen Möglichkeiten müssen nur ausgeschöpft werden. Im Fall Amri ist das unzureichend geschehen. Die Fußfessel öffnet die Tür zu verführerischen Gedanken. Wer könnte sie noch tragen? Auffällige Jugendliche, die später zu Schlägern werden könnten? Alkoholiker, die Auto fahren? Rechte, denen man einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim zutraut? Alle, die dem Staat und seinen Bürgern – vielleicht, irgendwann – gefährlich werden könnten? Alle seine Feinde? Ein Staat, der zwischen Freund und Feind unterscheidet, war die Kernidee des Staatstheoretikers Carl Schmitt, des Kronjuristen der NS-Zeit. Ein solcher Staat war die Basis für George W. Bushs Krieg gegen den Terror. Für die Feinde galten die Prinzipien des Rechtsstaats nicht mehr: Auch in Guantanamo wurde nicht auf Grundlage von Taten, sondern Annahmen bestraft. Denkt man die Idee der präventiven Fußfessel zu Ende, landet man in Guantanamo. Der Staat muss die Risiken für eine Gesellschaft so weit wie möglich verringern, ganz ausschließen kann er die Gefahr nicht. Die absolute Sicherheit muss eine Illusion bleiben. Zu versuchen, sie zu verwirklichen, würde bedeuten, den liberalen Rechtsstaat und seine Prinzipien zu opfern. Das Risiko ist der Preis unserer Freiheit. Er ist manchmal unerträglich hoch. Eine liberale Demokratie muss ihn zahlen. Martin Knobbe RETO KLAR E s gibt Erfindungen, die ihre Erfinder später bereuen. Michail Kalaschnikow, der Entwickler des berühmten Sturmgewehrs, soll dazugehören, oder Robert Propst, der Designer des „Office Cubicle“, der umsteckbaren Bürowabe. Er hat die letzten Jahre seines Lebens damit verbracht, sich dafür zu entschuldigen, welch grauenhafte Arbeitslandschaften er ermöglicht hat. Auch die Brüder Robert und Kirkland Gable, zwei Psychologieprofessoren, zeigten sich beschämt, was aus ihrer Idee wurde. Sie hatten in den Sechzigerjahren ein Gerät entwickelt, mit dem jugendliche Straftäter überwacht wurden. Die elektronische Fußfessel sollte helfen, die Täter wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Wer sich an Auflagen hielt, wurde belohnt, etwa mit einer Karte für ein Baseballspiel. Heute tragen in den USA zum Beispiel entlassene Sexualstraftäter den Empfänger am Bein. Bewegen sie sich etwa außerhalb eines bestimmten Gebiets, kommt die Polizei. Die Fußfessel ist zu einem Instrument der Überwachung und Bestrafung geworden, sie dient auch der Warnung: Seht her, dieser Mann könnte Böses im Schilde führen! Nun sollen nach dem Willen der Großen Koalition in Deutschland auch Menschen, die der Staat für mögliche künftige Straftäter hält, eine solche Fessel tragen. Nach dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz ist der Ruf nach schärferen Gesetzen verständlich. Ein terroristischer Anschlag erschüttert einen Staat in seinen Grundfesten. Er konnte das Leben seiner Bürger und Gäste nicht schützen. Der Vertrauensverlust ist das Schlimmste, was ihm passieren kann. Deshalb ist es richtig zu fragen, warum gegen den Attentäter Anis Amri nicht die Abschiebungsanordnung nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes erlassen wurde. Warum ihn die Behörden an der langen Leine ließen. Warum sie seine Gefährlichkeit unterschätzten. Gesetze müssen konkretisiert werden. Gefährlich wird es, wenn die vorgeschlagenen Reformen den Rechtsstaat infrage stellen. Die Kategorie Gefährder steht in keinem Gesetz, sie ist ein Arbeitsbegriff der Polizei. Sie bezeichnet eine Person, der man „politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zutraut. So pauschal, so schwammig. Wen sie als Gefährder einstuft, entscheidet jede Landespolizei selbst. Viele Gefährder wissen nicht einmal, dass sie als
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