Organisation : Recht Der Tod des Arbeitnehmers Stirbt ein Arbeitnehmer während einem Arbeitsverhältnis, wird das Arbeitsverhältnis beendet. Die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers gehen auf dessen Erben über. Sodann ist der Arbeitgeber verpflichtet, den sogenann ten Lohnnachgenuss zu entrichten. Nicolas Facincani Der Arbeitnehmer hat in der Regel das Ar beitsverhältnis persönlich zu erfüllen. Aus diesem Grund erlischt das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers von Gesetzes wegen; dies gilt auch dann, wenn er aus nahmsweise zur Erbringung seiner Arbeits leistung Drittpersonen beiziehen durfte. Nicht möglich ist, dass der Arbeitgeber und der Ar beitnehmer vor dem Tod im Rahmen des Ar beitsvertrags vereinbaren, dass das Arbeits verhältnis auf die Erben des Arbeitnehmers übergehen soll. Lohnnachgenuss Das Schweizerische Arbeitsrecht verpflichtet den Arbeitgeber in Art. 338 Abs. 2 OR, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers zugunsten von bestimmten Anspruchsberechtigten den so genannten Lohnnachgenuss zu entrichten. Anspruchsberechtigt für den Lohnnachge nuss sind der Ehegatte, der eingetragene Personen des 1. Kreises vorhanden sind. Sind mehrere Berechtigte des gleichen Kreises vorhanden, so hat jede berechtigte Person Anspruch auf ihren Kopfanteil. Der Lohnnachgenuss ist erst geschuldet, wenn der Arbeitnehmer nach dem Stellenan tritt stirbt. Stirbt der Arbeitnehmer nach Ab schluss des Arbeitsvertrags und vor Antritt der Stelle, ist kein Lohnnachgenuss zu entrichten. Nach Stellenantritt und vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht der Anspruch auf Lohnnachgenuss unabhängig davon, ob dem Arbeitnehmer vor dem Tod noch Lohn zu stand. Auch wenn ein Arbeitnehmer während einer Freistellung stirbt, ist der Lohnnachge nuss geschuldet. Ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des fünften Dienstjahres beträgt die Höhe des Lohnnachgenusses für alle An spruchsberechtigten insgesamt ein Bruttomo natslohn, nach dem Ende des fünften Dienst jahres zwei Bruttomonatslöhne. Zur Berech nung des Bruttomonatslohnes sind auch die «Es steht den Erben nicht zu, ein Arbeits zeugnis für den Verstorbenen zu verlangen.» Partner und minderjährige Kinder (1. Kreis) sowie andere Personen, gegenüber denen der Arbeitnehmer eine Unterstützungspflicht hatte (2. Kreis), wobei bei diesen Personen nicht notwendig ist, dass die Pflicht zur Unterstüt zung gerichtlich festgelegt wurde. Sind im Zeitpunkt des Todes keine solchen Anspruchs berechtigten vorhanden, ist der Lohnnach genuss nicht geschuldet. Die Personen des 2. Kreises kommen nur zum Zuge, wenn keine 20 : Miss Moneypenny 5·2016 variablen Lohnbestandteile und sämtliche Zulagen, die Lohncharakter haben, hinzuzu zählen. Wurde der Tod durch den Arbeitneh mer selbst verschuldet, so hat dies keine ne gativen Auswirkungen auf den Anspruch auf den Lohnnachgenuss. Zuwendungen aus Lohnnachgenuss sind in der AHV nicht bei tragspflichtig. Ebenso sind keine IV-, EO- und ALV-Beiträge zu bezahlen. Der Lohnnach genuss wird mit dem Tod fällig. Umfasst der Lohnnachgenuss zwei Bruttomonatslöhne, sind beide gleichzeitig zur Zahlung fällig. Die Bestimmungen des Obligationenrechts betreffend den Lohnnachgenuss sind relativ zwingend, d. h. sie können nur zugunsten der Anspruchsberechtigten geändert werden. So kann beispielsweise die Zeitspanne des Lohn nachgenusses verlängert werden. Weitere Forderungen der Erben Der Lohnnachgenuss steht verschiedenen Anspruchsberechtigten zu. Bestehen aber gegenüber dem Arbeitgeber bereits Ansprü che aus dem Arbeitsverhältnis, so gehen diese auf die Erben des Arbeitnehmers über, soweit sie nicht höchstpersönlicher Natur sind. Insbesondere gehen Ansprüche auf Geldleis tung auf die Erben über. Darunter fallen ins besondere die Ansprüche auf den fixen und variablen Lohn, auf Gratifikationen, auf Lohn zulagen und Treueprämien sowie Auslagen ersatz, auf Lohnfortzahlung, auf Entschädi gungen im Zusammenhang mit Erfindungen, auf Schadenersatz und auf Genugtuung sowie auf Entschädigungen im Zusammenhang mit fristloser, missbräuchlicher oder diskriminie render Kündigung. Notwendig ist aber, dass diese Ansprüche bereits vor dem Tod entstan den sind. Nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob offene Ferienguthaben ebenfalls gegenüber den Erben zu entschädigen sind. Nicht kompensierte Überstunden oder Über zeit sind hingegen zu entschädigen, soweit der Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Situation selbst hätte einen Anspruch geltend machen können. Anders sieht die Situation in Bezug auf Ar beitszeugnisse aus. Es steht den Erben nicht Recht : Organisation zu, ein Arbeitszeugnis für den Verstorbenen zu verlangen. Forderungen des Arbeitgebers Hatte der Arbeitnehmer gegenüber dem Ar beitgeber Schulden, so werden diese mit dem Tod des Arbeitnehmers zu Schulden seiner Erben. Die Erben treten in die Stellung des Verstorbenen ein. Dabei geht es nicht nur um Geldschulden, sondern auch um andere Ver pflichtungen des Arbeitnehmers zu einem Tun oder Unterlassen, soweit diese Verpflichtun gen nicht höchstpersönlich sind. Zu denken ist hier einerseits an die Geldforderungen des Arbeitsgebers etwa aus Schadenersatz, Kon ventionalstrafen, Minusstunden (soweit diese nicht in den Risikobereich des Arbeitgebers fallen), Rückzahlungsverpflichtungen aus Weiterbildungsvereinbarungen oder Lohn rückforderungen aus zu viel bezogenen Fe rien. Auch nicht monetäre Verpflichtungen wie etwa die Rückgabe- und Geheimhaltungs pflichten, die bereits gegenüber dem Verstor benen bestanden, gehen ebenfalls auf die Erben über. Auskunftsrecht der Erben Jeder Arbeitnehmer hat gestützt auf Art. 8 des Datenschutzgesetzes (DSG) ein umfassendes Auskunftsrecht in Bezug auf alle durch den Arbeitgeber von ihm gesammelten Daten – unabhängig davon, ob diese Daten als Perso naldossier oder Personalakte bezeichnet wer den, und unabhängig davon, ob das Arbeits verhältnis beendet ist oder noch andauert. Dieses Auskunftsrecht ist aber höchstpersön lich und nicht vererblich. Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Aus kunft nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Da bei begründet nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person ein solches Inte resse. Sind die Voraussetzungen gegeben, kann eine Kopie des Personaldossiers ver langt werden. M Nicolas Facincani, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner und berät und vertritt Unternehmen und Private in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. vfs-partner.ch Wie man in einem Unternehmen emotional mit dem Thema Tod umgehen kann und welche Massnahmen e rgriffen werden können, lesen Sie auf der nächsten Seite. Miss Moneypenny 5·2016 : 21
© Copyright 2025 ExpyDoc