Spirituelle Gemeinschaft 3. (vor)weihnachtlicher Brief 2016 Damit hat keiner gerechnet: Zwei Gespräche Verkündigung, Isenheimer Altar (16. Jhdt.), Colmar. Verkündigung, Otto Dix, 1950 in Auseinandersetzung mit dem Isenheimer Meister. Lukas (1,26-38) überliefert den wohl wichtigsten, uns bekanntesten Quellentext für das Weihnachtsgeschehen. Kinder kennen ihn seit den ihren Krippenspielen im Hort und der Grundschule. Die Geburtsgeschichte ist uns urvertraut, und doch beunruhigend fremd. Sie erzählt von Scham und Entsetzen. Beide Bilder zeigen die gleiche, wegduckende Haltung der jungen Frau, und den eindringlich-übergriffigen Finger des Engels. Doch bringt Dix die kaum ahnbare Geist-Taube nicht als Erklärung für das unglaubliche, doch glaub-würdige Geschehen ins Spiel; dafür bedrängen sprechblasenartige Feuerzungen das Mädchen. Lukas schildert die Szene, als ob wir ein Gespräch belauschen würden: Ein Lauschangriff? Wird die schützenswerte Intimsphäre gewahrt? Vermutlich hat Gabriel1, der mächtige Erzengel, vor seinem Eintreten – um nicht Eindringen zu sagen – kaum angeklopft und auf Marias `ja bitte´ gewartet. Es lohnt sich, den (gekürzten) Bibelworten2 etwas genauer zuzuhören: 27Da sandte G´TT den Engel Gabriel nach Nazareth, einer Stadt in Galiläa. Dort lebte eine junge Frau, Maria, mit Josef, einem Nachkommen des großen Königs David, ihm in Treue zugetan war als seine Braut. 28Der Engel trat zu ihr und sagte: „Sei gegrüßt und freue dich, Maria. Du bist von G´TT reich gesegnet. ER hat dich unter allen Frauen auserwählt.“ 29Maria erschrak darüber und wusste nicht, was dieser Gruß bedeuten sollte. 30Der Engel sagte: „Hab keine Angst, Maria. G´TT ist dir gnädig. 31Du wirst schwanger sein und einen Sohn zur Welt bringen. JESUS soll er heißen. 32ER wird mächtig sein. Man wird Ihn G´TTes Sohn nennen. ….“ 34„Wie 35Der kann das geschehen?“, widersprach Maria. Ich bin mit keinem Mann zusammen gewesen.“ Engel: „Der Heilige Geist wird … die Höchste Macht … für G´TT ist nichts unmöglich. Sein Wort gilt. 38Maria antwortete: „Wenn es so ist – ich gehöre dem HERRN, stehe IHM ganz zu Verfügung. Da verließ sie der Engel. Ein seltsamer, widerspenstiger, großer Dialog zwischen dem G´TT-Engel und Maria: Im Spruch und Widerspruch, präziser Anrede und knapper Reaktion, Klärungsfrage und Antwortversuch begegnet uns eine 1 2 Namensbedeutung: „Der starke Mann“, „Die Potenz Gottes“ Übersetzung/Übertragung: Walter Jens, © 2003 Radius-Verlag Stuttgart; und Albert Kammermayer, Roma 2005 3. (VOR)WEIHNACHTLICHER BRIEF ______________________________________________________________________________________ -2DAMIT HAT KEINER GERECHNET: ZWEI GESPRÄCHE © PETER F. BOCK, KAIROS 2016 selbstbewusste, moderne Frau. JHWH, der HERR geht darauf ein; bis Maria endlich zustimmt. Da ist kein fragloses `JA-UND-AMEN´. Hat sie kapituliert angesichts des Basta-Arguments „Sein Wort gilt“? Marias letztes Wort klingt zuerst einmal nicht nach überschwänglicher Einwilligung. Warum ist Christen diese Szene so wichtig, dass sie wieder und wieder gemalt, vertont, erzählt wurde? Weil es vielleicht gar nicht um `damals´ und die historische Maria geht, sondern um `heute´ und uns? „G´TT ist nichts unmöglich“: Diesem knappen Satz geht es nicht um objektive`Wunder´, sondern um Dich und mich. Er meint eigentlich: Für G´TT bin ich, bist Du, ist keiner „unmöglich“, was auch immer wir getan oder vertan haben. Das ist das eigentliche, noch verhüllte Thema dieser Szene: Dieses ganz und gar nebensächliche, verwechselbare, unauffällige, … Mädchen Maria, das (sich noch) nichts geleistet hat, ist von Anfang an für G´TT ganz und gar gut. Für sie spricht kein eigenes Verdienst, und gegen sie auch keine generationenübergreifende „Erb-Schuld“, wie wir in unserem Theologendeutsch mühsam stammeln. Wenn es so ist, beginnt in diesem Mädchen Maria bereits – Auferstehung. Die Weihnachtsgeschichte birgt eine Osterahnung. Denn wenn „G´TT nichts unmöglich ist“, kann ER auch meine unmögliche Schuld heilen, und meinen „Scheisse in Gold verwandeln“, wie es Mystiker drastisch bekennen. Diese Anfangsgeschichte bewahrt auch eine reale, historisch greifbare, fast schon tragische Paar- und Familiengeschichte. So sorgsam ich den Text auch lese, finde ich kaum Spuren, wie Maria und Josef ihre Beziehungskatstrophe bewältigt haben. Wagten sie ein `Paargespräch´, eine `Familienkonferenz´, suchten sich einen Therapeuten oder Mediator? „Maria machte sich auf den Weg, um so schnell wie möglich Elisabeth zu besuchen … blieb etwa drei Monate bei Elisabeth und kehrte dann zurück“ (Lk 1,39.56). Was geht in diesen langen Monaten vor in Josef, ihrem Mann? Er bleibt allein in Nazareth, den Fragen, Blicken und dem Spott der `lieben Nachbarn´ ausgesetzt. Kein Gespräch; nur von einsamen, grübelnden Stunden weiß der Josef aus dem Schnitzaltar von Mauer bei Melk. Matthäus (1,18-24) berichtet dazu: „Noch vor der Ehe erwartete Maria ein Kind – durch Heiligen Geist. Joseph war ein rechtschaffener Mann, er wollte Maria nicht öffentlich anprangern; sah nur den Ausweg, die Verlobung in aller Stille aufzulösen. Während er darüber nachdachte, erschien ihm im Traum ein Engel: Joseph, …, heirate Maria! Denn …“ Maria hat geredet und nachgefragt, bis sie ein `Ja´ wagte. Josef schluckt die Verletzung, Enttäuschung, Wut, … in sich hinein. Nun brauchen sie wirklich einen `Mediator´ – ein treffender Name für `Engel´. Der aktiviert `im Traum´ die heilsam-versöhnende Kraft des Unbewussten. Karikaturhaft fast überzeichnet begegnen uns in Josef&Maria Beziehungsmuster, die man aus vielen Therapien kennt. Dass diese Lebensgeschichte zur `heiligen Familie´ reifte, ist eine gute Verheißung, denn „bei G´TT ist kein Ding unmöglich“. Die Gedanken und Bilder laden wieder ein zum Gespräch. Über Ihre Antwort freuen wir uns. Mut und Segen wünschen wir Dir/Ihnen für die dritte Adventwoche! SPIRITUELLE GEMEINSCHAFT KAIROS E. V., Friedrich-Dürr-Straße 2, D 85221 Dachau; Geistlicher Leiter: Peter F. Bock; Für Antworten und Stellungnahmen: Tel.: 08131/27 77 557; e-mail: [email protected]; Homepage: www.kairos-forum-bock.de; Bildnachweis: © Peter F. Bock 2015; KAIROS e. V. München. Bankverbindung: LIGA München, LIGA Bank eG München, BLZ 750 903 00, Spenden-Kto 10 21 70 930; IBAN: DE 47750903000102170930; BIC: GENODEF 1 M05. Für Spenden zur Finanzierung der Briefe und der Aussendungen danken wir. Spendenbestätigung geht Ihnen zu.
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