Elbphilharmonie Laeiszhalle Hamburg

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www.greatest-hits-hamburg.de
WILLKOMMEN!
»Wenn Dir jemand sagt: ›Das geht nicht‹, dann solltest Du genau das tun.«
Ein großer, streitbarer, wundervoller Satz, hingestellt von niemand anderem
als John Cage. Gemeinsam mit seinem nicht minder originellen Kollegen
Morton Feldman steht Cage im Zentrum der aktuellen, vierten Ausgabe
des viertägigen Festivals »Greatest Hits«, zu dem wir Sie herzlich hier auf
Kampnagel begrüßen.
»Das geht nicht« – wenn dieser Satz immer die Oberhand behielte, gäbe es
vieles nicht, an dem wir uns heute freuen. Neue Erfindungen, Ideen, Gebäude,
und wohl auch keine Neue Musik. Wer sich diesem Satz widersetzt, kann
Greatest Hits schaffen. Vielleicht erkennt man ihre ungewohnte Schönheit
nicht beim ersten Hinhören, aber – auch das ein Postulat von John Cage –
dann hört man eben noch einmal hin. Unsere »Greatest Hits« werden jedenfalls auch im elbphilharmonischen Zeitalter weiterklingen.
Wieder haben Elbphilharmonie, Kampnagel und die NDR-Reihe »das neue
werk« gemeinsam ein hochklassiges und vielseitiges Programm auf die
Beine gestellt, das den Bogen spannt von einer Kinderoper über einige der
profiliertesten Neue-Musik-Ensembles unserer Zeit bis hin zu kreativen
Electro-Masterminds. Wir freuen uns auf vier Tage voller Greatest Hits mit
Ihnen!
Christoph Lieben-Seutter Amelie Deuflhard
Generalintendant
Intendantin Kampnagel
Laeiszhalle & Elbphilharmonie
Andrea Zietzschmann
Leitung Bereich Orchester,
Chor und Konzerte des NDR
FESTIVALÜBERSICHT
TAG 1 | DO, 17.11.
18:30 Uhr | K2
19:30 Uhr | K6
22:00 Uhr | K2
Gesprächskonzert: Calder Quartet
Eröffnung: Ensemble intercontemporain & Matthias Pintscher
John Cage: Sonatas and Interludes
TAG 2 | FR, 18.11.
17:00 Uhr | KMH
18:00 Uhr | K4
19:30 Uhr | K2
21:30 Uhr | K1
Klangradar 3000 – Schüler komponieren
Nelly Boyd Ensemble
Bang on a Can All-Stars: Field Recordings
Composer Slam
TAG 3 | SA, 19.11.
11:00 Uhr | P1
15:00 Uhr | P1
16:30 Uhr | K2
18:00 Uhr | K6
19:30 Uhr | K6
23:00 Uhr | KMH
Kinderoper: A House full of Music (ab 5 Jahren)
Kinderoper: A House full of Music (ab 5 Jahren)
Klangradar 3000 – Schüler komponieren
NDR Chor
Ensemble Resonanz & Boyds Elektro Gitarren Orchester
Anna Meredith
TAG 4 | SO, 20.11.
11:00 Uhr | K4
17:15 Uhr | Foyer
18:30 Uhr | K6
19:30 Uhr | K6
21:00 Uhr | K2
Calder Quartet: Feldman Marathon
Wandelkonzert mit 58 Bläsern
Einführungsgespräch
Ensemble Musikfabrik: Sixteen Dances
Autechre
John Cage
Morton Feldman
FREIE GEISTER, FREIE KLÄNGE
Zwei amerikanische Komponisten stehen im Fokus der
aktuellen Ausgabe von »Greatest Hits«: John Cage und
Morton Feldman. Wobei: Was heißt schon Komponist?
Der eine sammelte Pilze und schuf Stücke ohne Noten,
der andere sammelte antike Nomadenteppiche und übersetzte deren Muster in Klang. Verbunden waren sie durch
ihre lebenslange Freundschaft – und durch ihren Rang als
Revolutionäre, die das musikalische Denken ab der Mitte
des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflussten.
Denn eine ganze Reihe musikalischer Neuerungen geht
auf die beiden zurück: die Gleichberechtigung von Klang
und Stille, das Einbeziehen des Zufalls in Komposition und
Interpretation, neue Notationsweisen und – damit einhergehend – ein Höchstmaß an Freiheit für die Ausführenden.
Wie Pierre Boulez, Luigi Nono und Karlheinz Stockhausen
als Hauptvertreter der seriellen Musik im NachkriegsEuropa, so beteiligten sich auch John Cage und Morton
Feldman an der Gestaltung einer zweiten musikalischen
Moderne.
In einem waren sich die jungen Komponisten auf beiden
Seiten des Atlantiks einig: Sie wollten die traditionelle
Rollenverteilung zwischen Komponist und Interpret ändern; die Musik sollte nicht mehr allein den Genius ihres
Schöpfers widerspiegeln. In der Umsetzung dieser Idee
schlugen sie allerdings ganz unterschiedliche Wege ein.
Cage und Boulez beispielsweise fanden anfangs noch viele
Gemeinsamkeiten in ihren künstlerischen Zielen – das
zeigt ihr intensiver Briefwechsel zu Beginn der 50er Jahre.
Sie tauschten Stücke aus, fragten nach der Meinung des
anderen, berichteten über Erfolge und Misserfolge. Doch
mit seiner »Music of Changes« führte Cage einen Denkansatz ein, der sich von den europäischen Musiktraditionen
stark unterscheidet. Basierend auf dem chinesischen
Orakelbuch »I Ging« entwickelte er eine Methode, die dem
Zufall eine wichtige Rolle im Kompositionsprozess zuweist.
Damit konnte sich Boulez nicht identifizieren. Ein Kompo-
nist, der den Anspruch erhebt, Kunst zu schaffen, konnte
in seinen Augen nicht den Zufall walten lassen. Diese
Sichtweise – die viele europäische Serialisten mit Boulez
teilten – sollte Cages Rezeption in Europa für viele Jahre
bestimmen.
Aber wer war dieser John Cage denn nun? Musiker, Maler,
Mykologe? Philosoph, Autor, Buddhist? Oder all das zugleich? Am nächsten käme man Cage vermutlich, würde
man die Entscheidung darüber dem Zufall überlassen.
Geboren wurde er jedenfalls 1912 in Los Angeles. Er
studierte zuerst Literatur und Architektur, bevor er bei
der Musik landete und zwei Jahre Unterricht bei Arnold
Schönberg nahm. Ab den 40er Jahren lebte er in New York
und wurde zu einer zentralen Figur der amerikanischen
Avantgarde.
1952 inszenierte Cage am Black Mountain College in
North Carolina eine Aktion, die als erstes »Happening« der
Kunstgeschichte gilt. Bei dieser spartenübergreifenden
Impro-Performance wirkten unter anderem der Tänzer
Merce Cunnigham, der Musiker David Tudor und der Maler
Robert Rauschenberg mit. Im selben Jahr ließ sich Cage
von Rauschenbergs »White Paintings« zu seinem bekanntesten Stück anregen: »4‘33“«. Für die Uraufführung hatte
der Pianist David Tudor die Dauer erwürfelt. Vier Minuten
und 33 Sekunden für beliebige Besetzung in drei Sätzen
mit jeweils nur einer einzigen Spielanweisung: »tacet«.
Mit diesem Stück hat John Cage die Stille – oder genauer:
das, was man hört, wenn niemand spielt – in der Musik
etabliert: die Atemgeräusche des Publikums, das Knarzen
der Stühle, der Straßenlärm von draußen, das leise Säuseln des Blutes in den Ohren. Jeder, der hören kann, wird
so zum Komponisten.
Cage selbst bestand niemals darauf, die Ergebnisse seiner
Arbeit als Musik zu bezeichnen: »You must not call it music
if this expression hurts your feelings«, tröstete er einen verstörten Zuhörer nach einer Aufführung von »Fontana Mix«.
FREIE GEISTER, FREIE KLÄNGE
Dieses Stück besteht aus zehn Seiten mit jeweils sechs
geschwungenen Linien und zehn transparenten Folien
mit frei angeordneten Punkten. Für die Aufführung legt
man eine Punkt-Folie über eine der Linien-Seiten und
verbindet die Punkte. Je nachdem, wo die Verbindungslinien die vorgezeichneten Linien schneiden, ergeben sich
Messwerte für sechs musikalische Parameter. Wie genau
diese Ergebnisse dann in Klänge umgesetzt werden (und
in welcher Reihenfolge) ist frei – und natürlich auch die
Besetzung. Alles klar?
Die Frage, ob man sich das überhaupt anhören kann oder
soll, läuft, wie bei jedem Konzeptkünstler, ins Leere. John
Cage, diesem feinen und sanftmütigen Intellektuellen, ging
es um so viel mehr: Er wollte es sich und anderen ermöglichen, ungestört den Klängen des Lebens zu lauschen.
(Wobei einige von Cages vor allem frühen Werken auch
im traditionellen Sinn wunderschöne Musik sind!) Im Gespräch mit Morton Feldman erklärte er: »Der Maler Willem
de Kooning sagte einmal zu mir: ›Weißt du, was der Unterschied zwischen uns beiden ist? Ich will ein großer Künstler sein. Du nicht.‹ Und er hatte absolut recht, denn ich
weiß wirklich nicht, was das heißt: ein Künstler zu sein.«
Gefragt, ob auch das Schließen einer Tür für ihn Kunst sei,
antwortete Cage: »Wenn man es zelebriert, ist es Kunst.
Wenn nicht, dann nicht.« So einfach war das für ihn.
In New York war Cage eingebunden in einen illustren Kreis
von Intellektuellen und Künstlern, die sich gegenseitig befruchteten und ergänzten. Dazu zählten Maler wie Jasper
Johns, Willem de Kooning und Mark Rothko, Schriftsteller,
Theaterleute und Tänzer wie sein Lebenspartner Merce
Cunningham – und eben Morton Feldman.
Morton Feldman war 14 Jahre jünger als John Cage, und
er war kein Quereinsteiger in die Musik. Geboren 1926 in
New York als Sohn jüdischer Einwanderer aus Kiew, erhielt
er Klavierunterricht bei Vera Press, einer ehemaligen
Schülerin Ferruccio Busonis. Durch seine ersten Komposi-
tionslehrer Wallingford Riegger, einen Schönberg-Anhänger, und Stefan Wolpe kam er früh in Berührung mit der
europäischen Moderne.
Cage und Feldman lernten sich im Januar 1950 kennen,
und zwar im leeren Foyer der Carnegie Hall. Beide hatten
im ersten Teil des Konzerts Anton Weberns Sinfonie op. 21
gehört und dann schnell den Saal verlassen – teils, weil
sie sich über das intolerante Publikum geärgert hatten,
teils, weil sie auf keinen Fall Rachmaninows »Sinfonische
Tänze« hören wollten, die nach der Pause folgten. Aus
diesem Zufall entstand eine lebenslange Freundschaft.
Herrlich nachzulesen und nachzuhören sind diese und
andere Geschichten in den »Radio Happenings« der 60er
Jahre – mehr dazu auf der folgenden Seite.
Im Amerika der 50er und 60er agierten Komponisten wie
Cage und Feldman gewissermaßen in einem luftleeren
Raum, ohne vom Establishment wahrgenommen zu werden. »I was free because nobody cared«, hat Feldman über
diese Zeit einmal gesagt. Angeregt von seinen Malerfreunden experimentierte er mit grafischen Notationsweisen
und schrieb eine Reihe von Werken, in denen der Interpret
nur noch vage Angaben für Tonhöhe, Dauer etc. vorfindet.
Die Musik sollte befreit werden aus der einengenden Kontrolle durch Kompositionssysteme, Formgesetze, harmonische oder rhythmische Hierarchien.
Später kehrte Feldman allerdings zur herkömmlichen
Notation zurück. Er hatte zu einer anderen Methode gefunden: der Übereinanderschichtung kleinteiliger rhythmischer Muster, sogenannter Patterns. Als Modell dienten
ihm dabei die asymmetrischen Muster alter anatolischer
Nomadenteppiche. So webte und knüpfte er seine eigenen,
fein changierenden Klangoberflächen. Er konzentrierte
sich dabei immer stärker auf einzelne Klänge, die vorgestellt, behutsam gedreht und gewendet, von allen Seiten
beleuchtet werden, die sanft entgleiten und plötzlich
wieder aufscheinen, verändert, verschoben wie in den
Ornamenten der Orientteppiche. Musik, die gehört werden
will, wie man ein Gemälde betrachtet. Leise, zart.
Zeit wird ein wichtiges Thema für Feldman. Immer länger
werden seine Stücke: »For Philip Guston« für Flöte, Celesta und Schlagwerk dauert vier Stunden und das zweite
Streichquartett, je nach Interpretation, sogar über fünf
Stunden. »Ich bin kein Uhrmacher«, kommentierte er
lakonisch. Den Versuch der europäischen Nachkriegsavantgarde, neben allen anderen Faktoren auch die Zeit
zu definieren und zu strukturieren, empfand er schlicht
als langweilig: »Ich bin an Zeit in ihrem unstrukturierten
Zustand interessiert. Mich interessiert, wie dieses wilde
Tier im Dschungel lebt, nicht im Zoo. Wie Zeit existiert,
bevor wir unsere Klauen hineinschlagen, unsere Ideen und
Vorstellungen.«
In seiner »Lecture on Something« schrieb John Cage:
»Es gab für mich nie irgendeinen Zweifel an der Schönheit
von Morton Feldmans Musik. Sie ist mir manchmal sogar
zu schön.« Und es ist tatsächlich etwas Besonderes um
seine Klänge und die geheimnisvolle Wirkung, die sie auf
ihre Zuhörer hat. Den vielleicht schönsten Vergleich fand
der Musikjournalist Ulrich Dibelius: Wer sich nur immer
tiefer in Feldmans Musik verwickeln lasse, dem schenke
sie »ein Erlebnis von Freiheit, Schwerelosigkeit, Gegenwartserfahrung, das – ähnlich wie die Euphorie über den
nicht enden wollenden Tag in Gebieten der Mitternachtssonne – einen neuen Raum des eigenen Daseinsgefühls
erschließt. Die Wahrnehmung wird wichtiger als das
Wahrgenommene, die Phänomene verselbständigen sich,
Zeit entfaltet einen Aspekt von Zeitlosigkeit.«
Barbara Lebitsch
The Transmigration of Morton F.
Die Sängerin Joan La Barbara trifft in Amsterdam auf
eine geheimnisvolle Gestalt. Ist es die Reinkarnation von
Morton Feldman?
Im Auftrag des Holland Festivals 2016 hat der Opernregisseur und Performer Sjaron Minailo diese digitale
Musiktheaterproduktion mit Musik von Morton Feldman
und der Komponistin Anat Spiegel gestaltet. Für die
Dauer des Festivals »Greatest Hits« ist sie im Foyer als
interaktive Videoinstallation zu erleben. Sjaron Minailo
und Anat Spiegel sind dabei persönlich anwesend.
Freitag bis Sonntag | Foyer
INSTITUT FÜR ANGEWANDTES HALBWISSEN
Institut für angewandtes Halbwissen
Zwischen Sommer 1966 und Januar 1967 setzten sich
John Cage und Morton Feldman, die beiden Freunde und
großen Klang-Erneuerer, vier Mal gemeinsam vor das
Mikrofon des amerikanischen Hörfunksenders WBAI, um
zu reden: über Musik, Kunst, Philosophie, über das Leben.
Heraus kamen vier Stunden Gesprächsmaterial, das unter
dem Namen »Radio Happenings« in die Musikgeschichte
einging. Feldman und Cage bewiesen darin, dass sie nicht
nur gute Redner, sondern noch bessere Zuhörer waren.
In kollegialen Gesprächen auf Augenhöhe, in denen ein
freundschaftliches Miteinander statt erbitterten Meinungsstreits vorherrscht, gaben die beiden ungefilterten Einblick
in ihr Denken über Musik, die Rolle des Komponisten und
viele weitere Themen. Möchte man der Musik und der Denkwelt von John Cage und Morton Feldman näherkommen
– hier ist die perfekte Gelegenheit!
Das Institut für angewandtes Halbwissen, das sich nach
seinem Debüt im letzten Jahr nun bereits zum zweiten Mal
im Rahmen von »Greatest Hits« auf Kampnagel installiert,
greift diese »Radio Happenings« auf und gestaltet daraus
einen performativen Festivalquer-, -seiten- und -überblick.
Mit Improvisationslust und klanglicher Präzision holt es
die so intime wie weltzugewandte Atmosphäre der »Radio
Happenings« nach Kampnagel. Ort des Geschehens ist
erneut die »Meisterbude«, der erhöht gebaute Glaskasten
mitten im Festival-Foyer.
Mit Lautsprechern, Radiowellen und anderen Medien wird
hier der Versuch unternommen, gewissermaßen mit den
Geistern von John Cage und Morton Feldman zu kommunizieren. Wie lässt sich teilhaben am Dialog der zwei Ikonen?
Geben uns die langen Denkpausen von Cage und Feldman,
die Gelegenheit, selbst zu Wort zu kommen? Im Fokus steht
dabei die Auseinandersetzung mit den Ihnen, den Festivalbesuchern, und eine sinnliche und inhaltliche Unterfütterung
Ihrer Höreindrücke.
Das Institut für angewandtes Halbwissen entstand aus der
Zusammenarbeit des Composer-Performers Leo Hofmann
und des Hamburger Musiktheater-Regisseurs Benjamin
van Bebber im Rahmen der Biennale Bern 2014. Für die
aktuellen »Greatest Hits« stoßen nun auch der Cellist
und Komponist Michael Rauter und die Performerin und
Kostümbildernerin Filomena Krause hinzu.
Die »Meisterbude« im Kampnagel-Foyer
Dem Institut gilt Musiktheater als Ort, an dem unser Sein in
der Welt über das Klingen und Resonieren verhandelt wird.
Seine Forschungen gelten einem Musiktheater jenseits klar
definierter Genregrenzen und der opulenten Reproduktion
bestehender Werke. Entgegen monodirektionaler Hörigkeiten möchten sie zum aktiven Zuhören einladen. Zuhören
gilt ihnen als Möglichkeit zur Partizipation. Und Partizipation ist angewandtes Halbwissen.
Institut für angewandtes Halbwissen
Leo Hofmann
Benjamin van Bebber
Michael Rauter
Filomena Krause
Freitag, 18.11. bis Sonntag, 20.11.
durchgängig
Meisterbude im Foyer
Begrenztes Platzangebot (max. 20 Personen)
John Cage: 33 1/3
Was passiert, wenn man ein Dutzend Plattenspieler und
ein paar Hundert Schallplatten in einen Raum stellt?
Erstmal nichts – bis das Publikum anfängt, selbst aufzulegen. Dann überlagern sich Sinfonie und Schlager,
Rock’n’Roll und Rumba, Weihnachtslied und Wiener
Walzer. Und John Cage, der diese zufallsbasierte
interaktive Soundinstallation 1969 für ein Happening
ersonnen hat, sitzt im Himmel auf Wolke Sieben und
kichert in sich hinein.
Täglich | Foyer
TAG 1 | DO, 17.11.2016
18:30 UHR | K2
GESPRÄCHSKONZERT
Calder Quartet
Cédric Pescia Gespräch
Hervé Boutry Gespräch
Barbara Lebitsch Moderation
Morton Feldman: Structures for String Quartet
Pierre Boulez: Le livre V aus: Livre pour quatuor
Eintritt frei
19:30 UHR | K6
ERÖFFNUNGSKONZERT
Ensemble intercontemporain
Dirigent Matthias Pintscher
Matthias Pintscher: Sonic Eclipse
Pierre Boulez: Sur Incises
Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung
€ 25
22 UHR | K2
SONATAS AND INTERLUDES
Cédric Pescia Klavier
John Cage: Sonatas and Interludes
€ 12
18:30 | K2 | GESPRÄCHSKONZERT
CALDER QUARTET
Benjamin Jacobson Violine
Andrew Bulbrook Violine
Jonathan Moerschel Viola
Eric Byers Violoncello
CÉDRIC PESCIA Gespräch
HERVÉ BOUTRY Gespräch
BARBARA LEBITSCH Moderation
Morton Feldman (1926–1987)
Structures for String Quartet (1951)
ca. 5 Min.
Pierre Boulez (1925–2016)
Le livre V
aus: Livre pour quatuor (1948/49)
ca. 5 Min.
Calder Quartet
Inspiriert von und benannt nach dem amerikanischen Bildhauer Alexander Calder (1898–1976), hat sich das Calder
Quartet vornehmlich der Neuen Musik verschrieben.
Gegründet wurde es 1998 an der University of Southern
California. Ihrem Anspruch, die Vision des Komponisten
umzusetzen und zu vermitteln, werden die vier Musiker in
der Zusammenarbeit mit vielen zeitgenössischen Komponisten gerecht. Dazu gehören gleichermaßen junge
aufstrebende Komponisten wie Größen der Musikwelt,
darunter Terry Riley, Thomas Adès und Péter Eötvös. Über
40 Werke hat das Quartett bisher in Auftrag gegeben, uraufgeführt oder auf CD eingespielt. Nicht zuletzt für diesen
Einsatz für zeitgenössische Musik wurden die vier Musiker
2014 mit dem prestigeträchtigen Avery Fisher Career Grant
ausgezeichnet.
Neben klassischen Künstlern und Ensembles wie Barbara
Hannigan und Joshua Bell oder dem Cleveland Orchestra
und dem L. A. Philharmonic arbeitet das Calder Quartet
mit Künstlern aus allen Genres zusammen. Die Bandbreite
reicht von Klassik und Neuer Musik über Rock bis hin zu
Soundtracks für Filme und das Fernsehen. Dabei spielen
die Musiker sowohl an traditionellen Konzertorten wie der
Carnegie Hall als auch in Museen oder der legendären
Hollywood Bowl. Auch in den populären amerikanischen
Late-Night-Shows von David Letterman oder Jimmy Kimmel traten sie bereits vor einem Millionenpublikum auf.
Künftige Highlights des Quartetts sind Auftritte im Lincoln
Center, dem Metropolitan Museum of Art, der Disney
Hall in Los Angeles und der Wigmore Hall London. Auch
im Rahmen von »Greatest Hits« ist das Calder Quartet
nochmals zu erleben: am kommenden Sonntag ab 11 Uhr,
in einer fünfstündigen (!) Aufführung von Morton Feldmans
Zweitem Streichquartett.
DONNERSTAG
Morton Feldman: Structures for String Quartet
Wer in die Welt des Komponisten Morton Feldman eintaucht, der begegnet sehr bald dessen Vorliebe für Malerei
und grafische Kunst. Die Abstraktion eines Mondrian, die
dunklen Farbflächen eines Mark Rothko oder das dynamische Chaos eines Jackson Pollock, in all dem schlummerte
für Feldman Musik. Besonders hatten es ihm orientalische
Teppiche mit ihren komplexen geometrischen Mustern
angetan. Wenn in deren Struktur eine kleine Irritation, ein
Symmetriebruch eingewoben war, liebte »Morty« sie umso
mehr.
Feldmans Hang zu grafischer Kunst war mehr als nur ein
Faible, er beeinflusste zutiefst sein Denken und seine Arbeitsmethoden als Komponist. Sein Komponistenkollege
Christian Wolff verglich Feldmans Vorgehen mit dem eines
Malers: »Feldman pflegte seine Manuskripte an der Wand
aufzuhängen, so dass er zurücktreten und sie betrachten konnte wie ein Maler. Ich bin mir nicht sicher, aber
manchmal schien es mir als würde er denken: ›Ich sollte
hier unten oder dort oben noch etwas machen‹. Es war
mehr wie eine Leinwand, nicht wie eine lineare narrative
Struktur.« Für Feldman war die Partitur, die er auch deshalb an die Wand hängte, um sie als Ganzes überblicken
zu können, ein zweidimensionaler geometrischer Raum,
in den er genau abgezirkelte Muster einpasste. Zeitdauer
und Tonhöhe bildeten die Achsen eines Koordinatensystems, in das Feldman seine Klangfiguren einwob.
In »Structures« für Streichquartett von 1951 hört man eine
lose Abfolge mehrerer solcher Muster: Das Stück beginnt
mit locker im Raum verteilten Tonpunkten – später im
Stück wird eine ähnliche Passage wiederkehren. Auf diese
Tonpunkte folgen verschiedene Abschnitte, in denen die
Wiederholungen kurzer Tonfolgen den Raum mit tönenden
Mustern füllen. Die Farben und Fäden, aus denen Feldman
seine Texturen wob, sind dabei durchweg zart und fein:
Alles soll so leise wie möglich gespielt werden.
Pierre Boulez: Livre pour quatuor
Das eine, einzige, grenzenlose Buch, das die Summe
aller denkbaren Bücher enthält, wollte der Poet Stéphane
Mallarmé mit seinem »le livre« schaffen. Es wäre ein Buch
geworden, dessen Seiten nicht länger in einer festgelegten
Reihenfolge stehen; ein Konvolut, das jeder Leser, der zugleich Interpret und Schöpfer ist, neu hätte ordnen müssen,
um ihm einen eigenen Sinn abzugewinnen.
Das offene Buch – Pierre Boulez war von diesem Gedanken
fasziniert. Noch bevor die erste Ausgabe von Mallarmés
288 nachgelassenen Blättern erschien, versuchte der
Komponist Ende der 1940er Jahre eine ähnliche Konzeption in Tönen zu realisieren. Sein Werk nannte er, mit
einer respektvollen Verbeugung vor dem Vorbild, »Livre
pour quatuor«. Der Gedanke an offene, in ihrer Form nicht
festgelegte Kompositionen erschien am Horizont. (Anfang
der 1950er entdeckte John Cage dann den Zufall für sich;
so weit wollte der Mathematiker Pierre Boulez allerdings
nicht gehen.)
Eine erste sechssätzige Fassung des »Livre pour Quatuor« schrieb Boulez 1948/49; veröffentlicht wurden 1958
zunächst fünf Sätze. In ihrer Reihenfolge sind sie frei austauschbar; jeder Interpret muss seine Wahl treffen. Die
Offenheit ist dem »Livre« buchstäblich eingeschrieben. Wie
fast alle Werke von Boulez wuchs und wucherte auch das
»Livre« im Lauf der Jahrzehnte. Zwei der Sätze entwickelte Boulez 1968 zu Streichorchesterstücken weiter; an der
Quartettfassung revidierte er bis 2012. Aufführungen aber
blieben eine Seltenheit. Denn Boulez’ einziges Streichquartett ist so schwer, dass selbst der extrem anspruchsvolle Komponist schließlich eingestehen musste, seine
Partitur sei »überladen mit Informationen«, eigentlich
brauche man einen Dirigenten für die Aufführung. Das
Calder Quartet wagt sich nun dirigentenfrei an den fünften
Satz.
Ilja Stephan
19:30 | K6 | ERÖFFNUNGSKONZERT
ENSEMBLE INTERCONTEMPORAIN
CLÉMENT SAUNIER Trompete
JEAN-CHRISTOPHE VERVOITTE Horn
Dirigent MATTHIAS PINTSCHER
Matthias Pintscher (1971)
Sonic Eclipse (2009/2010)
Celestial Object I für Trompete und Ensemble
Celestial Object II für Horn und Ensemble
Occultation für Horn, Trompete und Ensemble
Das gute alte Solo-Konzert spielt in der Musik der Gegenwart zwar nicht mehr die prominente Rolle wie in früheren
Jahrhunderten. Aber die Grundprinzipien des Konzertierens,
die Virtuosität, das Wechselspiel von Klanggruppen bzw.
von Solist und Ensemble, sind zeitlos. Auf dem Programm
des heutigen Abends stehen zwei Werke, in denen die
Ideen der reinen Virtuosität und des dreisätzigen Konzerttypus mit den Mitteln und Klängen der Gegenwart neu
gedacht werden.
Matthias Pintscher: Sonic Eclipse
ca. 35 Min.
Pause
Pierre Boulez (1925–2016)
Sur Incises (1996–1998)
Moment I
Moment II
ca. 45 Min.
Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung
Die drei Teile von Matthias Pintschers Zyklus »Sonic
Eclipse« wurden zwar unabhängig voneinander als separate Werke uraufgeführt, doch vollständig enthüllen sie
ihre Eigenart erst, wenn man sie als Teile eines größeren
Ganzen betrachtet. Man könnte »Sonic Eclipse« eine Art
Doppelkonzert für Trompete und Horn in drei Sätzen nennen. Der Komponist schreibt dazu: »Die musikalische Idee
ist, dass im ersten Stück die Trompete und im zweiten das
Horn eine Solistenfunktion übernehmen. Die Konturen der
beiden Stücke werden im dritten Teil quasi übereinander
gelegt, wobei das Material der beiden Stücke total heterogen ist und im Moment des Beieinanderseins miteinander
verschmilzt. Mich hat interessiert, das Repertoire von
zwei sehr unterschiedlichen Instrumenten, die doch einer
Familie angehören, zu untersuchen, und die beiden Instrumente sehr verschieden klingen zu lassen. Dieses ganz
heterogene Klang- und Gestaltungsrepertoire wird langsam zusammen und übereinander geführt, und schließlich
auch das Ensemble hineingezogen, so dass alles wirklich
zu einer Stimme, einem Instrument und Klanggestus
verschmilzt und anschließend wieder auseinander fällt.
Bildlich entspricht dies genau der Eklipse.«
Im ersten Teil, »Celestial Object I« (Himmelsobjekt), steht
die Trompete als Solo-Instrument im Zentrum. Der Komponist lässt sie zuerst mit einigen geräuschhaften, rein
rhythmischen Klängen auftreten. Ganz im Gegensatz dazu
DONNERSTAG
steht die Grandezza, mit der das Horn als Solo-Instrument
im zweiten Teil, »Celestial Object II«, seine melodischen
Bögen spannt. So unterstreichen die Anfänge der ersten
beiden Teile die unterschiedlichen Klangcharaktere der
Solo-Instrumente, auf die es dem Komponisten ankam.
Im dritten Satz, »Occultation« (Bedeckung), schiebt sich
ein Teil vor den anderen und verhüllt ihn klanglich, so wie
bei der astronomischen Eklipse ein Himmelskörper den
anderen verdeckt. Die Teile werden »verdichtet und übereinandergelegt«, schreibt Pintscher dazu, »sie kommen
einander so nahe, dass sie sich fast deckungsgleich übereinanderlegen.« Den End- und Zielpunkt des Triptychons
markiert ein einvernehmlicher Dialog der beiden Solisten
in einer großen gemeinsamen Kadenz.
Pierre Boulez: Sur Incises
Wenn es einen Ehrenpreis für Menschen gäbe, die komplizierte Dinge in einfachen Worten erklären können, dann
hätte Pierre Boulez ihn verdient gehabt. Denn sein 40-Minuten-Stück »Sur Incises« zählt zwar zum Vertracktesten,
was man neun Musikern zumuten kann, aber den Worten
des Meisters zufolge ist eigentlich alles ganz einfach:
»Was ich tue, ist wie Geschichten erzählen – abstrakte
Geschichten natürlich. Ich brauche ›Sur Incises‹ nicht, um
das Meer zu beschreiben oder so etwas. Aber es bleibt
eine Erzählung. Kontinuität bedeutet, dass die Elemente
immer anwesend sind, allerdings mit Variationen und Differenzierungen. Also, in ›Sur Incises‹ gibt es Material. Die
erste Seite der Partitur enthält quasi die Hälfte des Stückes, weil das Material sehr einfach ist. Es gibt resonantes
Material und sehr schnelles Material. Der Prozess besteht
darin, beides zu vermischen oder nicht zu vermischen:
Am Anfang sind sie nicht vermischt, während der zweiten
Hälfte werden sie vermischt. Der Punkt ist, immer einen
Weg zu finden, resonantes und schnelles Material miteinander in Dialog treten zu lassen.« Im Prinzip ist dieses
Virtuosenstück also nichts anderes als ein sehr, sehr weit
ausgeführtes Zwiegespräch zwischen zwei musikalischen
Charakteren, nachhallenden Akkorden einerseits und
aberwitzig rasanten Tonkaskaden anderseits.
Die Vorgeschichte des Stückes ist allerdings schon etwas
verschlungener. Wie der Name »Über Incises« schon ahnen lässt – und wie so oft bei Boulez –, beruht auch »Sur
Incises« auf einem früheren Werk, das ihm als Vorlage und
Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung diente. Das
Klavierstück »Incises« schrieb Boulez 1994 als Prüfungsstück für einen Klavierwettbewerb. Die extreme Virtuosität
war also dem Anlass geschuldet. Boulez nannte das Stück
eine »Kadenz« – im klassischen Solokonzert war dies ein
Abschnitt, in dem der Solist seine Virtuosität voll ausspielen durfte. »Incises« zeigt quasi die Essenz der Virtuosität.
Ursprünglich hatte Boulez mit »Sur Incises« aus dieser
Vorlage ein Klavierkonzert für Maurizio Pollini schaffen
wollen, doch dann führte ihn sein Material auf andere
Wege: »Die sehr brillante Kadenz habe ich erweitert durch
unterschiedliche Formen von Multiplikation, angefangen
von der einfachen Spiegelung bis hin zur sechs- und mehrfachen Spiegelung.« Ähnlich wie mit dem Tonmaterial
verfuhr Boulez auch mit dem Ensemble: Er erweiterte den
Klavierklang durch gestimmte Schlaginstrumente, Harfe
und Steel Drum, und er erweiterte dieses Trio, indem er es
symmetrisch spiegelte: Dem zentralen Klavier und seinen
Erweiterungen stellte er zur Rechten und zur Linken ihre
»Schatten« (Boulez) zur Seite. So wurde aus dem Solostück, das ein Konzert hätte werden sollen, schließlich
ein Nonett für drei mal drei Virtuosen. Und auch für die
Wirkung dieser irrwitzigen, funkelnden Musik fand der
Komponist eine Formel, wie sie einfacher und treffender
kaum sein könnte. »Sur Incises« verkörpert in Reinform,
was Boulez ein »organisiertes Delirium« nannte. Es ist ein
musikalischer Rauschzustand, der mit mathematischer
Präzision in eine Form gebannt wurde.
Ilja Stephan
L
E
G
A
N
P
KAMAPM
NAGEL.DE
ERÖFFNUNGSKONZERT
K
Matthias Pintscher Dirigent
»Gustav Mahlers Musik fängt die Unruhe und die
emotionale Aufgewühltheit ein, die die Menschen
zu seiner Zeit verspürt haben. In diesem Sinne ist es
besonders interessant, ihn in die heutige Zeit zu holen.«
Matthias Pintscher betrachtet das Komponieren und das
Dirigieren als komplementäre Sphären seiner künstlerischen Arbeit. 1971 im westfälischen Marl geboren,
studierte er bei Giselher Klebe, Manfred Trojahn und Péter
Eötvös und wurde von Hans Werner Henze gefördert.
Schnell avancierte Pintscher zu einem der erfolgreichsten
Komponisten seiner Generation: Seine Musiktheaterwerke
»Thomas Chatterton« und »L’Espace dernier« wurden an
der Dresdner Semperoper bzw. der Opéra National de Paris uraufgeführt, seine Orchesterstücke von den Berliner
und den New Yorker Philharmonikern, dem Philharmonia
Orchestra, dem London Philharmonic oder dem Cleveland
Orchestra gespielt. Heute lehrt Matthias Pintscher selbst
Komposition an der New Yorker Juilliard School.
Alain Platel
ALAIN PLATEL / STEVEN PRENGELS
NICHT SCHLAFEN
MAHLER-PROJEKT
24.–26.11.2016 / 20:00
TICKETS: K AMPNAGEL.DE / 040 270 949 49
Design: queens-design.de, Foto: © Chris Van der Burght
Als Dirigent hat sich Pintscher ein breites Repertoire vor
allem mit Werken des 19. und 20. Jahrhunderts erarbeitet. Er dirigierte u. a. die Berliner Philharmoniker, das
Cleveland Orchestra, das New York und das Los Angeles
Philharmonic, das Symphonieorchester des Bayerischen
Rundfunks, die Staatskapelle Berlin und das Mahler
Chamber Orchestra. Seit Beginn dieses Jahres leitet er als
Principal Conductor gemeinsam mit Wolfgang Rihm die
Lucerne Festival Academy, mit der er kürzlich bereits die
Saisoneröffnung in der Laeiszhalle gestaltete.
2013 trat Pintscher das Amt des Musikdirektors beim von
Pierre Boulez in Paris gegründeten Ensemble intercontemporain an, das er heute dirigiert und mit dem er bald
auch eine Asientournee bestreitet. Im Rahmen seines
»Multiversums« bei der Elbphilharmonie leitet er am
3. März auch die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen,
mit der er sein Werk »Ex Nihilo« aufführt; am 4. März
gestaltet er einen ganzen Tag in der Elbphilharmonie. Gekrönt wird Matthias Pintschers Residenz im April mit der
Uraufführung seines neuen Werkes in drei Konzerten des
NDR Elbphilharmonie Orchesters.
DONNERSTAG
Ensemble intercontemporain
1976 gründete Pierre Boulez mit Unterstützung des damaligen französischen Kulturministers Michel Guy und in
Zusammenarbeit mit Nicholas Snowman das Ensemble
intercontemporain. Die insgesamt 31 Solisten des Ensembles einte von Anfang an die Liebe zur Musik des 20. und
21. Jahrhunderts.
Heute arbeiten die Musiker unter der Künstlerischen
Leitung von Matthias Pintscher eng mit Komponisten
zusammen, erkunden neue Techniken auf ihren Instrumenten und entwickeln Projekte, die Musik, Tanz, Theater,
Film, Video und visuelle Künste miteinander verbinden. In
Zusammenarbeit mit dem IRCAM (Institut de Recherche et
Coordination Acoustique/Musique) ist das Ensemble auch
auf dem Gebiet der synthetischen Klangerzeugung aktiv.
Regelmäßig führt das Ensemble intercontemporain neue
Werke auf und vergibt Kompositionsaufträge. Daneben
ist das Ensemble bekannt für sein Engagement in der
musikalischen Vermittlungsarbeit und Nachwuchsförderung und veranstaltet Kinderkonzerte, Kreativ-Workshops
für Studierende oder Trainingsprogramme für zukünftige
Musiker, Dirigenten und Komponisten. Seit 2004 stehen
die Solisten des Ensembles als Tutoren bei der Lucerne
Festival Academy dem Nachwuchs zur Verfügung.
Das Ensemble intercontemporain ist an der neuen Philharmonie de Paris beheimatet und absolviert weltweit
Auftritte und Festivalbesuche.
Hae-Sun Kang Violine
Diégo Tosi Violine
Odile Auboin Viola
Eric-Maria Couturier Violoncello
Simon Drappier* Kontrabass
Emmanuelle Ophèle Flöte
Didier Pateau Oboe
Alain Billard Klarinette
Martin Adamek Klarinette
Loïc Chevandier* Fagott
Jean-Christophe Vervoitte Horn
Clément Saunier Trompete
Jérôme Naulais Posaune
Gilles Durot Schlagzeug
Samuel Favre Schlagzeug
Victor Hanna Schlagzeug
Dimitri Vassilakis Klavier
Hidéki Nagano Klavier
Sébastien Vichard Klavier
Frédérique Cambreling Harfe
Ségolène Brutin* Harfe
Bleuenn Le Friec* Harfe
*Gäste
22:00 | K2 | SONATAS AND INTERLUDES
CÉDRIC PESCIA Klavier
John Cage (1912–1992)
Sonatas and Interludes (1946–1948)
Sonatas I–IV
Interlude 1
Sonatas V–VIII
Interludes 2–3
Sonatas IX–XII
Interlude 4
Sonatas XIII–XVI
ca. 65 Min.
Cédric Pescia Klavier
Cédric Pescia studierte in seiner Heimatstadt Lausanne, in
Genf, an der Universität der Künste in Berlin sowie in der
International Piano Foundation am Comer See bei Dimitri
Bashkirov, Leon Fleisher und Andreas Staier. Wichtige Impulse erhielt er zudem von Pierre-Laurent Aimard, Daniel
Barenboim, Dietrich Fischer-Dieskau und dem Alban Berg
Quartett. Seinen Durchbruch feierte er 2002 mit dem Sieg
bei der Gina Bachauer International Artists Piano Competition in Salt Lake City, einem der renommiertesten
Klavierwettbewerbe der Welt. Seither konzertierte er u.a.
in der Philharmonie Berlin, Laeiszhalle Hamburg, Kölner
Philharmonie, Carnegie Hall New York sowie beim Lucerne
Festival, Schleswig-Holstein Musik Festival und Klavierfestival Ruhr. Seine Diskografie ist äußerst vielseitig und
reicht von Bachs »Goldberg-Variationen« und »Die Kunst
der Fuge« (aufgenommen auf einem ungleich gestimmten
Flügel) über Beethoven, Schumann, Debussy und Busoni
bis hin zu Messiaen, Gubaidulina und John Cage, dessen
»Sonatas and Interludes« er einspielte. Seit 2012 lehrt
Cédric Pescia als Professor an der Musikhochschule in
Genf und gibt Meisterkurse in den USA und Europa.
DONNERSTAG
John Cage: Sonatas and Interludes
Die Erfindung des präparierten Klaviers ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich aus der Not eine Tugend machen
lässt. Denn: Im Jahr 1938 bestellte die Tänzerin Syvilla
Fort zu ihrem Solo »Bacchanal« Musik bei John Cage.
Etwas Afrikanisches sollte es sein, drei Tage hatte der
Komponist dafür Zeit. Cage, der damals noch mit Zwölftonreihen komponierte, zerbrach sich den Kopf über »eine
afrikanische Zwölftonreihe« – es fiel ihm keine ein. Ein
logistisches Problem hatte er außerdem: In Forts Studio
war kein Platz für Perkussionsinstrumente, allenfalls ein
Flügel passt dort hinein. Und so erfand Cage das Schlagzeugensemble für zehn Finger.
Mit einer Fleischplatte, die er auf die Saiten legte, und
später – weil die Platte immer wieder verrutschte – mit
Schrauben, die er zwischen die Saiten klemmte, verfremdete und dämpfte Cage den Klang des Flügels. Der altehrwürdige Tastenkasten wurde so verwandelt in ein
zauberhaftes, exotisch klingendes Perkussionsorchester
– in dessen Klang gleichwohl Restbestände des alten,
unpräparierten Klaviers mitschwingen. Mögliche Klänge
auf seinem neuen Instrument suchte und fand Cage nach
eigenen Worten »wie man Muscheln am Strand sucht«.
Mit den »Sonatas and Interludes« zog der Klangsammler
1946–1948 dann die Summe aus seinen Experimenten. In
einem Zyklus von 20 Stücken (16 Sonaten und vier »Zwischenspielen«) lotete er die Möglichkeiten seines seit 1938
beständig erweiterten Klangkosmos voll aus. Doch obwohl
er sich größte Mühe gegeben hatte, die Präparierung so
präzise wie möglich zu bezeichnen, musste Cage am Ende
einsehen, dass jede Realisierung unterschiedlich ausfiel.
Aber auch aus dieser Not macht er schließlich (s)eine
Tugend: »Es gehört dazu, sich wegzubewegen von der
Kontrolle, hin zu dem, was einfach passiert.«
Ilja Stephan
Cédric Pescia, Calder Quartet,
Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher
TAG 2 | FR, 18.11.2016
17 UHR | KMH
KLANGRADAR 3000
Hamburger Schüler komponieren
Eintritt frei
18 UHR | K4
NELLY BOYD ENSEMBLE
Alvin Lucier: Criss-Cross
John Cage: Four 6
Morton Feldman: Durations 2
James Tenney: For Percussion perhaps, or … (night)
€9
19:30 UHR | K2
BANG ON A CAN ALL-STARS
»Field Recordings«
Mit Hits von Julia Wolfe, Michael Gordon, David Lang, Tyondai Braxton, Steve Reich, Bryce Dessner und anderen
€ 18
21:30 UHR | K1
COMPOSER SLAM
Der große Wettstreit der Komponisten
Mit Ehsan Ebrahmi, Tobias Hertlein, Julia Mihàly, Tatjana Prelevic, Sebastian Wendt sowie Simon Kluth
€ 12
IMPRESSUM
Herausgeber: HamburgMusik gGmbH
Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft
Generalintendanz: Christoph Lieben-Seutter
Geschäftsführung: Jack F. Kurfess
Redaktion, Layout und Satz: Clemens Matuschek, Simon Chlosta
Alle Werkeinführungstexte sind Originalbeiträge für dieses Festivalprogrammbuch.
Gestaltung: Mehmet Alatur / breeder design
Druck: Flyer-Druck, Hamburg
Das Filmen oder Fotografieren während der Konzerte ist nicht gestattet.
Es ist untersagt, während der Konzerte Tonträgeraufnahmen zu machen.
Bildnachweis
John Cage (Rex Rystedt), Morton Feldman (Rob Bogaerts), Institut für angewandtes
Halbwissen (Kampnagel), Cédric Pescia (Uwe Neumann), Calder Quartet (Autumn de
Wilde), Ensemble intercontemporain (Aymeric Warme-Janville), Matthias Pintscher
(Luc Hossepied), Bang on a Can All-Stars (Bang on a Can), Rothko Chapel (Flying
High Solo), Philipp Ahmann (Steven Haberland), NDR Chor (Michael Müller), Ensemble Resonanz (Tobias Schult), Anna Meredith (Kate Bones), Elliott Sharp (Andreas
Sterzing), Autechre (Warp Records), Ensemble Musikfabrik (Jonas Werner-Hohensee,
Calder Quartet (Autumn de Wilde), Alexandra Waierstall (Jörg Letz)
17:00 | KMH | KLANGRADAR 3000
Klangradar 3000
FREITAG
Zwischen den Klängen
16 Jahre besteht es bereits, das Musikvermittlungsprojekt
»Klangradar 3000«, in dessen Rahmen Komponisten in
die Schulen kommen, um Schülerinnen und Schüler mit
zeitgenössischer Musik bekannt zu machen. Diese Stücke
dienen dann wiederum als Ausgangspunkt für eigene
experimentelle Kompositionen, die die Jugendlichen im
Rahmen ihres Schulalltags erschaffen. So erhalten sie
einen aktiven Zugang zur Musik des 21. Jahrhunderts
und entdecken und entwickeln ihre eigene musikalische
Ausdrucksfähigkeit und Kreativität. Indem die Jugendlichen ihr Projekt von der Konzeption bis zur heutigen
Uraufführung eigenständig verwirklichen und verfeinern,
lernen sie zudem viel über dynamische Prozesse in Gruppen.
Entwickelt wurde das Format vom Komponisten Burkhard
Friedrich.
Unsere Stadtteilschule Hamburg-Mitte nimmt nun schon
zum zweiten Mal am Kompositionsprojekt »Klangradar
3000« des Landesmusikrates Hamburg teil. Da unser
Musikkurs des 13. Jahrgangs auch aus hörgeschädigten
Schülern besteht, ist es für uns eine neue Erfahrung, auch
die außergewöhnlichsten Klänge hörbar und erfahrbar
zu machen. Bei diesem Experiment geht es darum, neue
Klänge sowohl auf Instrumenten als auch mit Alltagsgegenständen zu entdecken.
Für das aktuelle Projekt besuchte der Komponist Goran
Lazarevic den Musikkurs JG 13 der Stadtteilschule Hamburg-Mitte. Als Inspirationsquelle diente ihnen » Four 6«
von John Cage, das im anschließenden Konzert des Nelly
Boyd Ensemble um 18:00 Uhr in der K4 im Original zu
hören ist.
Zusammen mit unserem Lehrer Herrn Müller und dem
Komponisten Goran Lazarevic entwickelten wir eine eigene
Komposition der anderen Art. Dabei lernten wir nicht nur,
Musik anders zu hören, sondern auch, wie man Kompositionsteile bewusst wiederholt und Spannung durch Pausen zu erzeugt. Die genutzten Instrumente wurden nicht
mehr auf ihre ursprüngliche Weise gespielt: Ihren Klang
veränderten wir so weit, dass kaum erkennbar ist, welches
Instrument gerade verwendet wurde.
»Klangradar 3000« ist eine Kooperation des Landesmusikrats in
der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. und Elbphilharmonie
Kompass. Gefördert durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Stiftung Feldtmann Kulturell unter dem Dach der
Hamburgischen Kulturstiftung.
Weitere Informationen: www.klangradar3000.de
Wir haben uns die Frage gestellt, ob man wirklich zwischen
Geräusch und Klang unterscheiden muss, oder ob nicht
doch Alltagsgeräusche Musik für einen Menschen sein
können. Bei diesen Gedanken orientierten wir uns an dem
Stück »Four 6« von John Cage.
Schülerinnen und Schüler des Musikkurses der
Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Jahrgang 13
Enis Bajrami, Philine Burmeister, Orhan Corban, Kaan
Eroglu, Clara Sophie Friedrich, Stefanie Maria Jacobs,
Ahmed Karbasi, Hanna Marie Müller, Ege Ok, Armin Sadri,
Ardit Saiti, Veysi Soyku
Goran Lazarevic Komponist
Matthias Müller Lehrer
Burkhard Friedrich Künstl. Leitung, Moderation
18:00 | K4 | NELLY BODY ENSEMBLE
NELLY BOYD ENSEMBLE
Robert Engelbrecht Violoncello, E-Gitarre, Percussion
Jan Feddersen Klavier, E-Gitarre, Percussion
Moxi Beidenegl Stimme, Percussion
Johann Popp E-Gitarre, Percussion
Alvin Lucier (*1931)
Criss-Cross (2013)
John Cage (1912–1992)
Four 6 (1992)
Morton Feldman (1926–1987)
Durations 2 (1960)
James Tenney (1934–2006)
For Percussion perhaps, or … (night) (1971)
Nelly Boyd Ensemble
Nelly Boyd ist ein Hamburger Ensemble und Komponistenkollektiv, das 2004 gegründet wurde. Die Mitglieder
stammen aus verschiedenen Disziplinen wie bildender
Kunst, klassischer Komposition, elektroakustischer Musik,
Rock und freier Improvisation.
Als Kollektiv realisiert Nelly Boyd die musikalischen Ideen
seiner Mitglieder. Als aufführendes Ensemble erforscht es
musikalische Einflüsse durch Komponisten der europäischen und amerikanischen (klassischen) Avantgarde und
lädt dazu häufig Gastmusiker ein. Die Programme haben
stets konzeptionellen Charakter und arbeiten stark mit
der jeweiligen Aufführungssituation. Das Ensemble spielte
u.a. Werke von John Cage, Morton Feldman, Terry Riley,
Karlheinz Stockhausen und James Tenney und arbeitete
mit den Komponisten Alvin Lucier, Phill Niblock, Christian
Wolff und mit Charles Curtis für eine Aufführung von La
Monte Youngs »Composition 1960 # 7« zusammen.
Werke wie Phill Niblocks »One Large Rose« wurde speziell
für Nelly Boyd komponiert; eine Aufnahme erschien 2009
als Teil der CD »Touch Strings«. Darüber hinaus erschien
Niblocks »Tow By Tom« in einer Aufnahme mit dem Trio
Scordatura aus Amsterdam und Nelly Boyd 2014 auf der
DVD Brazil 84. Eine Aufnahme von Christian Wolffs »For
1, 2 or 3 People« ist auf der 2011 herausgebrachten CD
»Christian Wolff: Kompositionen 1950–1972« enthalten.
Nelly Boyd spielt regelmäßig auf den Festivals Blurred
Edges und klub katarakt in Hamburg. Auftritte und Gastspiele hatte das Ensemble zudem im Podewil (Berlin), bei
Experimental Intermedia (New York), in der Serpentine
Gallery (London), in der Roten Fabrik (Zürich), im Issue
Project Room (New York), Hangar Bicocca (Mailand), Bozar
(Brüssel) und beim Festival MaerzMusik (Berlin).
FREITAG
Alvin Lucier: Criss-Cross
Der Titel von Alvin Luciers »Criss-Cross« ist Programm.
Übersetzen lässt er sich mit »kreuz und quer« oder »über
kreuz«. Beide Gitarristen halten einen Ton das gesamte
Stück über aus, allerdings um einen Halbton versetzt.
Doch Lucier gibt minimale Tonhöhenschwankungen vor,
die bestimmten Mustern folgen: eine Gitarre glissandiert
einen Halbton nach unten, eine nach oben. Also kreuzen
und überschneiden sich die beiden Frequenzen. Daraus
ergibt sich ein Phänomen, das die Akustiker »Schwebung«
nennen. Sie addieren sich zu neuen Mustern, wir hören
einen Puls, der sich beschleunigt oder verlangsamt. Der
eine, lange Halteton offenbart auf einmal ein rhythmisches
Innenleben. Schön, oder?
John Cage: Four 6
Viel ist es nicht, was John Cage den Interpreten seines
Stücks »Four 6« mit auf den Weg gab. Dass es für vier
Ausführende gedacht ist, verrät der Titel »Four«. Die hochgestellte Sechs bedeutet, dass es sich um Cages sechstes
Stück für vier Spieler handelt. Und an wen Cage dabei
dachte, verrät die Widmung: »Für Pauline Oliveros zur
Feier Ihres 60. Geburtstages sowie für Joan La Barbara,
William Winant und Leonard Stein«. Offenbar handelt es
sich um ein Geburtstagsständchen unter Kollegen. Zwölf
Klänge sollen die vier Interpreten sich aussuchen. Wie
diese produziert werden, elektronisch, auf Instrumenten
oder mit der Stimme, liegt ganz im Belieben der Ausführenden. Wie in Cages »Number Pieces« üblich, besteht die
gesamte Partitur – neben einigen schriftlichen Anweisungen – aus Zahlen. Jeder der zwölf Klänge wird beziffert;
wann er einsetzen und wann er wieder aufhören soll, gibt
Cage auf die Sekunde genau durch notierte Zeitklammern
an. Gesamtdauer laut Partitur: exakt 30 Minuten.
Morton Feldman: Durations 2
Einen originellen Kunstgriff, um die Interpreten dazu zu
bringen, neu über das Phänomen der Dauer nachzudenken, fand Morton Feldman in seinen »Durations 2« für
Violoncello und Klavier. Er notierte die Musik in konventioneller Notenschrift, ließ aber von den Noten die Hälse,
die die Länge einer Note definieren, einfach weg. So muss
jeder Interpret selbst entscheiden, wie lange er eine Note
spielen will. Im Vorwort der Partitur gab Feldman den
Spielern einige Anweisungen mit auf den Weg, wie sein
Stück zu klingen habe: »Der erste Klang von beiden Instrumenten gleichzeitig. Die Dauer jedes Klanges wird von
den Spielern bestimmt. Der Puls ist langsam. Alle Klänge
sollen mit einem Minimum an Attacke gespielt werden. Die
Dynamik ist sehr leise.« Nur der Eindruck eines »linearen
Kontrapunkts«, bei dem säuberlich Note gegen Note gesetzt wird, sei unbedingt zu meiden, riet der Komponist.
James Tenney: For Percussion perhaps, or … (night)
Eine Steuererklärung, die auf einem Bierdeckel Platz
findet, wird wohl ewig ein Traum bleiben. Aber Kompositionen, die auf eine Postkarte passen, gibt es schon
lange. Ab Mitte der 1960er Jahre schrieb James Tenney
zehn solcher »Postal Pieces«. In diesem Fall besteht die
Postkarten-Partitur lediglich aus drei Spielanweisungen:
»very soft, very long, nearly white« (sehr weich, sehr lang,
annähernd weiß). Auf welchen Instrumenten und wie diese
Anweisungen in Klänge übersetzt werden, liegt ganz im
Ermessen des/der Interpreten. Bleiben die Interpreten
dem Konzept treu, seien diese Stücke, obwohl fast nichts
festgelegt ist, doch sehr vorhersehbar, erklärte Tenney in
einem Interview. »Man braucht nicht auf der Stuhlkante zu
sitzen.« Denn nur wer aufgehört habe, auf die große Überraschung zu warten, könne endlich anfangen, den Klängen
wirklich zuzuhören.
Ilja Stephan
19:30 | K2 | BANG ON A CAN ALL-STARS
BANG ON A CAN ALL-STARS
Adrián Sandí Klarinette
Ashley Bathgate Violoncello
Robert Black Kontrabass
Derek Johnson Gitarre
Vicky Chow Klavier, Keyboard
David Cossin Schlagzeug
Andrew Cotton Tontechnik
»Field Recordings«
Julia Wolfe (*1958)
Reeling (2012)
Florent Ghys (*1979)
An open Cage
Michael Gordon (*1956)
Gene takes a Drink (2012)
Film: Bill Morrison
Christian Marclay (*1955)
Fade to slide
David Lang (*1957)
Unused Swan
Tyondai Braxton (*1978)
Casino Trem
Steve Reich (*1936)
The Cave of Machpelah aus »The Cave« (1990–1993)
Arr.: Michael Gordon
Caroline Shaw (*1982)
Really craft when you
Todd Reynolds
Seven Sundays
Alvin Lucier (*1931)
Firewood (2013)
Bryce Dessner (*1976)
Letter 27
Anna Clyne (*1980)
A wonderful day (2013)
FREITAG
Bang on a Can All-Stars
»The country’s most important vehicle for contemporary
music« nannte der San Francisco Chronicle einmal das
Komponistenkollektiv Bang on a Can. 1987 in New York von
den drei Komponisten Julia Wolfe, David Lang, and Michael
Gordon gegründet, sorgt die Gruppe für die Aufführung
und Verbreitung von Neuer Musik weit über die eigenen
Werke hinaus. 1992 rief man dazu ein eigenes Ensemble
ins leben: die Bang on a Can All-Stars.
Mittlerweile sind die All-Stars auf der ganzen Welt für ihre
dynamischen Live-Auftritte und Aufnahmen innovativer
zeitgenössischer Musik bekannt. Dabei bewegt sich das
sechsköpfige Ensemble frei zwischen Genres wie Klassik,
Jazz, Rock, World und experimenteller Musik, um immer
wieder in musikalisch unentdeckte Gebiete vorzudringen.
Bei ihren Reisen innerhalb und außerhalb der USA haben
die All-Stars die Definition aufgebrochen, wie Konzerte
heutzutage aussehen. Mit dem großen Repertoire, das
speziell für das Ensemble mit seiner besonderen Besetzung geschrieben wurde, haben die Musiker ein eigenes
Genre etabliert.
Die Bang on a Can All-Stars verbindet eine langjährige
und enge Zusammenarbeit mit einigen der wichtigsten
und inspirierendsten Musikern der Gegenwart, darunter
Steve Reich, Ornette Coleman, Tan Dun, DJ Spooky und
vielen weiteren. Zu den bisherigen Projekten gehören etwa
Aufnahmen von Brian Enos »Music for Airports« oder
Terry Rileys »In C« sowie Live-Auftritte mit Philip Glass,
Meredith Monk, Don Byron, Iva Bittova und viele weitere.
Im Jahr 2005 wurden die All-Stars vom Magazin Musical
America als Ensemble des Jahres ausgezeichnet.
Zu den jüngsten Projekten des Ensembles gehören neben
den »Fiels Recordings« aus dem heutigen Konzert unter
anderem die Uraufführung und Aufnahme von Julia Wolfes
mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnetes Oratorium »Anthracite Fields« und die 2014 veröffentlichte Einspielung
von Wolfes »Steel Hammer« zusammen mit dem Trio
Mediaeval. In der ausverkauften Carnegie Hall führten sie
Steve Reichs »2x5« zum ersten Mal auf und spielten das
Stück auch auf CD ein. Konzertreisen führten die All-Stars
zudem mehrfach nach China zum Beijing Music Festival
und zum Hong Kong Arts Festival.
19:30 | K2 | BANG ON A CAN ALL-STARS
»Field Recordings«
»Field Recordings«: »Feld- oder Außen-Aufnahmen« sagt
das englisch-deutsche Lexikon. Das legendäre New Yorker
Ensemble Bang on a Can verweist mit diesem Begriff
auf klassische Musikethnologen wie etwa Béla Bartók
und Zoltán Kodály, die Mitte des letzten Jahrhunderts mit
einem Phonographen in die slowakischen Berge und die
ungarischen Ebenen zogen, um Volkslieder und Tanzmusik
aufzuzeichnen. Es geht also um Feldforschung, um die
Welt da draußen! Sie soll ins Zentrum aktueller Kompositionen rücken. »Es ist eine Art Geistergeschichte«, erklärt
der Komponist und Ensemble-Mitgründer David Lang.
»Wir haben Komponisten aus verschiedenen Teilen der
Musikwelt aufgefordert, nach einer Aufnahme zu suchen,
die bereits existiert – eine Stimme, ein Klang, ein kleiner
Abschnitt einer Melodie – und dann etwas Neues darum
herum zu schreiben.« Dieses Prinzip liegt allen Werken
des heutigen Abends zugrunde.
Den naheliegendsten Weg beschreitet Julia Wolfe, ebenfalls eine der Gründerinnen von Bang on a Can und 2015
ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis für Musik. Ihr Ausgangsmaterial ist – Musik. Sie nimmt sich ein YoutubeVideo und komponiert verschiedene Instrumentalstimmen
dazu. Die raue Stimme, der unbekümmerte Gestus eines
Folksängers geben den Ton vor. Diesen schmückt Julia
Wolfe nun mehr und mehr mit Instrumentalstimmen und
Schlagzeug aus.
Florent Ghys dagegen bezieht sich auf Sprache und
erweist gleichzeitig John Cage Reverenz, der bei diesen
»Greatest Hits« im Fokus steht. Sie lässt sich von Cage
inspirieren, der aus seinem Tagebuch liest, und betont
dessen Sprechrhythmus durch funkige Bassriffs.
Michael Gordon wiederum geht auf die Alltagskultur der
Videoclips ein, die für viele von uns längst Realität ist.
»Gene takes a drink« – ziemlich lässig betitelt Gordon, der
dritte Mitbegründer von Bang on a Can und Ehemann von
Julia Wolfe, seine Komposition. Und genau so lässig gibt
er Auskunft über den Ort des Geschehens: »Gene takes a
walk around the community gardens on the corner of Ave. C
and East 9th Str.« Ein kleiner Spaziergang im New Yorker
Stadtteil Alphabet City also. Hier, im East Village, fing damals alles an. Aufregend ist »Gene takes a drink« aber
auch, weil Gene durch die Gemeinschaftsgärten im ehemaligen puertoricanischen Viertel spaziert. Denn man
gärtnert inzwischen gemeinsam mitten in Manhattan – ein
Ausdruck moderner urbaner Lebensweise. Dazu passt ein
sanfter, gleichförmiger Soundtrack.
Ein sehr ausgeklügeltes Video bringt Christian Marclay
auf die Bühne. Kein Wunder, schließlich ist Marclay nicht
nur Komponist, sondern hat sich mit seinen Videocollagen
einen großen Namen gemacht. In rascher Abfolge schneidet er Sequenzen aneinander; die Zeit reicht kaum, um
sie einzuordnen, dann folgt schon die nächste. Dazu hat er
eine Art Soundteppich komponiert, der mal illustrierend,
mal verstärkend, das Video bereichert.
Die »found sounds« für David Langs Werk stammen aus
einer Scherenschleiferei. Er nahm sie ganz zu Beginn
seiner Karriere auf. Über »Unused Swan« sagt er : »Ich
machte damals einen Track mit Leuten, die Messer und
Scheren schliffen. Ich erinnere mich daran, wie sehr ich
diese Aufnahme mochte, aber das Konzert selbst war
grässlich.« Deswegen entschloss sich Lang, das Stück neu
aufzubauen. Die Geräusche der Scherenschleifer aber sind
gleich geblieben – und wirklich nichts für schwache Nerven.
Inzwischen gibt es eine Generation junger amerikanischer
Komponisten, die ganz selbstverständlich auf mehreren
Hochzeiten tanzen. Sie spielen in Rockbands, mischen als
Produzent und Ein-Mann-Orchester komplizierte Elektroklänge und verstehen sich gleichzeitig als klassische Komponisten. Zu dieser Generation gehören unter anderem
Tyondai Braxton und Bryce Dessner.
FREITAG
Das beliebige An- und Ausschalten schlecht produzierter
und auf billige Lautsprecher übertragener Klänge bildet
das Grundmaterial von Tyondai Braxtons »Casino Trem«.
Braxton setzt eine zweite Ebene auf diese Alltagsklänge, indem er wunderbar leichte und gut wahrnehmbare
Klangschichten erzeugt. Die kommen mal als fetter
Keyboardsound rüber, mal wie eine zu laut aufgedrehte
Fernsehwerbung. Braxton ist so etwas wie die »lone brave
soul« der amerikanischen Neue Musik Szene, schreibt
Seth Colter Wall auf pitchfork.com über ihn.
Bryce Dessner wurde als Rockmusiker mit seiner Band
»The National« weltbekannt. Sein Werk mit dem sperrigen
Titel »Maximus to Gloucester, Letter 27, withheld« bezieht
sich auf ein Gedicht des Schriftstellers Charles Olson.
Dessner wählt einen Videoclip, auf dem Olson das Gedicht
vorträgt. Es handelt sich um einen sehr sinnlichen Vortrag;
der Dichter rezitiert sein Werk mit weicher Stimme und
großen Gesten. Da genügt eine Cellokantilene und ein
wiederkehrendes eingängiges Motiv, um diese Form der
Alltagskultur auch musikalisch erfahrbar zu machen.
Mit ihm fing alles an: Steve Reich. Inzwischen ist es viele
Jahre her, dass der Amerikaner auf die Idee kam, die
Rhythmen afrikanischer Trommler in einer Endlosschleife
anzuordnen und langsam gegeneinander zu verschieben.
Das war mit der damaligen Technik gar nicht so leicht zu
bewerkstelligen: Zu Beginn blieb ihm nichts anderes übrig,
als zwei separate Tonbänder zu nutzen Deswegen gehört
er bei »Field Recordings« einfach dazu. Dass Bang on a
Can sich für einen Ausschnitt aus der Oper »The Cave«
entschieden hat, liegt an dem Material, dass Reich und
seine Frau, die Videokünstlerin Beryl Korot, gesammelt
haben. Denn in »The Cave« geht es um die Höhle von
Machpelah im Westjordanland, angeblich die Grabstätte
von Adam und Eva und auch von Abraham. Die darf aber
niemand betreten. Und so wird der Kern des Werks aus
Interviews mit Menschen gebildet, die sich für die jüdische
Kultstätte interessieren.
Wieder anders gehen Caroline Shaw und Anna Clyne an die
Sache heran. Beide schöpfen ihre Kreativität aus alltäglichen, fast banalen Situationen. In »Really craft when you«
von Caroline Shaw kann man Stimmen lauschen: Es sind
Frauen aus dem Süden der USA, die sich getroffen haben,
um Quilts zu nähen, die berühmten Decken mit ihren
zahllosen kleinen Stichen. Erstaunlich, was man daraus
machen kann. Caroline Shaw versetzte ihrerseits ganz
Amerika in Erstaunen, als sie vor drei Jahren den Pulitzerpreis für Musik bekam. Mit gerade einmal 30 Jahren war
sie damit die jüngste Amerikanerin überhaupt, der diese
Ehre zu teil wurde.
Todd Reynolds verbrachte quasi seine gesamte Kindheit
an der amerikanischen Westküste in Kirchen unterschiedlicher protestantischer Prägungen, da sich sein Vater als
Organist und Chorleiter von Job zu Job hangelte. Doch die
Macht der Erleuchtung und der Ekstase erlebte er erst
in den schwarzen Baptistenkirchen der Südstaaten. Ergo
bildet eine Schallplatte voller mitreißender Predigten aus
den 30er bis 50er Jahren die Grundlage für seine »Seven
Sundays«.
Der über 80-jährige Altstar Alvin Lucier suchte und fand
die Partitur für sein Stück »Firewood« im Wald. Genauer
gesagt: In den Spuren, die Insekten im Holz unter der
Baumrinde hinterlassen hatten, und die nun als grafische
Notation für die Stimmen der Musiker dienen. So gesehen
gibt es in seinem Werk zwar keine recordings, aber jede
Menge field.
Die Engländerin Anna Clyne schließlich hat einfach einen
Fußgänger angesprochen, der vor sich hin sang, ob sie ihn
aufnehmen dürfte. Sie durfte, und so bildet Willie Barbees
Gesang auf der Magnificent Mile in Chicago die Grundlage
von »A wonderful day«.
Mirjam Schadendorf / Clemens Matuschek
21:30 | K1 | COMPOSER SLAM
Willkommen zum Composer Slam! Heute Abend liegt es
in Ihrer Hand, also in den Händen des Publikums, eine
Komponistin oder einen Komponisten bis ins Finale zu
klatschen. Als da wären:
Ehsan Ebrahimi
Ehsan Ebrahimi wurde 1980 im Iran geboren und erlernte
dort die Santur, die persische Form des Hackbretts. Seit
2012 studiert er in Hannover Komposition. Er komponierte
bereits für namhafte Formationen wie etwa das Ensemble
Musikfabrik oder das Ensemble Mosaik. Seine Werke wurden auf renommierten Festivals aufgeführt, so etwa bei den
Händel-Festspielen Göttingen, dem Heidelberger Frühling
oder im ZKM Karlsruhe. Ehsan Ebrahimi gründete mehrere
Orchester in Deuschland und im Iran.
Tobias Hertlein
Tobias Hertlein ist Percussionist, Komponist und Musikvermittler. In letzter Funktion hat er schon beim EducationProgramm der Elbphilharmonie, auf Kampnagel und beim
Ensemble Resonanz mitgewirkt. Als Schlagzeuger hat er
u.a. mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester und bei Musicals wie »Aladdin« oder »König der Löwen« gespielt. Mit
seiner Mischung aus Livesounds, Elektronik, Komposition
und Improvisation trat er bei verschiedenen Performances
in Erscheinung.
Julia Mihàly
Julia Mihály bewegt sich an der Schnittstelle von zeitgenössischer Musik, Elektroakustik und Electronica. Das Crossover von unterschiedlichen Musikstilen ist charakteristisch
für ihre Musik. Sie studierte Gesang und elektronische
Komposition an der Musikhochschule Hannover. Mit ihrem
Elektronik-Duo CLUBbleu ist sie Artist in Residence am
Staatstheater Darmstadt. Sie ist Vorstandsmitglied der
Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik.
FREITAG
Tatjana Prelevic
Tatjana Prelevic wurde in Podgorica geboren, der Hauptstadt von Montenegro. Sie studierte Klavier und Komposition in ihrer Heimatstadt sowie in Hannover, wo sie seit
1997 Dozentin für Kammermusik und Neue Musik ist. In
ihren Werken, die von Solo-, Kammer- und Orchesterbesetzungen bis zu Vokal- und Musiktheaterstücken reichen,
setzt sie sich oft mit der Kunst und Kultur des ehemaligen
Jugoslawien auseinander. Dazu erhielt sie Kompositionsaufträge zahlreicher namhafter Institutionen.
Sebastian Wendt
Im Alter von 16 Jahren hörte Sebastian Wendt sein erstes
Free-Jazz-Konzert und verliebte sich sofort in diese neue
Klangwelt. Der Wunsch, diesen Kosmos und alles Fremde
zu erforschen und auf der Klarinette in allen Facetten zum
klingen zu bringen, führte ihn durch halb Deutschland und
schließlich nach Hannover, wo er Klarinette, Komposition
und Audioprogrammierung studierte. Seine Ideen bezieht
er oft aus mechanischen oder organischen Strukturen.
2016 erhielt er ein Stipendium des Landes Niedersachsen.
Simon Kluth Idee und Moderation
Simon Kluth, 1986 in Hamburg geboren, studierte Violine
in Detmold, Hannover und Paris. Er war langjähriges
Mitglied in der Jungen Deutschen Philharmonie und nahm
an der Lucerne Festival Academy teil. Derzeit spielt er u.a.
als Stimmführer in der Hamburger Camerata sowie in der
Band »Milou&Flint«. Simon Kluth ist Erfinder und Moderator des Komponistenwettstreits »Composer Slam«, den er
in verschiedenen Städten in ganz Deutschland organisiert.
Mittlerweile haben sogar Schüler-Composer-Slams stattgefunden; ein Konzept, das mit dem Förderpreis Musikvermittlung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung
ausgezeichnet wurde und für den »Junge Ohren Preis«
nominiert war.
Bang on a Can All-Stars
TAG 3 | SA, 19.11.2016
11 & 15 UHR | P1
FÜR KINDER AB 5 JAHREN: A HOUSE FULL OF MUSIC
Wiener Taschenoper
John Cage: A House full of Music
€9
16:30 UHR | K2
KLANGRADAR 3000
Hamburger Schüler komponieren
Eintritt frei
18 UHR | K6
NDR CHOR
Andra Darzins Viola | Sönke Schreiber Schlagwerk | Thomas Cornelius Celesta
Leitung Philipp Ahmann
Morton Feldman: Rothko Chapel
Julian Anderson: Four American Choruses
John Cage: Four 2
€ 18
19:30 UHR | K6
ENSEMBLE RESONANZ
BOYDS ELEKTRO GITARREN ORCHESTER
Gareth Davies Klarinette | Elliott Sharp E-Gitarre
Dirigenten Christoph Altstaedt, Jan Feddersen
Hits von Pauline Oliveiros, James Tenney, John Cage und Elliott Sharp
€ 18
23 UHR | KMH
ANNA MEREDITH & BAND
€ 15
11:00 & 15:00 | P1 | A HOUSE FULL OF MUSIC
A HOUSE FULL OF MUSIC
Eine musikphilosophische Abenteuerreise
für Kinder ab 5 Jahren mit Musik von John Cage
Katja Hensel Text
Jewgenij Sitochin Künstlerisches Konzept und Inszenierung
Nives Widauer Bühnenbild
Esther Straganz Videodesign
Wolfgang Musil Audiodesign
Frank Sobotta Lichtdesign
Martin Bermoser Clown
Marie-Christine Friedrich Stille
Michael Tiefenbacher Klavier
Was ist Lärm? Was ist Musik? John Cage, einer der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, hat unsere
Hörgewohnheiten und unser Denken über Musik radikal
auf den Kopf gestellt. Auf seinen Spuren begeben wir uns
auf eine abenteuerliche Hör-Reise durch unseren Alltag
und staunen darüber, was alles in unseren Ohren Musik
werden kann: zum Beispiel eine Schranktür, ein Wasserkocher, ein Reißverschluss, Bleistifte. Aber was wäre das
alles ohne die Stille, die uns diese Klänge und Geräusche
erst so richtig hören lässt!
Ausgezeichnet mit dem »Stella Darstellender.Kunst.Preis« für
junges Publikum.
John Cage
John Cage (1912–1992) war ein amerikanischer Komponist.
Schon falsch! Er war eher ein Erfinder. Er liebte Klänge
und Geräusche; alles was man hören kann. Und er hasste
es, wenn alles so klingt, wie man es gewohnt ist. Deshalb
erfand er viele Arten, wie man neue Klänge erzeugen kann.
Zum Beispiel beim Klavier: Jeder weiß, wie das klingt;
deshalb steckte Cage Schrauben, Nägel und Radiergummis zwischen die Saiten, und schon klang es ganz anders.
Klänge, die bisher noch niemand gehört hatte!
Außerdem fiel John Cage auf, dass jedes Ding seinen eigenen Klang hat. Zum Beispiel in der Küche: Schrank, Herd,
Spühle, Töpfe Pfannen, Messer und all die andern Sachen.
Wenn man draufhaut, dran reibt, hat alles einen Ton, und
man kann damit sogar Musik machen. Ja, die merkwürdigsten Klänge sind sogar immer schon da, man muss
sie nur reinlassen. John Cage machte deshalb gerne die
Fenster seiner Wohung auf, und zwar die, die zur Straße
rausgingen. Schon hatte er ganz abwechslungsreiche
Geräusche: die Autos, die Stimmen der Leute, Wind in den
Bäumen und vieles mehr. Deshalb sagte John Cage oft:
Mach die Ohren auf – dann kriegst Du neue glückliche
Ohren, die immer etwas Neues hören. Die Freunde von
Cage meinten: Er war ein glücklicher Mensch, weil er in
jedem Moment etwas Unerwartetes hören konnte. Das will
seine Musik uns zeigen.
Thomas Ulrich
SAMSTAG
Wiener Taschenoper
Die Wiener Taschenoper produziert in den letzten Jahren
hauptsächlich Kinderopern. Dafür vergibt sie Aufträge an
Komponisten wie Wolfgang Mitterer (»Schneewittchen«),
Martin Brandlmayr (»Der blaue Autobus«) und eröffnet
Kindern den Zugang zu Klassikern der Avantgarde wie
etwa John Cages »A House full of Music« oder Karlheinz
Stockhausens »Der kleine Harlekin«. Wesentliche Weggefährten dabei sind Künstler wie Jevgenij Sitochin, Harald
Thor, Charles Koroly, Reinhard Traub und andere. Zu ihren
Partnern zählen neben der Elbphilharmonie die Wiener
Sängerknaben, das Opernhaus Graz, die Bayerische
Staatsoper und das Staatstheater Kassel.
Marie-Christine Friedrich Stille
Die geborene Wienerin Marie-Christine Friedrich ist
freischaffende Schauspielerin für Kino, Film und Bühne.
Sie spielte u.a. in »La Luz de la Esperanza« von Sylvia
Quer, »Karo und der liebe Gott« von Danielle Proskar und
»Weitertanzen« von Friederike Jehn, in der Serie »Fauner
Consulting«, in dem französischen Kinofilm »Tout est pardonné« und in der TV-Reihe »Lena Lorenz«. 2004 erhielt sie
den Preis »Romy« in der Kategorie Shootingstar und 2007
den Preis als beste Schauspielerin beim internationalem
Filmfestival in Gijon. Darüber hinaus spielte sie am Volkstheater Wien, Kosmostheater Wien und bei den Vereinigten
Bühnen Bozen.
Die Wiener Taschenoper wird gefördert von der Stadt Wien.
Michael Tiefenbacher Klavier
Martin Bermoser Clown
Geboren und aufgewachsen in Kärnten, studierte Martin
Bermoser Schauspiel in Wien und New York und nahm
an diversen Method-Acting-Workshops teil. Er spielte an
zahlreichen Bühnen im In- und Ausland, unter anderem im
Schauspielhaus Stuttgart, bei den Salzburger Festspielen,
an der Wiener Volksoper oder in der »Blue Man Group« in
New York und Berlin. Außerdem stand er für zahlreiche
Filme und Fernsehserien wie »Tatort« oder »Kommissar
Rex« vor der Kamera und arbeitete mit Regisseuren wie
Michael Haneke für »Die Klavierspielerin« zusammen.
Seine internationale Filmkarriere startete er 2015 mit
»Mission Impossible – Rogue Nation« an der Seite von Tom
Cruise und 2016 »Beyond Valkyrie« an der Seite von Rutger
Hauer und Tom Sizemore.
»Ein Name, den man sich merken sollte« hieß es auf Ö1
über den 1982 in Tirol geborenen Michael Tiefenbacher.
Er absolvierte ein Jazzklavierstudium am Tiroler Landeskonservatorium sowie am Gustav-Mahler-Konservatorium
und besuchte Meisterkurse bei Größen wie Jacky Terrasson, Rob McConnel, Bobby McFerrin und Lee Harper. Seit
2009 ist er Dozent für Klavier und Ensemble und seit 2014
Abteilungsleiter der Abteilung für Tasteninstrumente am
Vienna Music Institute. Zu seinen künstlerischen Partnern
zählen Billy Cobham, Jeff Richman und Wolfgang Mitterer.
In dieser Saison ist Michael Tiefenbacher u.a. mit dem
Ulrich Drechsler Trio, in der Oper »Schneewitchen« von
Wolfgang Mitterer sowie auf Europatournee mit der Band
Studio Dan zu erleben.
16:30 | K2 | KLANGRADAR 3000
Klangradar 3000
Klingende Geschichten am Feuer
16 Jahre besteht es bereits, das Musikvermittlungsprojekt
»Klangradar 3000«, in dessen Rahmen Komponisten in die
Schulen kommen, um Schülerinnen und Schüler mit zeitgenössischer Musik bekannt zu machen. Und nicht nur das:
Die Schüler experimentieren mit alltäglichen Gegenständen,
Geräuschen und Elektronik und erfinden selbst Instrumente.
So werden sie für das klangliche Potenzial ihrer Umwelt
sensibilisiert. Ziel ist die Komposition eines eigenen
Gemeinschaftswerkes im Musikunterricht auf Basis des
gesammelten musikalischen Materials. Entwickelt wurde
das Format vom Komponisten Burkhard Friedrich.
Stadtteilschule Langbargheide, Klasse »Wölfe«
Arda Bastürk, Irini Bousdoukou, Sirat Charrad, Leis Chebishat, Dorit Christiansen, Rojhat Dogan, Maria Gabriela
Gäding, Abdurrachman Gemirhanov, Pascal Gehren, Seline
Glindemann, Semih Gul, Leandro Jalo Ramalho, Robert
Jantscha, Conner Arwed Klemm, Karen Marutyan, Yusuf
Ozbal Beig, Alisa Pavlovskaya, Maxim Saltykov, Ondrej
Vagovic
Heute erleben Sie die Uraufführungen von vier solcher
Werke. Bei der Komposition haben sich die Schüler vom
Thema »Zurück in die Zukunft« inspirieren lassen. Das
kann sich zum Beispiel auf das Licht von Sternen im Universum beziehen: Manches Sternenlicht, das uns erreicht,
ist schon Billionen Jahre alt, und man weiß nicht mal genau, ob die Lichtquelle überhaupt noch existiert. Und doch
scheint dieses Licht in die Zukunft. Ein bisschen wie Musik
also, deren Komponist vielleicht nicht mehr am Leben ist,
die aber immer noch universell und zukunftsweisend sein
kann – wie zum Beispiel die Stücke von John Cage und
Morton Feldman.
»Wir haben mit Dario Musik gemacht. Das war toll!«
»Ich finde es toll, dass Indianer Instrumente selbst erfunden haben. Das machen wir auch!«
»Wir waren im Volkspark und haben mit Dario Musikinstrumente gesammelt. Es sind Naturinstrumente!«
»Das Instrument klingt schön, das ich gefunden habe!«
»Das ist mein Instrument: Holz-Super-Blatt!«
»Klangradar 3000« ist eine Kooperation des Landesmusikrats in
der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. und Elbphilharmonie
Hamburg. Gefördert durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Stiftung Feldtmann Kulturell unter dem Dach der
Hamburgischen Kulturstiftung.
Dario Quinones Komponist
Julia Langguth, Susanne Matzen-Krüger Lehrerinnen
netieZ
Stadtteilschule Meiendorf, Klasse 8c
Bahros Abdul, Derek Adjei, Rachel Albrecht, Emal Alikusi,
Aylin Bode, Lilly Brederlow, Emmy Burak, Sascha Drewes,
Linus Fehling, Julie Ferreira de Silva, Avril Gyamfi, Chantal
Hecker, Kristian Horvath, Hajriz Hyseni, Alessandra Kraus,
Denise Küper, Celia Leib, Celina Lübke, Sarah Meyer,
Josefine Nagurski, Tony Ngguyen, Maya Petrovic, Ahmed
Radwan, Michelle Schultz, Nawid Waez Zadeh, Maximilian
Wehr
Weitere Informationen: www.klangradar3000.de
Carlos Andrés Rico Komponist
Hendrikje Witt Lehrerin
SAMSTAG
Lesen Sie den Titel unseres Stückes rückwärts, dann werden Sie ihn verstehen! Denn uns ging es – nach dem Motto
»Zurück in die Zukunft« – um die Frage, wie sich Zukunft,
Gegenwart und Vergangenheit anhören könnten. Also,
welche Bilder wir Ihnen als Zuhörern in den Kopf setzen
wollen und mit welchen Instrumenten und Gegenständen
sich die dafür notwendigen Klänge erzeugen lassen. Nun
könnte man denken, diese Instrumente und Gegenstände
sind das Wichtigste bei unserem Projekt. Sie sind jedoch
nur die Arbeiter; diejenigen, die ausführen, was in unseren Köpfen stattfindet: vier Momente, beeinflusst von den
Klängen der vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde)
und ihre Entwicklung in der Zeit. Im Laufe des Projekts
konnten wir viele Instrumente ausprobieren und neu erschaffen. Alltägliche Gegenstände wie zum Beispiel Basketbälle oder Tacker wurden zu willkommenen Effekten in
unserer Komposition. So lernten wir auch den Umgang mit
Pausen und Rhythmen besser kennen und entwickelten
ein Gespür für die Wirkung der Musik auf unsere Gefühle
und umgekehrt.
Verloren in der Zeit
Friedrich-Ebert-Gymnasium, Klasse 6m
Liberty Abuah, Rozerin Aras, Fabian Bizanz, Fenina Buch,
Amelie Diedrich, Zara Dolas, Marina Fernandez y Wiese,
Rike Gilles, Alicia Gülüm, Miray Halisdemir, Theia Hartmann, Xenia Jost, Alina Kronhard, Emil Kruse, Mariam
Mahdi, Paulina Markevka, Aleyna Özmen, Carola Peters,
Taja Rommel, Hannah Ruge, Mia Schultz, Jarray Siise,
Hanna Sollböhmer, Semir Streicher, Helene Sturm, Sude
Tugrul
Benjamin Helmer Komponist
Lone Baumann Lehrerin
In unserem Stück geht es um eine Zeitreise, die im Kopf
eines Menschen stattfindet. Mit einer Zeitmaschine
werden wir Sie in die Vergangenheit und in die Zukunft
entführen. Aber wie klingt eigentlich die Zeit? Wie klingt
die Vergangenheit? Wie klingt die Zukunft? Welche Geräusche macht eine Zeitmaschine, wenn sie startet oder wenn
sie kaputt geht? Diese Fragen haben wir uns gestellt. Die
Antworten werden Sie während des Stückes hören.
The Unknown Future
Albert-Schweitzer-Stadtteilschule, Klasse 10a
Lukas Bochnik, Lina Brinkmann, Friederike Bruhns, Lea
Deger, Lara von Deyen, Piet Finder, Elias Grimm, Alicia
Hauschildt, Sina Heisler, Gesa Jensen, Indra Klünder, Julie
Köhler, Tomke Kuhlmann, Jonathan von Massenbach,
Justus Mayr, Louis Meinecke, Lewin Müller, Svenja Olberg,
Nils Outzer, Manja Pertt, Johann Rattay, Josefine Schwarz,
Caroline Thedens, Alexander Thiedemann, Sophia Tsalikis
Goran Lazarevic Komponist
Jan Peters Lehrer
Wir beschreiben mit unserem Stück die Entwicklung der
Menschheit, die sich immer mehr zu einer medienorientierten Gesellschaft entwickelt. Die Technik wird immer
mehr zum Bestandteil der Menschen, selbst der jüngsten
Generation. Bedingt durch den wachsenden Konsumrausch werden die Lebensumstände stressiger und die
Kommunikation untereinander findet fast ausschließlich
nonverbal statt. Wir versuchen, einen Kontrast zwischen
Melancholie und einer positiven Stimmung herzustellen.
Die Herstellung der Klänge konzentriert sich hierbei auf
unsere Orchesterinstrumente. Die große Frage unseres
Stückes ist: Können wir uns den Herausforderungen der
Zukunft stellen?
18:00 | K6 | NDR CHOR
NDR CHOR
NDR Chor
Leitung PHILIPP AHMANN
ANDRA DARZINS Viola
SÖNKE SCHREIBER Schlagwerk
THOMAS CORNELIUS Celesta
Morton Feldman (1926–1987)
Rothko Chapel (1971)
ca. 25 Min.
Julian Anderson
Four American Choruses (2008)
I’m a Pilgrim
Beautiful Valley of Eden
Bright Morning Star
At the Fountain
ca. 20 Min.
John Cage (1912–1992)
Four2 (1990)
for mixed chorus (1990)
ca. 10 Min.
1946 gegründet, gehört der NDR Chor zu den international führenden Kammerchören. Sein Repertoire erstreckt
sich von Alter Musik bis hin zu Uraufführungen. Mit seiner
nuancierten Klangfülle und stilistischem Einfühlungsvermögen in die verschiedenen Musikepochen liegt der
Schwerpunkt seiner Arbeit besonders auf der Auseinandersetzung mit anspruchsvoller A-cappella-Literatur.
Auch die Musikvermittlung ist dem NDR Chor ein wichtiges Anliegen. Künstlerischer Leiter ist seit 2008 Philipp
Ahmann. Dirigenten wie Daniel Barenboim, Marcus Creed,
Paavo Järvi, Andris Nelsons und Sir Roger Norrington geben dem Chor weitere künstlerische Impulse. Regelmäßig
zu Gast ist der NDR Chor beim Schleswig-Holstein Musik
Festival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, den
Internationalen Händel-Festspielen Göttingen und in internationalen Konzerthäusern wie dem Théâtre des ChampsElysées in Paris.
Sopran
Regine Adam, Bettina Podjaski, Dorothee Risse-Fries,
Katharina Sabrowski, Stephanie Stiller, Raphaela Mayhaus,
Johanna Mohr, Agnes Kovacs, Elisa Rabanus
Alt
Almut Pessara, Gabriele-Betty Klein, Alexandra Hebart,
Christa Diwiak, Ina Jaks, Gesine Grube, Kristien Daled,
Meredith Nicoll, Andrea Hess
Tenor
Dantes Diwiak, Keunhyung Lee, Joachim Duske, Aram
Mikaelyan, Götz-Phillip Körner, Joachim Streckfuß, Satoshi
Mizukoshi
Bass
Christoph Liebold, Andreas Heinemeyer, Dávid Csizmár,
Simon Schnorr, Andreas Pruys, Fabian Kuhnen, Manfred
Reich, Rudolph Preckwinkel, Till Schulze, Johannes Happel
SAMSTAG
Philipp Ahmann Leitung
Philipp Ahmann, geboren 1974, studierte Dirigieren bei
Marcus Creed im Köln. Seit 2005 arbeitet er mit Rundfunkchören, u.a. beim SWR, WDR und rbb. 2013 ernannte ihn
der MDR Rundfunkchor Leipzig für drei Jahre zum Ersten
Gastdirigenten. 2008 übernahm er die Leitung des NDR
Chores, unter der die sehr erfolgreiche eigene Abonnementreihe gegründet wurde. Neben der Erarbeitung von
A-cappella-Literatur hat Philipp Ahmann sich auch einen
Namen mit Interpretationen oratorischer Werke vom
Barock bis zur Moderne gemacht. Dabei arbeitete er mit
Orchestern der Alten Musik wie Concerto con Anima oder
Concerto Köln und mit Spezial-Ensembles der Neuen
Musik wie dem Raschèr Saxophone Quartet zusammen,
ferner mit dem Ensemble Resonanz, dem GürzenichOrchester Köln, dem MDR Sinfonieorchester und der
NDR Radiophilharmonie. Produktionen mit der NDR Bigband und NDR Brass sowie die Leitung des NDR Mitsingprojektes »Singing!« mit über 600 Sängern unterstreichen
seine Vielseitigkeit.
Andra Darzins Viola
Als Kind lettischer Eltern in Australien geboren, studierte
Andra Darzins zunächst in Adelaide. Als Churchill Fellowship und DAAD-Stipendiatin kam sie schließlich nach Berlin, wo sie ihr Studium bei Wolfram Christ 1989 mit dem
Konzertexamen mit Auszeichnung absolvierte. Nach ihrer
Position als Erste Solobratschistin im Philharmonischen
Staatsorchester Hamburg von 1993 bis 2004, wurde sie als
Professorin an die Musikhochschule Stuttgart berufen. Sie
hat bereits viele Werke zur Uraufführung gebracht, u.a.
das ihr gewidmete Violakonzert der lettischen Komponistin Maija Einfelde. Andra Darzins ist Preisträgerin bei
zahlreichen Wettbewerben. Ihre CD »America«, auf der
sie die Solo-Viola in Feldmans »Rothko Chapel« mit dem
SWR Vokalensemble spielt, wurde 2014 mit dem Preis der
Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.
Sönke Schreiber Schlagwerk
Sönke Schreiber studierte klassisches Schlagwerk an der
Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und spielte
u.a. beim Philharmonischen Staatsorchester als Aushilfe.
Als Solist trat Sönke Schreiber 2003 mit dem Marimbakonzert von Ney Rosauro und 2004 mit dem Konzert für
Marimba, Vibra und Orchester von Darius Milhaud auf.
2005 folgte die CD-Einspielung des Rosauro-Konzertes. In
weiteren Konzerten kamen das Paukenkonzert von Philip
Glass und die Marimbakonzerte von Emmanuel Séjourné
und Anders Koppel zur Aufführung. Bei Elbtonal Percussion, dem fulminanten Schlagzeugquartett aus Hamburg,
ist er seit 2012 Mitglied und tourt durch Deutschland und
im Ausland. Gemeinsam mit der Pianistin Elisaveta Ilina
verwirklicht er im Ensemble farbton die Vorstellungen von
Klangfarben in reiner Kammermusik. Im Unterricht an
Musik- und Grundschulen vermittelt Sönke Schreiber Kindern die Vielfalt an und Freude mit den Schlaginstrumenten, zudem hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg inne.
Thomas Cornelius Celesta
Thomas Cornelius wurde 1986 in Schleswig geboren und
begann seine musikalische Ausbildung am Schleswiger
Dom. Es folgten Studien der Kirchenmusik, historischer
Tasteninstrumente, Dirigieren und Komposition an der
Musikhochschule Lübeck und an der Hochschule für
Musik und Theater Hamburg. Für seine Interpretationen
wurde Cornelius mehrfach ausgezeichnet. Er tritt sowohl
solistisch, im Ensemble und mit großen Sinfonieorchestern auf und musizierte schon mit verschiedenen Chören
und Orchestern unter namhaften Dirigenten wie Thomas
Hengelbrock und Herbert Blomstedt. Konzertreisen als
Organist führten ihn sowohl in bedeutende Kathedralen
Europas als auch in die USA und nach Fernost. Premieren
und Aufführungen seiner Kompositionen stehen 2017 u.a.
in der Kölner und Breslauer Philharmonie an.
18:00 | K6 | NDR CHOR
Morton Feldman: Rothko Chapel
Intimität ist in der Malerei auch eine Frage des Maßstabs.
Wer repräsentieren wollte, etwa als Monarch, wählte den
monumentalen Schinken in Öl. Intimität verlangte dagegen
nach dem kleinen Format – vielleicht ein Medaillon mit
dem Bild der Geliebten. Mark Rothko aber malte im Großformat, um auf diese Weise Intimität herzustellen. Rothko
(1903–1970) wollte Farbflächen, die so groß sind, dass sie
unser Blickfeld ganz einnehmen. »Es ist mir klar, dass die
Funktion großer Bilder historisch etwas Bombastisches,
Aufgeblasenes ist«, sagte der Maler. »Doch der Grund, warum ich sie male, ist genau umgekehrt: Ich möchte intim
und menschlich sein. Wenn Sie ein großes Bild malen, sind
sie in ihm.« Mit der Rothko Chapel, einem ökumenischen
Andachtsraum in Houston (Texas) realisierte der Maler
einen Ort, in dem der Betrachter ganz von seinen Großformaten umgeben ist. 14 von Rothkos Bildern wurden in
einem eigens dafür konzipierten achteckigen Raum aufgehängt. Die Bilder sind schwarz, aber vielschichtig schwarz.
Bei der Einweihung lernte Morton Feldman die Stifter der
Chapel kennen und erhielt den Auftrag, Musik für Rothkos
Raum zu schreiben. Feldmans »Rothko Chapel« ist aber
sicher keine simple Vertonung von Rothkos Malerei. Vielmehr spürt der Komponist mit musikalischen Mitteln den
Erfahrungen nach, die sich in dem von Rothko geschaffenen Raum der Stille und Einkehr machen lassen: »Meine
Auswahl der Instrumente im Hinblick auf Besetzungsumfang, Klangbalance und Klangfarbe wurde in hohem Maße
bestimmt durch den Raum, aber auch durch die Bilder«,
schrieb der Komponist. »Die Musik sollte sich über den
ganzen Raum verbreiten und nicht aus Distanz gehört
werden.« An zwei Stellen tauchen Melodien wie längst verschüttete Erinnerungen an der musikalischen Oberfläche
auf. So singt der Sopran eine Melodie, die Feldman am Tag
von Igor Strawinskys Beisetzung skizziert hatte. Und für
den Schluss greift er auf eine quasi-hebräische Melodie
zurück, die er als 15-Jähriger geschrieben hatte.
Julian Anderson: Four American Choruses
Warum singt man im Chor? Weil es schön ist, zusammen
mit anderen zu singen, als Gemeinschaft. Dem Kollektiv
ein klingendes Denkmal zu setzen, war auch das Anliegen des Briten Julian Anderson bei der Komposition
seiner »Four American Choruses on Gospel Texts«. Als
Textgrundlage wählte Anderson vier Hymnen aus einem
seit dem 19. Jahrhundert in den USA weit verbreiteten
Kirchenliederbuch von Ira D. Sankey. Es sei deren Kunstlosigkeit und zupackender Optimismus gewesen, die ihn
an diesen Worten fasziniert hätten, schreibt der Komponist
zur Einführung. Menschen in »vermutlich schrecklichen
Lebensumständen« hätten in Sankeys Erweckungsliedern
Trost und Hoffnung auf ein besseres Leben gefunden. Im
Fokus von Andersons Chören steht so die »soziale Idee«
von gemeinsamer Hoffnung.
In ihrer einfachsten Form erscheint die Idee des Kollektivs
in der »unbegleiteten Monodie« (Anderson) am Anfang des
ersten, schlichtesten Stückes »The Pilgrim«. Im größtmöglichen Kontrast dazu steht das zweite Stück »Beautiful
Valley of Eden«. Hier haben sich die vier Stimmen des
gemischten Chores zu vier Chören verselbstständigt, die
jeweils in ihrem eigenen Tempo singen und von einem Unterdirigenten geleitet werden. Erst im letzten Takt sind die
vier Chöre dann exakt miteinander synchronisiert. Für das
dritte Stück »Bright Morning Star!« beruft Anderson sich
auf das Vorbild der »heterophonen Psalmen-Sing-Tradition
auf den gälischen Inseln Lewis und Harris an der Westküste Schottlands«. In der »Heterophonie« bringen mehrere
Stimmen gleichzeitig ihre eigene Version einer zugrundeliegenden gemeinsamen Melodie. Das kollektive Leid einer
ganzen Bevölkerungsschicht, aber auch der stolze Sinn
für die eigene Würde, sind wohl selten so eindrücklich in
Töne gefasst worden wie im Blues. So ist es nur folgerichtig, dass Anderson vom letzten seiner Choruses »At the
Fountain« schreibt: »Im Mittelteil nimmt die Musik Züge
des Blues an.«
SAMSTAG
Rothko Chapel
Cage: Four 2 (1990)
John Cage hatte eine schöne Definition für seine Art der
Musik, er nannte es »Klang in die Stille werfen«. Cages
Verfahren als Komponist bestand häufig darin, Spielregeln für diesen elementaren Akt festzulegen. Gut nachvollziehen lässt sich das anhand der ca. 45 sogenannten
»Number Pieces«, an denen er ab 1987 komponierte. Die
erste Zahl des Titels gibt die Anzahl der Beteiligten an,
die hochgestellte Zahl ist eine Art fortlaufender Seriennummer: Four2 ist also das zweite der Number Pieces mit
vier Beteiligten – in diesem Fall ein vierstimmiger Chor.
Wer in die Partitur blickt, sieht vor allem Zeitangaben.
Auf die Sekunde genau notierte Werte geben Zeitfenster
an, innerhalb derer ein Ton in einer Stimme einsetzen
kann und bis wann er maximal gehalten werden soll. Im
Ermessen der Interpreten liegt es, wann innerhalb dieser
Zeitfenster die Töne einsetzen und wieder verschwinden.
Festgelegt ist nur die Gesamtdauer: exakt sieben Minuten.
Auch den Tonvorrat legte Cage akribisch fest. Zwölf Töne
in sechs Lautstärken kommen vor. Weil der Komponist
dabei einfache Tonkonstellationen bevorzugte, klingt Four 2
so harmonisch und meditativ. Und auch für die Laute, auf
die diese Töne gesungen werden, fand Cage eine originelle
Spielregel. Der Lautvorrat des Stückes beruht auf dem
Namen des US-Bundesstaates Oregon. Für den Verstand
ist Cages Four 2 eine Art arithmetisches Anordnungspiel
der Klänge, für das Ohr hingegen kann es zu einer spirituellen Erfahrung werden.
Ilja Stephan
JÓhann JÓhannsson
orphée
»Die Musik des Isländers lässt sich durch Genrebegriffe nicht einfangen.
Sie schwebt zwischen Ambient, zeitgenössischer Klassik und dem Spiel
von akustischen Instrumenten und elektronischen Sounds.« nDR
Live
01.12.2016 Berlin, Funkhaus Nalepastraße · 10.02.2017 hamburg, Elbphilharmonie
www.johann-johannsson.de
18:00 | K6 | NDR CHOR
Julian Anderson: Four American Choruses
Mary S. B. Dana: I’m a pilgrim
I’m a pilgrim and I’m a stranger,
I can tarry, I can tarry but a night!
Do not detain me, for I am going
To where the streamlets are ever flowing:
SAMSTAG
There is the home of my Savior;
There, with the blood-washed throng,
Over the highlands of glory
Rolleth the great new song.
Beautiful valley of Eden,
Home of the pure and blest,
How often amid the wild billows
I dream of thy rest, sweet rest!
I’m a pilgrim and I’m a stranger,
I can tarry, I can tarry but a night!
Victoria Stuart: Bright morning star
Of that city, to which I journey,
My Redeemer, my Redeemer is the light!
There is no sorrow, nor any sighing,
Nor any tears there, nor any dying.
I’m a pilgrim and I’m a stranger,
I can tarry, I can tarry but a night!
Shine on! Shine on! Thou bright and beautiful star!
Shine on, O star of beauty! From thy fair home above;
Reflecting in thy brightness, Our Father’s look of love.
Shine on! Shine on! Thou bright and beautiful star!
Shine on, O star of Glory! We lift our eyes to thee;
Beyond the clouds that gather, Thy radiant light we see.
Shine on!
William Orcutt Cushing: Beatiful valley of Eden
P. P. Bliss: At the fountain
Beautiful valley of Eden!
Sweet is thy noontide calm;
Over the heart of the weary,
Breathing thy waves of balm.
Beautiful valley of Eden,
Home of the pure and blest,
How often amid the wild billows
I dream of thy rest, sweet rest!
Over the heart of the mourner
Shineth thy golden day,
Waiting the songs of the angels
Down from the far away.
Will you meet me at the fountain,
When I reach the glory land?
Will you meet me at the fountain?
Shall I clasp your friendly hand?
Other friends will give me welcome,
Other loving voices cheer;
There’ll be music at the fountain,
Will you, will you meet me there?
Yes, I’ll meet you at the fountain,
At the fountain bright and fair,
Yes, I’ll meet you, oh, I’ll meet you at the fountain,
Yes, I’ll meet you, meet you there.
19:30 | K6 | ENSEMBLE RESONANZ
ENSEMBLE RESONANZ
GARETH DAVIES Klarinette
ELLIOTT SHARP E-Gitarre
Dirigent CHRISTOPH ALTSTAEDT
BOYDS ELEKTRO GITARREN ORCHESTER
Dirigent JAN FEDDERSEN
James Tenney
For Ann (rising) (1969)
ca. 10 Min.
Pauline Oliveros
Out of the Dark (1998)
for chamber orchestra
ca. 20 Min.
James Tenney
Septet für sechs E-Gitarren und E-Bass (1981–2000)
ca. 10 Min.
James Tenney
For 12 Strings (rising) (1971)
ca. 30 Min.
Pause
John Cage (1912–1992)
Quartets I–VIII (1975)
Version für 24 Instrumente
Part 1
James Tenney: Rising & Septet
Pauline Oliveros: Out of the Dark
Es geht aufwärts. Den Rahmen des ersten Konzertteils bilden zwei Versionen von James Tenneys Stück »Rising«. In
der elektronischen Urversion von 1969 »For Ann (rising)«
sind es insgesamt 240 zeitlich versetzte Sinustöne, die
aus Regionen unterhalb der menschlichen Hörschwelle
stetig aufsteigen, dabei zunächst lauter werden, um dann
an der Obergrenze des Hörbereichs wieder im Nichts zu
verschwinden. Für das menschliche Ohr ergibt sich so die
Illusion einer endlos aufsteigenden Linie.
Einen wichtigen Teil seines Berufslebens verbrachte James
Tenney in den Bell Telephone Laboratories mit der Entwicklung von Verfahren zur elektronischen Klangsynthese.
Doch sein künstlerisches Credo weist den Pionier der
Elektroakustik und Computermusik auch als Naturliebhaber aus: »Ich glaube, dass Texturen aus der realen Welt
– oder welche, die einen solchen Charakter haben – schön
sind: die Sterne im Himmel, die Blätter an den Bäumen,
der Verkehrslärm an der Straßenecke, die Vögel im Wald
etc. Das sind für mich schöne Texturen. Ich denke zum
Beispiel an Jackson Pollock. Das ist nicht nur interessant,
radikal, nicht-figurativ und so weiter. Das ist großartig.« In
seinem »Septet« komponierte Tenney Texturen aus jenem
Naturphänomen, das aller akustischen Kunst zugrunde
liegt, der Obertonreihe. Sieben Gitarren bringen alle Töne
zum Vibrieren, die über einem Grund- und Basston mitschwingen.
ca. 40 Min.
Pause
Elliott Sharp (*1951)
Oceanus procellarum (2016)
Uraufführung
ca. 40 Min.
Auch Pauline Oliveros nutzt in »Out of the Dark« das Phänomen der Obertonreihe. Kern ihres Stückes ist ein einziger Ton (ein d), der auf vier verschiedene Weisen verändert
und entwickelt werden soll: durch Tonhöhenveränderung,
durch verschiedene Klangfarben, durch rhythmische Belebung und durch das Hervorheben seiner Obertöne. Aus der
Fixierung auf einen Ton arbeiten sich die improvisierenden
SAMSTAG
Musiker so in immer neuen Anläufen zu immer höheren
Graden von Freiheit und immer reicheren Gestaltungsmöglichkeiten vor. Wie der Titel es nahelegt: Durch die
Nacht zum Licht. Dabei enthält Oliveros’ grafische Partitur
eine Anweisung, die sich in Partituren bemerkenswerterweise sonst nur selten bis gar nicht findet: »Listen«. Höre
zu! Auch den Kernsatz ihrer künstlerischen Botschaft hat
die Gründerin eines »Instituts für vertieftes Hören« (Deep
Listening Institute) den Musikern in Form einer Spielanweisung mit auf den Weg gegeben. Beim Stichwort »Freie
Improvisation« heißt es: »Alles ist möglich, solange du
zuhörst.«
So scheint Cage manche Noten, die nach dem »I Ging«
hätten stehenbleiben sollen, nachträglich wegradiert zu
haben. Im Ergebnis wurden fast alle Noten zu »Inseln«, die
durch Pausen von ihren Nachbarn getrennt sind. Anderes wiederum war dem Komponisten so wichtig, dass er
es im Original beließ, damit die Botschaft wahrnehmbar
blieb. So blitzen mitunter größere Fragmente des Originals zwischen den von Cage ausgesiebten Toninseln auf.
Wenn es etwa im Text des Chorals »Lift up your Heads, o
Ye Gates« heißt »Earth’s my footstool«, dann ließ Cage die
Melodielinie zu dieser bodenständigen Botschaft unangerührt stehen.
Part 2
John Cage: Quartets I–VIII
Part 3
Elliott Sharp: Oceanus procellarum (Uraufführung)
Seinem Land zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit
ein Ständchen zu bringen, wurde John Cage nicht leicht
gemacht. Eigentlich war es seine Absicht gewesen, »einen
Zyklus voller Musik zu machen, den man 1776 in diesem
Land gehört haben könnte«. Doch die nötigen Rechte für
die Verwendung solcher Originalmusik waren für ihn nicht
zu bekommen. Also verfiel Cage auf eine ganz besondere Art der Bearbeitung, die zugleich das Urheberrecht
unterlief. Für seine Quartets griff der Komponist auf
protestantische Choräle aus der Frühzeit der Vereinigten
Staaten von Amerika zurück und eliminierte nach einem
durch das Orakelbuch »I Ging« bestimmten Verfahren
einen Großteil der Noten in den vierstimmigen Chorsätzen.
Wo im Original ein Klang gestanden hatte, blieb nun eine
Pause. Die verbleibenden Noten verteilte Cage so auf die
24 Instrumente seines Ensembles, dass nie mehr als vier
Instrumente gleichzeitig spielen und sich immer neue,
andere Konstellationen ergeben.
Sein neustes Werk »Oceanus procellarum« (Ozean der
Stürme) benannte der Gitarrist und Komponist Elliott
Sharp nach einer Landschaft auf der erdzugewandten
Seite des Mondes. Ist sie bei abnehmendem Mond deutlich
zu sehen, so glaubte man früher, kündigen sich Stürme
an. Sharp studierte an der University of Buffalo Physik,
Komposition, Musikethnologie und Improvisation, unter anderem bei Morton Feldman. Nach dem Studium
etablierte er sich in der New Yorker Avantgarde-Szene
und hat seither mit zahlreichen Orchestern und Künstlern
wie Laurie Anderson, Hillary Hahn und Ryuichi Sakamoto
zusammengearbeitet. Zu seinem neusten Werk schrieb
der Komponist: »Das Stück mit dem Titel ›Oceanus Procellarum‹ macht von einer Reihe verschiedener Strategien
Gebrauch. Die Hauptteile für das Ensemble Resonanz sind
komponiert, aber erweitert durch Abschnitte, die verschiedene algorithmische Verfahren für die Spieler vorsehen.
Es wird nie improvisiert, doch beruht es entweder auf
generativen Prozessen oder grafischer Notation. Gareth
Davies und ich haben gleichfalls komponierte Abschnitte,
werden darüber hinaus aber auch improvisieren und nach
grafischer Notation spielen.«
Ilja Stephan
Wie immer, wenn Cage zu solchen Zufallsverfahren griff,
ging es ihm darum, sein persönliches Urteil und seinen
Geschmack weitgehend auszuschalten. Doch so ganz
konnte und wollte er sich dann doch nicht heraushalten.
19:30 | K6 | ENSEMBLE RESONANZ
Ensemble Resonanz
Besetzung
Mit seiner außergewöhnlichen Spielfreude und künstlerischen Qualität zählt das Ensemble Resonanz zu den
führenden Kammerorchestern weltweit. In innovativen
Programmen spannen die Musiker den Bogen von der
Tradition zur Gegenwart. Die lebendige Interpretation alter
Meisterwerke im Dialog mit zeitgenössischen Kompositionen führt dabei zu oft überraschenden Bezügen.
Violine
Barbara Bultmann*, Nimrod Guez*, Swantje Tessmann,
Gregor Dierck, Tom Glöckner, Benjamin Spillner, Rebecca
Beyer, Laura Rajanen, Anne Schinz
Das Streichorchester ist demokratisch organisiert und arbeitet ohne festen Dirigenten, holt sich aber immer wieder
künstlerische Partner wie die Bratschistin Tabea Zimmermann oder den Cellisten Jean-Guihen Queyras an Bord. In
der aktuellen Saison begleitet der argentinische Dirigent
und Komponist Emilio Pomàrico das Ensemble als Artist
in Residence. Neben weiteren namhaften Solisten und Dirigenten arbeiten auch zahlreiche Komponisten wie Enno
Poppe, Beat Furrer, Rebecca Saunders, Georg Friedrich
Haas oder Isabelle Mundry eng mit dem Ensemble zusammen. Konzerte und Produktionen führen die Musiker
weltweit an die führenden Konzerthäuser und Festivals.
Violoncello
Olivier Marron, Saerom Park, Jörn Kellermann
In der Laeiszhalle hat das Musikerkollektiv als Ensemble
in Residence mit großem Erfolg die Konzertreihe »Resonanzen« etabliert, die in der aktuellen Saison unter dem
Motto »Into the Unknown« zu neuen und überraschenden
Hörerlebnissen einlädt. Ab Januar 2017 wird die Residency
im Kammermusiksaal der Elbphilharmonie fortgeführt,
während die Heimat des Ensemble Resonanz mitten in St.
Pauli bleibt – in dem im Oktober 2014 eröffneten »resonanzraum« im Bunker an der Feldstraße. Hier haben die
Musiker nicht nur die monatliche, junge Konzertreihe
»Urban String« etabliert, die Klassik und Klub auf einzigartige Weise miteinander verbindet, sondern veranstalten
auch die Ankerangebote, die das Publikum zu neuen
Erfahrungsräumen rund um die Konzerte laden: vom Philosophie-Gespräch über Werkstätten, Hörstunden bis zum
experimentellen Format »Offbeat«.
Viola
Tim-Erik Winzer, David Schlage, Maresi Stumpf
Kontrabass
Benedict Ziervogel
Flöte
Angela Firkins
Oboe
Nehil Durak
Klarinette
Sebastian Borsch
Fagott
Javier Bosca Bas, Niki Fortunato
Horn
Anton Richter, Hasko Kröger
* Konzertmeister
SAMSTAG
Gareth Davies Klarinette
Seit seinem Debüt in der Londoner Wigmore Hall im Alter
von 18 Jahren hat der (Bass-)Klarinettist Gareth Davies
unzählige Konzerte in Europa, Nordamerika und Asien
gespielt. Dabei arbeitete er mit so bedeutenden Dirigenten
wie Riccardo Chailly, Sir Simon Rattle und Roger Norington zusammen und führte eigens für ihn geschrieben Werke von Komponisten wie Salvatore Sciarrino, Toshio Hosokawa und Péter Eötvös auf. Derzeit entwickelt Davies vor
allem Konzepte, um gängige Konzertformate zu erweitern
und auf diese Weise Musik des 20. und 21. Jahrhunderts
auf eine visuelle und interaktive Art erlebbar zu machen.
Elliott Sharp E-Gitarre
Elliott Sharp wurde 1951 in Cleveland (Ohio) geboren und
lernte zunächst Klavier und Klarinette, bevor er sich seinem heutigen Hauptinstrument zuwandte: der Gitarre. In
der Folge spielte er in psychedelischen Bands, mit avantgardistischen Jazzformationen, aber auch mit klassischen
Konzertensembles. Auch seine eigenen Werke sind stets
zwischen den üblichen Genres angesiedelt. Er komponierte für das Ensemble Modern, das hr Sinfonieorchester und
das JACK Quartet und schrieb eine Science-Fiction-Oper
für die Bayerische Staatsoper. 2014 erhielt er das Guggenheim-Stipendium und 2015 das Stipendium der American
Academy in Berlin. Elliott Sharp arbeitete unter anderem
mit der Pop-Sängerin Debbie Harry zusammen, mit den
Schauspielern Steve Buscemi und Barbara Sukowa, mit
dem Qawwali-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan, den BluesLegenden Hubert Sumlin und Pops Staples und mit Jazzgrößen wie Jack DeJohnette. Er lebt in Lower Manhattan
zusammen mit der Designerin und Videokünstlerin Janene
Higgins und den beiden gemeinsamen Kindern.
Christoph Altstaedt
Christoph Altstaedt studierte Klavier und Dirigieren in
Detmold und Hannover sowie an der Hochschule Hanns
Eisler in Berlin. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er
in Meisterkursen bei Kurt Masur, als Assistent von Pierre
Boulez in Luzern sowie beim Musikfestival in Tanglewood
durch André Previn und Bernard Haitink. Von 2010 bis 2014
war er Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein in
Düsseldorf. Darüber hinaus dirigierte Christoph Altstaedt
Klangkörper wie die Bamberger Symphoniker, Rundfunkorchester von NDR, MDR, hr und SWR oder das Orchester
des Mozarteums bei den Salzburger Festspielen.
Boyds Elektro Gitarren Orchester
Boyds Elektro Gitarren Orchester (BEGO) wurde 2009 als
Seitenprojekt des Nelly Boyd Ensembles gegründet, um
neue eigene Kompositionen sowie bestehende Werke in
Besetzungen von bis zu zwölf E-Gitarren, E-Bass und
Schlagzeug aufzuführen. Die Musiker stammen aus verschiedenen Genres und finden fast nur bei BEGO-Auftritten zusammen. Die Vielfalt der Charaktere trägt jenseits
der Musik auch zum besonderen Eindruck und zur Atmosphäre der Konzerte bei. BEGO trat bislang in Hamburg
und Berlin sowie bei den Fusion Festivals 2010 und 2014
auf. Beim klub katarakt-Festival 2011 spielte BEGO Werke
von Rhys Chatham unter Leitung des Komponisten sowie
2015 »Go Guitars« für fünf E-Gitarren von Lois V. Vierk.
Robert Engelbrecht E-Gitarre
Markus Lipka E-Gitarre
Fiona McKenzie E-Gitarre
Johann Popp E-Gitarre
Jim Sudmann E-Gitarre
Geka Winkler E-Gitarre
Stefan Link E-Bass
Dirigent Jan Feddersen
23:00 | KMH | ANNA MEREDITH
Anna Meredith
Wer Anna Merediths jüngstes Album »Varmints« hört,
fragt sich: Warum finden Pop und klassische Komposition
so selten so kongenial und selbstverständlich zusammen?
Alles scheint erlaubt: Avantgardistische Orchesterklänge,
wummernde Beats aus dem Hinterhof, glasklare, in Richtung Pop schielende Gesänge – »Varmints« präsentiert
sich wie ein Sammelsurium obskurer, musikgewordener
Spontaneinfälle. Das ist cooler Eklektizismus, leicht und
komplex, als Popmusik elektrisierend und für an Neue
Musik gewöhnte Ohren erfrischend.
Die 1978 geborene Britin hat damit die klassischen Konzerthallen bewusst verlassen, für die sie seit Jahren – u.a.
als Composer in Residence beim BBC Scottish Symphony
Orchestra – aufregende Stücke schrieb (zu einem ließ sie
sich beispielsweise von einem MRT Scanner inspirieren).
Der Grund: »Ich wollte nicht mehr nur für Menschen komponieren, die notgedrungen meine Stücke anhören, weil in
der zweiten Konzerthälfte noch etwas von Elgar folgt.«
Angefangen hat Anna Meredith dennoch ganz klassisch,
als Klarinettistin im Jugendorchester, zu dem sie durch
ein kostenloses Musikprogramm ihrer Schule in Edinburgh
fand. Schon damals war es kein Widerspruch für sie, darüber hinaus Fan der Gruppe Nirvana zu sein und abends
Konzerte im legendären Tanzclub Barrowland Ballroom in
Glasgow zu hören.
Fürs Studium ging es zunächst nach York, dann folgte die
Aufnahme am renommierten Royal College of Music in
London, wo sie endgültig ihren Entschluss fasste, Komponistin zu werden. »Wenn man Sachen von anderen Leuten
nachspielt, beginnt man instinktiv darüber nachzudenken,
warum sie etwas auf diese Weise gemacht haben und nicht
anders. Das ist wie unbewusstes Komponieren.«
SAMSTAG
Diesem Ansatz verfolgte sie auch nach ihrem Studium in
dem mit Freunden gegründeten Camberwell Composers’
Collective, in dem sich gegenseitig Material vorgespielt
wurde, um es anschließen zu remixen. Es folgten Auftritte
in Jazz-Clubs und zahlreiche Kompositionen, die sie, anstatt auf Aufträge zu warten, im Eiltempo einfach für sich
selbst komponierte.
Während dieser Zeit entzündete sich auch ihr Interesse an
elektronischer Musik. Der Auslöser war ausgerechnet ein
von ihr selbst geschriebenes Stück für Solo-Fagott, dessen
Aufnahme sie elektronisch verzerrte. Das Ergebnis: das
Fagott klang nun wie eine E-Gitarre. »Mir gefiel die Idee
der Transformation – was man sieht ist nicht unbedingt
das, was man hört.«
Solche formwandlerischen Mutationen sollten zum Markenzeichen von Anna Meredith werden, deren Karriere
bald steil bergauf ging. Neben der erwähnten Residenz
bei der BBC schrieb sie u.a. den Soundtrack zur Frühlings- und Sommerkampagne des Modelabels Prada oder
Kurioses wie Musik zwecks Bespielung von Parkbänken in
Hong Kong. Die bei der Last Night of the Proms aufgeführte Komposition »Froms« – gleichzeitig gespielt von fünf
Orchestern – verfolgten 40 Millionen Menschen vor dem
Fernseher oder Radio.
2012 und 2013 erschienen ihre ersten beiden EPs »Black
Prince Fury« und »Jet Black Raider«, die bereits für viel
Aufsehen in der Composer-Szene sorgten. Mit ihren
orchestral untermalten Soundgerüsten, die immer wieder
in die verschiedensten Richtungen ausbrachen, schien sie
sich jeder Definition und Kategorisierung zu entziehen.
Kaum hatte man sie an der Leine, war sie auch schon
wieder weg – beziehungsweise ihre Songs. Mit »Varmints«
und ihrer aus zwei Celli, E-Gitarre, Tuba und Schlagzeug
bestehenden »Band« geht die Ausnahmekünstlerin nun
noch einen Schritt weiter.
Philipp Ahmann, NDR Chor
Ensemble Resonanz, Anna Meredith
Elliot Sharp
TAG 4 | SO, 20.11.2016
11 UHR | K4
FELDMAN MARATHON
Calder Quartet
Morton Feldman: Streichquartett Nr. 2
(Dauer ca. 5 Stunden)
€ 9
17:15 UHR | FOYER
WANDELKONZERT
Bläserensemble der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Leitung Ulrich Windfuhr
John Cage: Fifty-Eight
Eintritt frei
19:30 UHR | K6
ENSEMBLE MUSIKFABRIK
Dani Brown, Harry Koushos, Anna Pehrsson, Karolina Szymura Tanz
Alexandra Waierstall Choreografie
John Cage: Sixteen Dances for Soloist and Company of Three
18:30 Uhr / Einführung
€ 25
21 UHR | K2
AUTECHRE
Rob Brown live electronics
Sean Booth live electronics
€ 22
11:00 | K4 | FELDMAN MARATHON
CALDER QUARTET
Benjamin Jacobson Violine
Andrew Bulbrook Violine
Jonathan Moerschel Viola
Eric Byers Violoncello
Morton Feldman (1926–1987)
Streichquartett Nr. 2 (1983)
ca. 5 Stunden
Calder Quartet
Inspiriert von und benannt nach dem amerikanischen Bildhauer Alexander Calder (1898–1976), hat sich das Calder
Quartet vornehmlich der Neuen Musik verschrieben.
Gegründet wurde es 1998 an der University of Southern
California. Ihrem Anspruch, die Vision des Komponisten
umzusetzen und zu vermitteln, werden die vier Musiker in
der Zusammenarbeit mit vielen zeitgenössischen Komponisten gerecht. Dazu gehören gleichermaßen junge
aufstrebende Komponisten wie Größen der Musikwelt,
darunter Terry Riley, Thomas Adès und Péter Eötvös. Über
40 Werke hat das Quartett bisher in Auftrag gegeben, uraufgeführt oder auf CD eingespielt. Nicht zuletzt für diesen
Einsatz für zeitgenössische Musik wurden die vier Musiker
2014 mit dem prestigeträchtigen Avery Fisher Career Grant
ausgezeichnet.
Neben klassischen Künstlern und Ensembles wie Barbara
Hannigan und Joshua Bell oder dem Cleveland Orchestra
und dem L.A. Philharmonic arbeitet das Calder Quartet
mit Künstlern aus allen Genres zusammen. Die Bandbreite
reicht von Klassik und Neuer Musik über Rock bis hin zu
Soundtracks für Filme und das Fernsehen. Dabei spielen
die Musiker sowohl an traditionellen Konzertorten wie der
Carnegie Hall als auch in Museen oder der legendären
Hollywood Bowl. Auch in den populären amerikanischen
Late-Night-Shows von David Letterman oder Jimmy Kimmel traten sie bereits vor einem Millionenpublikum auf.
Künftige Highlights des Quartetts sind Auftritte im Lincoln
Center, dem Metropolitan Museum of Art, der Wigmore
Hall London und auf Festivals in Salzburg, Donaueschingen und Perth, wo es eine Residenz innehat. Darüber
hinaus kehren die Musiker zurück in die Disney Hall in Los
Angeles und zum Ojai Music Festival, wo sie ein von Peter
Sellars kuratiertes Programm präsentieren.
SONNTAG
Morton Feldman: Streichquartett Nr. 2
Ein Streichquartett, das fünf Stunden dauert!
Warum macht ein Komponist sowas?
Morton Feldmans Zweites Streichquartett ist eine echte
Herausforderung, um nicht zu sagen, eine Zumutung.
Fünf Stunden aufmerksam einer Musik lauschen, die mit
endlosen Wiederholungen und minimalen Verschiebungen
arbeitet, das führt unser Hören und unser musikalisches
Erinnerungsvermögen an seine Grenzen. Und genau
das war Feldmans Absicht. Vor allem aber verlangt das
Quartett von den Spielern eine nahezu übermenschliche
Anstrengung. Leise, feine Töne wie diese zu produzieren,
erfordert ein Höchstmaß an Spannung und Kontrolle. Die
über einen solchen Zeitraum hinweg durchzuhalten, ist für
alle Interpreten eine Grenzerfahrung.
Um diese fünf Stunden Musik zu erfassen, lohnt es sich,
ein wenig zurückzutreten und das Ganze aus der Distanz,
zum Beispiel aus der Sicht eines Statistikers zu überblicken: Feldmans Partitur besteht aus 124 Seiten, jede Seite
enthält drei Systeme mit jeweils neun Takten. Der äußere
Rahmen ist also geradezu schematisch. Die Musik besteht
aus 68 verschiedenen, mehrtaktigen Modulen. Viele dieser
Module sind ihrerseits aus den Wiederholungen kleinerer
Einheiten zusammengesetzt. 18 dieser Module erscheinen
nur einmal, die anderen 50 werden wiederholt. Die Anzahl
der Wiederholung variiert dabei zwischen zwei und 15. Bei
jeder Wiederholung verändert Feldman ein Modul geringfügig, stellt intern Takte um, instrumentiert Klänge neu und
erforscht andere Konstellationen seiner Klangbausteine.
Würde dieses Musikmosaik eine Stunde dauern, wären die
geübtesten Hörer vielleicht noch in der Lage, dem Spiel
der Varianten zu folgen, den Zustand des Ausgangsmaterials zu erinnern und es bewusst mit späteren Variationen
zu vergleichen. So funktioniert musikalisches Hören für
gewöhnlich. Morton Feldman aber nannte das hämisch
ein »Baby-Nahrungs-Gedächtnis«. Und er erschwert diese
Art des Hörens systematisch: durch die schiere Dauer, die
Zeitstrecke, die zwischen den Wiederholungen liegt.
Genau das hatte Feldman im Sinn, als er zu seinem Streichquartett erklärte, dass man »bis zur Dauer von einer
Stunde über die ›Form‹ nachdenken kann, danach nur
noch über den ›Maßstab‹«. Im großen Maßstab verwischt
und verblasst die Zeit unsere Erinnerungen. Extreme
Dauer ist einer der Wege, die der Komponist beschritt, um
die Klänge zu befreien, das verbindende Band der Erinnerung zu (über-)dehnen, damit wir seine fein austarierten
Klangmobiles erneut wie zum ersten Mal hören können.
Am Ende gibt es hier kein Original und keine Variationen
mehr, sondern viele gleich selbstverständliche, gleichberechtigte Konstellation eines Materials, dessen Konturen
sich immer weiter auflösen.
Eindeutigkeit war Morton Feldmans Sache nie. Seine
Kunst und auch seine oft launigen Einlassungen sind weit
mehr dazu angetan, einen vieldeutigen Schwebezustand
hervorzubringen. So verhält es sich auch mit den »Erklärungen«, die er seinem Quartett mit auf den Weg gab. Sie
laufen darauf hinaus, die Verwirrung zu akzeptieren: »Die
Module sind so durchkonstruiert, dass ich alles umstellen kann, und es dennoch immer natürlich wirkt, weil die
Gestaltung des kleinen Moduls perfekt ist. Die ganze Idee
ist wie ein Albtraum; es ist wie ein Puzzle, in das jedes
Teil, das Sie nehmen, passt. Und wenn Sie es beendet
haben, sehen Sie, dass es nicht das ›richtige‹ Bild ist. Das
war die Idee. Das Puzzle, alles passt und es ist nicht das
Bild. Dann versuchen Sie eine andere Version und es ist
nicht das Bild. Am Ende sehen Sie, dass Sie das Bild nicht
bekommen werden.« Fünf – bei manchen Aufführungen
sogar sechs – Stunden Feldmans Zweites Streichquartett
zu hören, das ist ein minutiös durchkonstruierter Weg
direkt ins Nirwana.
Ilja Stephan
17:15 | FOYER | WANDELKONZERT
BLÄSERENSEMBLE DER
HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND THEATER HAMBURG
Gesamtleitung ULRICH WINDFUHR
Yu Sugimoto Assistenz
Maline Zickow Organisation
Fagott
Christian Kunert, Angel Ferrandis, Chen Zijun,
Maxi Marhenke
John Cage (1912–1992)
Fifty-Eight (1992)
Sopransaxofon
Heike Rügert, n.n., n.n.
Kontrafagott
Christoph Konnerth, Rainer Leisewitz, Silas Gärtner
Dauer: 45 Min.
In Zusammenarbeit mit der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Altsaxofon
Lasse Grunewald, Nina Kühnle, Magdalena Bobardt
Tenorsaxofon
Aaron Luther, Sebastian Gille, Johannes Wöhrmann
Die 58 Musiker
Piccoloflöte
Daphne Meinhold, Nadine Kowol, Melanie Sobieraj
Flöte
Jiyu Jin, Xiaoyue Shang, Xingyun Ma, Jeweon Kim
Altflöte
Kateryna Vasyleva, Naoki Sato, Eva Jensterle
Oboe
Seokyeon Kang, Freya Obijon, Chikako Nemoto,
Hans-Joachim Berner
Englischhorn
Sarah Lippold, Mariko Hanashiro, Kenta Urawaki
Klarinette
Leslie Schillen, Emily Wynn, Yumi Maeno, Anna Engster
Bassklarinette
Cora Rott, Hiroko Onuma, Eva Jurisch
Baritonsaxofon
n.n., Niklas Gottschall, n.n.
Trompete
Friederike Butt, Johannes Benz, Emilia Suchlich,
Jose Real Cintero
Horn
Chin-Hsi Liu, Sonja Engelhardt, Yushan Luo,
Didrik Rosenboom
Posaune
Justus Reiff, Alvaro Corrales, Lena Kruse, Jakob Borggrefe
Tuba
Kota Sakamoto, Josep Gomez, Peter Kanya
SONNTAG
John Cage: Fifty-Eight
In der Herrengasse Nr. 16 in Graz steht ein absolutes
Schmuckstück der Renaissancearchitektur: das »Grazer
Landhaus«. Dessen Innenhof gestaltete der Architekt
Domenico dell’Allio im 16. Jahrhundert aus drei übereinanderliegenden Reihen von Arkaden mit 58 Bögen,
getragen von toskanischen Säulen. Speziell für diesen
besonderen Ort sollte der Komponist John Cage ein Werk
schreiben – so der Auftrag des Festivals »Steirischer
Herbst«. Also ließ Cage sich Baupläne und Fotos zusenden. Das Ergebnis seiner Recherche war das Konzept zu
einer Raummusik für 58 Bläser. Unter jedem der Bögen
sollte ein Instrumentalist des Pannonischen Blasorchesters Oberschützen postiert werden. Eigentlich hatte der
Komponist die Einstudierung und die Platzierung selbst
überwachen wollen, doch dazu kam es nicht mehr. Cage
verstarb im Spätsommer 1992, kurz vor der Urauffühung.
Die Architektur des Uraufführungsortes von »Fifty Eight«
gab eine Situation vor, die für Cage besonders reizvoll gewesen sein muss. Jeder der Bläser ist unter seinem Arkadenbogen eine räumlich abgesonderte Einheit für sich, und
doch sind alle Teil eines durch wenige, elementare Prinzipien geregelten Gesamtarrangements. Hatte der Ort den
Rahmen für die Positionierung der Musiker vorgegeben, so
definierte der Komponist den Rahmen für deren Aktionen.
Eine Partitur zu diesem Stück gibt es nicht; jeder Spieler
erhält fünf Doppelbögen, auf denen – von Instrument zu
Instrument unterschiedlich – 64 bis 71 Töne notiert sind.
Die Dauer der einzelnen Töne liegt im Ermessen der
Spieler; von Cage gesetzte Zeitklammern definieren einen
Zeitrahmen für Anfang und Ende jedes Tones. Und auch
den Gesamtrahmen legte Cage fest: Genau 45 Minuten soll
das Stück dauern.
Innerhalb dieser Spielregeln ist jeder Spieler frei in seinem
Tun. Freiheit und Individualität jedes Einzelnen, die nur in
minimalen gemeinsamen Absprachen ihre Grenzen findet,
das war nicht nur John Cages Ideal von Musik, sondern
auch vom Zusammenleben der Menschen. Dass das Zusammenspiel so vieler autonomer Monaden Misstöne erzeugen könnte, war seine Sorge nicht. Was »richtige« Töne
sind, war für ihn ohnehin eine reine Definitionssache. Cage
ging es um »eine gewandelte Definition von Harmonie,
eine die keiner Regeln und Gesetze bedarf. Man könnte es
eine ›Anarchische Harmonie‹ nennen. Einfach Töne, die
zusammen sind.« Bei Freiluftmusiken – wie »Fifty Eight«
es zumindest bei seiner Uraufführung noch war – erhält
dieser Gedanke des Zusammenklangs von allem mit allem
eine neue Qualität. Denn hier sind auch die Umgebungsgeräusche Teil der universellen Harmonie. Natur und Kunst
klingen ineinander. Für Cage war diese »Anarchische
Harmonie« offenbar eine Erscheinungsform des Glücks, er
schwärmte davon, dass »alles harmonisch ist und darüber hinaus die Geräusche mit den musikalischen Tönen
harmonieren. Das bereitet mir – kann ich Ihnen sagen – so
viel Vergnügen wie eine makrobiotische Diät.«
Über die Uraufführung von »Fifty Eight« am 11. Oktober
1992 berichtet der Musikpublizist Hartmut Lück: »Es war
eine faszinierende Raummusik von feierlicher, fast zeremonieller Strenge, aber auch von der heiteren Gelassenheit des beiläufig Bedeutsamen – diese Musik kennt keine
Höhepunkte, keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende im
herkömmlichen formalen Sinne, aber jede Einzelheit ist
gleich wichtig und der Aufmerksamkeit des Interpreten
wie des Zuhörers anempfohlen, ganz in dem Sinne, wie der
Anarchist John Cage Freiheit verstand: alle Musiker – wie
alle Menschen – sollen von Zwängen befreit werden, aber
wenn sie sich über die Prinzipien der Zusammenarbeit in
Freiheit verständigt haben, müssen sie sich auch daran
halten. ›Fifty-Eight‹ verwirklicht diese selbstdefinierte
Freiheit.«
Ilja Stephan
19:30 | K6 | ENSEMBLE MUSIKFABRIK
ENSEMBLE MUSIKFABRIK
Helen Bledsoe Flöte
Bob Koertshuis Trompete
Ulrich Löffler Klavier
Hannah Weirich Violine
Dirk Wietheger Violoncello
Dirk Rothbrust Schlagzeug
Thomas Meixner Schlagzeug
Rie Watanabe Schlagzeug
Dirigent WARWICK STENGÅRDS
DANI BROWN Tanz
HARRY KOUSHOS Tanz
ANNA PEHRSSON Tanz
KAROLINA SZYMURA Tanz
ALEXANDRA WAIERSTALL Konzept, Choreografie
John Cage (1912–1992)
Sixteen Dances for Soloist and Company of Three (1951)
Anger. Solo
Interlude. Trio
Humor. Solo
Interlude. Duet
Sorrow. Solo
Interlude. Quartet
The Heroic. Solo
Interlude. Quartet
The Odious. Solo
Interlude. Duet
The Wonderous. Solo
Interlude. Trio
Fear. Solo
Interlude. Solo
The Erotic. Duet
Tranquility. Quartet
John Cage: Sixteen Dances
Mit seinem Nächsten in Ruhe und Zufriedenheit auszukommen, ist eine hohe Kunst – erst recht, wenn dieser
Nächste zugleich der Liebespartner und Kollege ist.
Der Komponist John Cage und der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham scheinen für ihre Lebens- und
Arbeitsgemeinschaft eine ideale Formel gefunden zu
haben. Man einigte sich auf einen Rahmen für die Freiheit.
Wenn Cage Musik zu den Choreografien von Cunningham schrieb, so verabredeten die beiden Zeitrahmen für
bestimmte Abschnitte und die Gesamtdauer des Stückes.
Ansonsten ließ jeder den anderen seinen Weg gehen.
Cages Klänge und Cunninghams Bewegungen teilten sich
einen gewissen, vorher abgesprochenen Zeitabschnitt,
innerhalb dieses Rahmens liefen sie unabhängig voneinander nebeneinander her.
Wahrscheinlich muss die Harmonie schon da sein, damit
eine solche Form des Miteinanders gelingen kann. Bei
Cage und Cunningham scheint es so gewesen zu sein; ihr
Denken und ihre künstlerischen Methoden waren einander
auffallend ähnlich. Cunningham brach mit den Grundsätzen
des klassischen Tanzes, so wie Cage mit den Konventionen
der klassischen Kunstmusik gebrochen hatte: Der
Choreograf verzichtete auf den Erzählstrang des Handlungsballetts, er verzichtete auf dessen standardisierten
Bewegungsformeln, und er verzichtete auf die für den Tanz
sonst so unerlässliche Synchronizität mit einer Musik, die
Takt und Rhythmus vorgibt. »Er brauchte keine Vorgaben
durch die Musik, aber er musste wissen, wo innerhalb der
Zeit er sich befand«, so charakterisierte der Pianist David
Tudor Cunninghams Verhältnis zu den Klängen, die seine
Bewegungen durch den Raum begleiteten.
Dies galt in ähnlicher Weise für die Bühnenbildner und
Kostümschneider, die zu seinen Balletten beitrugen: »Er
brauchte Tanz, Musik, Licht und Dekor nicht, um seine
Zwecke zu verfolgen, sondern er ließ ihnen die Freiheit,
SONNTAG
innerhalb des Raumes und der Dauer einer Aufführung
ihre Zwecke zu verfolgen«, berichtete der Fotograf James
Klosty. Ziel war eine »nichtkooperative Kooperation«, die
funktionierte – wenn sie funktionierte –, weil jeder auf den
anderen achtete: »Wir waren wie ein Jazz-Ensemble«, so
beschrieb es der Musiker Gordon Mumma, »du konntest
individuelle Risiken eingehen, weil jeder verstand und
jeder verfolgte, was der andere tat.«
Die Entstehungsgeschichte der »Sixteen Dances for Soloist and Company of Three« scheint die prästabilisierte Harmonie zwischen dem Choreografen Cunningham und dem
Komponisten Cage eindrucksvoll zu belegen. Cunningham
operierte in den »Sixteen Dances« erstmals mit dem
Zufallsprinzip, das auch für Cages Kompositionsmethode
grundlegend werden sollte: »Das Thema der Choreografie
war der Ausdruck von Emotionen«, schrieb Cunningham.
»In diesem Fall die neun permanenten Emotionen der
klassischen indischen Ästhetik, vier lichte und vier dunkle
sowie die Ruhe als neunte und alles umfassende. Die
Struktur des Stückes sah vor, jeder Emotion einen Tanz zu
widmen, gefolgt von einem Interludium. Doch obwohl hell
und dunkel einander abwechseln sollten, schien es keinen
Unterschied zu machen, ob Sorge oder Furcht an erster
Stelle kämen. Also warf ich eine Münze.« Auch über die
Abfolge der Bewegungen in den Interludien entschied der
Choreograf per Münzwurf. Die tänzerische Vorlage, auf die
Cage schließlich seine Musik komponierte, bestand also
aus sieben je einer Emotion gewidmeten Solos – die Erotik
vertanzte Cunningham sinnvollerweise als Duett –, sowie
sieben Interludien für Ensemble, deren Bewegungsfolgen
der Zufall bestimmt hatte. Die Ruhe erschien zuletzt als
zusammenfassender End- und Zielpunkt.
John Cage war der indischen Philosophie bereits Jahre
zuvor begegnet. 1946 hatte er die indische Musikerin Gita
Sarabhai kennengelernt. Sie machte ihn mit hinduistischen
Konzepten vertraut, er revanchierte sich mit Unterweisungen über westliche Musik. Eine der Lehren, die bei Cage
auf besonders fruchtbaren Boden fielen, betraf die Funktion der Musik, den »Geist zur Ruhe zu bringen und ihn
damit empfänglich zu machen für den göttlichen Einfluss«.
Ruhe zu finden, war in den Jahren nach seiner Scheidung
und dem »coming out« als Homosexueller Cages Lebensthema gewesen. Zunächst hatte er es mit Psychoanalyse
versucht. In der indischen Philosophie fand er schließlich
Formeln für jenen inneren Frieden, zu dem ihm die Deutungen seines Analytikers nicht hatten verhelfen können.
Kompositorisch markieren die »Sixteen Dances« einen entscheidenden Wendepunkt in Cages Schaffen. Sie sind das
erste vollendete Werk, in dem er den Zufall (teilweise) über
die Abfolge seiner Klänge entscheiden ließ. Als Komponist
von Schlagzeugmusik und Musik für sein präpariertes
Klavier hatte Cage sich daran gewöhnt, mit einem genau
definierten Katalog von Klängen pro Stück zu arbeiten. Für
die »Sixteen Dances« wählte er nun ein Verfahren, das er
kurz zuvor während der Arbeit an seinem Konzert für Präpariertes Klavier und Kammerorchester entwickelt hatte.
Cage trug sämtliche seiner vorher ausgewählten Klänge in
eine Tabelle aus 8 x 8 = 64 Feldern ein. Mithilfe des chinesischen Orakelbuches »I Ging« legte er dann Wege fest, wie
er sich durch diese Tabelle bewegen wollte: zwei Kästchen
nach unten, eines nach links etc. Auf diese Weise wurde die
Abfolge der Klänge gefunden. Um Abwechslung hineinzubringen, tauschte Cage außerdem bei jedem Tanz eine
gewisse Anzahl der vorausgewählten Klangmodule aus. So
weit zumindest die Theorie. In der Praxis scheint Cage die
Weisheit besessen zu haben, sich nicht gänzlich zum Sklaven seiner Matrix zu machen. Tatsächlich manipulierte er
– wo er es gebrauchen konnte – für bestimmte Nummern
sein eigenes Verfahren durch eine entsprechende Vorauswahl der Klangmodule so geschickt, dass im zwölften
Tanz eine charmante, rhythmisch groovende Melodie sich
einstellt, während die Trompetentöne des zehnten Tanzes
hörbar nach Blues klingen.
Ilja Stephan
19:30 | K6 | ENSEMBLE MUSIKFABRIK
Ensemble Musikfabrik
Seit seiner Gründung 1990 zählt das Kölner Ensemble
Musikfabrik zu den führenden Klangkörpern der zeitgenössischen Musik. Dem Anspruch des eigenen Namens
folgend, ist das Ensemble in besonderem Maße der
künstlerischen Innovation verpflichtet. Neue, unbekannte,
in ihrer medialen Form ungewöhnliche und oft eigens in
Auftrag gegebene Werke sind sein zentrales Produktionsfeld. Die Ergebnisse dieser häufig in enger Kooperation mit
den Komponisten geleisteten Arbeit präsentiert das internationale Solistenensemble in jährlich etwa 80 Konzerten
im In- und Ausland, auf Festivals, in der eigenen Abonnementreihe »Musikfabrik im WDR« und in regelmäßigen
Audioproduktionen für den Rundfunk und den CD-Markt.
Gleich die erste CD »Sprechgesänge« der eigenen Reihe
»Edition Musikfabrik« gewann 2011 den Echo Klassik.
Alle wesentlichen Entscheidungen werden von den Musikern in Eigenverantwortung selbst getroffen. Dabei ist
ihnen die Auseinandersetzung mit modernen Kommunikationsformen und experimentellen Ausdrucksmöglichkeiten im Musik- und Performance-Bereich ein zentrales
Anliegen. Interdisziplinäre Projekte unter Einbeziehung
von Live-Elektronik, Tanz, Theater, Film, Literatur und
bildender Kunst erweitern die herkömmliche Form des
dirigierten Ensemblekonzerts ebenso wie Kammermusik
und die immer wieder gesuchte Konfrontation mit formal
offenen Werken und Improvisationen. Dazu gehören auch
Gesprächskonzerte und Konzertformate, die das Publikum stärker integrieren. Dank seines außergewöhnlichen
inhaltlichen Profils und seiner überragenden künstlerischen Qualität ist das Ensemble Musikfabrik ein weltweit
gefragter Partner bedeutender Dirigenten, Komponisten
und Künstler, darunter Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann, Péter Eötvös, Unsuk Chin oder Sasha Waltz.
Warwick Stengårds Dirigent
Der Dirigent Warwick »Rick« Stengårds hat schwedischaustralische Wurzeln. Sein Studium absolvierte er bei
Dirigenten wie Ronald Zollman, Albert Rosen und Péter
Eötvös. Nach vielen Jahren an unterschiedlichen Häusern
ist er heute freischaffend tätig. Sein Schwerpunkt sowohl
im Musiktheater- als auch im Konzertreperoire liegt auf
der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Musik.
Rick Stengårds hat alle größeren australischen Orchester
geleitet sowie Produktionen im Rahmen des Melbourne
International Festival dirigiert. Ab 1991 war er Generalmusikdirektor der West Australian Opera in Perth, ab
1994 des West Australian Ballet. In Australien machte er
sich einen Namen als Verfechter und Promoter aktueller
Musik. So brachte er zahlreiche Werke australischer Komponisten zur Uraufführung. Gleichzeitig kümmerte er sich
um Repertoireklassiker wie Orffs »Carmina Burana« oder
Tschaikowskys »Nussknacker«.
2000 wechselte er als Assistenzdirigent an die Wiener
Volksoper und war anschließend sieben Jahre lang als
Erster Kapellmeister am Luzerner Theater tätig. Parallel
leitete er von 2004 bis 2006 das Schlossorchester Schönbrunn in Wien. Zudem dirigierte er an der Folkoperan
Stockholm, am Theater Lüneburg, beim Klangforum Wien
und beim Ulster Orchestra Northern Ireland und leitete
mehrere Kinderopern an der Wiener Staatsoper.
SONNTAG
Dani Brown Tanz
Geboren und aufgewachsen in Rochester im Bundesstaat
New York, zog es Dani Brown nach Abschluss der High
School in die Wüste von Albuquerque (New Mexico). Dort
war sie Mitbegründerinder der Sidewalk Performance
Group »Shhhhh!«. Anschließend studierte sie Tanz und
Choreografie an der Virginia Commonwealth University
und an der ArtEZ in Arnheim. Ihre Arbeiten werden national und international präsentiert. Daneben tritt sie für
Künstler wie Alexandra Waierstall oder das japanische Modelabel Cosmic Wonder Light Source auf. Sie unterrichtet
an Universitäten und choreografischen Zentren in Europa
und ist Mitinitiatorin des 2013 gegründeten Performanceprogramms »Smash« in Berlin.
Harry Koushos Tanz
Harry Koushos wurde auf Zypern geboren und wohnt
heute in Athen. Der Tänzer und Choreograf absolvierte
die Professional School of Dance Niki Kontaxaki in Athen.
Seine Choreografien wurden bei verschiedenen Festivals
in Europa und den USA gezeigt und unterstützt vom Ministerium für Bildung und Kultur Zypern, dem Onassis
Cultural Centre sowie durch die europäischen Netzwerke
Aerowaves, Modul Dance und ARC for Dance Festival. Er
ist Mitglied im Dance Gate Lefkosia und Gründungsmitglied des Dancehouse Nicosia. Als Tänzer arbeitet er mit
zahlreichen Choreografen zusammen; mit der Choreografin Alexandra Waierstall seit 2011.
Anna Pehrsson Tanz
Anna Pehrsson erhielt ihre Tanzausbildung an der Ballet
Academy ihrer Heimatstadt Stockholm. Sie war zudem
Mitglied der Schweizer Alias Compagnie, tanzte am Stockholm City Theatre und beim Cullberg Ballet. 2013 erhielt
sie einen Master-Abschluss in Choreografie mit ihrem
Projekt »Unthinkable objects«, einer zweiteiligen Arbeit
aus Text und einem abendfüllenden Solo. Ihr künstlerischer Prozess entfaltet sich häufig in Zusammenarbeit mit
anderen Künstlern, zuletzt »At the bottom left corner« mit
Frédéric Gies. Zudem ist sie künstlerische Beraterin am
Milvus Artistic Research Center in Kivik an der Südspitze
Schwedens.
Karolina Szymura Tanz
Karolina Szymura absolvierte eine Ausbildung an der Staatlichen Balletschule in Bytom in ihrer Heimat Polen und
schloss ihre Ausbildung an der Tanzakademie »Codarts«
in Rotterdam ab. Sie war vier Jahre lang bei Piet Rogie und
der Compagnie Noord Nederlandse Dans tätig und tanzte
dort Choreografien u.a. von Stephen Shropshire, Emanuel
Gat, Andrea Miller, Itzik Galili und Roy Assaf. Zurzeit ist sie
freiberufliche Tänzerin und tritt in Stücken von Thomas
Noone, Alexandra Waierstall und Felix Landerer auf.
Alexandra Waierstall Choreografie
Alexandra Waierstall wurde in England geboren, wuchs auf
der Insel Zypern auf und lebt seit 2004 in Düsseldorf. Ihre
konzeptuell-physisch geprägten Arbeiten äußern sich in
Choreografien, Installationen, Situationen, Klängen, Texten
und Bildern und werden in Theatern, Galerien, Museen
und in Publikationen gezeigt. 2014 bis 2016 war Alexandra
Waierstall Residenzkünstlerin am tanzhaus nrw in Düsseldorf. Zusammen mit ihrem Vater, dem bildenden Künstler
Horst Weierstall, gründete sie den interdisziplinären Projektraum »TheArtSpace for moving ideas«; zudem ist sie
Mitbegründerin des jährlichen interdisziplinären Tanzfestivals No-Body in Nikosia. 2013 wurde Alexandra Waierstall
mit dem Förderpreis der Darstellenden Kunst der Landeshauptstadt Düsseldorf prämiert. Ihre choreografischen
Werke werden international gezeigt. Seit Jahren wird sie
von Universitäten und Festivals in aller Welt zu Workshops
und Vorträgen eingeladen.
21:00 | K2 | AUTECHRE
Autechre
Autechre, das sind Rob Brown und Sean Booth aus Manchester. Aus ihrer Sicht ist damit wahrscheinlich auch
schon alles gesagt. Denn beweisen müssen sie wirklich
niemanden mehr etwas. Beeinflusst von illegalen Raveparties ihrer Jugend, Hip-Hop, aber auch konzeptioneller
Musik im Stile von Karlheinz Stockhausen entwickelt das
Duo seit Anfang der 90er Jahre abstrakte Computermusik,
die dem Informationsoverkill unserer Zeit eine sonische
Form gibt. Die beiden Briten gelten damit nicht nur als
Pioniere für kluge Clubmusik jenseits von gerader Bassdrum, sondern prägen neben Künstlern wie Aphex Twin
bis heute den Sound des legendären Warp Labels. Nach
dem vorerst letzten Auftritt 2010 im Uebel & Gefährlich
kommt Autechre im Rahmen des Festivals »Greatest Hits«
für einen seiner raren Auftritte zurück nach Hamburg.
Support kommt vom Noise-Veteran Russel Haswell und
dem Skam-Labelchef Andy Maddocks.
Support
Russell Haswell
(Diagonal Records / Editions Mego / Bocian Records)
Andy Maddocks
(Skam Records)
SONNTAG
Autechre, Ensemble Musikfabrik
Calder Quartet, Alexandra Waierstall