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Von Papst Greogor VII und Heinrich IV bis José Mourinho und
Bastian Schweinsteiger- Die Digitalisierung schafft neue
Feindbilder und zementiert alte Machtmuster
Das Netz vergisst nie, heißt es. Und so scheint „ Mobbing“ im Zeitalter digitaler Interaktion
ein ganz neues, globales Phänomen, dem Prominente, Personen des öffentlichen Lebens
und auch ganz normale Menschen Schüler, Studenten, Lehrer anheimfallen und sich
unversehens in der Opferrolle medialer Unterstellungen und Verdächtigungen wiederfinden.
Cybermobbing – das Mobbing im Internet ist weltweit 24/7 Stunden möglich und bedeutet für
die Betroffenen Angriffe schier aus dem Off. Ungeheuer wirksam, feige, weil der Täter dem
Opfer nicht in die Augen schauen muss und hocheffizient, was Beschädigung der
persönlichen Integrität und Reputation anbelangt. Juristisch ist dem Problem schwer nach
zukommen. Im Internet Ansprüche der Mobbingopfer gegenüber den Tätern durchsetzen ist
– sofern man ihrer überhaupt habhaft wird – schwierig. Cybertäter operieren oft über
Ländergrenzen hinweg und sind schwer zu fassen. Eine fremde Sprache und eine fremde
Rechtsordnung lassen die juristischen Erfolgsaussichten weiter ungewiss werden. Für ein
solches Vorgehen bedarf es eines langen Atems – finanziell und mental.
Die erste Frau im Staat – eine professionelle Begleiterin?
Bettina Wulff, Ehefrau des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, sah sich Escort-Gerüchten
ausgesetzt. Gab man ihren Namen bei Google ein, lauteten verwandte Suchbegriffe u.a.
„Escortservice“. Es waren die letzten Monate in der unglücklichen Amtszeit ihres Mannes.
Neben der Auseinandersetzung mit der BILD über Druckausübung auf eine freie Presse und
die Vorwürfe der Vorteilsnahmen, musste der Bundespräsident die Verleumdungskampagne
über seine Frau auch noch mit verarbeiten. Kann man sich vorstellen wie perfide die
Platzierung solcher Gerüchte für die Frau des ersten Mannes im Staate ist? Wie sich das auf
den Bundespräsidenten selbst auswirkt? Wer macht so etwas? Wer denkt sich das aus und
mit welchen Tricks schafft es diese Story nach ganz oben im Suchmaschinen-Ranking?
Wulff litt – als Frau des Bundespräsidenten verbot es die Etikette offensiv zu werden. Erst
nach dem Rücktritt ihres Mannes konnte sie sich wehren. Sie entschied sich für die
juristische Auseinandersetzung und war erfolgreich. Und was sagt der Volksmund?
Irgendwas ist immer dran... Nun taucht bei Internet-Suchanfragen mit ihrem Namen nicht
mehr „Escortservice“ auf – die Artikel dazu gibt es dennoch weiterhin im Netz. Bettina Wulff
hat eine ganz eigene Therapie gefunden gegen die Verletzungen und die Bürde, eine
öffentliche Person zu sein: Sie schrieb sich mit ihrem Buch „Jenseits des Protokolls“ einfach
den Frust von der Seele.
Der Unternehmer und Mäzen im „Fadenkreuz“ öffentlicher Wut und Häme
Der Name Dietmar Hopp steht für unternehmerischen Erfolg: Der Mitbegründer von SAP
geriet in die Mühlen öffentlichen Mobbings, als er sich aufmachte den Fußballclub seiner
Jugend, wo er selbst als Steppke gekickt hatte, finanziell zu unterstützen. Mit dem
Newcomer-Mäzen der TSG Hoffenheim hatte die heile deutsche Fußballwelt ihr Feindbild
gefunden. Das Übelste, was menschliche Abgründigkeit zu bieten hat, wurde öffentlich
ausgepackt: der Emporkömmling mit „Nazi-Stammbaum“ und „Hurenmutter“, ein
milliardenschwerer Self-made Entrepreneur, der mit Geld um sich wirft, einen „Retortenclub“
aus „Hoppenheim“ schmiedet und sich zum Nachteil der hart arbeitenden Traditionsclubs
einen Platz in der Ersten Liga erkauft. Mittlerweile heißt der Club TSG 1899 Hoffenheim und
die Hasstiraden im Stadion und im Netz sind verebbt. Die Strategie von Hopp und
Hoffenheim wird mittlerweile öffentlich als glaubwürdig anerkannt: Die Jugendakademie
produziert deutsche Nationalspieler aus der Region in allen Altersklassen. Es gibt keine
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sündhaft-teuren Transfers, der Bundesligakader hat ein Budget, das vergleichsweise im
oberen Mittelfeld steht. Die TSG 1899 Hoffenheim steht heute für einen Fußballclub mit
tatsächlicher regionaler Tradition, der mit Talenten aus den eigenen Reihen sportlich
überzeugt.
Der Weltmeister – ab auf die Tribüne
Weltfußballstar Bastian Schweinsteiger musste auf Veranlassung von Trainer José Mourinho
genau an seinem 32. Geburtstag seinen Spind in der Kabine bei Manchester United räumen.
Der Weltmeister solle künftig bei der U 21 mittrainieren. Hintergrund: Mit kolportierten 12
Millionen Euro Jahresgehalt und einem Langzeitvertrag ist Schweinsteiger Großverdiener bei
ManU. Wenn er nicht spielt – dann ist er für den Club nichts Wert. Und kostet nur Geld! Im
Plan des Star-Trainers war kein Platz für Basti. Also: wegmobben! Frustrieren! Persönlichkeit
brechen. Ein Weltmeister lässt sich nicht vorführen, so das Kalkül, und flüchtet
schnellstmöglich zum nächsten Verein. Mourinho hielt sich mit seiner Vorgehensweise zwar
an die Buchstaben eines bestehenden Vertragsverhältnisses mit dem Deutschen und
machte dennoch vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Machtverhältnisse klar, entlarvte
die brutalen Gehorsamkeitsstrukturen im globalen Profifußball. Ein Nährboden für Mobbing.
Schweinsteiger blieb und bleibt cool. Abserviert auf die Tribüne postete er ausschließlich
positive Kommentare und wünschte dem Trainer mit der Mannschaft viel Glück. Das
wiederum brachte ihm die Sympathien der Fans und den Respekt seiner Mitspieler. Die
deutsche Weltmeister-Ikone hat sicher gelitten – am Ende aber Charakter gezeigt und sich
nicht vorführen lassen. Wobei das „Schmerzensgeld“ von 250.000 Euro Gehalt pro Woche
natürlich ein gutes Argument ist dem Mobbing zu widerstehen, was die Situation von
Schweinsteiger gegenüber „Otto Normal“ diametral unterscheidet.
Der Musiker – durch Shitstorm verbrannt
Auch der Musiker Xavier Naidoo und das Debakel um den Eurovision Song Contest spiegelt
den erosiven Verlust von Wertegemeinschaften wider, zugunsten von Manipulation und
medial inszeniertem Machtmissbrauch. Der Pöbel im Netz – neuhochdeutsch „Shitstorm“
genannt – funktioniert verlässlich, doch der Begriff verniedlicht die Wirkungen. Denn hier
werden Menschen in der Tiefe der eigenen Seele getroffen, in ihrer Identität verhöhnt.
Der Visionär – aus der anonymen Deckung im Netz diskreditiert
Und wenn das immer noch nicht reicht, dann werden neue, disruptive Geschäftsmodelle als
unseriös diskreditiert und die dazugehörige Unternehmerpersönlichkeit zum Feindbild
stilisiert. Ein Beispiel dafür ist der oberbayerische Unternehmer mit türkischen Wurzeln,
Cengiz Ehliz, und sein globales Projekt „wee“. Der in Bad Tölz geborene Unternehmer und
ausgewiesene „Vertriebsguru“ entwickelt seit 2010 ein innovatives, bereits in 19 Ländern
weltweit verfügbares Cashbacksystem, bei dem die Community der angeschlossenen
Handelspartner und deren Kunden stetig wächst. Seitdem sieht sich Cengiz Ehliz
zunehmenden Anfeindungen, Betrugsvorwürfen und Verdächtigungen im Netz ausgesetzt.
Die Gegner verfügen über ein Stück Insider-Wissen, sie agieren verdeckt aus der sicheren
Deckung des virtuellen Netzes. Mit durchdachter Strategie – unter Anleitung von Profis. Im
Zentrum des Gerüchte-Orkans steht ein Server in den USA, der einen Blog hostet, über den
die abstrusen Geschichten eingespeist werden, die den Unternehmer lächerlich und unseriös
aussehen lassen sollen. Dann viralisieren die Storys über unterschiedlichste Kanäle.
Juristisch ist da in Deutschland wenig zu machen. Und da strafrechtlich in den USA auch
nichts zu machen ist, sehen Suchmaschinen-Unternehmen keinen Handlungsbedarf,
schließlich ist Meinungsfreiheit ein demokratisches Grundrecht.
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Mobbing – auf den Spuren eines Phänomens
Mobbing steht im engeren Sinn für „Psychoterror“, Herabwürdigung und verletzender
Demütigung mit dem Ziel, Betroffene aus dem Unternehmen, aus der Schule, aus dem
Freundeskreis, aus dem sozialen Umfeld hinauszuekeln. Im weiteren Sinn bedeutet
Mobbing, andere Menschen, in der Regel ständig bzw. wiederholt und regelmäßig zu
schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen, am Arbeitsplatz, im Sportverein, im
Altersheim, im Gefängnis und im Internet, dem Cybermobbing. Typische
Mobbinghandlungen sind die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen, die Zuweisung
sinnloser Arbeitsaufgaben, Gewaltandrohung, soziale Isolation oder ständige Kritik an der
Arbeit.
Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen von „to mob“, Mitte des 20. Jahrhunderts.
Das Verb to mob, bedeutete zunächst allgemein „belästigen, anpöbeln“, dann auch im
deutschen Sprachgebrauch „Mob“ als eine Bezeichnung für eine aufgewiegelte Volksmenge
sowie allgemein „Meute, Gesindel, Pöbel, Bande“. Im englischsprachigen Raum wird der
Begriff bullying (Schikanieren, Drangsalieren) für Mobbing verwendet. Ursprünglich war
Mobbing ein Begriff für das Verteidigungsverhalten bei Tieren. 1963 hat der
Verhaltensforscher Konrad Lorenz den Begriff „hassen“ geprägt: Lorenz bezeichnete damit
Gruppenangriffe von Tieren auf einen Fressfeind oder anderen überlegenen Gegner –wie
Gänse auf einen Fuchs. Der Arzt Peter Paul Heinemann verwendete in den 1960-er Jahren
den Begriff Mobbing für das Attackier-Verhalten von Gruppen gegenüber einer Person, die
sich abweichend von der Gruppennorm verhält. Heinz Leymann, schwedischer Arzt und
Psychologe, prägte den heutigen Mobbingbegriff in Bezug auf das Arbeitsleben. Danach
zeichnet sich Mobbing durch immer wiederkehrende, systematisch destruktive
Verhaltensmuster aus, negative Handlungen wie Beschimpfungen, Vorenthalten von
Informationen etc.. Typisch für Mobbingsituationen sind ungleiche Machtverhältnisse und
unterschiedliche Einflussmöglichkeiten der beteiligten Personen - Viele gegen einen, eine
Person ist der anderen unterlegen und gerät in die Opferrolle.
Juristischer Leerraum Cybermobbing –in Deutschland nicht strafbar
Aus juristischer Sicht ist „Mobbing“ kein anerkannter Begriff im deutschen Recht. Es gibt
keinen Straftatbestand des Mobbing oder gar eine rechtlich anerkannte Definition. Des
Weiteren ist zwischen Straf- und Zivilrecht zu unterscheiden. Lediglich für den Bereich des
Arbeitsrechts hat sich die Lage für von Mobbing am Arbeitsplatz betroffene Arbeitnehmer
verbessert, weil dort ein Verbot von Belästigung durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz im Jahr 2006 eingeführt worden ist. Nicht so für das Internet. Die
Fortentwicklung des Rechts konnte in den vergangenen Jahrzehnten mit der rasanten
technischen Entwicklung und den damit verbunden neuen Dimensionen des virtuellen
Mobbings, nur bedingt Schritt halten. Folge dieser Entwicklung ist, dass sich Räume gebildet
haben, in denen es an einem effektiven Schutz vor Mobbing durch die Rechtsordnung fehlt.
So ist die Verhaltensweise, die unter dem Begriff „Mobbing im Internet“ gefasst wird,
jedenfalls in Deutschland, noch nicht als solche unter Strafe gestellt. Lediglich wenn durch
das Mobbing Straftatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung erfüllt
sind, macht sich der Mobber strafbar und die Strafverfolgungsbehörden können aktiv
werden. Die geltende Rechtslage ist für die Strafverfolgung von Cyber-Mobbern oft mehr
Einladung als Abschreckung. Denn für eine effektive Strafverfolgung ist der Opferschutz, den
der Gesetzgeber vorsieht, bestenfalls lückenhaft. Hier sei nur beispielhaft die Schwierigkeit
genannt, die tatsächliche Identität zu erlangen, wenn sich der Täter Pseudonymen bedient
und von praktisch jedem Ort der Welt aus agieren kann. Nicht selten handeln die Täter
gezielt von Orten aus, welche es den Geschädigten erschweren, ihrer überhaupt habhaft zu
werden. Quasi betreiben die Täter so ihre ganz eigene Art von „Forum Shopping“, sie wählen
einen Handlungsort, an welchem sie aufgrund der dort geltenden Rechtslage wenig zu
befürchten haben oder ihr Verhalten gar nicht unter Strafe gestellt ist, bzw. die nur
mangelhafte staatliche Durchsetzbarkeit der Gesetze ihnen zugute kommt. Darüber hinaus
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versuchen sie über den gezielten Einsatz technischer Finessen den
Strafverfolgungsbehörden die Aufklärung zu erschweren. So handelt der Täter in Land A.
Der Anbieter des Blogging-Dienstes sitzt in Land B. Der Server auf dem die Informationen
gespeichert werden steht in Land C. Das Problem zu lösen hat dann der Geschädigte, der
sich in Land D zu wehr setzen muss. Durch Mobbing können auch zivilrechtliche Ansprüche
des Opfers gegenüber dem Täter entstehen. Ihrer Rechtsnatur nach handelt es sich bei
solchen Ansprüchen regelmäßig um Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Diese sind
zunächst in der Regel auf Beseitigung und Unterlassen des Mobbings gerichtet. Auch
Schadensersatzansprüche sind möglich. Diese sind gegenüber dem Mobber regelmäßig
deliktischer Natur. Gleichfalls sind Verletzungen von Grundrechten durch Mobbing möglich.
Zu denken ist hier an das Recht am eigenen Bild, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine noch junge Entwicklung ist das von
der Rechtsprechung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Recht auf
Vergessen im Internet. Demnach hat jeder einen Anspruch darauf, dass dauerhafte digitale
Informationen mit Personenbezug nicht dauerhaft im Internet zur Verfügung stehen.
Mobbing als Phänomen der „ Psychologie der Dämonisierung“
Der israelische Psychologe Haim Omer beschreibt und arbeitet über das Phänomen der
„Dämonisierung“. Ein Mensch, der „ Andere“, wird in einem zunehmend negativen Licht
wahrgenommen, bis hin zum „ Monster“, das bekämpft werden muss. Ein Teufelskreis aus
Verdächtigungen und Verstrickungen beginnt, der zu einem destruktiv geführten Konflikt
eskaliert.
Die mentale Dimension: Cybermobbing ist Machtausübung über Werte
Das Recht auf Persönlichkeit ist im Zeitalter der digitalen Transformation bedroht.
Philosophiegeschichtlich ist Toleranz ein Wert der europäischen Aufklärung. Das berühmte
Bonmot Friedrich des Großen „Chacun a son gout“ - jeder soll nach seiner Fasson selig
werden“ - steht für diesen aufklärerischen Toleranzbegriff. Die menschliche Seele aber, das
wusste auch der Preußenkönig, funktioniert in Machtkonflikten oft anders. Das Andere oder
der Andere, das Fremde, das Neue – die menschliche Psyche ist so gestrickt, dass sie
unwillkürlich in Konflikten zwischen dem Eigenen und dem Fremden, dem Alten und dem
Neuen auf Abwehr schaltet. Die Geschichte der Menschheit ist voll davon. Eva verführte
Adam. Die Strafe Gottes folgte auf dem Fuß: Evas Töchter sollen nicht nur unter Schmerzen
gebären, sondern dem Manne Untertan sein. Den göttlichen Bannspruch nutzte Adam zu
Machtmissbrauch und Unterdrückung. Insofern wird Eva das erste Mobbingopfer der
Geschichte.
Der gemobbte König – Schach für den Papst
Das wohl berühmteste Beispiel aus dem Hochmittelalter ist der Investiturstreit – der Konflikt
um Macht zwischen Königtum und Reformpapsttum. Der Hintergrund: Papst Gregor VII war
durch eine Akklamation des Volkes ins Amt gekommen und hatte die Kardinäle vor den Kopf
gestoßen, die üblicherweise den Papst wählten. Er hat sich sein Amt somit quasi ergaunert...
Heinrich wiederum verbündete sich mit den deutschen Bischöfen und verlangte die
Abdankung des Papstes. Formal war der deutsche König im Recht! Der Papst reagierte
darauf mit einem unfassbaren Mega-Mobbing. Er exkommunizierte den bedeutendsten
Herrscher des Abendlandes! Damit machte er Heinrich spirituell und politisch
handlungsunfähig. Und er entband seine Untertanen vom Treueeid gegenüber dem
Herrscher. Der König war jetzt kalt gestellt. Die Folge: Unruhe unter den Fürsten. Heute
würde man sagen, eine feindliche Übernahme des Königsthrons wurde vorbereitet. In dieser
aussichtslosen Situation reagierte Heinrich wie ein ausgebuffter Schachspieler: Der Papst
war auf dem Weg nach Deutschland um sich mit Heinrichs Gegnern zu treffen – Heinrich
musste das unterbinden, marschierte über die Alpen und so trafen sie sich auf der Burg
Canossa. Heinrichs Kalkül: Einem reuigen Sünder und Büßer muss der Papst Gnade
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erweisen. Und so kam es auch. Im Büßergewand wartete der deutsche König mehrere Tage,
bei Schnee und Regen, in eisiger Kälte vor der Burg. Der Papst musste sich gnädig erweisen
– und Heinrich erlangte seine Handlungsfähigkeit zurück.
Machtkonflikte sei es zwischen Männern und Frauen, Herrschern und Untertanen oder
Mitarbeitern und Bossen – sie scheinen ein Stück weit zum Wesen des Menschen selbst zu
gehören. Und damit Mobbing als Muster auch. Doch es gibt sie – die Gegenbeispiele.
Der Stratege – nachhaltiger passiver Widerstand
Der indische Rechtsanwalt und Publizist Mahatma Gandhi steht für den Sieg der
Transformation, für Wandel von Macht, Gewalt und Mobbing in Freiheit und Demokratie. In
seinem berühmten Brief an den britischen Vizekönig Lord Irwin drückte Gandhi seine
Entschlossenheit aus, sich dem britischen Salzmonopol zu widersetzen. Indien habe die
Pflicht, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sich von der tödlichen Umarmung des
Britischen Empires zu befreien. Gandhi erklärte, dass er und seine Anhänger keine
Alternative hätten, als eine umfassende Kampagne gewaltlosen Widerstands gegen das
Monopol zu initiieren. Die „ Kampagne“, die als Salzmarsch von 1930 in die Geschichte
einging und als Paradebeispiel für zivilen Ungehorsam gilt, führte letztendlich zur
Unabhängigkeit Indiens.
Mobbing versus Wandel
Für das zeitgenössische Selbst, so schreibt der Psychoanalytiker Martin Altmeyer in seinem
Buch „Auf der Suche nach Resonanz – wie sich das Seelenleben in der digitalen Moderne
verändert“, sind soziale Netzwerke, Chatrooms im Internet und interaktive Fernsehformate
mit Talk-, Casting-, Doku- und Realityshows soziale Resonanzräume. Hass und Gewalt
dienen ebenfalls dem Zweck der Identitätsbildung – mit negativem Vorzeichen. Ein moderner
Weg menschlicher Interaktion um Macht, Erhalt bestehender Strukturen versus Wandel und
Krisenbewältigung. Neue Ideen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, andersartige
Lebensweisen oder Menschen, die sich einfach anders verhalten als die Masse, künden von
Veränderung. Die Geschichte zeigt, das war schon immer so. Und auch Mobbing ist kein
neues Phänomen. Letztlich aber hat sich immer der Wandel durchgesetzt.
Autorin:
Mülheim/Ruhr, 16.12.2016
Susanne Hausch-Fischer
Freie Journalistin
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