Der Kampf gegen «Fake News

Ausgabe 2, Dezember 2016
Medien
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Zensur
Die Mainstream-Medien behaupten,
Trumps Wahlsieg könne auf Falschmeldungen im Internet zurückgeführt
werden. «Fake News», die sich über die
sozialen Netzwerke verbreiten, hätten
die Wähler negativ beeinflusst.
Die Massenmedien werfen den alternativen Internet-Medien vor, Informationen zu verfälschen, doch üben
keinerlei Selbstkritik an ihren eigenen
journalistischen Pannen.
Der Kampf gegen die Fake News ist ein
Versuch der etablierten Medien, die
alternative Konkurrenz im Internet zu
verunglimpfen.
Der Kampf gegen
«Fake News» zur
Einschränkung der Meinungsfreiheit
Der Bericht der «SonntagsZeitung»
über die angeblichen Falschmeldungen
der alternativen Medien war voller unbelegter Behauptungen und deshalb ein
Paradebeispiel für «Fake News».
US-Präsident Obama, politische Entscheidungsträger und die Massenmedien sagen aktuell sogenannten «Fake News» den Kampf an, weil
Falschmeldungen auf Blogs und Internetseiten die breite Bevölkerung in
die Irre führen würden.
E
s wird behauptet, die im Internet
kursierenden Falschmeldungen, hätten einen entscheidenden Einfluss
auf Donald Trumps Wahlerfolg gehabt. Fake-News, die Hillary falsch
darstellten, hätten sich im Internet verbreitet
und ihrem Image geschadet. Wähler hätten sich
deshalb kurz vor der Wahl noch umentschieden
und Trump gewählt. Die von den Medien stets
als besonnen und vernünftig dargestellte Hillary
Clinton, habe deshalb gegen den vermeintlich
demokratiefeindlichen und egoistischen Trump
verloren. Um solch eine «Katastrophe» in Zukunft zu vermeiden, gelte es, das Internet zu
kontrollieren und News, die nicht der Wahrheit
entsprechen, zu zensieren.
Um Medien-Konsumenten, die sich nicht alternativ im Internet informieren, von der Gefahr
der Fake-News zu überzeugen, werden für diese
Medienkampagne selektiv Negativ-Beispiele aus
dem Internet ausgewählt: Jeder hat die Möglichkeit im Internet eine Webseite, einen Blog, eine
Facebook-Seite oder einen Youtube-Channel
ins Leben zu rufen. Da die Bevölkerung zu einem geringen Anteil aus wahnsinnigen Spinnern besteht, wird man demzufolge auch im
Internet Blogs, Videos und Webseiten von wahnsinnigen Spinnern finden. Da das Internet also
auch Verrückten die Möglichkeit gibt, ihre Meinung zu verbreiten, wird es für Redakteure zum
Kinderspiel, eine echte Falschmeldung eines
kaum beachteten Blogs zu finden und sie dem
Zuschauer als repräsentativ für das Meinungsklima im Internet zu präsentieren. Dieser Blogeintrag etc. wird dann als endgültiger Beweis
dafür herangezogen, dass Falschmeldungen das
World Wide Web dominieren.
Beim Angriff auf etablierte Nachrichten-Webseiten, die nicht dem Narrativ des
Mainstreams folgen, wird ebenfalls zur Negativ-Selektion gegriffen: Da Online-Artikel
nicht verschwinden, durchforsten die Mainstream-Medien mittelmässig bis gut besuchte
alternative Webseiten nach Fehlern, um diese
daraufhin zu attackieren. Dass Fehler menschlich sind und auch im Mainstream-Journalismus vorkommen, wird dabei nicht berücksichtigt. Auch der Umstand, dass die Betreiber der
Online-Blogs und Webseiten nicht von Zwangsgebühren oder Werbung finanziert werden, sie
deshalb meistens kaum Geld mit ihrer Arbeit
verdienen, diese Arbeit mehr aus Idealismus
ausführen und im Gegensatz zur Mainstream-Presse nicht die Möglichkeit haben, Mitarbeiter zur Überprüfung der Informationen
einzustellen, wird ignoriert. So macht man sich
gezielt auf die Suche nach Fehlern der alternativen Internetpresse, reibt diese den eigenen
Zuschauern unter die Nase, während man gefliessentlich eigene Fehler ausblendet, die einem selbst schon unterlaufen sind.
Wie verhielt es sich damals mit der Rede von
Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat 2003, in
der der damalige US-Aussenminister behauptete, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen? Wurden Powells Aussagen damals
nicht kritiklos als Wahrheit von den Massenme-
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Medien
Angela Merkel kündigt Zensur der Internets an
Angela Merkel forderte den Bundestag am 23.11.2016 zu einer strengeren
Kontrolle des Internets auf:
«Wir haben Regelungen für alles, was Pressefreiheit ausmacht, die Sorgfaltspflicht der
Journalisten und vieles andere mehr. Und wir
haben heute viele, die Medien wahrnehmen,
die auf ganz anderen Grundlagen basieren.
Die weniger kontrolliert sind. Und ich will
darin nicht die einzige Ursache sehen, aber
ich will nur darauf aufmerksam machen, dass
Meinungsbildung heute grundsätzlich anders
erfolgt, als das vor 25 Jahren erfolgt ist. Dass
Seite 15
dien akzeptiert und der daraus resultierende
zweite Irak-Krieg als rationale Entscheidung
verkauft? Kam es nach diesem journalistischen
Debakel zu Massenentlassungen und einer Welle
der Selbstkritik in den Medien? Nein, keine Spur
von Reue! Auch die vollkommene Fehleinschätzung des Meinungsbildes vor der US-Wahl führte zu keinerlei Selbstzweifel. Man verkaufte dem
Publikum über Monate, Hillary läge meilenweit
vor Trump in Führung. Kaum eine dem Publikum präsentierte Umfrage wollte Trump eine
Chance im Präsidentschaftsrennen eingestehen. Nach Trumps Wahlsieg brach das Gebäude
der Desinformation zusammen, doch Konsequenzen wurden daraus keine gezogen.
Die Kontrolle des Internets
Aufgrund der «Fake-News» raten die Behörden und die ihnen hörigen Medien zu einer
«Kontrolle» des Nachrichtenflusses im Internet. Welche Geringschätzung der breiten Bevölkerung hinter solch einer Forderung steht,
ist kaum in Worte zu fassen. Auf einem freien
Markt der Meinungen sollte es dem Konsumenten selbst überlassen bleiben, welchen Quellen
er vertraut oder misstraut. Soll künftig eine
Wahrheitskommission darüber entscheiden,
was wahr und was unwahr ist? So wie es George Orwell in seinem Buch 1984 vorausgesagt
hat? Hält man die Menschen inzwischen für so
dumm, dass man glaubt, sie seien nicht mehr in
der Lage, ihren eigenen Kopf zu benutzen und
richtig von falsch zu unterscheiden?
Durch wegbrechende Abo-Zahle wissen die
heute Fake-Seiten, Bots, Trolle, Meinungsbilder verfälschen können. Dass heute sich selbst
regenerierende Meinungsverstärkungen durch
bestimmte Algorithmen stattfinden. Und wir
müssen lernen, uns damit auseinanderzusetzen und ich glaube, dies könnte auch eine
spannende Frage für dieses Haus (Anm.: Den
Bundestag) sein. Ich kann diese Debatte heute
natürlich nicht führen. Aber wir müssen wissen: Um Menschen zu erreichen, um Menschen
zu begeistern, müssen wir diesen Phänomenen
umgehen und wo notwendig sie auch regeln.
Und deshalb unterstütze ich auch die Ansätze
von Justizminister Maas und von Innenminister de Maiziere, Hassreden, Hasskommentare, vernichtende und mit der Menschenwürde
nicht in Übereinstimmung zu bringende Dinge
anzusprechen und alles zu unternehmen, um
das zu unterbinden, weil das unseren Grundsätzen widerspricht.»
Medien ja selber aus bester Erfahrung, wie sich
Falschmeldungen und Vertrauensverlust beim
Publikum auswirken.
Der Vorwurf, im Internet würden sich automatisch falsche News durchsetzen, solange
sie nur die Sensationsgier des Publikums befriedigten, hält einer Prüfung nicht stand. Man
behauptete, Falschmeldungen hätten an Hillarys
Image gekratzt und Trump in letzter Sekunde zum Präsidenten gemacht. Sieht man sich
aber sogenannte «Falschmeldungen» von einflussreichen Internet-Medien wie «Breitbart»
und «Infowars» selber an und trennt dabei die
teils übertrieben emotionale Berichterstattung
von der inhaltlichen Substanz und Sachlichkeit,
werden angeprangerte «Falschmeldungen» oftmals plötzlich wahr und es eröffnen sich nachvollziehbare Gründe, gegen Clinton und somit
für Trump zu stimmen.
Die Ausschlachtung einer Story auf Kosten
des Inhalts und die dramatische Übersteigerung von Geschehnissen ist ebenso kein alleiniges Problem des Internets. Sicher setzen die
Internetmedien zu oft darauf, lieber viele Besucher zu generieren, anstatt ordentlich journalistisch zu arbeiten. Das hängt eben auch
mit der erwähnten Geldnot der Online-Medien
zusammen. Doch wollen uns «Bild», «Blick» &
Co. wirklich über die Gefahr reisserischer Titel
und überzogener Darstellungen der Realität zur
Steigerung des Interesses belehren? Kann es im
Internet überhaupt noch sensationalistischer
und plumper zugehen als auf den Titelblättern
dieser Zeitungen?
Mainstream in der Existenzkrise
Die Motivation für den Kampf gegen die
Dieses Bild von der Webseite «
Alles Schall und Rauch» mit einer
unbelegten Aussage Obamas führte
die «SonntagsZeitung» an, um zu
beweisen, dass die Webseite stets
die Fakten verzerre. In dem Artikel
folgten jedoch keine sachlichen
Argumente mehr.
Fake-News ist offenkundig: Die grossen Medienkonzerne sowie die öffentlich-rechtlichen
Medien verlieren an Marktanteil und Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Trumps Wahlsieg war ein deutliches Zeichen dafür, dass die
Bürger sich nicht mehr an den Empfehlungen
der grossen Medien orientieren. Nun probiert
man, die Konkurrenz im Internet zu verunglimpfen, ohne die eigenen Fehler selbstkritisch
aufzuarbeiten. Einem besonders substanzlosen
Artikel über die vermeintliche Fake-News-Welle
im Internet machte sich nun die «Sonntagszeitung» schuldig. Sie schrieb in dem Artikel «Verzerrte Fakten aus der Schweiz» über alternative
News-Webseiten:
«Alles Schall und Rauch» ist eine der aktivsten alternativen Newssites des deutschsprachigen Raums und als Verein organisiert.
Der Betreiber, Manfred Petritsch, schreibt unter dem Pseudonym Freeman. […] Freeman ist
sehr aktiv. Täglich postet er bis zu sechs Artikel.
In diesen verzerrt er aktuelle Nachrichten, um
gegen Flüchtlinge oder den Westen zu hetzen.
Nach der Wahl Donald Trumps schrieb er in einer Analyse, Hillary Clinton sei für die «Flüchtlingsflut» nach Europa verantwortlich. Hier, wie
auch in Amerika, lebe die politische Elite mit
ihren «Lügenmedien» in einer «eingebildeten
Traumwelt».
[…]
Eine weitere Seite operiert aus Winterthur:
Uncut-news.ch. Der Betreiber bietet über den
gleichnamigen DVD-Versand «unzensurierte»
Filme zu Weltpolitik und Gesellschaftsfragen
an. «Uncutnews» veröffentlicht vor allem Artikel
von Drittsites oder Youtube-Filme mit Inhalten,
die den Untergang der EU heraufbeschwören
oder der Schweizer Regierung vorwerfen, sich
bei der Nato «anzubiedern».
[…]
Die grösste Gemeinsamkeit der alternativen Newssites in der Schweiz
ist ihre Ablehnung traditioneller Medien. Eine Anfang 2016 gegründete
Page hat sich sogar zum Ziel gesetzt, die Schweizer Medien zu entlarven,
die «Propaganda» machten. Die Betreiber nennen sich «unabhängige
Medienwissenschaftler». Ihr Herzstück ist ein Organigramm, das die
vermeintliche Verstrickung der Schweizer Medienlandschaft mit amerikanischen Institutionen oder dem Verteidigungsbündnis Nato aufzeigen
soll. Dies versuchen die Betreiber akribisch zu beweisen – und scheuen
keinen Aufwand. Innerhalb dieses Jahres erstellten sie zwei «Studien».
Darin untersuchten sie Artikel der NZZ und Beiträge des Schweizer Radios und Fernsehens nach «Manipulationen». Diese Dokumente sind
über 20 Seiten lang und verwenden eine akademische Sprache. Zudem
geben sie vor, wissenschaftliche Methoden anzuwenden.
Auf Anfrage schreiben die Betreiber von «Swiss Propaganda», sie
würden von über einer halben Million Menschen gelesen. Ihre Motivation liege darin, eine Lücke der Wissenschaft zu füllen: «Auf diesem
Gebiet gab es bislang noch keine systematischen Untersuchungen, und
entsprechend gross ist das Interesse an unseren Arbeiten.» Auch sie
stehen der Debatte über Fake News skeptisch gegenüber. Dies sei eine
Manipulation und eine Unterstellung der traditionellen Medien.»
Eine saubere inhaltliche Kritik an den alternativen Medien im Internet? Eine lange Liste der Falschmeldungen von «Uncut-News» oder
«Alles Schall und Rauch»? Quellenangaben? Ausführliche Recherche?
Fehlanzeige! Nichts als unbelegte Anschuldigungen. Und das ausgerechnet in einem Artikel, der den Internetmedien fehlende Recherche
und Falschdarstellung vorwirft. Warum geht man nicht auf die «vermeintliche Verstrickung der Schweizer Medienlandschaft mit amerikanischen Institutionen oder dem Verteidigungsbündnis Nato» ein und
widerlegt das Diagramm von Swisspropaganda, das die Verbindungen
der Schweizer Medien zu transatlantischen Organisationen zeigt? Der
Artikel beschränkte sich weitgehend auf Aussagen ohne logische Begründungen. Damit bestätigen die Mainstream-Medien mit ihrer journalistischen Arbeit genau den Vorwurf, den sie den alternativen Internetmedien machen.
Mainstream als Paradebeispiel für Fake News
Und es wird noch verrückter, denn «20min.ch» bezog sich in einer
Kurzmeldung auf den weitgehend recherchefreien Artikel der «Sonntagszeitung». In ihrer Meldung «Fake-News made in Switzerland»
übernahmen sie die Aussagen der «Sonntagszeitung» kritiklos:
«Jetzt zeigen Recherchen der «SonntagsZeitung»: Auch in
der Schweiz werden Fake-News produziert. Und sie verbreiten
sich durch die sozialen Medien im ganzen deutschsprachigen
Raum. Fakten werden vom Betreiber der Seite bewusst verzerrt
und in einen anderen Kontext gesetzt.»
Die «Recherchen der SonntagsZeitung» bestanden im Wesentlichen aus unbelegten Behauptungen. Lediglich ein Bild von der Webseite «Alles Schall und Rauch» mit einem nicht belegten Obama-Zitat
diente als Beweis für die «verzerrten Fakten» auf den angeblichen Fake-News-Webseiten. Ein substanzloser und hetzerischer Mainstream-Artikel wird nun von anderen Leitmedien kritiklos übernommen,
verbreitet sich über das gesamte Internet und führt die Leser in die Irre.
Ist das nicht genau die gefährliche Dynamik von Fake-News, die uns
hier von der «Sonntagszeitung» zur Schau hätte gestellt werden sollen?
Jedem halbwegs kritisch denkenden Menschen sollte klar sein, welcher Zweck mit der Kampagne gegen «Fake-News» verfolgt wird. Das
Internet soll nur etablierten Medien, Parteien, Banken und Konzernen
dazu dienen, ihr gutgläubiges Klientel nach ihren Interessen zu «informieren.» Dass jeder Einzelne politische Diskussionen anstossen, andere
für seine Sache gewinnen oder Kritik äussern kann, passt den klassischen Medien nicht. Die Information muss erst durch ihr Filternetz gehen, ansonsten gilt die Information als wertlos. Ein
weiterer unfairer Versuch, alternative Medien als unangenehme Konkurrenz mundtot zu machen.
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Thiels Kolumne
Die Demokratie wird
von vielen Intellektuellen
als Gerechtigkeitsprojekt
missverstanden. Das ist
eine
Fehleinschätzung
mit fatalen Folgen. Die
Demokratie dient nicht
der Gerechtigkeit sondern dem Frieden. Die
Demokratie ist ein Friedensprojekt. Wer sein
Gerechtigkeitsempfinden
über den Frieden stellt,
zerstört ihn.
Gerechtigkeit ist etwas Übergeordnetes. Man
kann sie für sich erhoffen
und versuchen, selber gerecht zu handeln. Wenn
der Mensch versucht, Gerechtigkeit herzustellen,
dann schafft er nicht Gerechtigkeit sondern spricht Recht. Recht wird gesprochen von Richtern, die jemand eingesetzt hat, aufgrund von Gesetzen, die jemand
erlassen hat. Aber sowohl bei der Erlassung von Gesetzen wie auch
bei der Rechtsprechung kann neues Unrecht entstehen. Deshalb lehnen sich die Menschen immer wieder gegen jene Instanzen auf, die
Gesetze erlassen und Richter einsetzen. Das nennt sich dann Revolution. Die Obrigkeit wird gestürzt, und es entsteht meistens ein
Chaos, aus welchem heraus sich eine neue Obrigkeit an die Macht
schwingt.
Das einzige System, welches ohne Obrigkeit auskommt, ist die
Demokratie. Die Demokratie ist allerdings bloss die Übereinkunft,
keine Obrigkeit zu akzeptieren sondern selbst Gesetze zu erlassen
und eigene Richter einzusetzen. Deshalb besteht einer der wichtigsten Grundsätze der Demokratie darin, weder fremde Gesetze noch
fremde Richter zu akzeptieren. Und aus dem gleichen Grund heraus
sind unter verschiedenen Demokratien Grenzen nötig, welche den
Rechtsraum der einen Demokratie gegen den Rechtsraum der anderen abstecken. Denn wenn eine Demokratie einer anderen Demokratie ihre Gesetze aufzwingt, gebärdet sie sich als Obrigkeit, welche
die fremde Demokratie zerstört.
Weil in einer Demokratie jeder mitreden kann, sind bei der Erlassung von Gesetzen und der Ernennung von Richtern Interessenkonflikte vorprogrammiert. Die Demokratie löst diese Konflikte, indem
sie ein Prozedere zur Konfliktlösung vorgibt. Dieses Prozedere heisst
«Abstimmung». Dazu wird ein Stichtag festgelegt. Bis zu diesem wird
diskutiert und dann abgestimmt. Der einzige gemeinsame Nenner
dabei ist, dass das Abstimmungsresultat von allen akzeptiert wird.
Das heisst, dass mit der Abstimmung auch die Diskussion beendet ist.
Denn über die Richtigkeit eines Abstimmungsresultats wird man sich
nach der Abstimmung noch genau so uneins sein wie vorher. Deshalb
besteht der einzige gemeinsame Nenner in einer Demokratie in der
Wahrung des Friedens und nicht in der Schaffung von Gerechtigkeit.
Es geht um Form und nicht um Inhalt.
Seit einiger Zeit wird der Ruf lauter, im Namen der Gerechtigkeit
die Demokratie einzuschränken. Ob damit Gerechtigkeit geschaffen
werden kann, bleibt Ansichtssache. Gewiss ist, dass damit der Friede
zerstört wird. Der Versuch, Gerechtigkeit zu schaffen, indem man
gegen missliebige Abstimmungsresultate demonstriert, zerstört den
Frieden. Der Aufruf, Abstimmungsresultate zu missachten, zerstört
den Frieden. Der Versuch, Abstimmungsresultate umzustossen, sei
es im Bundesrat, dem Parlament oder mittels weiterer Volksabstimmungen, zerstört den Frieden. Der Ruf nach fremden Richtern, genährt vom Wunsch, dass diese sich über die Demokratie hinwegsetzen, um Gerechtigkeit zu schaffen, zerstört den Frieden.
Der kleinste
gemeinsame
Nenner