Zum Gedenken an Herbert Gerstacker

Zum Gedenken an meinen Freund Herbert Gerstacker
Herbert Gerstacker ist tot. Noch kann ich es nicht fassen – aber am
23.12.2016 ist er seinem mit großer Geduld und ebensolcher Gelassenheit
getragenen Krebsleiden erlegen. Mehr als 36 Jahre Kollege, ebenso lange mein
Freund, mein immer besserer Freund von Jahr zu Jahr, einer, wie man ihn nur
ganz selten findet.
Sein Rat wird fehlen, fehlt schon jetzt; seine uneigennützige Freundschaft wird
fehlen; seine Menschenliebe wird fehlen. Und diese Trias gilt für den Freund
ebenso wie für den Kollegen und den Lehrer. Und wieviel mehr noch für den
Ehemann und Vater, mit dem seine Familie bis zuletzt gehofft und gebangt
hat.
Was bleibt, ist eine große Dankbarkeit, dass ich, dass wir eine so große
Strecke des Lebensweges mit diesem besonderen Menschen gemeinsam gehen
durften.
Denn Herbert Gerstacker war ein besonderer Mensch, (auch weil er eben dies
sofort abstreiten würde). Er verband hohe fachliche Kompetenz mit dem
ständigen Denken an und um den anderen Menschen und mit dem Willen, nie
stehen zu bleiben und sich auf Erreichtem auszuruhen.
Ein Abiturient des Jahrgangs 1989 hat ihn in einer Mail vorgestern kurz und
treffend charakterisiert: er habe Herrn Gerstacker „als einen fairen und
verständnisvollen Lehrer kennengelernt, einen Menschen, der zuhören konnte
und sich im Einzelgespräch immer als echter Menschenfreund erwies.“
Hier finden wir genau die Stichworte, die auch ich mir spontan notiert hatte:
Herberts besondere Fähigkeit zum Zuhören und sein Verstehenwollen sowie
sein Bestreben, immer wieder ins Gespräch zu kommen und Menschen ins
Gespräch zu bringen. Denn stets ging es ihm um den ganzen Menschen in
seinen vielfältigen Bezügen.
So war Herbert Gerstacker natürlich engagierter Fachlehrer, doch wir behalten
ihn besonders in Erinnerung als den Klassenlehrer, der Verantwortung lebte für
seine Schüler, als den Vertrauenslehrer, als den Beratungslehrer. Dass er
zudem zeitweilig spontan Leitungsaufgaben übernahm, als er darum gebeten
wurde, und wiederholt in internen Planungsgremien die inhaltliche Gestaltung
unserer Schule zu seiner Aufgabe machte, rundet das Bild eines Lehrers ab,
der stets den ganzen Menschen gab, mit vollem Einsatz.
Dabei war er persönlich völlig uneitel, kein Karriere-Typ. Sich zu präsentieren,
sich selbst zu inszenieren, auf sich hinzuweisen - all das war seine Sache nicht.
Das machte ihn so sympathisch. Und sein Rat wurde dadurch authentisch:
bedachte, eher leise denn laute Worte, die eben deshalb bedenkenswert
waren.
Und das ist es auch, was bleiben und weiter wirken wird: die Impulse, die von
Herbert ausgingen – im Gespräch und durch seine Art zu leben. Mir hat er in
den langen Wochen im Isolierzimmer des Krankenhauses vorgelebt, wie ein
Mensch eine absolute Ausnahmesituation in Gelassenheit und Zuversicht
bewältigen kann, so dass er – endlich wieder zu Hause! – noch am
13.Dezember unbefangen und in Vorfreude mit mir neue Pläne schmiedete.
Es hat nicht sollen sein.
Herbert Gerstacker wird uns weiter begleiten – mit seinem Denken, seinen
vielfältigen Anregungen, seinem aufmerksamen Zuhören, seinem So-undnicht-anders-Sein. Er wird gegenwärtig sein – denn es gibt verschiedene Arten
von Gegenwart. Ob das ein Trost sein kann? In jedem Fall etwas, wofür ich
tiefe Dankbarkeit empfinde.
Hans-Ulrich Marcks
(07.01.2017)