Neujahrsempfang der Stadt Villingen

Neujahrsempfang der Stadt Villingen-Schwenningen im Theater am Ring,
Sonntag, 08.01.2017
Rede von Oberbürgermeister Dr. Rupert Kubon
Als ich vor einigen Wochen das Programm zum 1200-jährigen Jubiläum der urkundlichen
Ersterwähnung von Schwenningen, Tannheim und Villingen auf einer Pressekonferenz
vorstellte, gab es viele Fragen zu den geplanten Feiern. Geburtstagsfeste können je nach
Alter und Lebensperspektive sehr verschieden ausfallen. Denkt der 18-Jährige vor allem
daran, was er nun mit dem Erwachsenenalter alles für Möglichkeiten hat, fällt der Blick der
Achtzigjährigen eher in die Vergangenheit. Je nach persönlicher Lebenssituation fallen die
Feste üppig oder bescheiden und manchmal ganz aus. Daran musste ich auch denken, als
ich vor einigen Tagen in einem Zeitungsinterview nach dem Zusammenhang zwischen
meinem sechzigsten Geburtstag und dem Stadtjubiläum in diesem Jahr gefragt wurde.
Nun, mit meinem eigenen Geburtstag will ich Sie nicht langweilen, aber die Frage, warum
und wie wir den 1200sten Jahrtag der urkundlichen Ersterwähnung unserer Stadt in diesem
Jahr feiern, sollte beantwortet werden. Die Beschlüsse für dieses Jubiläum wurden ja, außer
in Tannheim, eher zurückhaltend im Gemeinderat gefasst und auch das zunächst
angedachte Budget hat man deutlich zusammengestrichen. Der Vorschlag für dieses Fest
kam nicht aus der Bürgerschaft und nicht aus dem Gemeinderat. Es war schlicht der Blick in
den stadtgeschichtlichen Kalender. Hätte es ein wissenschaftliches Symposium und eine
nette Festveranstaltung unter Beteiligung unserer Stadtmusiken nicht getan, um dann zur
Tagesordnung überzugehen?
Ich denke nicht, denn die Tatsache, dass wir uns dieser urkundlichen Ersterwähnung mit
einer -sagen wir- gewissen Zurückhaltung nähern, hat Gründe, die in der Identität unserer
Stadt liegen, und genau diese besondere Identität unserer Stadt ist es wert, dieses
gemeinsame Ereignis vor 1200 Jahren gemeinsam zu feiern. Vor 18 Jahren zelebrierten wir
in Villingen die tausendjährige Wiederkehr der Verleihung des Markt-, Münz- und Zollrechtes
durch Kaiser Otto III an den Grafen Berthold von Zähringen. Es war ein umfassendes
Festjahr, für welches allein die Stadt schon damals mehr Mittel aufwendete, als es in
diesem Jahr der Fall sein wird. Die Hundertjahrfeier der Stadterhebung Schwenningens vom
ehemals größten Dorf Württembergs im Jahr 2007 wurde hingegen weitaus bescheidener
begangen, und das lag sicherlich nicht nur daran, dass eben die 100 Jahre Schwenningens
gemeinhin in keinem Vergleich zu den 1000 Jahren Villingens stehen.
Die Art und Weise wie man ein Stadtjubiläum feiert, hat nicht nur etwas mit der erreichten
Jahreszahl zu tun, sondern damit, wie wir unsere Stadt verstehen, wie wir sie betrachten,
und welche Bedeutung ihrer Vergangenheit wir künftigen Entwicklungen beimessen. Und
wenn, wie bei uns, das Verständnis eines Jubiläums, eines Geburtstagsfestes je nach
Stadtbezirk recht unterschiedlich ausfällt, ist es leicht nachvollziehbar, dass sich ein
gemeinsames Jubiläum in unserer Stadt nun einmal schwer tut.
Aber gerade da kann so ein gemeinsames Fest eine ganz besondere Chance sein, ein Fest,
welches ganz andere neue Blickwinkel eröffnet, die sich vielleicht nicht auf Anhieb
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erschließen, ein Fest, das aber auch an neue Ideen heranführt, ohne dabei auf traditionelle
Formen des Feierns wie z. B beim Zähringer Narrentreffen Ende des Monats zu verzichten.
Dieses ungewöhnliche Jubiläum gibt uns 1200 Jahre, nachdem Villingen, Schwenningen
und Tannheim eher zufällig in einer gemeinsamen Urkunde auftauchen, die Möglichkeit
eben genau deshalb, eben genau wegen dieses Zufalls darüber nachzudenken, was unsere
gemeinsame Stadt heute 45 Jahre nach ihrer Gründung ausmacht. Damals war es die
willkürliche Entscheidung eines Herrschers, vor 45 Jahren war der Zusammenschluss
Ergebnis mehrheitlichen Bürgerwillens und heute?
Der Zeitpunkt für dieses Fest kommt passend, das Jubiläum lädt ein zu Reflektion und bietet
sich an als eine Art Zukunftswerkstatt. In vier Tagen will die KGSt ihren Entwurf einer
strategischen Zielplanung für Villingen-Schwenningen vorlegen und im Sommer erwarten wir
das auf den gleichen Grundlagen und unter Bürgerbeteiligung entwickelte Leitbild für unsere
Stadt.
Wo stehen wir? Und welche Perspektive ergibt sich aus diesem Erfahrungsschatz heraus
um neue realistische Ziele für die Zukunft zu benennen. Was können und wollen wir
umzusetzen?
Wenn es um die Standortbeschreibung geht, muss ich an manchen Leserbrief, manche
Zusendung und manches E-Mail denken, Meinungsäußerungen, die so im Laufe eines
Jahres auf meinen Schreibtisch flattern.
Wenn man das glaubt, sieht es derzeit es wirklich düster aus und entsprechend schlecht
wären die Perspektiven: War nicht früher alles besser, es geht uns so schlecht wie noch nie.
Wir werden von allen anderen, ob von der Landesregierung, den Nachbarstädten, den
Bewohnern in Villingen oder Schwenningen, von den großen oder kleinen Stadtbezirken,
vom Gemeinderat oder der Verwaltung oder den Bürgern – ja nach eigenem Standpunkt
übers Ohr gehauen, hereingelegt, gar betrogen oder schlicht wenigstens missachtet. Es
scheint wenig zu interessieren, ob dieses sehr subjektive Bauchgefühl der Wirklichkeit
entspricht.
Ich möchte mich gerade aus Anlass unseres Jubiläums doch an den Fakten orientieren, und
ich lade dazu ein, gleiches zu tun. Ich hatte schon vor einem Jahr im Zusammenhang mit
dem großen Flüchtlingsstrom eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Verfasstheit
unserer Stadt gemacht. Ich hatte dies unter dem Vorzeichen getan, dass wir eine
Zuwanderungsstadt sind, dass unser Einwohnerzahl wächst, derzeit leben in unserer Stadt
mit Haupt- und Nebenwohnsitz knapp 90.000 Menschen, und dass wir aus der Vielfalt
unserer sich daraus ergebenden Möglichkeiten die anstehenden Herausforderungen mutig
angehen sollten und können. Ich hatte konstatiert, dass wir gut aufgestellt sind, und dass
wir diese Herausforderung gut werden meistern können.
Nach einem Jahr kann ich dies nochmals unterstreichen, zumal sich die Lage unserer Stadt
mehr denn je sehr positiv darstellt. Unser Kernhaushalt weist die niedrigste Verschuldung
seit der Umstellung unseres Haushaltes auf ein Produktbuch und seit der Gründung des
Eigenbetriebes Stadtentwässerung im Jahr 2000 auf. Wir verfügen über die höchsten
Rücklagen in der Stadtgeschichte. Wir haben den höchsten Investitionshaushalt, und trotz
aller, an manchen Stellen ja durchaus verständlichen Kritik, investieren wir in die Bereiche
Bildung und Infrastruktur Summen, die noch nie erreicht wurden. Unsere Hochschulen
wachsen beständig, und wir unterstützen sie dabei in vielfältiger Weise, das fängt bei der
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Kinderbetreuung an und reicht bis zur nachhaltigen politischen Unterstützung der aus
unserer Sicht zwingend notwendigen Erweiterung der Hochschule der Polizei. Wir handeln
bei all dem sehr planmäßig. Denn wir setzen mit einigen Modifikationen genau das um, was
wir geplant haben. Nicht nur das, wir sind sogar auf dem Weg, den ich vor einem Jahr hier
beschrieben habe, noch ein gutes Stück weiter vorangekommen als ursprünglich gedacht.
Wir machen unsere Baden-Württemberg-Stadt, die doch ein wenig anders als andere Städte
ist, zu einem noch stärkeren Standort.
Eine ganz wichtige Entscheidung des letzten Jahres spiegelt das wieder. Nachdem vor vier
Jahren durch einen Bürgerentscheid der Versuch scheiterte, auch für die Verwaltung unserer
Stadt ein zentrales Verwaltungszentrum neu zu errichten, haben wir 2016 den Beschluss
gefasst, unsere Verwaltung in wesentlichen Teilen auf dem Gelände der 2014 verlassenen
französischen Kasernen zu bündeln.
Dabei gibt es zwei sehr wichtige Unterschiede zur Entscheidung vor vier Jahren. Wir haben
in unserem jüngsten Beschluss zum einen festgelegt, dass neben den Bürgerämtern die
Rathäuser in Villingen und Schwenningen in vollem Umfang für Verwaltungszwecke genutzt
werden. Damit bleiben diese Verwaltungsstandorte wie bisher. Das war in der Planung vor
vier Jahren so noch nicht vorgesehen. Und ich finde, das ist gut so. Zum anderen aber
können wir in ganz erheblichem Umfang mit Zuschüssen des Bundes und des Landes
rechnen, da wir in diesem Fall durch die Konversion eines Militärgeländes einen erheblichen
städtebaulichen Missstand beseitigen und darüber hinaus auch noch gemeinsam mit dem
Bündnis für faires Wohnen preisgünstigen Mietwohnraum bereitstellen werden, der
zunehmend nachgefragt ist. Dadurch wird dieses Vorhaben bereits unmittelbar nach seiner
Verwirklichung einen nachhaltig positiven Beitrag für unseren Haushalt und damit für viele
andere Vorhaben leisten.
Bis zur 50-Jahrfeier des Zusammenschlusses von Villingen und Schwenningen in fünf
Jahren sollte der Teil Verwaltungsbündelung fertig sein. Wir haben inzwischen die Altlastenund Schadstoffuntersuchungen auf dem Gelände soweit abgeschlossen, dass wir sicherlich
noch in diesem Monat mit konkreten Kosten in den weiteren Prozess einsteigen können,
und wir sind in den Verhandlungen mit der BIMA hinsichtlich des Kaufpreises, doch schon
so weit, dass ich von einem Abschluss in diesem ersten Vierteljahr ausgehe.
Mit diesem Projekt aber wird nach dem Klinikum vor 4 Jahren, wenn auch in anderer Form
als vor 45 Jahren gedacht, genau das umgesetzt, was sich die Gründungsväter unserer Stadt
damals vorstellten und damit wird die Umsetzung einer Stärkung der jeweiligen Stärken am
jeweils geeigneten Standort und Stadtbezirk in unserer Stadt wieder ein gutes Stück weit
Wirklichkeit.
Auch ein weiteres Vorhaben, unsere neue Stadtteilhalle in Schwenningen, befindet sich im
Bau. Damit setzen wir ein Projekt um, bei dem im Vorfeld vor allem die vielen potentiellen
künftigen Nutzer an einen Tisch geholt wurden, um die Struktur und die Ausstattung des
Gebäudes diesen vielfältigen Bedürfnissen anzupassen. Es war uns wichtig, nichts über die
Köpfe anderer hinweg zu entscheiden, sondern ein Projekt vorzugsweise für die Menschen
im Stadtbezirk Schwenningen, aber damit auch für die ganze Stadt umzusetzen. Gemeinsam
mit der Vertretung der Studierenden, den Hochschulen, dem Jugendforum, der Narrenzunft,
der Stadtmusik und anderen wurde ein Raumprogramm entwickelt, und jetzt an dem von
diesen Gruppen bereits 2008 favorisierten Standort, umgesetzt. Damals, im November
2008, hatte ich den Vereinen mein Wort für dieses Vorhaben gegeben, und auch wenn sich
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das ganze jetzt wegen der globalen Finanzkrise verzögerte, kann ich heute sagen, dass es
gehalten wird.
Villingen-Schwenningen ist ein starker Standort. Das zeigen auch die wirtschaftlichen
Rahmendaten. Wir sind attraktiv für mittelständische Unternehmen. Bei uns arbeiten mehr
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte denn je, die meisten in der Region SchwarzwaldBaar-Heuberg. In den vergangenen zwei Jahren haben wir für die Firma Hechinger eine
zukunftsweisende Entwicklung in unserer Stadt und im benachbarten Dauchingen
sichergestellt, die das Unternehmen langfristig mit seiner Wirtschaftskraft und seinen
Mitarbeitern in unserer Stadt und der Nachbarschaft sichert. Wir haben im letzten Jahr mit
der Jopp-Gruppe ein neues innovatives Unternehmen angesiedelt. Wir haben dem
international tätigen Minebea-Konzern in unserer Stadt eine Entwicklungsperspektive
eröffnet, die die Zahl hochqualifizierter Mitarbeiter weiter wachsen lässt. Wir werden noch in
den ersten Monaten dieses Jahres über die Hälfte des Gewerbegebietes Salzgrube
vermarktet haben und ich spreche hier nur von den städtischen Flächen, so dass wir in
diesem Jahr den Bebauungsplan für den 2. Bauabschnitt angehen müssen. Und- und- und.
Soweit also die nüchternen Zahlen – Daten – Fakten.
Sie kennen das Wort des Jahres 2016: postfaktisch. Gemeint ist eine Haltung bei man bereit
ist, Tatsachen zu ignorieren und sich auf eine gefühlte emotionale Wahrheit einzulassen,
selbst wenn sie eindeutig falsch sein sollte. Genau daran erinnert mich die zuvor
angesprochene Haltung. Gewiss, auch ich will kritische Stimmen sehr ernst nehmen, aber
gleichwohl ist es meine Aufgabe, nein es ist unsere Aufgabe, trotzdem auch andere mit den
Tatsachen zu konfrontieren.
Woher aber kommen die postfaktischen Töne? Woher kommt diese pessimistische
Einschätzung, dass alles den Bach runterginge, und die da oben, egal ob der OB, die
Verwaltung oder der Gemeinderat, wer auch immer, daran schuld seien? Ein Blick über den
großen Teich, den Atlantik, in die drei Staaten Pennsylvania, Michigan und Ohio der USA, die
im wesentlichen Verantwortung für den Sieg Donald Trumps bei den amerikanischen
Präsidentschaftswahlen trugen, gibt uns da vielleicht einige Hinweise.
Diese Staaten zählen bezeichnenderweise zum sogenannten "Rostgürtel", damit sind die
alten Industriestrukturen mit Schwerindustrie, Kohle und Stahl gemeint. Hier hat sich seit
Jahrzehnten ein wirtschaftlicher Niedergang abgezeichnet, der vielen Menschen Sorgen und
Angst macht, und diese Sorgen und Ängste sind berechtigt. Denn schon ein Blick in die
Statistik zeigt, wie etwa allein in den letzten 15 Jahren die Bevölkerungszahlen drastisch
zurückgingen und die Arbeitslosigkeit stieg. Die betroffenen Menschen in diesen Regionen
fühlten sich abgehängt und waren keine Gewinner der guten Wirtschaftsentwicklung der
USA der letzten Jahre. Die Fakten des gesamten Landes widersprachen bei vielen der
Wahrnehmung im eigenen Leben, und deshalb fanden einfache Heilsbotschaften, ob Wahr
oder Unwahr, einen guten Boden.
Denn die Wirklichkeit ist nicht nur weitaus komplizierter, sie zwingt vor allem zur ständigen
und mitunter durchaus auch schmerzlichen Veränderung. Wenn ich mich aber solchen
Veränderungen stelle, habe ich die Chance, sie mitzugestalten. Das reicht vom Thema
Flüchtlinge über den Klimawandel, die Veränderung unserer Industrielandschaft bis hin zu
den konkreten Veränderungen in unserer Stadt, sei es eine älter werdende Bevölkerung, ein
anderes Einkaufsverhalten oder die sich ändernden Bildungsstrukturen. Und wenn jemand
nicht in der Lage ist, aus welchen Gründen auch immer, sich aktiv eben diesen
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Veränderungen zu stellen, ist es meine, ist es Aufgabe politischer Verantwortungsträger,
genau jene dabei möglichst mitzunehmen. Es ist aber nicht Aufgabe, die Veränderung zu
verhindern.
Auch bei uns gibt es Menschen, die sich abgehängt fühlen, für die die Welt völlig aus den
Fugen geraten ist, und die sich nach einer klaren Botschaft sehnen, die ihnen vermeintlich
Sicherheit gibt. Das gilt im Großen, also global oder in Deutschland, es gilt in unserem
Bundesland und es gilt letztlich auch in unserer Stadt.
Und weil das so ist, genügt es auch nicht, die Fakten einfach aufzuzählen, in Grafiken
darzustellen und immer und immer wieder gebetsmühlenartig zu wiederholen. Zwar ist das
wichtig, aber selbst die beste Faktenlage reicht nicht aus, wenn es Menschen gibt, bei
denen sie nicht ankommt.
Deshalb geht es nicht nur um nüchterne Sachverhalte. Es geht darum, durch politisches
Handeln aufzuzeigen, dass alle Menschen auch bei sich verändernden Rahmenbedingungen
mitgenommen werden. Selbst wenn das nicht immer und für jeden gelingen sollte, ist es
wichtig, zumindest diesen Anspruch glaubhaft zu vermitteln und natürlich zu verfolgen.
Wir, die politischen Verantwortungsträger unserer Stadt, sollten uns diesem Anspruch
stellen. Dazu können die strategischen Leitlinien der KGSt, die der Politik und der
Öffentlichkeit seit Beginn dieses Jahres vorgestellt werden, ein wichtiges Hilfsmittel sein.
Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander und sollten künftig unsere Handlungsziele
bestimmen. Es geht darum, die Wirtschaft mit ökologischer Nachhaltigkeit zu verknüpfen,
Gemeinwohl mit berechtigten Interessen von Einzelnen, und es geht um Kommunikation mit
und untereinander. Ich will diese Leitlinien konkret benennen:
1. Wir erhalten und entwickeln weiter die Potentiale und Ressourcen unserer
wirtschaftlichen Unternehmen.
2. Wir setzen die Potentiale und Ressourcen der Bürgerschaft zielgenau ein.
3. Wir orientieren unsere Politik am Gemeinwohl und behandeln ökologische,
ökonomische und soziale Ziele gleichwertig.
4. Wir erschließen die Entwicklungspotentiale unserer Stadt nachhaltig.
Die Bedürfnisse der Generationen, der Armen und Reichen, der Villinger und Schwenninger,
der Weigheimer und Tannheimer stehen, wenn es um die Weiterentwicklung unserer Stadt
geht, gleichwertig nebeneinander. Sie sichern eine Ausgewogenheit zwischen den
verschiedenen Interessensgruppen und sorgen gleichzeitig für ihr erfolgreiches
Zusammenwirken. Auch wenn sich die eigentlichen Ziele verändern mögen, die
Rahmenvorgaben dieser Leitlinien gelten unabhängig davon.
So wird es möglich sein, sich auf notwendige Veränderungen einzulassen, ohne diese aus
Furcht vor möglichen Nachteilen mehr oder minder rundweg abzulehnen.
Die Umsetzung der Leitlinien in unserer Stadt:
I.) Wir erhalten und entwickeln weiter die Potentiale und Ressourcen unserer
wirtschaftlichen Unternehmen.
Erinnern wir uns, was wir schmerzhaft in den achtziger und neunziger Jahren erlebt haben,
als Weltunternehmen wie Kienzle-Uhren oder SABA von der Bildfläche verschwanden, da
gingen nicht nur im Schwarzwald, sondern konkret auch bei uns die Lichter aus. Das
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geschah, weil viele Verantwortliche damals nicht bereit oder in der Lage waren, sich auf
veränderte Rahmenbedingungen einzulassen.
Aber es gab eben doch Einige, die Verantwortung wahrnahmen, und deshalb sind aus
diesen sprichwörtlichen Ruinen neue Kompetenzen, neue Hidden Champions, ist neuer
Wohlstand erwachsen. Genau dies werden wir in einer Ausstellung im
Uhrenindustriemuseum anlässlich unseres Jubiläums in diesem Jahr zeigen.
Doch wir müssen darauf achten, dass wir uns auch künftig den Veränderungen unserer
Wirtschaft stellen. Konkret heißt das beispielsweise, dass wir bei diesen Veränderungen
genau dort unterstützend tätig werden, wo es etwa um einen Wandel der Produkte und der
Produktionsbedingungen geht. Deshalb fördern wir beispielsweise die Hahn-SchickardGesellschaft (Microinstitut), die in den vergangenen 10 Jahren seine Mitarbeiterschaft in
unserer Stadt auf rund einhundert Personen verdoppelt hat und gerade eine siebenstellige
Fördersumme der Europäischen Union und des Landes zugesprochen bekam. Wir beteiligen
uns finanziell an der Schaffung einer neuen Hochschulprofessur Industrie 4.0. Deshalb
setzen wir auf einen engen Austausch mit unseren Unternehmen, was sich etwa auf
unserem Wirtschaftsempfang kumuliert. Dort konnten wir die Ergebnisse unserer im letzten
Jahr erfolgreich durchgeführten Unternehmensbefragung präsentieren, und gerade auch in
Auswertung dieser Befragung investieren wir beispielsweise in den kommenden Jahren
gerade für unsere Unternehmen weitere große Summen in die Glasfasertechnologie. Wir
achten schon heute bei der Ansiedlung von Firmen auf deren Zukunftsfähigkeit, und wir sind
erfolgreich dabei. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen übersteigt seit Jahren die Zahl der
Abmeldungen.
II.) Wir setzen die Potentiale und Ressourcen der Bürgerschaft zielgenau ein.
Zentraler Inhalt dessen ist die Kommunikation innerhalb der Stadtgesellschaft. Sie erweist
sich als besondere Herausforderung. Denn es ist nicht damit getan, einen Account in
Facebook zu haben. Im Gegenteil, echte Kommunikation setzt genügend Zeit und Raum
dafür voraus, und die ist in den sogenannten sozialen Netzwerken nur sehr bedingt
gegeben. Der Grund: Facebook & Co funktionieren auf der Grundlage schneller Fragen,
Antworten und Meinungsbildung. Genau das aber wird den komplexen Anliegen des
Zusammenlebens in einer sehr heterogenen bunten Stadtgesellschaft nicht gerecht.
Deshalb wollen wir verstärkt unsere Stadt-App zur qualifizierten Kommunikation in
Kombination mit unserem Amtsblatt und der städtischen Homepage nutzen. Deshalb setzen
wir auch in Zukunft auf unsere vielfältige Medienlandschaft.
Wie wichtig eine umfassende und sachliche Kommunikation, gerade bei sensiblen und in
unserer Stadt kontrovers diskutierten Themen ist, möchte ich an einem Beispiel
verdeutlichen. Da ereignete sich wenige Tage vor Weihnachten jener schreckliche Anschlag
auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin. Wir sind uns hoffentlich darin einig, dass ein solches
Ereignis letztlich in einer freien offenen Gesellschaft nicht zu verhindern ist, aber wir müssen
alles dafür tun, im Falle eines Falles den möglichen Schaden, vor allen Dingen im Interesse
möglicher menschlicher Opfer, so gering wie möglich zu halten. Und weil es auch schon in
weitaus weniger spektakulären Situationen sehr schnell sehr kritisch werden kann, arbeiten
wir beispielsweise an Sicherheitskonzepten für Kulturnacht und Fasnet. Diese
Sicherheitskonzepte lassen sich nicht mit 140 Zeichen einer Twitter-Nachricht erläutern. Sie
sind komplex und bedürfen der Erläuterung und Abwägung. Der elektronische Shitstorm
jedoch, der in dieser Angelegenheit bereits mehrfach in den letzten Monaten über uns
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hinwegfegte, war erheblich. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, möglichst viele Akteure,
gerade auch Ehrenamtliche, mitzunehmen. Wir versuchen sie intensiv in Prozesse
einzubinden, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen und letztlich auch ein Mitwirken
sicherzustellen.
Deshalb ist uns die Betreuung ehrenamtlichen Engagements in unseren Vereinen und die
Zusammenarbeit mit ihnen so wichtig, deshalb bieten wir hier zielgerichtet Fortbildungen an.
Deshalb binden wir mit unserem neu gewählten und konstitutionierten Jugendgemeinderat
junge Menschen ganz bewusst mit ein und versehen sie mit einem entsprechenden Mandat
in der Arbeit unserer politischen Gremien. Deshalb bemühen wir uns aktiv um die Mitarbeit
der vielen städtischen Vereine, Verbände und Interessengruppen bei der Erarbeitung des
städtischen Leitbildes. Deshalb setzen wir in vielen Fällen, beispielsweise in der Jugendhilfe,
auf das Subsidiaritätsprinzip, indem wir freie Träger intensiv einbinden. Und deshalb
möchten wir beispielsweise auch unsere Bibliotheken zu neuen Kommunikationszentrum
der Bürgerinnen und Bürger entwickeln.
III.) Wir orientieren unsere Politik am Gemeinwohl und behandeln ökologische, ökonomische
und soziale Ziele gleichwertig.
Die Orientierung am Gemeinwohl schließlich findet sich auf allen Feldern unseres
kommunalen Handelns. Wichtigste äußere Entscheidung in dieser Hinsicht war die
Zusammenlegung bisheriger Ämter und Dienststellen zu unserem neuen Amt für Jugend,
Bildung, Integration und Sport. Bereits dieser Name ist Programm und drückt aus, worum es
uns geht. Wir haben damit einen Meilenstein erreicht. Wir wissen, dass Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene nicht nur in Kindergärten, Schulen, und Hochschulen, sondern auch
in ihren Familien oder in ihren Peer-Groups Hilfe brauchen, die wir so in hervorragender
Weise durch verschiedene Instrumente, aber eben eingebettet in eine fachliche
Gesamtkonzeption, anbieten können. Und wir wissen auch, dass es sich hierbei nicht um
Randgruppen handelt, sondern um wenigstens ein Drittel der entsprechenden
Altersgruppen, die hier an der ein oder anderen Stelle angesprochen werden.
Wir betrachten Bildung nicht nur als Wissensvermittlung, sondern als ganzheitliche Aufgabe
am und mit dem Menschen. Deshalb wissen wir auch, dass Bildung ein entscheidender
Faktor der Integration der unterschiedlichsten Menschen aller möglichen Hautfarben und
Ethnien in unserer Stadt ist. Das geht weit über den Spracherwerb hinaus, aber es beginnt
dort. Bildung ist lebenslanges Lernen. Beispielhaft möchten wir das für die Menschen in
unserer Stadt mit einem neuen Bibliothekskonzept in der Stadtbibliothek in Schwenningen
zu einem attraktiven und offenen Bildungszentrum umsetzen. Ein anderes Beispiel ist
unsere Musikakademie, die diesen Ansatz seit über zehn Jahren verfolgt, und der wir im
letzten Jahr eine nachhaltige Zukunftsperspektive eröffnet haben.
IV.) Wir erschließen die Entwicklungspotentiale unserer Stadt nachhaltig.
Die Nachhaltigkeit unserer Stadt schließlich wird uns in den kommenden Jahren an vielen
Stellen weiter begleiten. Ich will nur drei Aspekte konkret benennen.
1.) Der öffentliche Personennahverkehr. Wie Sie wissen arbeiten wir intensiv daran, den
ÖPNV ab dem Jahr 2019 zu einer wirklichen Alternative für unsere Bürgerinnen und Bürger
in der Stadt zu machen. Wir setzen dabei darauf, die Takte so zu verbessern, dass wirklich
alle wichtigen Verbindungen wenigstens in einem 15-Minutentakt erreichbar sind. Wir
wollen flächendeckend ein einheitliches Erscheinungsbild unserer Busse. Wir möchten auch
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in Randzeiten Qualitäten schaffen, die mehr als der bisherige Rufbus wirklich auch von
jedem Menschen leicht angenommen werden können und wir streben
Nachtbusverbindungen an. Und schließlich soll unser ÖPNV verlässlich sein, und
beispielsweise keine Ausfälle während der Schulferien mehr haben.
2.) Die Bündelung unserer Verwaltung sehen wir auch als weiteren wichtigen Schritt hin zur
ökologischen Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung. Wir wollen an den neuen alten
Gebäuden hochwertige ökologische Standards verwirklichen und wir möchten auch was die
Verkehre unserer Bediensteten anbetrifft Anreize schaffen, auf die Nutzung des eigenen
Autos zu verzichten. Auch wenn wir hier noch in einem sehr frühen Stadium sind, haben wir
bereits jetzt mit ersten Überlegungen begonnen, hier auch zukunftsweisende Konzepte
künftig umzusetzen.
3.) Wir werden zum Oberzentrum in Deutschland mit der innovativsten öffentlichen
Beleuchtung. Durch die Umgestaltung unserer Straßenbeleuchtung in den kommenden zwei
Jahren werden wir in erheblichem Umfang die Kosten und den öffentlichen Stromverbrauch
unserer Stadt reduzieren. Allein die Stromeinsparung der Straßenbeleuchtung wird dabei
dem gesamten Stromverbrauch beispielsweise einer Ortschaft von der Größenordnung
Rietheims entsprechen. Auch hier sehen wir diese Maßnahme als Initialzündung für andere
Projekte bei denen es darum geht, ökologische Maßstäbe zu setzen.
Damit habe ich vier Leitlinien für unsere weitere kommunale Arbeit skizziert. Meine Damen
und Herren, ich brauchte das Rad nicht neu zu erfinden. Insbesondere meine Ausführungen
aus dem letzten und vorletzten Jahr sehe ich bestätigt, und doch ergeben sich im
Ineinandergreifen dieser Leitlinien vielleicht neue Blickwinkel, in denen sich viele Menschen
wiederfinden können. Das meiste wurde beschlossen und zeigt Schwerpunkte unserer
Arbeit. Vieles befindet sich in der Umsetzung. Ich habe Ihnen eine Roadmap aufgezeigt, eine
Straßenkarte, die uns den Weg zeigt, der die vielen Aspekte verbindet, an denen wir uns
orientieren können.
Eines muss uns aber klar sein, wir brauchen und brauchten schon bisher jeden, um
erfolgreich voranzukommen. Das ist keine One-Man-Show. Ich möchte mich deshalb
bedanken, bei den vielen hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer
Verwaltung, allen voran meinem Vertreter, Ihnen Herr Bürgermeister Bührer, bei unserem
Gemeinderat, der gerade auch im letzten Jahr trotz einzelner Meinungsverschiedenheiten
gezeigt hat, dass ihm die Entwicklung der ganzen Stadt am Herzen liegt. Ich danke den
Unternehmen, die auf diesen Standort setzen und ich danke schließlich allen Menschen in
Villingen-Schwenningen, dass sie jeweils ihren individuellen Beitrag für eine gute
Entwicklung unserer Stadt leisten.
Damit aber will ich zurückkommen auf unsere Geburtstagsfeier, ein Ereignis sollte sich in
diesem Jahr wirklich zum besonderen Fest entwickeln. Es ist unsere geplante lange Tafel
am 16. Juli. Ich möchte Sie alle ganz herzlich einladen, Platz zu nehmen und zu flanieren.
Gibt es ein beeindruckenderes Symbol einer ganzen Stadt mit all ihren Widersprüchen,
Gemeinsamkeiten, Risiken und Chancen, mit ihrer bunten Vielfalt als eine solche tolle
Tischgemeinschaft? Sicher nicht.
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