SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Feleknas Uca (HDP), Abgeordnete im türkischen Parlament, gab heute, 29.12.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Opposition in der Türkei“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Datum: 29.12.2016 Türkische Oppositionspolitikerin Uca fordert Embargo gegen Türkei Baden-Baden: Die türkische Oppositionspolitikerin Feleknas Uca, HDP, hat die Bundesregierung aufgefordert, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen. In der Türkei seien der Rechtsstaat sowie die Meinungs- und Pressefreiheit so gut wie außer Kraft gesetzt, sagte Uca im SWR (Südwestrundfunk). Deswegen brauche es deutlich mehr Druck von außen. Sanktionen dürften sich allerdings nicht gegen die türkischen Bürger richten, sondern gegen die Regierung. Dies könne im wirtschaftlichen Bereich funktionieren. Außerdem solle der Verkauf von Waffen an die Türkei ausgesetzt werden. Das könne dazu beitragen, die Haltung der Regierung zu ändern, meinte die Oppositionspolitikerin. Uca lobte die Bundesregierung dafür, dass sie Präsident Erdogan und die türkische Regierung deutlich kritisiere. Dies sei ein wichtiges Signal, in diese Richtung müsse es weitergehen. Außerdem hätten Bundestagsabgeordnete Patenschaften für festgenommene türkische Abgeordnete übernommen. Uca rechnet damit, dass sie selbst jeden Moment verhaftet werden könnte. Die Gerichtsverhandlung gegen sie soll Anfang Februar beginnen. Trotzdem werde sie sich nicht einschüchtern lassen, sagte die Abgeordnete der prokurdischen HDP. „Ich werde meine Arbeit fortführen, egal, was passiert.“ Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Sie setzen sich seit Langem für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage ein. 2012 sind Sie schon einmal verhaftet worden, und jetzt kann es jeden Moment wieder so weit sein. Trauen Sie sich zur Zeit überhaupt noch aus dem Haus? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Uca: Ja. Ich bin jetzt auch unterwegs. Ich war gerade im Ausland und bin jetzt noch gerade im Ausland. Ich werde mich nicht einschüchtern lassen, und meine Arbeit hat Vorrang. Ich werde meine Arbeit fortführen. Es ist egal, was passiert. Zwölf Abgeordnetenkollegen von mir sitzen schon im Gefängnis, viele Journalisten und Freunde und Mitarbeiter und Kollegen von uns. Über 8.000 HDP-Mitglieder und Funktionäre sind innerhalb von einem Jahr in der Türkei festgenommen worden, und die Zahl erhöht sich von Tag zu Tag. Selbst gestern Nacht ist unsere stellvertretende Co-Vorsitzende Aysel Tugluk mit weiteren Kollegen in Diyarbakir festgenommen worden. Theis: Ihre Parteikollegen und andere Schriftsteller, Journalisten, werden festgehalten, und ihnen wird vorgeworfen, Terroristen zu unterstützen . Heute beginnt in Istanbul der Prozess gegen die Autorin Asli Erdogan. Die deutsche Buchbranche spricht von einer „Farce“. Gibt es in der Türkei wirklich keine unabhängigen Richter mehr? Uca: Es gibt keine unabhängigen Richter mehr, sonst würde Asli Erdogan nicht heute 132 Tage im Gefängnis sitzen. Nur, weil sie Journalistin ist, nur, weil sie ihre Meinung geäußert hat, nur, weil sie eine kurdische Nachrichtenagentur oder eine demokratische Zeitung unterstützt hat, heißt das nicht, dass sie und acht weitere Kollegen zu lebenslanger Haft befördert werden und zwar unter dem Verdacht des Terrorismusvorwurfs. Heute Morgen haben wir die Augen aufgemacht, dann ist schon wieder die Nachricht gekommen, A.M., der über Twitter eine Nachricht verbreitet hat, der ist heute Morgen festgenommen worden. Und jeden Tag werden Journalisten und Andersdenkende, oder die ihre Meinung frei äußern, festgenommen. Und hier möchte ich einfach sagen, freie Meinungsäußerung taugt nicht zum Kampf gegen Kurden und Demokraten. Das muss Erdogan jetzt wissen. Aber auch die türkische Justiz muss es endlich einsehen. Theis: Der Rechtsstaat löst sich auf. Meinungs- und Pressefreiheit sind unerwünscht. Das ist ganz offensichtliches Unrecht. Wieso, meinen Sie, wehrt sich die Mehrheit der Türken nicht dagegen - oder kriegen wir das nur nicht mit? Uca: Das kriegt man vielleicht nicht ganz so mit. Alle, die sich dagegen wehren, werden entweder festgenommen oder die haben Verfahren. Ganz interessant ist, dass gerade in der Türkei über 10.000 Daten von Personen, was jetzt über die türkischen Medien verbreitet worden ist, allein wegen der sozialen Medienverbreitung ihrer Kommentare ein Verfahren eingeleitet wird und 1.600 Menschen davon jetzt gerade im Gefängnis sitzen. Und das ist natürlich ein Skandal. Und da werden die Menschen vor Ort nicht lange wegschauen und sich irgendwann auch mal dagegen wehren. Es kann nicht sein, dass dieses Land sich immer weiter in die Ferne rückt von Menschenrechten und freier Meinungsäußerung. Theis: Sie werfen der Bundesregierung vor, zu wenig Druck auf die türkische Regierung auszuüben, obwohl sie Erdogan mehrfach deutlich kritisiert hat. Welche Druckmittel hätte die Bundesregierung ihrer Meinung denn sonst noch, außer zu reden? Uca: Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen eine andere politische Haltung und eine viel kritischere Haltung eingeführt. Das haben wir auch gesehen. Unser deutscher Außenminister war ja auch bei der HDP, hat uns in der Fraktion auch besucht, zu einem Gespräch nach der Festnahme von unseren Co-Vorsitzenden. Das war schon mal ein ganz wichtiges Zeichen. Aber auch die Abgeordneten des deutschen Bundestages, die die Patenschaften für die festgenommenen Abgeordneten durchführen von allen Fraktionen. Das ist ein wichtiges Signal, und ich denke, in dieser Richtung muss es weitergehen. Aber mehr Druck sollte man auf jeden Fall weiter ausüben. Was auch die freie Meinungsäußerung angeht, was die Menschenrechte angeht: Da kann man noch viel mehr Druck ausüben. Ich denke, ein Embargo könnte man auf die Türkei setzen, aber nicht, was die Menschen vor Ort betrifft, sondern was die Haltung der türkischen Haltung angeht. Das ist ein Unterschied. Wir wollen hier nicht die Menschen vor Ort bestrafen, sondern man muss wirklich mehr Druck auf die Regierung ausüben, und das geht in wirtschaftlichen Bereichen. Da könnte man eventuell viel mehr Druck ausüben, den Verkauf von Waffen an die Türkei aussetzen im Moment. Ich denke, dass würde dazu führen, dass die Türkei sich in eine andere Richtung ändern würde. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Theis: Und Sie glauben nicht, das würde das Verhältnis noch weiter verschlechtern und vielleicht bis zum Abbruch der Beziehungen führen? Uca: Ich glaube das nicht. Wir haben das ja am Beispiel von Russland gesehen, wie die Türkei vorher war in den Gesprächen nach dem Abwurf der Militärmaschine, das hat man ja gesehen, wie die Verbindung jetzt gerade oder das Verhältnis sich verbessert hat, und ich denke, wenn, dann wird das ein nur eine kleine Situation sein. Ich denke, das wird nicht länger gehen. Und die Türkei muss man jetzt auf den richtigen Weg führen. Und das geht nur, wenn man wirklich die Rote Karte zeigt. Jemand, der ein Freund der Türkei sein will, muss jetzt die Rolle übernehmen und jetzt die Türkei aus einer tiefen Krisen herausholen, um die Türkei auf den richtigen Weg zu führen. Ob das schmerzhaft für die türkische Regierung ist oder nicht, das wissen wir alle ganz genau: Ja, es ist schmerzhaft, aber es muss etwas getan werden. Weil da kann man nicht einfach die Augen davor verschließen. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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