Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7006

Drucksache 17/7006
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Unterrichtung
Der Präsident
des Niedersächsischen Landtages
– Landtagsverwaltung –
Hannover, den 29.11.2016
Niedersachsens Stimme in Europa stärken: Beteiligung des Landtages in Angelegenheiten
der Europäischen Union ausbauen
Beschluss des Landtages vom 07.06.2016 - Drs. 17/5884
Der Landtag stellt fest, dass
–
die Rechtssetzung der Europäischen Union zunehmend die Gestaltungssphäre nationaler und
subnationaler Parlamente prägt. Ein Großteil der von Bund und Ländern gesetzten Normen sowie die Verwaltungspraxis auf allen Ebenen der Mitgliedstaaten ist mittlerweile an Vorgaben
des Unionsrechts gebunden bzw. ist die Ausführung und Umsetzung von Unionsrecht.
–
die Interessen der Länder bei der europäischen Gesetzgebung zwar in erster Linie durch den
Bund gewahrt werden. Jedoch misst das Unionsrecht seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum 01.12.2009 dem Bundesrat gemäß Artikel 12 EUV eine eigenständige Bedeutung im
Institutionengefüge der Europäischen Union zu.
–
nach Artikel 23 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union
mitwirkt. Die Bundesregierung hat Stellungnahmen des Bundesrats bei der Festlegung der Verhandlungsposition im Rat der Europäischen Union nach Maßgabe des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern (EuZBLG) zu berücksichtigen. Weitere Rechte und
Pflichten begründet das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des
Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (IntVG) vom
22.09.2009.
–
ein Beteiligungsverfahren des Niedersächsischen Landtages in EU-Angelegenheiten erforderlich ist, das jeweils zeitnah und effektiv die Einbindung der Volksvertretung sicherstellt. Hierfür
dient bis heute die Entschließung des Niedersächsischen Landtages vom 14.09.1995 (Drs.
13/1369 [neu]) als Verfahrensgrundlage, zuletzt ergänzt um ein Schreiben der Chefin der
Staatskanzlei an den Direktor des Landtages vom 30.09.2010, ein Schreiben des Präsidenten
des Landtages an den Ministerpräsidenten vom 03.11.2011 und ein Schreiben der Chefin der
Staatskanzlei an den Präsidenten des Landtages vom 16.02.2012. Damit ist grundsätzlich eine
Beteiligung des Landtages in EU-Angelegenheiten gewährleistet. Seit der Entschließung des
Landtages vom 14.09.1995 haben sich jedoch die Rahmenbedingungen, wie vorstehend dargelegt, maßgeblich verändert. Zudem haben sowohl Häufigkeit als auch Auswirkungsgrad der
EU-Normensetzungsvorhaben auf Niedersachsen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Deshalb bedarf die Entschließung aus dem Jahr 1995 einer Aktualisierung, die den
heutigen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,
1.
ihm vor ihrer Entscheidung im Bundesrat zu Vorhaben der Europäischen Union im Sinne von
§ 2 EuZBLG, soweit sie von grundsätzlicher Bedeutung sind, Gelegenheit zur Erörterung und
Stellungnahme zu geben,
2.
ihn umfassend, frühestmöglich und fortlaufend über Vorhaben im o. g. Sinne durch Übersendung von Berichtsbögen zu unterrichten. Diese sollen zusammenfassende Angaben über den
Inhalt des Vorhabens und eine erste, unverbindliche Einschätzung der Landesregierung über
1
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/7006
die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die zu erwartenden Folgen des Vorhabens für das Land, insbesondere zu
Kosten, Verwaltungsaufwand, Umsetzungsbedarf und Kommunalverträglichkeit, enthalten.
Des Weiteren soll der voraussichtliche Termin der Behandlung des Vorhabens im Plenum des
Bundesrates und seinen Ausschüssen mitgeteilt werden.
3.
die Stellungnahmen des Landtages zu Angelegenheiten der Europäischen Union in ihren
Meinungsbildungsprozess einzubeziehen und ihn über ihre Entscheidung im Bundesrat zu unterrichten. Weicht die Landesregierung von einer Stellungnahme des Landtages ab, teilt sie
dem Landtag die hierfür maßgeblichen Gründe mit.
4.
ihn über den Ausgang von Verfahren auf Ebene der Europäischen Union zu informieren,
wenn der Landtag hierzu eine Stellungnahme abgegeben hat.
Antwort der Landesregierung vom 28.11.2016
Die Ausführung von durch Unionsrecht gesetzten Vorgaben obliegt im föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland häufig den Bundesländern. Eine frühzeitige und fundierte Auseinandersetzung mit europarechtlichen Themen sowohl durch den Landtag als auch durch die Landesregierung ist im besonderen Interesse des Landes. Die Informationsrechte des Landtags und seine Mitwirkung an Vorhaben der Europäischen Union sind deshalb von zentraler Bedeutung. Die Landesregierung hat dies bereits in der Anwendung der bisherigen Regelungen zur Beteiligung des Landtages auf der Grundlage der Entschließung des Landtages vom 14.09.1995 (Drs. 13/1369 [neu])
und den nachfolgenden Modifikationen berücksichtigt. Dem mit der Entschließung vom 07.06.2016
zum Ausdruck gebrachten erweiterten Informationsbedürfnis des Landtags kommt die Landesregierung seit der Wiederaufnahme der Beratungen des Bundesrates nach der Sommerpause dieses
Jahres vollumfänglich nach.
Dies vorausgeschickt, wird zu den Nummern 1 bis 4 der Landtagsentschließung Folgendes ausgeführt:
Zu 1 und 2:
Der Landtag wird seitens der Staatskanzlei regelmäßig und jeweils in mehreren Stufen fortlaufend
über Vorhaben der Europäischen Union von grundsätzlicher Bedeutung unterrichtet:
Eine erste Information des Landtages erfolgt über die formlose Teilhabe am sogenannten Frühwarnsystem des Bundesrates. Sofort nach Eingang eines Vorhabens der Europäischen Union mit
Rechtssetzungscharakter (Verordnungs- oder Richtlinienentwürfe) bei der Bundesratsverwaltung
gibt der Bundesrat diese Vorhaben in elektronischer Form per Email den Ländern zur Kenntnis. Die
Staatskanzlei leitet die Kenntnisgaben des Bundesrates an die fachlich betroffenen Ressorts sowie
an den Landtag weiter. Mit diesem Verfahren werden alle Beteiligten in die Lage versetzt, frühzeitig
eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips zu prüfen.
Neben der formlosen Beteiligung über das „Frühwarnsystem“ werden Vorhaben der Europäischen
Union mit Rechtssetzungscharakter und zusätzlich auch Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung
ohne Rechtssetzungscharakter (z. B. Mitteilungen der Kommission über bedeutende anstehende
Vorhaben) dem Landtag regelmäßig über Informationsbögen zur Kenntnis gegeben. Die Informationsbögen enthalten neben der Bezeichnung des Vorhabens eine Verlinkung zu der entsprechenden Bundesrat-Drucksache auf dem Server des Bundesrates und führen die voraussichtlichen
Termine für die abschließende Beratung in den Ausschüssen des Bundesrates, für die Beschlussfassung im Kabinett sowie für die Abstimmung im Plenum des Bundesrates auf. Damit werden die
Zeiträume ersichtlich, in denen etwaige Stellungnahmen des Landtages im regelmäßigen Bundesratsverfahren berücksichtigt werden könnten.
Im Rahmen der inhaltlichen Befassung der Ressorts mit den Bundesrats-Drucksachen werden Berichtsbögen zur Unterrichtung des Landtages erstellt. Die Berichtsbögen enthalten eine erste Einschätzung zur Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip und zu den Folgen für das Land, insbesondere zu den Auswirkungen auf die Gesetzgebungskompetenz des Landes und gegebenenfalls
betroffene niedersächsische Rechtsgrundlagen. Es wird zudem eine erste Einschätzung zu den
2
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/7006
Auswirkungen auf den Landeshaushalt sowie zu möglichen Auswirkungen auf die niedersächsischen Kommunen vorgenommen. Zur Umsetzung der Entschließung vom 07.06.2016 enthalten die
Berichtsbögen seit der Wiederaufnahme der Beratungen des Bundesrates nach der Sommerpause
dieses Jahres auch zusammenfassende Angaben über den Inhalt des jeweiligen Vorhabens.
Zu 3:
Über die Entscheidungen der Landesregierung im Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen
Union wird der Landtag regelmäßig im Nachgang zum Plenum des Bundesrates mittels einer tabellarischen Übersicht unterrichtet. Die Landesregierung ist zudem darauf vorbereitet, Stellungnahmen
des Landtages zu Angelegenheiten der Europäischen Union in ihren Meinungsbildungsprozess
einzubeziehen und dem Landtag bei abweichenden Entscheidungen des Kabinetts die maßgeblichen Gründe mitzuteilen.
Zu 4:
Die Landesregierung ist darauf vorbereitet, den Landtag über den Ausgang von solchen Verfahren
zu unterrichten, zu denen der Landtag eine Stellungnahme abgegeben hat.
(Ausgegeben am 05.12.2016)
3