Umbr_PopMiK_LB_ND2010.qxd 08.12.2010 9:56 Seite 101 T h e Vo i c e o f A m e r i c a Bob Dylan: Minstrel Boy THEMENBEREICHE – Große Interpreten der Popularmusik: Bob Dylan DER SONGTEXT (ÜBERSETZUNG) Chorus: Wer wirft dem Straßensänger eine Münze hin? Wer lässt was springen? Wer gibt ihm etwas, um seine Seele zu retten? 1. Oh schau, er ist lange Zeit unterwegs gewesen und ist jetzt auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Es war ein harter Weg. Und trotz all seiner Frauen ist er einsam geblieben. 2. Nun gut, er ist schwer im Geschäft. Die mächtige Spottdrossel hat immer noch eine schwere Last zu tragen. Über seine Grenzen hinweg, was soll ich mehr sagen, mit all seinen Reisen, bin ich doch immer noch unterwegs. ZUM INTERPRETEN: BOB DYLAN 쏋 Robert Allen Zimmerman wurde 1941in Duluth/Minnesota geboren. Seine jüdisch geprägte Kindheit verbrachte er in einer Bergbaustadt an der kanadischen Grenze. 쏋 Mit 18 Jahren begann er ein Kunststudium in Minnesota; parallel dazu trat er in der Country-Szene zunächst als Elton Gunn, später als Bob Dylan auf. Den Künstlernamen wählte er in Verehrung des walisischen Dichters Dylan Thomas. 쏋 1961 brach Dylan sein Studium ab und entschied sich für eine Karriere als Musiker. Er ging nach New York, wo er in Greenwich Village auf die bewusst antibürgerliche, linksintellektuelle Jazz- und Folkszene traf. 쏋 Mit einem Auftritt im Vorprogramm eines Konzertes Joan Lee Hookers in New York und einem ersten Plattenvertrag wurde Dylan in der Folkszene bekannt.Tourneen mit Joan Baez und zahlreiche populäre Alben (z. B. »The Freewheelin’ Bob Dylan« mit »Blowin’ in the Wind«) machten ihn zu einem Repräsentanten der Jugend in der Zeit des Vietnamkrieges und der Bürgerrechtsbewegung. 쏋 1965 trat Dylan auf dem Newport Folk Festival erstmals mit elektronischem Instrumentarium auf und löste damit bei seinen puristischen Fans harsche Kritik aus. Dylan vollzog mit diesem Auftritt die Fusion von Folklore und Rockmusik. 쏋 1966 hatte Bob Dylan einen schwerer Motorradunfall; er nahm dies zum Anlass, sich für zwei Jahre weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. 쏋 1970 erschien das umstrittene Album »Self Portrait«, in dem Kritiker eine lieblose Sammlung alter Lieder sahen; Dylan selbst bezeichnete dieses Album als einen Befreiungsschlag gegen die ihn belastende Erwartungshaltung seiner Fans. Das Album enthält drei der im Schülerbuch behandelten Songs. 쏋 1974 begann Dylan wieder mit Tourneen und konnte an seine großen Erfolge anknüpfen. 쏋 1978 wendete sich Dylan nach einem persönlichen »Erweckungserlebnis« christlichen Themen in seinen Liedern zu, mit denen er das große Publikum kaum erreichte. 쏋 Nach dieser Phase religiöser Lieder folgte in den 90er-Jahren ein erstaunliches Comeback. 2006 erreichte Dylans Album »Modern Times« den ersten Platz der US-Hitparade. ANDERE BEKANNTE SONGS 쏋 쏋 쏋 쏋 A Hard Rain’s A-Gonna Fall Blowin’ in The Wind Desire Knockin’ on Heaven’s Door 쏋 쏋 쏋 쏋 Like a Rolling Stone Masters of War Mr. Tambourine Man The Times They Are A-Changin’ POPULARMUSIK IM KONTEXT 101 1970 Umbr_PopMiK_LB_ND2010.qxd 1970 08.12.2010 9:56 Seite 102 T h e Vo i c e o f A m e r i c a ZU DEN SONGS In den didaktischen und methodischen Hinweisen wird auf vier Dylan-Songs verwiesen. OA S II, 8 Der Text von »Minstrel Boy« trägt autobiografische Züge (D Schülerbuch: »Spottdrossel und Minstrel Boy«); er spiegelt Dylans Wunsch, sich vom Klischee des Protestsängers zu lösen. An musikalische Vielfalt lässt auch der Titel des Songs denken. »Minstrel Boy« bezieht sich wohl in erster Linie auf die amerikanischen Minstrels des 19. Jh. Das waren zunächst Weiße, die Lieder, Singweise und Auftreten schwarzer Musiker nachahmten, später auch afroamerikanische Straßenmusiker, die nun ihrerseits ihre weißen Imitatoren imitierten. Es wurde allerdings (z. B. von Walter Liederschmitt) darauf hingewiesen, dass Dylan möglicherweise auch auf die historische Bedeutung des Begriffes »Minstrel« Bezug nimmt, nämlich auf die Spielmänner und Gaukler des europäischen Mittelalters. Die musikalische Gestaltung lässt in vielen Aspekten an die amerikanische Minstreltradition denken. Das Intro zeichnet ein Straßenszenario (Stimmen und Geräusche, eine leise Gitarre). Ungewöhnlich beginnt dann der Chorus, nämlich mit einigen zwei-, dann dreistimmigen a cappella-Takten. Eine bewusst raue und ungeschliffene Stimmfärbung und die freie rhythmische Gestaltung verweisen auf das Vorbild der Minstrels des 19. Jhs. Schlagzeug und Gitarre spielen im Chorus eine untergeordnete Rolle. Dann leitet ein Durchgang zur solistisch gesungenen Strophe über, die im Bluesstil von Piano, Bass, Gitarre, Schlagzeug und Hammondorgel begleitet wird. Halbtaktige Wechsel zwischen Tonika und Subdominante münden jeweils nach einer Viertaktphrase in einem Dominantseptakkord. Einfach gehalten ist der formale Aufbau des Songs, der zwischen Chorus und Strophen abwechselt. Die dritte Strophe wird von der E-Gitarre improvisiert. OA S II, 10 OA S II, 11 OA S II, 9 »The Mighty Quinn (The Eskimo)« ist eine Komposition Dylans aus dem Jahr 1967, die ein Jahr später in einer Einspielung der Manfred Mann Band zu einem internationalen Hit wurde. Dylan nahm den Song 1970 in sein Album »Self Portrait« auf. Der Text bezieht sich auf den Film »The Savage Innocents« (dt. Titel »Im Land der langen Schatten«), in dem Anthony Quinn einen Eskimo spielt, der symbolhaft für eine zivilisationsferne ursprüngliche Welt steht. An diesen Eskimo erinnert Dylan: »Everybody’s in despair, every girl and boy, when Quinn the Eskimo gets here, everybody’s gonna jump for joy.« Die Musik ist unzweifelhaft eine Huldigung an die Beatles und greift besonders im Chorus viele Elemente ihrer ersten Erfolge auf. Bob Dylan präsentiert sich in diesem Song als Rocksänger im Stil John Lennons. Neben dessen von Dylan gekonnt adaptierten Gesangsstil sind weitere Elemente festzustellen, die auch in frühen Beatles-Songs oft vorkommen: – die Besetzung: drei elektrisch verstärkte Gitarren (Melodie-, Rhythmus- und Bassgitarre) und das Schlagzeug; eingebunden sind auch Piano und Keyboard. – die rhythmische Gestaltung: die metrischen Grundschläge sind in motorisch wirkende Achtel unterteilt; der 1 und 3 der Bass-Drum wird jeweils auf der zweiten und vierten Zählzeit ein akzentuierter Afterbeat entgegengesetzt. – der (gerade für die Beatles) charakteristische Satzgesang ist besonders im Chorus gut zu hören. Little Sadie ist ein historischer Cowboysong, der schon im 19. Jahrhundert belegt ist. Viele Interpreten, u. a. Johnny Cash, haben Versionen dieses Songs aufgenommen. Die Melodien variieren, die Story bleibt dieselbe: Lee Brown hat (mit einer 44er) Little Sadie umgebracht. Er flieht, wird jedoch gefasst und zu 41 Jahren Gefängnis verurteilt. Dylan singt das Lied in der charakteristischen verschleifenden Singweise der Country Music. Die Begleitung erinnert in Klang und Spielweise an ein Banjo. Weitere typische Merkmale der Country Music sind: – Wechselbassfiguren mit nachschlagenden Akkorden – im Sekundabstand wechselnde Harmonik (A – G) – die Aneinanderreihung von Strophen mit Überleitungen in Banjospielweise – Dreiklangsmelodik in der Singstimme. Blowin’ in the Wind ist wohl Dylans berühmtester Song. Er enthält exemplarisch die Elemente, die das Publikum mit dem Protestsänger Dylan verbindet: die ungekünstelte, erzählende Singweise, die einfache Begleitung mit Gitarre und Mundharmonika, die ins Ohr gehende, zum Mitsingen einladende Melodie mit ihrer gleichmäßigen Rhythmik, die Hauptstufenharmonik, der metaphernreiche Text. 102 POPULARMUSIK IM KONTEXT Umbr_PopMiK_LB_ND2010.qxd 08.12.2010 9:56 Seite 103 1970 T h e Vo i c e o f A m e r i c a METHODISCHE IMPULSE Große Interpreten der Popularmusik: Bob Dylan Bob Dylans Stilvielfalt Die S setzen sich mit dem Liedtext und der musikalischen Gestaltung des Songs »Minstrel Boy« auseinander. Sie lernen unterschiedliche Stile Bob Dylans kennen und erfahren den Songtext als persönliche Aussage Dylans. Dabei finden sie im Vergleich zum biografischen Abriss Gründe für die gewählte Thematik. Je nach Musizieranteil wird eine Sequenz zum Thema mehrere Stunden in Anspruch nehmen. 쏋 Die S singen den Song »Minstrel Boy«. 쏋 Mit Hilfe der Texte »The Minstrel Boy« und »Minstrels« sowie des Plakates aus dem Jahr 1882 erfassen die S den Liedtext und setzen ihn in Bezug zu Phänomen der Minstrelshows. 쏋 Im HB suchen die S musikalische Gestaltungsmittel, die die Thematik unterstützen (D ZUM SONG). 쏋 Die S singen Bob Dylans Antikriegslied »Blowin in the Wind« (D PLAYBACK). Sie lesen die Abschnitte »Welt und Zeit« und »Der Rockstar«. Dann beschreiben sie den Gegensatz zwischen Bob Dylans Entwicklung und der Erwartungshaltung seiner Fans. 쏋 Die S musizieren – wenn möglich mit Gitarrenbegleitung – »Blowin in the Wind«. Anschließend lesen sie in StA die Texte im Abschnitt »Facetten einer musikalischen Legende«. Anhand der Beschreibung der unterschiedlichen Singweisen und Rollen Bob Dylans in diesen Texten ordnen sie den Song ein. 쏋 Die S hören zwei weitere Songs von Dylan, »Little Sadie« und »Mighty Quinn«. Im Arbeitsblatt, Arbeitsauftrag 1 vergleichen sie die Songs hinsichtlich der angegebenen Kriterien und ordnen sie dem Folksänger bzw. dem Rockstar Bob Dylan zu. The Mighty Quinn Little Sadie Besetzung/ Spielweise Rhythmusgitarre, Lead-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug, Piano/Keyboard D Merseysound Akustikgitarre Skiffleschlagwerk, Banjoklang Wechselbass, nachschlagende Akkorde Rhythmus Beat klarer 4/4-Takt mit Akzent auf 1 und 3 Afterbeat auf 2 und 4 Achtelbeat Shaker Stimme zum Teil gesprochene Passagen Backgroundchor näselnde, rezitierende Stimme Stil Rockstar Countrysänger S II, 8 PB S 7 OA S II, 10–11 8 AB 쏋 Auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Kenntnisse über die unterschiedlichen Spielarten Dylans ergründen die S in StA (D Arbeitsblatt, Arbeitsauftrag 2) den Zusammenhang zwischen dem Song, Dylans Biographie und seinem maskenhaften Selbstporträt. Ein S trägt seine Ergebnisse in einem Kurzreferat vor (autobiografische Anspielungen im Liedtext; Dylan als Minstrelboy, als Spottdrossel, versteckt sich hinter der (Clowns-)Maske und musikalisch hinter verschiedenen Stilen der Musik). ZU DEN MATERIALIEN Bob Dylan (*1941): Selbstporträt In seinem Selbstporträt stellt sich Dylan als Clown dar, als jemand, der dafür sorgt, dass das Publikum ein bisschen Spaß hat: »I see myself as a song and dance man«, so Dylan in einem Interview. In seinem Porträt versteckt er sich hinter einer Maske, wobei die hohlen leeren Augen eher resignativ als lustig wirken. Diese Doppelbödigkeit ist nicht nur in der Musik Dylans zu finden; sie zeichnet auch seinen Umgang mit Reportern und seinem Publikum aus. Oft waren seine Äußerungen ironisch, nicht eindeutig oder bewusst irreführend. Mockingbird Der Mockingbird (Mimus polyglottos, Spottdrossel) gilt als aggressiv und furchtlos. Der fantasievolle Gesang der männlichen Mockingbirds imitiert nicht nur andere Vögel, sondern auch Geräusche der Umwelt. Einzelne Exemplare verfügen über ein Repertoire von 200 Rufen. Der Mockingbird ist Staatsvogel u. a. von Arkansas, Florida, Mississippi, Tennessee und Texas. Dylan vergleicht sich in mehreren Songs mit diesem Vogel. POPULARMUSIK IM KONTEXT OA 103 8 AB Umbr_PopMiK_LB_ND2010.qxd 1970 08.12.2010 9:56 Seite 104 T h e Vo i c e o f A m e r i c a Plakat für eine Minstrelshow Das Plakat stammt aus dem Jahr 1882 und wirbt für die Perham’s Company, die seit den 1850er-Jahren am Broadway in New York stationiert war. In den dargestellten Tanz- und Theaterszenen sind typische Instrumente der Minstrelshows zu erkennen: Banjo und Gitarre begleiten einen agierenden Sänger. (UL) 104 POPULARMUSIK IM KONTEXT Umbr_PopMiK_LB_ND2010.qxd 08.12.2010 9:56 Seite 105 Minstrel Boy (1970) Name: Arbeitsauftrag 1 Lesen Sie die Informationen zu zwei Liedern von Bob Dylan. Bestimmen Sie anhand der Hörbeispiele die musikalischen Merkmale dieser Songs nach den Vorgaben der Tabelle. Mighty Quinn (The Eskimo) ist eine Komposition Dylans aus dem Jahr 1967, die ein Jahr später in einer Einspielung der Manfred Mann Band zu einem internationalen Hit wurde. Die Musik ist unzweifelhaft eine Huldigung an die Beatles und greift besonders im Chorus viele Elemente ihrer ersten Erfolge auf. Little Sadie ist ein historischer Cowboysong, der schon im 19. Jahrhundert belegt ist. Die Melodien variieren, die Story bleibt dieselbe: Lee Brown hat (mit einer 44er) Little Sadie umgebracht. Er flieht, wird jedoch gefasst und zu 41 Jahren Gefängnis verurteilt. The Mighty Quinn Little Sadie Besetzung/ Spielweise Rhythmus Beat Stimme Stil ? ? Folksänger Rockstar ? ? Arbeitsauftrag 2 Sie hören den Song »Minstrel Boy«. Lesen Sie die Texte »The Minstrel Boy« und »Minstrels«, die Hinweise auf die Textaussage geben. Fassen Sie dann den Inhalt des Liedtextes zusammen. Bereiten Sie ein kurzes Statement vor über den Bezug zwischen Textinhalt, Dylans Biografie und seinem maskenhaften Selbstporträt. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. © Helbling, Rum/Innsbruck · Esslingen 2007
© Copyright 2024 ExpyDoc