Anmchara International School in Kaja

Zwei Monate in Ghana
Abschlussbericht
Auf das Praktikum bin ich über den Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband
(BLLV) aufmerksam geworden. Dieser bietet für Lehramtsstudierende Praktika in
verschiedenen Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt an. In einem
Bewerbungsverfahren (genauere Informationen und Unterlagen findet man auf
der Homepage unter https://www.bllv.de/Ausland.1856.0.html) habe ich mich
für insgesamt drei Projekte in Afrika beworben und schlussendlich auch meinen
Favoriten bekommen, ein Praktikum als Lehrkraft an der Anmchara International
School in Ghana.
Dies war vor allem mein Favorit, weil ich so viel Praxiserfahrung wie möglich im
Unterrichten sammeln und an einer Schule für einheimische Kinder arbeiten
wollte. Ich hatte mir erhofft, dadurch viel über die ghanaische Kultur zu
erfahren, sowohl was das alltägliche Leben betrifft und das Unterrichten mit
(wahrscheinlich) minimaler Ausstattung. Dadurch, dass die Schule ländlich
gelegen war, hatte ich die Erwartung, dass ich eventuell einfacher in den
Kontakt mit Einheimischen komme.
Die gewünschte Praxiserfahrung habe ich bekommen. Ich durfte eine zweite
Klasse
in
Mathematik
und
Kunst
unterrichten
und
auch
die
erahnte
Herausforderung, für den Unterricht nur wenig bis keine Materialien zu haben,
wurde erfüllt. Die Erwartung mich in das alltägliche Leben einzubringen wurde
kaum in dem Sinne erfüllt, wie ich es mir gewünscht hatte.
Es war sehr schwer den Stempel „reich und weiß“ los zu bekommen, um ggf. auf
einer anderen Ebene sich zu unterhalten. Viele Gespräche drehten sich um
Unterschiede, um Hautfarbe, um Geld etc. Es ist nicht so, dass mich das gestört
hätte, ich hatte mir nur manchmal (vor allem nach schon einem Monat
Aufenthalt) auch andere Gesprächsthemen gewünscht. Ich kann die eine
Begründung, warum das so war, gar nicht wirklich ausmachen. Aber es hat mich
häufig verzweifeln lassen, da ich doch in den Vorbereitungen, mir so oft
vorgenommen hatte, zu versuchen kulturelle Unterschiede in persönlichen
Gesprächen zu überwinden.
Das interkulturelle Training und auch das Vorbereitungswochenende vom BLLV
haben mir aber eine gewisse Gelassenheit mit auf den Weg gegeben. Zum
Beispiel gab es häufiger die Situation, dass ich auf meine Hautfarbe reduziert
wurde, eine Situation, die ich so noch nie erlebt hatte. Aber ich wusste, aus den
Vorbereitungen, dass mich so etwas erwartet und dass es in den seltensten
Fällen aufgrund rassistischer Beweggründen passiert.
Einen Punkt, auf den ich nicht wirklich vorbereitet war, obwohl er vor Ort so
offensichtlich war, war der intensive religiöse Hintergrund der Bevölkerung in
Ghana. Ich hatte den Eindruck, dass jeder gläubig ist und einer Religion
angehört (hauptsächlich Christentum und Islam). Mit der Religionszugehörigkeit
meiner Kollegen etc. hatte ich auch gar kein Problem. Allerdings habe ich häufig
gestutzt, als bestimmte Ereignisse mit religiösen Argumentationen erklärt
wurden. Häufig wurde ich mit einer gewisse Skepsis betrachtet, vor allem, wenn
ich vorsichtig äußerte, dass ich nicht abergläubisch bin. Manchmal wurde von
mir erwartet, dass ich zum Beispiel zu einer Meerjungfrau bete, damit wir im
Meer beruhigt schwimmen konnten oder ein kurzes Gebet vor der Busreise
spreche. Ich habe in allen Situationen versucht den Wünschen nachzukommen.
Allerdings viel es mir in Gesprächen schwer, angemessen auf die (aus unserer
Perspektive) wirren Argumentationen zu reagieren. Auch wenn, wie ich finde,
jedes Gespräch positiv ausging, so habe ich das Gefühl, dass es vor allem daran
lag, dass ich nicht auf meinen Standpunkt bestanden habe und auch häufig nicht
weiter nachgefragt habe, um niemanden zu verletzen. Es war aber immer ein
wenig unbefriedigend, da ich das Gefühl hatte, aufgrund von Respekt, nie genau
nachfragen zu dürfen.
Trotz dieser Schwierigkeiten habe ich in den zwei Monaten gute und positive
Kontakte schließen können. Zur gleichen Zeit wie ich, haben auch zwei
ghanaische
Studenten
ein
Praktikum
an
der
Schule
gemacht.
Allen
Unterschieden zum Trotz haben wir es geschafft, eine Freundschaft aufzubauen
und hatten uns auch noch nach zwei Monaten etwas zu erzählen. Durch viele
Gespräche konnten wir gegenseitige Akzeptanz aufbauen. So dass wir zum
Schluss sogar über die gleichen Sachen lachen konnten. So wussten beide, dass
ich mich als keine religiöse Person beschreiben würde. Nach anfänglicher
Verwunderung, haben wir aber darüber offen reden können und zum Beispiel für
und wider eines religiösen Lebens diskutieren können. Auch die übliche Praxis
Schüler/innen zu schlagen, wenn sie sich nicht benehmen, war häufiges
Gesprächsthema am Tisch. Auch hier wurde schnell klar, dass wir teilweise
unterschiedlicher
Meinung
sind,
wir
aber
auch
zum
Beispiel
alternative
Bestrafungsmethoden uns überlegen konnten.
Andere Themen, wie zum Beispiel Homosexualität, haben beide Seiten nicht zum
Thema gemacht, da klar war, dass wir hier auf keinen gleichen Nenner kommen
würden.
Aus Erfahrungsberichten, von vorherigen Studierenden weiß ich, dass es nicht
üblich ist, dass auch ghanaische Praktikanten vor Ort sind. Das ist wirklich
schade, denn ich würde diesen Kontakt, neben der Unterrichtserfahrung, als
einen der größten Gewinne beurteilen. Ohne die Praktikanten wäre es mir sicher
nicht so leicht gefallen Kontakte zu knüpfen. Zum einen gibt es in dem Dorf
kaum junge Erwachsene. Die Dorfbewohner sind hauptsächlich ältere Menschen
und Kinder. Zum anderen hat man als (weiße/r) Praktikant/in eine gewisse
Sonderstellung im Dorf. Alle drei Mahlzeiten werden für einen gekocht, man
wohnt in einem Haus, das extra für Volunteers gebaut wurde und als eines der
wenigen auch fließenden Wasser hat. Oft hatte es auch ein wenig den
Beigeschmack, als sei man nur des Geldes wegen dort. Der Schulleiter, der
leider nur selten vor Ort war, hat häufig das Gespräch in die Richtung gelenkt,
dass seine Schule dringend Geld benötigt, was auch nicht zu übersehen war, und
ich doch meine Kontakte in Deutschland nutzen soll, um Spendengelder zu
akquirieren.
Nichts
desto
trotz,
waren
die
zwei
Monate
in
Ghana
eine
immense
Erfahrungsbereicherung, die ich nicht missen möchte und die mich auch in
meinem späteren Berufsleben prägen wird. So ist es zum einen der Eindruck und
die Bewunderung, dass Lehrkräfte mit kaum Material, einen interessanten du
guten Unterricht halten können. Es muss nicht immer buntes laminiertes
magnetisches Papier sein. Auch mit einer Tafel und der Natur lässt sich viel
machen. Zum anderen hat dieser Aufenthalt in mir viele Fragen bezüglich der
Situation von Entwicklungsländern aufgeworfen. Vor allem die Frage, wie man
Bildungsprozesse anstoßen kann, wie Gesellschaften sich ändern, sich entwickeln
und was mein Part dabei ist, bewegen mich noch heute. Fragen die ich mit nach
Hause genommen habe und auch hier immer wieder gerne mit Freunden
erörtere. Mein Interesse an Ghana ist also eigentlich nur noch größer geworden.
1Meine Klasse und ich
2Teamteaching