Delir-Prophylaxe und Behandlung (PDF Available)

Refresher Course Nr. 40
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
Mai 2014 · Leipzig
Delir-Prophylaxe und Behandlung
R. Tomasi · V. von Dossow-Hanfstingl
Zusammenfassung:
Das Delir ist eine akute hirnorganische Dysfunktion mit einer
vorübergehenden Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörung. In
den letzten Jahren konnten die pathophysiologischen Mechanismen, die eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung eines
Delirs spielen, zumindest teilweise beschrieben werden. Ein
Delir ist mit einem längeren intensivstationären Aufenthalt, mit
höheren Krankenhauskosten, mit einer höheren Sterblichkeit
sowie Langzeitstörungen der kognitiven Funktion assoziiert.
Das Delir tritt bei 80% aller beatmeten und bei 50% aller nichtbeatmeten Patienten auf und führt zu einer Verschlechterung
des Behandlungsergebnisses. Das bedeutet im Einzelnen eine
längere Beatmungsdauer, eine längere Krankenhausaufenthaltsdauer und eine erhöhte Sterblichkeit. Das Erkennen von
Risikofaktoren, die Prävention und der Beginn einer zeitnahen
symptomorientierten Therapie haben somit einen hohen Stellenwert. Präoperative Risikoprofile können in den klinischen
Alltag im Rahmen der präoperativen Visite inkludiert werden.
Eine pharmakologische Prophylaxe wird aufgrund fehlender
Langzeitergebnisse nicht generell empfohlen. Im Einzelfall
kann sie aber bei geriatrischen Patienten angewendet werden.
Dieses Manuskript soll einen Überblick über die aktuellsten
Strategien zur Prävention und Therapie des Delirs geben.
Einleitung
Das Delir ist nach der „Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders“ (DSM-IV) Klassifikation eine akute und fluktuierende Bewusstseinsstörung, die sich innerhalb von Stunden
und Tagen entwickelt und mit einer kognitiven Funktionsstörung
(Desorientiertheit, Sprach- und Gedächtnisstörung) einhergeht
(1). Die Prävalenz liegt zwischen 15 und 55% in Abhängigkeit
von den unterschiedlichen Patientenkollektiven (2). Im Rahmen
einer intensivmedizinischen Behandlung entwickeln bis zu
80% der beatmeten Patienten und 50% der nicht-beatmeten
Patienten ein Delir (3). Eine Vielzahl an älteren Patienten nach
großen chirurgischen Eingriffen, vor allem in der Herzchirurgie
(50%), oder Patienten mit traumatischer Hüftfraktur (65%),
entwickeln in den ersten postoperativen Tagen ein Delir (3,4).
Die klinische Relevanz liegt in einer signifikant längeren Beatmungsdauer, längerer intensivstationärer Aufenthaltsdauer und
einer 3-fach erhöhten Mortalität (4,5).
Es gibt verschiedene Formen des Delirs: Man unterscheidet
zwischen dem hyperaktiven Delir (psychomotorische Hyper-
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aktivität), dem hypoaktiven Delir (psychomotorische Retardiertheit) sowie dem Mischtyp. Gerade das hypoaktive Delir wird
häufig nicht detektiert. In ca. 75% der Fälle bleibt das Delir
unentdeckt, da valide Scores nicht eingesetzt werden (6).
Ältere Patienten oder Patienten mit einer Demenz und erhöhtem Schweregrad einer Erkrankung oder einer traumatischen
Hüftfraktur haben ein höheres Risiko, ein Delir zu entwickeln.
Die Prävalenz für ein Delir bei nicht-chirurgischen Patienten
liegt bei 20-30% und bei chirurgischen Patienten bei 10-50%
(7,8).
Diese Übersichtsarbeit beschreibt Strategien der Prävention, der
Identifikation und Diagnose sowie der Therapie. Der Fokus liegt
auf der Prävention im Sinne von Erkennen von Risikofaktoren
und der multifaktoriellen nicht-pharmakologischen Prävention.
Risikofaktoren
Das Erkennen von Risikofaktoren für die Entwicklung eines
Delirs ist essentiell für die Prävention und Therapie. Alter und
Schweregrad der Erkrankung gelten als die häufigsten Risikofaktoren für das Delir (5). Das „National Institute for Health and
Clinical Excellence“ (NICE) hat eine entsprechende Risikoabschätzung mithilfe klinischer Variablen festgelegt (7, 8):
•
•
•
•
Alter > 65 Jahre
Traumatische Hüftfraktur
Kognitive Funktionsstörung (Demenz, Depression)
Schweregrad der Erkrankungen
Die klinischen Variablen der NICE-Guidelines sind nicht
beeinflussbare Risikofaktoren. Von diesen sind beeinflussbare
Risikofaktoren (iatrogene Faktoren und Umgebungsfaktoren)
abzugrenzen:
•
•
•
•
•
•
Psychoaktive Medikamente
Polypharmazie
Isolation, fehlender Besuch
Schlafentzug, Mangel an Tageslicht
Transfer zu einer anderen Station
Fixierung
Die Polypharmazie hat einen besonderen Stellenwert. Eine
Vielzahl an Medikamenten erhöht das Risiko für die Entwicklung eines Delirs:
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• Zentral anticholinerge Substanzen: Atropin, Benzodiazepine, Parkinsonmedikamente, Antiarrhythmika,
• Kardiovaskulär wirksame Pharmaka: ß-Blocker, Digitoxin,
Diuretika
• Antiinflammatorisch wirksame Pharmaka: Kortikoide,
nicht-steroidale Antirheumatika
• Gastrointestinale Pharmaka: Metoclopramid, H2-Blocker
• Antibiotika: Cephalosporine, Gyrasehemmer, Amino­glykoside
Interventionen zur nichtpharmakologischen
und pharmakologischen Prävention
Nicht-pharmakologische Primärprävention
Die nicht-pharmakologische Prävention inkludiert vor allem
Reorientierung, kognitive Stimulation, Verbesserung der Kommunikation (Brille, Hörgerät), frühe Mobilisation, Vermeidung
von Schlafentzug sowie die Minimierung psychoaktiver Medikamente (2). Hilfreich kann auch ein Flyer mit entsprechender
Information und Aufklärung für die Patienten bzw. deren
Angehörige sein. Der Flyer kann bei Risikopatienten bereits
präoperativ eingesetzt werden. Durch dieses Hilfsmittel ist
sichergestellt, dass keine relevanten Informationen vergessen
werden (9). Patienten auf Intensivstationen sind häufig nicht
vollständig aufnahmefähig, so dass die Möglichkeit, zu einem
späteren Zeitpunkt Informationen nachlesen zu können, sinnvoll ist. Zudem können auch die Angehörigen während der
akuten Phase des Delirs von diesem Flyer profitieren.
MERKE: Nach den NICE-Guidelines sollten folgende Punkte bei Aufnahme eines Patienten berücksichtigt werden
(7,8):
Es sollte darauf geachtet werden, dass Risikopatienten von
einem erfahrenen und auf Delir spezialisierten Team behandelt
werden. Der Transfer von Station zu Station sollte unbedingt
vermieden werden.
Bei Aufnahme eines Patienten sollte in den ersten 24 Stunden
auf folgendes geachtet werden:
• Kognitive Stimulation (Kalender und Uhr in Sichtweite
des Patienten, Besuch durch Familie)
• Vermeiden einer Dehydratation: Sicherstellen
einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme, ggf. i.v.
Flüssigkeitssubstitution
• Ausschluss einer Infektion
• Frühzeitige Mobilisation
• Adäquate Schmerztherapie
• Polypharmazie vermeiden
• Tag/Nachtrhythmus aufrecht erhalten
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Für die nichtpharmakologische Delirprävention liegen allerdings bislang keine evidenz-basierten Studien im Hinblick auf
das Langzeitbehandlungsergebnis vor. Mittlerweile gibt es an
der Berliner Charité in Zusammenarbeit mit Architekten ein
Konzept der Raumgestaltung auf der Intensivstation, um den
Einfluss von störenden Umgebungsfaktoren (Beatmungsmaschinen, Dialysegeräte, fehlendes Tageslicht und Lärmbelästigung)
möglichst gering zu halten (10). Allerdings sind prospektive
Studien erforderlich, um das neue Raum- und Lichtkonzept und
dessen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Patienten zu
überprüfen.
Pharmakologische Delirprävention
Auf der Basis der verschiedenen Pathomechanismen bei der
Entwicklung eines Delirs steht vor allem die Dysregulation der
Neurotransmitter Acetylcholin und Dopamin im Vordergrund.
Die perioperative Gabe antipsychotischer Substanzen kann
theoretisch die dopaminerge und serotonerge Dysregulation
verhindern und somit die Delirrate sowie die Ausprägung eines
Delirs verringern (11). Einige randomisierte klinische Studien
konnten zeigen, dass die orale Gabe von Haloperidol, Risperidone oder Olanzepine den Schweregrad des Delirs vermindern
können (12). Die prophylaktische Gabe von 0,5 mg Haloperidol
intravenös mit anschließender kontinuierlicher Applikation von
0,1 mg/h für 12 Stunden führte bei älteren Patienten mit einem
nicht-herzchirurgischen Eingriff zu einer signifikant geringeren
Delirrate (13). Im Gegensatz dazu konnten Vochteloo et al.
(14) nach Implementierung eines medikamentösen Schemas
(2 x 0,5 mg Haloperidol/Tag) keine Verringerung der Delirrate
feststellen.
Die Applikation von Cholinesteraseinhibitoren (Physostigmin)
unter Annahme eines zentral cholinergen Defizits führte ebenfalls zu keiner Reduktion der Delirrate (12).
Delirpatienten haben einen gestörten Tag/Nachtrhythmus. Das
pineale Hormon Melatonin spielt eine zentrale Rolle bei der
Regulation und Aufrechterhaltung eines regelmäßigen Tag/
Nachtrhythmus (11, 15). Veränderungen des Melatonin Metabolismus können das Risiko für die Entwicklung eines Delirs
erhöhen. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die
Gabe von 0,5 mg Melatonin für insgesamt 14 Tage zu einer
verringerten Delirrate führte (16, 17).
Merke: Eine medikamentöse perioperative Delirprophylaxe kann bei geriatrischen Patienten mit niedrig-dosiert
Haloperidol (3 x 0,5 mg p.o.) nach der aktuellen deutschen
S3-Leitlinie für Analgesie, Sedierung und Delirmanagement durchgeführt werden (18).
Diagnose
Das Delir ist ein unabhängiger Prädiktor für eine verlängerte
Krankenhausverweildauer, die Entwicklung einer kognitiven
Dysfunktion und eine erhöhte Sterblichkeit kritisch kranker
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Patienten auf der Intensivstation (6). Validierte Scores zur frühzeitigen Erkennung eines Delirs haben einen direkten Effekt auf
das Ergebnis der Patientenbehandlung und sind international in
Leitlinien integriert (18, 19). Die regelmäßige Überprüfung des
Analgesie- und Sedierungsgrades sowie des Delirs führt zu einer
signifikant kürzeren Beatmungsdauer, kürzeren Intensivaufenthaltsdauer sowie zu einer Reduktion der Sterblichkeit (20, 21).
Der wichtigste Schritt zur Delirerkennung ist der Einsatz valider
Messinstrumente (12).
• Reliable und valide Delirscores sollen als Screeninginstrumente gezielt eingesetzt werden.
• Das Ergebnis soll alle 8 Stunden dokumentiert werden.
Der „Confusion Assessment Method“ (CAM)-ICU ist ein valider
und reliabler Score für die Detektion eines Delirs, der sich im
Vergleich zu anderen Scores am meisten durchgesetzt hat (22,
23, 24). Er hat die höchste Sensitivität und Spezifität, um ein
Delir auf der Intensivstation zu detektieren (23). Der CAM-ICU
setzt sich aus 4 Merkmalen zusammen:
•
•
•
•
akuter Beginn oder schwankender Verlauf (1)
Aufmerksamkeitsstörung (2) – „ANANASBAUM“
Bewusstseinsstörung (3)
unorganisiertes Denken (4)
Auch die „Nursing Delirium Screening Scale“ (Nu-DESC) ist
als Fremdbeurteilungsskala sowohl für den Aufwachraum als
auch die Intensivstation validiert und zeigt ebenfalls eine gute
Reliabilität (25). Sie muss nicht geschult werden und ist einfach
anwendbar. Sie setzt sich aus 5 Symptomqualitäten zusammen,
die entsprechend bewertet (0-2 Punkte) werden können:
Desorientierung, unangemessenes Verhalten, unangemessene
Kommunikation, Illusion/Halluzination und psychomotorische
Retardierung.
MERKE: Es spielt keine entscheidende Rolle, welches Scoringsystem als Screening für ein Delir benutzt wird, sondern dass es konsequent regelmäßig und gezielt eingesetzt
wird.
Pharmakologische Therapie:
Ein verzögerter Beginn einer pharmakologischen Therapie des
Delirs ist mit einer Verschlechterung des Behandlungsergebnisses und erhöhter Sterblichkeit assoziiert sein (26, 27). Daher
sollte bei Diagnosestellung eine sofortige symptomorientierte
Therapie begonnen werden.
Die Gabe antipsychotischer Substanzen (Haloperidol, Risperidon) kann die Inzidenz des Delirs nicht reduzieren, aber den
Schweregrad und die Dauer (27). Verschiedene internationale
Leitlinien empfehlen die Gabe von Neuroleptika als „first-line“
Therapie (18, 19, 28, 29). Haloperidol wird als ErstgenerationsNeuroleptikum empfohlen, entweder als orale oder intravenöse
Gabe. Alternativ können aber auch Zweitgenerations-Neuro-
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leptika eingesetzt werden: Olanzepine, Risperidon, Quetiapine
und Ziprasidone. Es muss jedoch betont werden, dass eine Metaanalyse von Flaherty et al. (30) aus den Jahren von 1980-2010
eine ausreichende Evidenz für eine signifikante Verkürzung der
Delirdauer oder eine Reduktion des Schweregrades durch die
Gabe von antipsychiotischen Substanzen nicht belegen konnte.
Die medikamentöse Therapie mit Quetiapine (50-200 mg
alle 12 Stunden) war erstmalig mit einer signifikant kürzeren
Delirdauer assoziiert (31). Die Patienten der Quetiapingruppe
konnten häufiger nach Hause oder in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen werden, allerdings konnte kein Unterschied
in der Intensivstationsaufenthaltsdauer oder der Sterblichkeit
nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu konnte in einer weiteren klinischen Studie kein Vorteil von Quetiapin nachgewiesen werden (32). Auch der frühzeitige Einsatz von Risperidon
(0,5 mg p.o. 2 x tgl.) bei älteren herzchirurgischen Patienten
war mit einer signifikant geringeren Delirinzidenz bei gleicher
Letalität im Vergleich zur Placebogruppe assoziiert (33). Eine
multizentrisch angelegte, randomisierte, klinische Studie mit
dem Cholinesteraseinhibitor Rivastigmin (2 x 6 mg tgl.) musste
nach 104 Patienten aufgrund einer erhöhten Letalität in der
Verumgruppe vorzeitig beendet werden (34).
Zusammenfassend gibt es bislang unzureichende Evidenz
für die Effizienz und Sicherheit einer pharmakologischen
Therapie des Delirs in der postoperativen Phase und auf
der Intensivstation. Die meisten Studien haben ein unterschiedliches Studiendesign und sind somit schwer
vergleich­bar. Generell kann empfohlen werden, eine pharmakologische Therapie zu beginnen, wenn nicht-pharmakologische Maßnahmen nicht mehr greifen. Eine pharmakologische Therapie sollte vor allem dann angewendet
werden, wenn Patienten sich selbst oder andere gefährden
oder wenn diagnostische Interventionen notwendig sind,
um eine Differentialdiagnose des Delirs auszuschließen
(z.B. Infektion, ZNS-Erkrankungen etc.). Antipsychotische
Substanzen sollten daher nur kurzfristig und symptomorientiert (Halluzinationen, Unruhe, Agitation, vegetative
Symptomatik) zum Einsatz kommen (11).
Besonderheiten der medikamentösen
symptomorientierte Therapie:
Halluzinationen: Bei allen Neuroleptika ist Vorsicht geboten,
vor allem in Zusammenhang mit Herzerkrankungen oder
Herzrhythmusstörungen (Torsade-de-Pointes-Tachykardien, QTVerlängerungen). Bei der i.v. Applikation von Haloperidol sollte
ein EKG Monitoring erfolgen. Die Applikation von weniger als
2 mg i.v. Haloperidol gilt als sicher (35).
Agitation/Unruhe: Hier sollten die Benzodiazepine nur beim
Entzugsdelir zum Einsatz kommen. Für das Nicht-Entzugsdelir
gibt es keine Evidenz (36). Allerdings haben auch Benzodiazepine eine prodelirogene Wirkung, so dass bei der Primärtherapie
eines Delirs die Indikation streng gestellt werden sollte (37, 38).
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Vegetative Symptomatik: Die alpha2-Agonisten Clonidin und
Dexmedetomidin können eingesetzt werden. Bradykardien und
Hypotensionen können bei beiden Substanzen auftreten. Die
Gabe von Dexmedetomidin im Rahmen einer kontinuierlichen
Sedierung auf der Intensivstation ist im Vergleich zu einer Sedierung mit Benzodiazepinen mit einem geringeren Risiko für
die Entwicklung eines Delirs und einer verkürzten Delirdauer
assoziiert (39, 40). Bislang gibt es aufgrund der zu geringen Anzahl kontrollierter Studien für beide Substanzen keine Evidenz
für ein verbessertes Behandlungsergebnis.
Delirmanagement in der Intensivmedizin:
Integration in ABCDE-Bündel
Für einzelne Behandlungsstrategien konnten in den vergangenen Jahren bei kritisch kranken Patienten eine Verringerung der
Sterblichkeit nachgewiesen werden (41, 42). Das Überleben
kritisch kranker Patienten nimmt trotz gleichzeitiger Zunahme
der Komorbiditäten in den letzten Jahren kontinuierlich zu
(42). Der Einsatz von Scores zur Detektion eines Delirs ist in
das von Morandi und Ely (43) propagierte „ABCDE“-Bündel
aufgenommen worden mit dem Ziel, das Behandlungsergebnis
zu verbessern und die Sterblichkeit zu senken.
A („Awakening“)
Sedierungspausen/Aufwachversuche
B(„Breathing“)
Beatmungsprotokolle:
Spontanatmungsversuche/
Extubationsversuche
C (“choice of sedatives and
analgetics“)
Wahl des Sedativums /
Analgetikums
D („ daily delirium monitoring“)
Tägliches Delirmonitoring
E („ early exercise“)
Frühzeitige Mobilisation
Das Monitoring von Analgesie, Sedierung und Delir ist aktuell
einer der zehn empfohlenen Qualitätsindikatoren für die Intensivmedizin (44). Das Vorhandensein von validierten und reliablen Scores für das Monitoring des Delirs in deutscher Sprache
gibt dem Team (Ärzteschaft und Pflegekräfte) nun die Möglichkeit, die „gleiche“ Sprache zu sprechen und gemeinsam Ziele
zu definieren (45). Dies führt zu mehr Patientenkomfort, dient
aber auch der Patientensicherheit und dem Behandlungserfolg.
Kernpunkte
Das Delir ist eine akute hirnorganische Dysfunktion, die nicht
detektiert und unbehandelt mit potentiell schweren Langzeitfolgen assoziiert sein kann.
Klinische Faktoren können bereits präoperativ Hochrisikopatienten für die Entwicklung eines Delirs identifizieren. Multimodale Präventionsstrategien können das Behandlungsergebnis
signifikant verbessern.
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Reliable und validierte Delirscores sollen als Screeninginstrumente gezielt eingesetzt werden. Das Ergebnis soll alle 8
Stunden dokumentiert werden.
Bei Auftreten eines Delirs sollte zeitnah eine symptomorientierte Therapie eingeleitet werden, da diese wesentlich zu einer
Verbesserung des Behandlungsergebnis beitragen kann. Diese
sollte täglich überprüft werden und entsprechend bei Abklingen der Symptome ausgeschlichen und abgesetzt werden. Ein
Monitoring der Nebenwirkungen einer pharmakologischen
Therapie ist unabdingbare Voraussetzung.
Zusammenfassung
Das Delir ist eine häufige Komplikation bei Intensivpatienten
und nach großen chirurgischen Eingriffen, das nicht detektiert
und unbehandelt mit potentiell schweren Kurzzeit- und Langzeitkomplikationen assoziiert sein kann. In den letzten Jahren
konnten einige prädisponierende Faktoren identifiziert werden,
die mit einem erhöhten Risiko für ein Delir einhergehen. Präventionsprogramme sind effektiv und auch als Teil der deutschen
S3-Leitlinie für Analgesie, Sedierungs- und Delirmanagement
beschrieben und sollten in die klinische Routine inkludiert
werden. Einfache und validierte Messinstrumente sind auch
in deutscher Sprache vorhanden und können bettseitig routinemäßig angewendet werden. Das regelmäßiges Screening der
Patienten in den ersten postoperativen Tagen mittels geeigneter
Scores ist unabdingbar und eine der wichtigsten Strategien, ein
Delir rechtzeitig zu erkennen und symptomorientierte Therapie
zu beginnen. Sie helfen vor allem, das Behandlungsergebnis der
Patienten zu verbessern. Dennoch müssen die entsprechenden
Risikoprofile und auch die pharmakologische Delirprävention
im Hinblick auf Evidenz noch genauer evaluiert werden.
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Muhl; C. Putensen; M. Quintel; GW Sybrecht; Medizinisch
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, 2014; Kap. S1:
363-371.
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Delir-Prophylaxe und Behandlung · R. Tomasi · V. von Dossow-Hanfstingl