PREIS DEUTSCHLAND 4,90 € 101158_ANZ_10115800005367 [P].indd 1 DIEZEIT 15.01.16 09:12 WO C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I RTS C H A F T W I S S E N U N D KU LT U R Zuversicht ist der wichtigste Antrieb des Menschen. Besonders in finsteren Zeiten schlägt die Stunde der Optimisten WIRTSCHAFT KOPF HOCH! DIE ZEIT im Taschenformat. Jetzt für Ihr Smartphone! www.zeit.de/apps 12. Januar 2017 No 3 15.01.16 09:11 101159_ANZ_10115900005368 [P].indd 1 Ruhe, bitte! Jeder Dritte hat Probleme mit dem Schlafen. Woran liegt das? Und was kann man dagegen tun? ZEITmagazin Titelfoto [M]: Jeannot Olivet/Getty Images Der Staat rüstet auf Was ist geplant? Was ist zu viel? Außerdem: Thomas de Maizière über seinen Kampf gegen den Terror Politik, Seiten 2 und 3 INFLATION TRUMP UND HOLLYWOOD Verkaufte Sparer Ende der Lovestory Die Preise steigen, die Zinsen sind niedrig wie nie. Wann kümmert sich die Politik um das Geld der Bürger? VON UWE JEAN HEUSER D er deutsche Sparer steckt in der Falle: Die Inflation ist im De‑ zember sprunghaft angestiegen, während die Zinsen weiterhin nahe null liegen. Eines ist da fast gewiss: Die Kaufkraft auf dem Sparbuch oder dem Cash-Konto wird im Frühjahr schmelzen wie der Schnee, der gerade fällt. Und alternative Anlagen sind riskant oder renditefrei, manchmal sogar beides. Irgendwann musste es für die Deutschen so kommen. Die Inflation ist höher als in Frank‑ reich und Italien, weil die Konjunktur bei uns besser läuft. Und die Rendite auf der Bank ist niedriger. Was klingt wie eine Perversion des Leistungsgedankens, ist im Währungsverbund des Euro nur folgerichtig: Die Zentralbank drückt den Leitzins zwar für alle und über‑ schwemmt die Mitgliedsländer gleichermaßen mit Geld, aber in Deutschland sind die Ausfall‑ risiken für Kredite von Wirtschaft und Staat be‑ sonders niedrig – weshalb vom Zins hier beson‑ ders wenig übrig bleibt. Jetzt erhalten die Sparer die Rechnung für die Euro-Krise. So weit, so erwartbar. Was aber ver‑ wundern sollte: Die deutsche Politik lässt sie da‑ mit allein, tut so, als ginge sie das alles nichts an. Europas Zentralbank schlägt die Warnungen aus Deutschland in den Wind Die Geldpolitik ist das geworden, was sie nie sein wollte: hochpolitisch. Offiziell strebt die Euro‑ päische Zentralbank nur an, dass Europa eine moderate Inflation von knapp zwei Prozent be‑ kommt. In den internen Debatten geht es indes um politische Gefahren. Kippt Italien? Wählen die Franzosen Le Pen? Was droht durch Trump? Oft hat man den Eindruck, die Zentralbanker um Mario Draghi wollten nicht nur Geldhüter sein, sondern fühlten sich als Bewahrer Europas. Nur so ist zu erklären, dass sie entgegen deutschen War‑ nungen entschieden haben, mindestens noch 2017 monatlich für viele Milliarden Euro Anleihen zu kaufen – oder deutlicher gesagt: noch mehr Geld zu drucken als bisher schon. Die Inflation kehrt auch so zurück. Ende ver‑ gangenen Jahres war es vor allem der Preis für Öl, der für einen kräftigen Preisschub sorgte. Doch die Geldentwertung trifft ebenso Men‑ schen, die kein Auto fahren und nicht mit Öl heizen. So haben die Rohstoffpreise insgesamt ihr Tief überwunden, der teure Dollar treibt die Preise für Importe aus Übersee, und gerade in Deutschland steigen die Löhne, weil oft eher die Arbeitnehmer rar sind als die Arbeitsplätze. Des‑ halb sagten führende Ökonomen schon im Herbst voraus, dass die deutschen Preise 2017 um 1,5 Prozent steigen würden. Jetzt gibt es noch höhere Prognosen, auch in Europa soll die Inflation anziehen. So politisch die Zentralbank also handelt, so wenig interessiert sich die Politik für die Folgen dieses Handelns. Das gilt für Krisenländer, die all die gekaufte Zeit kaum nutzen, um sich zu erneuern. Es gilt aber auch für Deutschland, wo den Sparern die Optionen ausgehen. Kauft Aktien!, hören sie von überallher. Natürlich sollten sie auf Dauer auch mit Aktien sparen. Aber sollen sie ausgerechnet jetzt auf einmal einsteigen, da die Kurse fast doppelt so hoch sind wie vor fünf Jahren? Auch Wohnungen sind teuer geworden. Und es gibt zwar staat liche Anleihen, deren Zinsen mit der Inflation mitwachsen. Nur sind sie so gefragt, dass ihre Rendite meist negativ ist. Natürlich gibt es kein Menschenrecht auf Zinsen. Aber darf man nicht wenigstens erwar‑ ten, dass sich die Politik kümmert, wenn viele Bürger verunsichert sind? Zumal heute, da die neuen Nationalisten versuchen, die Mittel‑ schicht für sich zu gewinnen. Schon mehrfach hat Deutschland seine spa‑ renden Bürger enttäuscht, hat sie in die Volks‑ aktie Telekom getrieben, die sich kurze Zeit später als Flop erwies. Hat sie zur privaten Alters‑ vorsorge angehalten, aber überteuerte RiesterVerträge zugelassen und dann so lange an dieser Rente herumgedoktert, bis alle verunsichert waren. Jetzt sollte die Politik es besser machen und zeigen: Wir nehmen eure Sorgen ernst. Die etablierten Parteien könnten dafür sor‑ gen, dass die Deutschen mehr über Finanzen lernen. Sie könnten wie in Schweden einen gut geführten öffentlichen Vorsorgefonds auflegen, in den Bürger gegen geringe Gebühren investie‑ ren. Auf jeden Fall sollten sie den Sparern neue Wege zeigen, ohne wie früher die Finanzlobby mit zu bedienen. Die liberale Demokratie muss dabei helfen, die Verwerfungen des Kapitalismus abzufedern. Gerade jetzt wäre es an der Zeit, doch es geschieht – nichts. www.zeit.de/audio Filmstars und US-Präsidenten waren einander oft eng verbunden. Jetzt gibt es Schmierentheater im Weißen Haus VON KATJA NICODEMUS E s ist ein großer Moment. Eine der berühmtesten Schauspielerinnen der Welt nutzt die Bühne für ein Anliegen. Als Meryl Streep bei der Verleihung der Golden Globes einen Preis für ihr Lebenswerk ent‑ gegennimmt, ruft sie, sichtlich erschüttert, einen anderen Auftritt in Erinnerung: Donald Trump, wie er im Wahlkampf einen körperbehinderten Journalisten imitiert und damit lächerlich ge‑ macht hat. Schockiert beschreibt Streep diesen zynischen Akt eines Mächtigen, der jedem nun‑ mehr den Freibrief erteile, andere zu demütigen. Und im Saal wirkt noch ein zweiter, heftiger Schock nach: Trotz seines überwältigenden En‑ gagements war es dem traditionell linksliberalen Hollywood-Milieu nicht gelungen, diesen Trump als Präsidenten zu verhindern. Kein Star hatte sich für Trumps Kampagne zur Verfügung gestellt. Zu Hillary Clintons Un‑ terstützern hingegen zählten George Clooney, Julianne Moore, Robert De Niro, Leonardo Di‑ Caprio, Dustin Hoffman, Sean Penn, Lady Gaga, Ben Affleck, Harvey Weinstein, Lena Dunham – und sie alle haben mit ihr verloren. »Wer sind wir?«, hatte Streep zu Beginn ihrer Rede in den Raum gefragt und damit auf die unterschiedlichen sozialen, nationalen und kul‑ turellen Hintergründe der nominierten Künst‑ ler und Filme angespielt. »Wer sind wir?«, wird sich das Hollywood-Milieu aber auch weiter fragen, fassungslos angesichts seiner ins Leere gelaufenen Anstrengung. Schauspielerei ist Empathie, also das Gegenteil herabsetzenden Nachäffens Der Einsatz mag ehrenwert sein. Aber könnte es nicht sein, dass sich jahrelang zwei Milieus allzu selbstverständlich im gegenseitigen Scheinwerfer licht gesonnt haben: Schon immer hofierten USPräsidenten und Filmstars einander. In den letz‑ ten Jahren wurde das Verhältnis zwischen Holly‑ wood und Weißem Haus aber zur regelrechten Lovestory. Fasziniert vom jungen Gouverneur von Arkansas, schmiedeten Stars und Starprodu‑ zenten wie Steven Spielberg und Jeffrey Katzen‑ berg einen popkulturellen Pakt mit Bill Clinton. Es war ein symbolischer und finanzieller Pakt zwischen Hollywood und Washington, den Welthauptstädten der Illusion. Und Hollywood wurde zur Cash-Maschine für demokratische Breitscheidplatz: Wo bleibt die Trauer? Über den Täter von Berlin wissen wir alles, über die Opfer fast nichts. Warum? Feuilleton, Seite 41 PROMINENT IGNORIERT Präsidenten. Eine Art Seilschaft entstand. Etwa zwischen den Clintons und dem ProduzentenMilliardär David Geffen, der 18 Millionen Dollar Wahlkampfspenden aufgetrieben hat. Oder zwischen Barack Obama und George Clooney. Ein einziges Event des Schauspielers brachte zwölf Millionen Dollar ein, eine der größten politischen Einzelspendenaktionen der US-Geschichte. Offensiv und spielerisch benutzte Obama das Weiße Haus als Plattform für kulturelle Events, Konzerte, Kinopremieren, etwa von Steven Spiel‑ bergs Film Lincoln. Schauspieler sprachen mit dem Präsidenten bei exklusiven Treffen über ihre privaten politischen Anliegen: die Rettung der Blauwale (Pierce Brosnan), die globale Er‑ wärmung (Leonardo DiCaprio), die Krise in Darfur (George Clooney). Kann man Holly‑ wood verübeln, dass man es sich dort nicht vor‑ stellen konnte, die Bühne des Weißen Hauses vom missliebigen Trump bespielt zu sehen? Womöglich war der Golden-Globe-Auftritt von Meryl Streep deshalb so eindrucksvoll, weil die Schauspielerin die Grenzen nicht verwischte. Weil sie gerade nicht mit politischen Botschaften an die Zuschauer trat und doch eine hochpoli tische Rede hielt. Und weil sie Trump nicht direkt attackierte, ja nicht einmal seinen Namen nannte, ihn dadurch aber umso härter traf. Man kann sich nur wünschen, dass die Präzision ihres Auftritts Maßstäbe setzt, auch für die Oscar verleihung am 26. Februar. Meryl Streep blieb nämlich bei ihrem Leisten: der Schauspielerei, dem Handwerk der Repräsentation. Es bestehe darin, sagte sie, sich in Menschen hineinzuver‑ setzen, die anders seien als man selbst. Schau‑ spielerei sei ein Akt der Empathie, also das Ge‑ genteil des herabsetzenden Nachäffens. Eben deshalb – und das brauchte Streep nicht einmal zu sagen – ist Trumps Persönlichkeit ungeeignet für ein Amt, das für die Repräsentation eines ganzen Landes steht. Und das seinem Inhaber ein Mindestmaß an schauspielerischer Empathie ab‑ verlangt, auch mit seinen schwächsten, feind seligsten oder unsympathischsten Bürgern. Postwendend beschimpfte Donald Trump danach per Twitter Meryl Streep als eine der »am meisten überschätzten Schauspielerinnen« Hollywoods. Das zeigt jedenfalls, dass sie ihn erkannt und erwischt hat. www.zeit.de/audio Treu wie Plastik Spaziergänger haben am Ostsee‑ strand in Hohwacht einen Jo‑ ghurtbecher mit einer vierstelligen Postleitzahl gefunden, was be deutet, dass der Becher mindestens 23 Jahre lang übers Meer geschau‑ kelt ist. Bis Kunststoff sich zersetzt hat, können 450 Jahre vergehen. »Eisen, Stein und Marmor bricht, / nur meine Liebe, die bricht nicht«, lautet der alte Poesie albums vers. Stärker wäre: »Ich bin dir treu wie ein Joghurtbecher.« GRN Kleine Fotos (v. o.): Mika Knezevic/Stocksy [M]; BILD Leser-Reporter [M] Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. 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