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Foto: DBT/Inga Haar
»Zurück zur fossilen Außenpolitik«
Im Wortlaut von Stefan Liebich, Deutschlandfunk, 14. Dezember 2016
Die Nominierung von Exxon-Chef Rex Tillerson als US-Außenminister ist für Stefan
Liebich, Bundestagsabgeordneter der Linken, keine gute Nachricht. "Da soll jemand
Außenminister werden, der gar keine politische Erfahrung hat ", sagte er im DLF. Wie
schon bei den anderen Geschäftsleuten im Kabinett Trump, stehe auch hier die Frage des
Interessenskonfliktes im Raum.
Sarah Zerback: Nun sitzt also ein Immobilienmogul im Weißen Haus, ein Ölmanager mit besten
Kontakten nach Russland im Außenministerium. Was heißt das für die künftige US-Außenpolitik und
auch für das Verhältnis zur EU, zu Berlin? Darüber habe ich vor der Sendung gesprochen mit Stefan
Liebich. Der Bundestagsabgeordnete sitzt für Die Linke im Auswärtigen Ausschuss und er ist
Mitglied in der Atlantikbrücke. Mit einem weiteren politischen Newcomer in Washington auf einem
so wichtigen Posten, kann das gut gehen?
Stefan Liebich: Sie haben es selber schon gesagt. Da ist jemand Außenminister oder soll jemand
Außenminister werden, der gar keine politische Erfahrung hat, der Chef eines Ölkonzerns ist. Da
macht man sich natürlich Gedanken, ob künftig die Leitlinie der US-amerikanischen Außenpolitik
sein wird, wo man Öl und Gas findet, also zurück zur fossilen Außenpolitik. Ich finde, das ist alles
gar keine gute Nachricht.
Zerback: Jetzt hat Tillerson, Sie haben es angesprochen, als Ölmanager ja auch einen direkten
Draht in den Kreml. Das ist eins der wenigen Dinge, die wir über ihn wissen. Nachdem es in den
vergangenen 70 Jahren ja quasi zur DNA der US-Außenpolitik gehört hat, das Verhältnis zu Russland
einzudämmen, erwarten Sie da nun eine radikale Wende?
Liebich: Ehrlich gesagt bin ich da sehr skeptisch. Er kann ja nicht alleine Außenpolitik machen. Die
Republikaner im US-Kongress sind in den letzten Jahren nicht dadurch aufgefallen, dass sie eine
entspanntere Politik zu Russland versucht haben, und es würde mich sehr wundern, wenn er das
völlig umdrehen kann. Ich sage Ihnen aber auch: Bei aller Kritik, und mir ist Putin genauso fern wie
Trump und ihr Agieren in verschiedenen Themenbereichen finde ich absurd, aber es wäre für die
Welt schon richtig und sinnvoll, wenn die USA und Russland wieder zu einem entspannteren
Verhältnis miteinander finden würden. Und wenn er dafür einen Beitrag leisten könnte, das wäre
schon gut.
Zerback: Gleichzeitig könnte es ja in Bezug auf Russland auch mögliche Interessenskonflikte geben
mit einem Außenminister Tillerson. Er hat ja als Exxon-Chef zum Beispiel gegen Sanktionen sich
ausgesprochen. Als Außenminister, da könnte er die nun tatsächlich aufweichen. Könnte das nicht
zum Problem werden, dieser Interessenskonflikt?
Liebich: Ja, das finde ich insgesamt bei diesem Kabinett ein schwieriges Thema. Trump selbst
macht ja überall Geschäfte, in Bereichen, in denen er künftig Politik macht, und auch viele andere
Minister, die er vorgeschlagen hat, zum Beispiel diverse Goldman Sachs Manager, obwohl er so sehr
gegen Goldman Sachs im Wahlkampf gewettert hat, werden eigene wirtschaftliche Interessen
haben. Da sind alte Kumpels, die ihn gerettet haben, finanziell vor seinen diversen Pleiten. Wenn
man so Politik macht mit so einem Kabinett von Milliardären, die miteinander geschäftlich verwoben
sind, dann kann man die Frage nach Interessenskonflikten aufwerfen und da wird man sehr, sehr
aufmerksam sein müssen.
Zerback: Wie lässt sich das denn auflösen? Kann sowohl Trump als auch Tillerson, können die was
machen, um da dieses Vertrauen jetzt nicht schon im Vorfeld zu verspielen?
Liebich: Trump hat ja schon alles dafür getan, das geringe Vertrauen, was man ihm
entgegengebracht hat, zu verspielen. Wie er völlig ohne Not einen Konflikt mit China vom Zaun
gebrochen hat, der wirklich gefährlich ist, da reibt man sich schon verwundert die Augen. Und
selbst wenn man jetzt, wie das ja Trump gemacht hat und wie das Herr Tillerson sicherlich auch tun
könnte, wenn man jetzt sagt, ich ziehe mich aus meinen geschäftlichen Interessen zurück, dann wird
es ja nicht so sein, dass diese Leute dann ihre Millionen oder Milliarden, die sie auf ihren Konten
haben, verschenken, sondern dann werden die woanders geparkt, bei der Familie oder bei
Freunden, und damit sind die geschäftlichen Interessen ja nicht weg. Ich kann mir nicht vorstellen,
wie man diese Konflikte auflösen will. Das ist schon ein sehr, sehr schwieriges Kabinett, was sich
Herr Trump da zusammengesucht hat.
Zerback: Jetzt haben Sie gerade China angesprochen. Das ist eine der großen außenpolitischen
Fragen unserer Zeit, die auch die USA beantworten müssen. Wie ist das Verhältnis zu China, im
Syrien-Krieg, Nahost, Ukraine-Konflikt, internationaler Terrorismus? - Jetzt wissen wir bislang ja
noch nicht viel über den Politiker
Tillerson, der ja bisher noch keiner ist. Wie wird er denn wohl zu diesen großen Fragen sich
positionieren, was glauben Sie?
Liebich: Ehrlich gesagt geht es mir da ganz genauso wie Ihnen. Als ich den Namen gehört habe, da
wusste ich zwar, dass er ein wichtiger Unternehmer ist, aber trotz intensiver Recherche auch in
Vorbereitung für unser Gespräch jetzt ist es mir nicht gelungen, von ihm außenpolitische Positionen
ausfindig zu machen. Da haben wir das gleiche Problem wie mit Donald Trump auch. Wir haben ja
im Wahlkampf schon die Situation gehabt, dass man nicht wusste, was ist eigentlich sein politisches
Interesse, was hat er mit der Welt vor, und da sagt er völlig widersprüchliche Dinge. Da gibt es zwei
Strategien drauf zu reagieren. In der Politik in Berlin treffe ich häufig auf die Strategie, die sagt, das
wird schon alles nicht so schlimm, der wird eingehegt. Das wird man sicherlich jetzt zum
Außenminister auch sagen. Da wird es Berater geben und der kann ja auch nicht alleine agieren. Es
gibt ja auch den Kongress und Checks and Balances. Ich finde das schwierig. Wir haben dort
jemanden, der US-Präsident ist, der ein Lügner ist, der ein Rassist ist, der ein Sexist ist, und ich
glaube, es ist keine richtige Strategie, jetzt tiefzustapeln. Sondern ich finde, hier müssen wir als
deutsche Politik unsere Anforderungen klar formulieren und sagen, was wir erwarten, und nicht
warten, bis die USA entscheiden, und dann hinterherlaufen, was auch immer sie tun.
Zerback: Was wäre das denn, was erwarten Sie?
Liebich: Es gibt zum Beispiel in den letzten Jahren bei Obama einen Trend hin, dass man sich
wieder mehr international abstimmt. Im Verhältnis zu George W. Bush war er ja jemand, der gesagt
hat, wir bezahlen wieder unsere Beiträge in der UNO, wir haben ein Interesse an Gesprächen
beispielsweise zum Klimawandel und wir wissen, hier hat man als USA alleine kaum was zu
bestellen, wenn man sich mit der Welt nicht verständigt. Das was Trump bisher signalisiert hat, ist
ja dieses Amerika zuerst. Ich glaube, das wird gar nicht mehr funktionieren. So eine Welt gibt es
nicht mehr, in der selbst eine so große Macht wie die USA alleine agieren können. Was ich mir
wünsche, ich kann ja nicht sagen, dass ich das erwarte, weil ich eher skeptisch bin, aber was ich mir
wünsche ist, dass die USA verstehen, dass sie alleine gar nichts entscheiden können, sondern dass
man in dieser Welt gemeinsam agieren muss.
Zerback: Bisher ist ja tatsächlich auch noch nichts entschieden. Ob es Tillerson in die Regierung
schafft, das muss ja der Senat entscheiden bei solchen wichtigen Schlüsselposten. Und auch da ist
man sich ja in der eigenen Partei schon unter den Republikanern nicht einig. Wird das die Partei, die
Republikaner Trumps noch weiter spalten, was glauben Sie?
Liebich: Ja ich bin da sehr gespannt. Ich habe es vorhin ja bereits angedeutet. Ich habe die
Republikaner in den USA in den letzten Jahren eher als die Kraft erlebt, die in Fragen des Umgehens
mit Russland eher eskaliert haben. Am Beginn des Konflikts zwischen Russland und Ukraine, und ich
finde das Vorgehen Russlands, das will ich an der Stelle noch mal sagen, falsch und
völkerrechtswidrig, aber die Vertreter der Republikaner haben ja darauf gesetzt, dass man die
Ukraine aufrüstet, dass man dort mit harter Kante gegen Russland vorgeht, und es war eher Obama,
der zum Unwillen der Republikaner gesagt hat, nein, hier sollen die Europäer versuchen, eine
Verhandlungslösung zu finden, was ja mit Minsk mehr schlecht als recht auch gelungen ist. Wie man
mit diesen Republikanern jetzt einen Weg finden will, wo alle annehmen, der neue Außenminister
wird da einen anderen Weg suchen, das ist mir sehr, sehr schleierhaft. Ich glaube, da werden noch
ordentlich die Fetzen fliegen.
Zerback: Was ist denn Ihre Prognose? Wie wird sich das transatlantische Verhältnis unter Tillerson
verändern, zur EU, zu Berlin?
Liebich: Ich glaube, dass wir mit einem Präsidenten Trump - und den muss ich jetzt erst mal als
Dreh- und Angelpunkt nehmen - ohnehin, und das war aus meiner Sicht schon länger überfällig, zu
einer Situation kommen, wo wir in Deutschland und in der Europäischen Union eine eigenständigere
Politik machen müssen. Ich glaube, es funktioniert nicht mehr so, dass die USA nach vorne
marschieren und wir hinterhergehen. Es wird Dinge geben, wo Deutschland und die USA gleiche
Interessen verfolgen, aber es wird Dinge geben, wo wir einander auch widersprechen. Wenn man
einen Präsidenten hat, der sagt, ich leugne den Klimawandel, oder einen Außenminister, der sagt,
ich leugne das zwar nicht, aber ich habe das Interesse, eher die fossilen Energien zu fördern, und
wir als Bundesrepublik Deutschland da einen anderen Weg gehen, dann müssen wir das so klar
formulieren und uns dann auf internationalen Konferenzen auch auseinandersetzen. Da bringt es
nichts, auf alte Freundschaften zu setzen, sondern dann muss man sagen, was sind unsere
gegenwärtigen Interessen, und dadurch wird das transatlantische Verhältnis anders, ich würde
sagen erwachsener. Da kann man dann auch mal nein sagen.
Zerback: … sagt Stefan Liebich. Er ist Bundestagsabgeordneter für Die Linke und ist Mitglied auch
in der Atlantikbrücke. Besten Dank für das Gespräch.
Liebich: Sehr gerne!
Deutschlandfunk, 13. Dezember 2016
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