Psychologie aktuell: Einschätzung von Tatmotiven beeinflusst das

Psychologie aktuell: Einschätzung von Tatmotiven beeinflusst das Augenzeugengedächtnis
15-12-16
Einschätzung von Tatmotiven beeinflusst das Augenzeugengedächtnis
Die Erinnerung von Augenzeuginnen und Augenzeugen an die Details einer Straftat kann
dadurch verzerrt sein, wie sie die Motive für die Tat bewerten. Das zeigt eine Studie
forensischer Psychologinnen, die in der Fachzeitschrift Psychology, Crime and Law
veröffentlicht wurde. Die Zuschreibung von Motiven hat auch einen Einfluss darauf, welches
Strafmaß für angemessen erachtet wird.
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Aussagen von Augenzeuginnen und Augenzeugen also Personen, die eine Straftat selbst mit
eigenen Augen beobachtet haben sind in vielen Strafverfahren ein wichtiges, wenn nicht gar das
wichtigste Beweismittel. Vor Gericht besteht die generelle Erwartung, dass die Aussagen auf dem
beruhen, was die Augenzeugen tatsächlich gesehen haben. Allerdings zeigen Untersuchungen zu
Einflüssen auf Augenzeugenberichte, dass dies nicht immer der Fall ist. Erinnerungsverzerrungen
kommen relativ häufig vor und Falschinformationen können die Erinnerungen an Details bedeutend
verändern. Wir konnten nun eine weitere Ursache für diese Verzerrungen nachweisen, nämlich, wie
Augenzeuginnen und Augenzeugen die Motive einer Tat beurteilen , sagt Deborah Hellmann,
Psychologin an der Universität Osnabrück. In zwei Experimenten brachte sie 208 Versuchspersonen
durch gezielt platzierte Falschinformationen dazu, Tatmotive entweder der Persönlichkeit einer Täterin
zuzuschreiben (z. B. Geldgier), oder sie in der Situation begründet zu sehen (z. B. äußerer Zwang,
Notwehr).
Experiment mit manipulierten Tatmotiven
Die Versuchspersonen schauten zunächst eine sechsminütige Filmsequenz ohne Ton an, in der eine
Frau vier Männer ohne ersichtlichen Grund tötet. Im Anschluss an den Film erhielten die
Versuchsgruppen unterschiedliche (manipulierte) Informationen zu den mutmaßlichen Motiven der
Täterin in Form einer vermeintlichen Filmkritik zum Inhalt des Films und verschiedenen Details der
Sequenzen. Die eine Gruppe erfuhr, dass die Motive der Protagonistin in ihrer Persönlichkeit
begründet liegen, indem sie als kaltblütig und hasserfüllt beschrieben wurde. Der Text hob
ausdrücklich die Grausamkeit der Morde hervor. Der anderen Gruppe wurde suggeriert, die Täterin
habe hauptsächlich aufgrund äußerer Zwänge gehandelt, etwa aus Notwehr oder Verzweiflung.
Dieser Text hob besonders das Dilemma der Protagonistin hervor, das sie zu ihren Taten veranlasste.
Die Versuchspersonen sollten dann eine angemessene Gefängnisstrafe (0 bis 40 Jahre) für die
Täterin festlegen. Außerdem gaben sie an, ob sie die Todesstrafe in diesem Fall angebracht fänden.
Im Anschluss bearbeiteten sie einen Wiedererkennungstest, in dem verschiedene Ereignisse der
Filmsequenz beschrieben waren. Dieser Test enthielt sowohl wahre als auch erfundene Ereignisse.
Die Versuchspersonen sollten für jedes Ereignis angeben, ob sie es gesehen hatten oder nicht.
Verzerrte Erinnerungen der Augenzeugen
Falschinformation, die zu den Zuschreibungen der Probandinnen und Probanden über die Tatmotive
passte, wurde fälschlicherweise häufiger als wahr eingestuft: Schrieben die Versuchspersonen die
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Taten der Persönlichkeit der Täterin zu, unterliefen ihnen gezielt solche Fehler, die diese negative
Beurteilung der Persönlichkeit bestätigten. Zum Beispiel gaben die Versuchspersonen an, gesehen zu
haben, wie die Täterin ihre Freundin mit einem Messer bedrohte obwohl in der eigentlichen
Filmsequenz kein Messer zu sehen war und die Täterin auch ihre Freundin nie bedroht hatte. Waren
die Versuchspersonen hingegen überzeugt davon, dass die Täterin aufgrund von äußerem Zwang
gehandelt hatte, gaben sie beispielsweise eher an gesehen zu haben, wie die Täterin von einem der
Opfer mit einem Messer bedroht worden war obwohl kein Messer zu sehen war und die Täterin
nicht bedroht wurde. In beiden Gruppen wiesen die Probandinnen und Probanden jedoch solche
Falschinformation, die ihrer eigenen Zuschreibung widersprach, korrekt als falsch zurück.
Zusätzlich zeigte sich, dass Versuchspersonen für eine höhere Gefängnisstrafe und auch eher für die
Todesstrafe plädierten, wenn sie annahmen, dass die Täterin aus persönlichen Motiven und nicht
aufgrund von äußerem Zwang gehandelt hatte.
Unser Ansatz, schemakonsistente, also den Erwartungen entsprechende, Erinnerungsfehler von
Augenzeuginnen und Augenzeugen im Zusammenhang mit der Zuschreibung von Tatmotiven zu
untersuchen, stellt einen gänzlich neuen Ansatz dar , erklärt Deborah Hellmann. Die Perspektive
der Augenzeuginnen und Augenzeugen in Bezug auf die Tatmotive des Täters beziehungsweise der
Täterin wurde bisher weitestgehend außer Acht gelassen. Wir haben den Effekt in einem verwandten
Kontext bereits erfolgreich repliziert und untersuchen jetzt, ob es sich dabei um einen tatsächlichen
Erinnerungsfehler oder um einen Fehler in der Aussage handelt: Erinnern sich die Versuchspersonen
tatsächlich an die falschen Details? Oder meinen die Versuchspersonen lediglich, dass sie die
falschen Details gesehen haben?
Weiterführende Links:
Hellmann, D. F. & Memon, A. (2016). Attribution of crime motives biases eyewitnesses' memory and sentencing decisions. Psychology,
Crime and Law.
doi: 10.1080/1068316X.2016.1207768
https://idw-online.de/de/news665139
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