SWR2 Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Wolfgang Kubicki (FDP), stellvertretender
Bundesvorsitzender, gab heute, 05.01.17,
dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Liberale und Innere Sicherheit (Anlass: Dreikönigstreffen)
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
05.01.2017
Kubicki hält die bestehende Rechtslage zur Inneren Sicherheit für ausreichend
Baden-Baden: Vor dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart an diesem Freitag hat der
stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki vor Gesetzesverschärfungen gewarnt. Im
SWR-Tagesgespräch bezeichnete Kubicki entsprechende Vorschläge der Union zur Inneren
Sicherheit als typischen Reflex: damit stellt fest, dass etwas passiert ist, das mit der
bestehenden Rechtslage hätte verhindert werden können.
Die Frage sei vielmehr, ob der Rechtsstaat von den politischen Akteuren noch umgesetzt wird.
Er könne nicht verstehen, dass große Touristikkonzerne Tunesien, Marokko und Algerien als
Urlaubsziele bewerben und man gleichzeitig erkläre, abgelehnte Asylbewerber dürften dorthin
nicht zurückgeschickt werden, weil sie Risiken ausgesetzt seien. Straftaten wie Sexualdelikte
und das „Antanzen“ hätten sich verhindern lassen, wenn SPD und Grüne bei der Anerkennung
nordafrikanischer Staaten als sichere Herkunftsländer flexibler gewesen wären.
Der Innen- und Rechtspolitiker der Liberalen ist auch dagegen, die Videoüberwachung
auszuweiten. Gerade islamistische Attentäter suchten Kameras, um ihre Taten zu verbreiten.
Zur Abschreckung mache Videoüberwachung keinen Sinn. Sie könne zur Aufklärung beitragen,
Verbrechen ließen sich so aber nicht verhindern. Kubicki verweist darauf, dass die
Silvesternacht in Köln sei deshalb ruhig verlaufen sei, weil 1700 Beamte im Einsatz waren. Der
Hauptbahnhof sei auch vor einem Jahr videoüberwacht worden, verhindert habe das die
Übergriffe nicht.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: die CSU legt im Kloster Seeon Vorschläge zur Terrorabwehr auf den Tisch, die
CDU hat ihre schon präsentiert, die SPD arbeitet daran. Sind das alles Scheinlösungen
und der Ausdruck von Hilfslosigkeit?
Kubicki: Zunächst einmal ist es ein typischer Reflex. Man stellt fest, da ist was passiert, das
hätte verhindert werden können, wie schon aufgrund der bestehenden Rechtslage. Die
Reaktion ist dann, um davon abzulenken, wir brauchen schärfere und neue Gesetze. Ich halte
für absolut unsinnig, denn wir müssen zunächst einmal nachdenken, was ist passiert, wie
können wir dem wirklich vorbeugen. Und ich sage als Strafverteidiger mit über 35 Jahren
Berufserfahrung, die Gesetzeslage reicht aus. Es müssen nur die Behörden die Möglichkeiten
nutzen und wenn wir beispielsweise Landesregierungen haben, wie die in Niedersachsen oder
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
in Schleswig-Holstein, rot-grün besetzt, die grundsätzlich erklären, wir schieben keine
Asylsuchenden ab, dann muss man sich schon fragen, ob der Rechtsstaat hier noch vernünftig
umgesetzt wird von den politischen Akteuren.
Rudolph: Aus Sicht der FDP, reicht Ihnen da die Rolle desjenigen der sagt, die Gesetze
reichen und der sagt was verfassungsrechtlich geht und was nicht?
Kubicki: Ja, mir reicht die Rolle, weil ich glaube, dass die Menschen, auch wenn sie betroffen
sind, zunächst nach ihrem Verstand operieren und handeln. Und der muss ihnen sagen,
schärfere Gesetze nützen schon dann nichts, wenn die Attentäter beispielsweise sich selbst in
die Luft sprengen. Da kann ich sie noch so sehr bedrohen, es wird nicht funktionieren. Ich höre
auch immer wieder, dass man Videokameras installieren will. Aber wenn wir heute erfahren,
dass Herr Amri vor den Videokameras posiert hat. Wir wissen, dass Attentäter ja, die weltweit
auch ihre Taten verbreitet sehen wollen, unter Umständen dann auch die Orte aussuchen, die
videoüberwacht sind, dann macht das keinen Sinn. Jedenfalls zur Abschreckung dient das
überhaupt nicht. Es kann gelegentlich und teilweise zur Aufklärung beitragen, zur
Strafverfolgung beitragen. Das hat dann auch schon einen Sinn, aber die Behauptung, mit
Videokameras will man Attentate verhindern, ist absolut unsinnig.
Rudolph: Aber es gibt eben auch eine Menge Fälle, da sind dann die mutmaßlichen Täter
geschnappt worden, dank Videoaufnahmen. Denken Sie an den U-Bahn-Treter. Die
Verdächtigen im Fall des Obdachlosen in Berlin. In Freiburg der mutmaßliche Mörder
einer Studentin. Alle Dank Videoaufnahmen dann gefasst und 73 Prozent der
Bundesbürger sind dafür. Es geht ja auch um ein subjektives Gefühl der Sicherheit, zählt
das nicht?
Kubicki: Ja, das zählt definitiv. Der Rechtsstaat muss schon dokumentieren, dass er auch
Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Aber er muss diesen Sorgen und
Ängsten begegnen mit effektiven Maßnahmen. Die Videoüberwachung, wo wir die Straftäter
schneller haben ermitteln können, hat ja die Straftaten selbst nicht verhindert.
Rudolph: Was aber auch niemand behauptet.
Kubicki: Doch, die CDU und CSU und Herr de Maiziere behaupten, dass durch eine verstärkte
Videoüberwachung man Attentate und schwere Straftaten verhindern könne. Was
wissenschaftlich bereits widerlegt ist. Köln ist jetzt so ruhig verlaufen, weil 1.700 Beamte vor Ort
waren. Der Kölner Hauptbahnhof wurde auch im letzten Jahr videoüberwacht und es ist nichts
verhindert worden. Entscheidend ist immer Personal. Menschen vor Ort und nicht diese
Chimäre, mit schärferen Gesetzen würde man entsprechende Delikte verhindern.
Rudolph: Mehr Polizei, das fordert inzwischen ja selbst die Linke. Welche Position in der
Sicherheitsdebatte ist denn ein Alleinstellungsmerkmal der FDP?
Kubicki: Wir brauchen kein Alleinstellungsmerkmal. Wir brauchen effektive Maßnahmen und
Methoden und dazu gehören schärfere Gesetze und die Diskussion darüber erkennbar nicht.
Entscheidend ist, dass wir die Möglichkeiten umsetzen, die wir bereits haben. Das wir das
Recht anwenden was wir haben. Dass wir beispielsweise unsere grünen Freunde davon
überzeugen, dass die nordafrikanischen Staaten, die Maghreb-Staaten, zu sicheren
Herkunftsländern erklärt werden. Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, dass große
Touristikkonzerne mit Urlauben in Tunesien, Marokko oder Algerien werben und wir gleichzeitig
erklären, man darf Menschen dorthin nicht zurückschicken, weil sie Risiken ausgesetzt sind. Ich
verstehe nach wie vor nicht, warum Herr Kretschmann und andere diese Position bisher
eingenommen haben. Wir hätten wahrscheinlich vieles verhindert mit Attentaten und
Sexualdelikten, wenn Sozialdemokraten und Grüne hier flexibler gewesen wären.
Rudolph: Wo Sie die Grünen gerade ansprechen. Als die Co-Chefin der Grünen, Frau
Peter, den Polizei-Einsatz an Silvester in Köln kritisiert hat, da haben Sie ihr attestiert,
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
einen Zitat „Knall zu haben“. Aber ist den Liberalen nicht auch die eigene Ideologie im
Weg, sobald Vorschläge kommen, die persönliche Freiheiten einschränkten könnten?
Kubicki: Wir sind für alle Vorschläge offen, die zu einer effektiveren Bekämpfung von schwerer
Kriminalität und von terroristischen Aktivitäten beitragen können. Aber wir sind definitiv gegen
Vorschläge die eine Scheinlösung beinhalten und gleichzeitig aber auch die
Bewegungsmöglichkeiten und die Freiheiten von Millionen von Menschen in unglaublicher
Größenordnung einschränken.
Rudolph: Schauen wir mal nach vorne. Bundestagswahl in gut 8 Monaten. Da könnte Ihre
FDP nach Umfragen wieder in den Bundestag zurückkehren. Aber mal ganz ehrlich,
glauben Sie ernsthaft, irgendjemand, der nicht Ihrer Partei nahesteht, hätte Sie in den
zurückliegenden Jahren vermisst?
Kubicki: Ja, das glaube ich deshalb ganz ehrlich, weil ich auf eine unglaubliche Vielzahl von
Menschen treffe, die mir auf die Schulter klopfen und sagen, Herr Kubicki, machen Sie die FDP
weiter stark. Wir brauchen Sie im deutschen Bundestag. Da fehlt die Stimme der
wirtschaftlichen und der politischen Vernunft und es ist so, dass wir vor 2 Jahren ja noch
belächelt worden sind. Das war noch harmlos. Manchmal mit Häme übergossen worden sind.
Das ist vollständig vorbei. Wir haben Mitgliederzuwachs. Wir haben mittlerweile Menschen, die
uns auch finanziell wieder unterstützen, weil sie an uns glauben. Ich mach mir überhaupt keine
Sorgen, dass wir zweistellig werden und dass wir damit auch gemeinsam in NordrheinWestfalen und Christian Lindner denn dann nötigen Schub haben werden für die
Bundestagswahl.
Rudolph: Reden wir noch kurz über gute Vorsätze. Was wollen Sie denn dieses Mal
unbedingt besser machen?
Kubicki: Ich will abnehmen. Das will ich aber schon seit Jahren regelmäßig.
Rudolph: Ich meinte Ihre Partei.
Kubicki: Ich wollte das nur gerade sagen. Ich habe gerade in einem Publikationsorgan gelesen,
ich sei der Obelix der Freien Demokraten, was mich sehr getroffen hat. Für meine Partei will ich
besser machen, dass wir aufpassen müssen, nicht vor der Wahl wieder zu hummelig zu sein.
Viele glauben schon, das sei eine ausgemachte Sache, dass wir im deutschen Bundestag sind.
Aber der Weg ist noch lang und wir dürfen nicht aufhören dafür zu kämpfen. 6 Prozent in
Meinungsumfragen ist ein gutes Ergebnis 9 Monate vor der Bundestagswahl. Aber das ist nicht
unser Ziel. Unser Ziel muss sein, eher an 9 Prozent zu kommen als bei den 6 Prozent zu
bleiben.
- Ende Wortlaut -
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