Anja Hirsch, Moritz Neujeffski, Dieter Plehwe Unternehmensnahe Stiftungen im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Partikularinteressen Eine Exploration im Bereich Wissenschaft Discussion Paper SP I 2016–201 November 2016 Forschungsschwerpunkt Bildung, Arbeit und Lebenschancen Forschungsabteilung Ungleichheit und Sozialpolitik Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH Reichpietschufer 50 D-10785 Berlin www.wzb.eu Das Urheberrecht liegt bei den Autoren. Discussion Papers des WZB dienen der Verbreitung von Forschungsergebnissen aus laufenden Arbeiten im Vorfeld einer späteren Publikation. Sie sollen den Ideenaustausch und die akademische Debatte befördern. Die Zugänglichmachung von Forschungsergebnissen in einem WZB Discussion Paper ist nicht gleichzusetzen mit deren endgültiger Veröffentlichung und steht der Publikation an anderem Ort und in anderer Form ausdrücklich nicht entgegen. Discussion Papers, die vom WZB herausgegeben werden, geben die Ansichten des jeweiligen Autors wieder und nicht die der gesamten Institution WZB. Anja Hirsch, Moritz Neujeffski, Dieter Plehwe Unternehmensnahe Stiftungen im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Partikularinteressen. Eine Exploration im Bereich Wissenschaft Discussion Paper SP I 2016–201 Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (2016) Affiliation der Autoren: Anja Hirsch, M.A. Institut für Vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Universität Köln [email protected] Moritz Neujeffski Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) [email protected] Dr. Dieter Plehwe Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) [email protected] Zusammenfassung Unternehmensnahe Stiftungen im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Partikularinteressen. Eine Exploration im Bereich Wissenschaft Über unternehmensnahe Stiftungen geben Unternehmer/innen und Unternehmen der Gesellschaft etwas zurück, sie tun etwas für das Gemeinwohl – dies ist oft zu hören, wenn man sich mit den als gemeinnützig anerkannten, unternehmensnahen Stiftungen befasst. Andere Stimmen dagegen behaupten, unternehmensnahe Stiftungen seien nicht nur intransparent und elitär (wie andere Stiftungen auch), sondern zudem mit Unternehmensinteressen verflochten. Inwiefern das eine oder das andere tatsächlich der Fall ist, kann jedoch aus politikwissenschaftlicher Perspektive bisher nur sehr schwer beurteilt werden: de facto besteht nämlich keine empirische Forschung zu unternehmensnahen Stiftungen in Deutschland. Dies liegt unter anderem daran, dass es keine zuverlässige Datenbasis gibt, da Stiftungen keiner gesetzlichen Transparenzpflicht unterliegen – und das, obwohl sie steuerlich (indirekt) subventioniert sind und mit ihren Aktivitäten öffentliche Belange beeinflussen. Aufgrund fehlender Transparenz und Forschung ist nicht nur ungeklärt, was überhaupt unternehmensnahe Stiftungen sind und wer sie steuert, sondern auch, ob und inwiefern die Stiftungen tatsächlich gemeinnützig agieren. Auf der Basis vergleichender Forschung zu unternehmensnahen Stiftungen im Bereich Wissenschaft soll ein Beitrag dazu geleistet werden, unternehmensnahe Stiftungen besser und differenzierter zu beurteilen. Schlüsselwörter: Stiftungen, Wissenschaft, Politikberatung, Think-Tanks Abstract Corporate foundations between public and private interest - An Exploration in the scientific field Through corporate foundations, businesses and entrepreneurs give something back to the community and contribute to the common good of society. These ideas are often presented in debates dealing with corporate foundations that are doing charity work. Others point out that these foundations are not only intransparent and elitist institutions but also affected by corporate interests. From a political science perspective, it is difficult to judge which position holds true, as empirical studies on corporate foundations in Germany are absent. Among other things, this is due to the lack of consistent data on corporate foundations. Although they enjoy indirect tax concessions and effect public interests, foundations in Germany are not obliged to be transparent by law. As transparency amongst corporate foundations is absent and a clear definition of what qualities characterize corporate foundations is not given, it remains unclear which foundations are actually close to business and if they indeed work for the overall community. Taking a comparative approach, this study sets out to analyse foundations having close ties to businesses, which are active in the scientific field in Germany. In doing so, the study hopes to establish a more differentiated view on corporate foundations. Keywords: Corporate Foundations, Science, Political Consulting, Think Tanks Inhalt 1. Einleitung ........................................................................................................................................................1 2. Forschungsstand zu unternehmensnahen (Wissenschafts-)Stiftungen: Eine kritische Bestandsaufnahme im Hinblick auf das Spannungsverhältnis Gemeinwohl und Partikularinteressen ...............................................................................................6 3. 2.1 Unternehmensnahe Stiftungen und partikulare Interessen ...........................................6 2.2 Politischer Einfluss und institutionelle Strukturen ........................................................ 15 2.3 Transparenzstandards .................................................................................................................. 18 Exploration: Unternehmensnahe Stiftungen mit dem Stiftungszweck „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ ............................................................................. 21 3.1 Typen und Erscheinungsformen unternehmensnaher Stiftungen ........................... 21 3.1.1 Analyse ……………. ............................................................................................................................. 21 3.1.2 Zu unserem Sample: methodische Fragen .......................................................................... 23 3.1.3 Zwischenfazit: Existierende Typologie muss erweitert werden ................................ 38 3.2 Analyse von „klassischen“ unternehmensnahen Stiftungen mit dem Stiftungszweck Förderung von Wissenschaft und Forschung ..................................... 39 3.2.1 Stiftungsgremien und ihre personelle Besetzung ........................................................... 40 3.2.1.1 Analyse .............................................................................................................................. 40 3.2.1.2 Zwischenfazit: Unternehmensnahe und elitäre Besetzung von Stiftungsgremien sind keine Ausnahme ............................................................. 53 3.2.2 Stiftungstätigkeiten im Bereich Wissenschaft und wissenschaftsnaher Politikberatung .................................................................................... 56 3.2.2.1 Analyse .............................................................................................................................. 56 3.2.2.2 Zwischenfazit: Umfangreiche Möglichkeiten zur Realisierung von Partikularinteressen ........................................................................................... 74 3.2.3 Der Umgang mit Transparenz .................................................................................................. 76 3.2.3.1 Analyse.............................................................................................................................. 76 3.2.3.2 Zwischenfazit: Intransparenz ist vorherrschend…..……………………………………84 4. Fazit: Unternehmensnahe Stiftungen - Unterschätzter Einfluss und Zweifel am ausschließlich gemeinnützigen Charakter ..................................................................................... 85 Anhang: Tabellen ................................................................................................................................................. 89 Literatur ................................................................................................................................................................112 Internet-Quellen ................................................................................................................................................114 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Verfahren zur Stichprobengewinnung ....................................................................... 24 Verteilung der Typen unternehmensnaher Stiftungen im Sample ................ 26 Unternehmensträgerstiftung .......................................................................................... 27 Unternehmensbeteiligungsstiftung ............................................................................. 27 Unternehmensstiftung ...................................................................................................... 28 Unternehmer/innen-Stiftung ......................................................................................... 30 Unternehmensnahe Hybridformen .............................................................................. 32 Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung ............................................ 34 Akademische Titel der Mitglieder in Stiftungsgremien ....................................... 41 Beruflicher Hintergrund der Mitglieder in Stiftungsgremien .......................... 42 Personelle Verflechtungen unternehmensnaher Stiftungen und Unternehmen................................................................................................................ 48 Personalunionen höchster Stiftungs- und Unternehmensposten ................... 50 Personelle Verflechtungen zwischen Unternehmen und Stiftungen vom Typ „Unternehmensstiftung“ ................................................................................ 51 Vernetzung der Stiftungen durch Interlock-Positionen ...................................... 55 Überschneidung der Wissenschaftsförderung von Stiftungen und der Geschäftsfelder der verbundenen Unternehmen.................................................... 58 (Advokatorische) Politikberatung durch Stiftungen.............................................. 65 Transparenzmerkmale der Stiftungen und Förderungstypen ........................... 77 Angaben zum Stiftungsvermögen, Mittelherkunft und Mittelverwendung 81 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Überblick über Unternehmensbeteiligungsstiftungen ............................................. 28 Überblick über Unternehmensstiftungen....................................................................... 29 Überblick über Unternehmer/innen-Stiftungen ......................................................... 31 Unternehmensnahe Hybridformen: Stiftungen, die von Unternehmen, Unternehmensverbänden und/oder unternehmensnahen Stiftungen gegründet wurden .................................................................................................................... 33 Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung................................................. 35 Unternehmensnahe Stiftungen, fehlende Angaben zur Identifizierung von Stiftungstypen................................................................................................................... 37 Einschlägige Medienvertreter/innen ............................................................................... 43 Einschlägige Vertreter/innen aus der Wissenschaftsgemeinschaft .................... 45 Personalunionen in Stiftungsorganen ............................................................................. 52 Stiftungen mit nur einem Stiftungsorgan ..................................................................... 53 Vertreter aus dem höheren Management mit Sitz in der dazugehörigen Stiftung ......................................................................................................................................... 89 Überschneidung der Wissenschaftsförderung von Stiftungen und der Geschäftsfelder der verbundenen Unternehmen; Politikberatung durch Stiftungen .................................................................................................................................... 94 1. Einleitung Arbeiten unternehmensnahe Stiftungen gemeinwohlorientiert und werden sie deshalb zu Recht als gemeinnützig anerkannt und steuerlich begünstigt? Diese Frage wird in der jüngeren Zeit häufiger gestellt.1 Sie erlangt vor dem Hintergrund des Booms unternehmensnaher Stiftungen (vgl. Speth 2010, S. 392) zunehmende Relevanz: Denn mit deren steuerlichen Begünstigung entgeht dem öffentlichen Haushalt ein beträchtliches Steueraufkommen.2 Doch was bedeutet überhaupt „gemeinnützig“? Gesetzlich wird eine Einrichtung als gemeinnützig anerkannt, „wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. (…)“ (§ 52 Abgabenordnung/AO).3 Jedoch ist die Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts politisch umstritten: Erst vor Kurzem wurde dem Verein Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt.4 Es stellt sich in der Praxis also immer wieder die Frage, welche Maßstäbe angelegt werden, um einem Verein oder einer Organisation den Anspruch zu attestieren, im Interesse der Allgemeinheit zu wirken. Seit geraumer Zeit wird der Vorwurf laut, dass als gemeinnützig anerkannte Unternehmensstiftungen politische Interessen und Interessen der Eigentümer verfolgen. So hat im April 2016 die Fraktion der Piratenpartei im nordrheinwestfälischen Landtag eine große Anfrage „zu Aktivitäten und politischen Initiativen der Landesregierung im mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der Bertelsmann Stiftung (…)“ gestellt, weil die Stiftung und der Konzern „auf politische und gesellschaftliche Debatten und die öffentlichen Meinungsbildungen 1 2 3 4 Zuletzt mit einem Schwerpunktheft „Helfen hilft und tut gut?“ in der Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW, Erziehung und Wissenschaft, sowie in dem großen Artikel „Vom Profit der Philanthropie“ im Freitag (vgl. Erziehung und Wissenschaft 2016; der Freitag 2015). Wie hoch dieses entgangene Steueraufkommen ist, dazu liegen bisher keine Zahlen vor. Für einzelne Stiftungen, wie die Bertelsmann Stiftung, wird es in Milliardenhöhe geschätzt (vgl. Holland-Letz 2015, S. 22). Der vollständige Absatz 1 §52 AO lautet wie folgt: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nicht allein deswegen vor, weil eine Körperschaft ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt.“ (Vgl. unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html) Bereits 2014 wurde dem Verein der Gemeinnützigkeitsstatus entzogen und der erste Einspruch dagegen Anfang 2016 abgelehnt; im November 2016 wurde dem Verein schließlich der Gemeinnützigkeitsstatus zurückgegeben. Das Finanzamt Frankfurt hatte eine Zweckentfremdung aufgrund des Engagements für eine Finanztransaktionssteuer, die auf politische Einflussnahme ziele, gesehen. Der Verein argumentierte dagegen, dass alle Aktivitäten mit der Satzung im Einklang stehen, welche vom Finanzamt ursprünglich und nachfolgend wiederholt als gemeinnützig anerkannt wurde. Das hessische Finanzgericht gab Attac nun Recht. (Vgl. unter: www.attac.de/jetzt-erst-recht/, aber auch zur attac-kritischen und selbstkritischen Diskussion www.tagesspiegel.de/themen/agenda/gemeinnuetzigkeitsrecht-in-deutschland-atta-cke-aufattac-mit-politischem-motiv/10896830.html) 1 Einfluss durch Modellprojekte, Initiativen, Veranstaltungen und Publikationen sowie Partnerschaften mit anderen Stiftungen“ nähmen (vgl. Landtag NordrheinWestfalen, Große Anfrage 21 der Fraktion der Piratenpartei, 2016). War somit bei Attac nicht recht, was bei der Bertelsmann Stiftung billig ist? Oder müsste auch der Gemeinnützigkeitsstatus der Bertelsmann Stiftung infrage gestellt werden, wenn das bei Attac berechtigt ist? Die Diskussion über die Gemeinnützigkeit von unternehmensnahen Stiftungen wird unnötig eingeschränkt, wenn über einen ganz bestimmten (politisch kontroversen), möglicherweise aber eben auch kleinen Teil von Stiftungsarbeit diskutiert wird und das Gros der Stiftungsaktivitäten unbeachtet bleibt. Im Vergleich zur Arbeit der Bertelsmann Stiftung spielen deutlich erkennbare politische Zwecke bei der Arbeit vieler unternehmensnaher Stiftungen aber gar keine prominente Rolle. Kann deshalb bereits vermutet werden, dass die Arbeit tatsächlich im Interesse der Allgemeinheit erfolgt? Immer mehr unternehmensnahe Stiftungen arbeiten gemäß ihrer Satzungen offiziell anerkannt für das Gemeinwohl; ist dies aber auch tatsächlich der Fall? Genau das stellt der Journalist Matthias Holland-Letz in seinem Buch „Scheinheilige Stifter: Wie Reiche und Unternehmen durch gemeinnützige Stiftungen noch mächtiger werden“ infrage. Er trägt die Aktivitäten vieler privater und unternehmensnaher Stiftungen zusammen und zeigt auf, welchen Nutzen Unternehmen aus der Gründung und der Arbeit von Stiftungen ziehen können (vgl. Holland-Letz 2015). Die Recherchen von Holland-Letz verweisen darauf, dass die öffentliche Debatte und Erregung etwa über die Bertelsmann Stiftung eher wie eine Blendgranate und nicht wie ein Scheinwerfer wirken, wenn es um den gesamten Sektor der unternehmensnahen Stiftungen geht. In Anbetracht der wachsenden Zahl an unternehmensnahen Stiftungen ist ein genauerer Blick darauf, wie diese strukturiert sind, von wem sie geführt werden und ob und inwiefern sie im Sinne von öffentlichen bzw. Allgemeininteressen agieren, berechtigt. Denn viele segeln im Windschatten der allseits diskutierten Bertelsmann Stiftung: zum Beispiel die Deutsche Telekom Stiftung, die Robert Bosch Stiftung oder die Stiftung Mercator, um nur einige zu nennen. Ihr Stiftungskapital stammt aus einem Unternehmen (Deutsche Telekom Stiftung) bzw. aus Unternehmensbeteiligungen (Robert Bosch Stiftung) oder aus dem Privatvermögen eines/einer Unternehmers/in (Stiftung Mercator). Unternehmensnahe Stiftungen vergeben Stipendien, stiften Professuren, richten Studiengänge oder gleich ganze Hochschulen ein, sie beauftragen wissenschaftliche Studien und Forschungsprojekte, richten Kongresse, Workshops und Podien aus. Mit ihren Studien, Preisen und Fachtagungen können sie öffentliche Diskurse anstoßen und politischen Einfluss über Politikberatungsaktivitäten ausüben; mit ihrem Wirken in Forschung und Lehre prägen sie den Hochschulbereich.5 5 2 Das soziale Zusammenwirken von akademischen und nichtakademischen Akteuren, z.B. Universitätsinstituten und unternehmensnahen Stiftungen, bei der Herstellung von autoritativem, wissenschafts- oder gesellschaftspolitisch relevantem Wissen ist ein zentraler Gegenstand der Wissenschaftsforschung. Während manche Autoren in diesem Zusammenhang von Demokratisierung sprechen, thematisieren andere einseitigen, meist kommerziellen Einfluss und daraus resultierende Probleme politischer – oder kommerzialisierter – Technokratie. Zur These der Demokratisierung der Wissensproduktion vgl. Nowotny u.a. 2003. Kritisch demgegenüber: vgl. Pestre 2003; Mirowski 2010. Stiftungen fördern dabei stets „private Vision[en] der Gemeinwohlorientierung“ (Adloff 2010, S. 415) und befinden sich damit grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zwischen Partikular- und Gemeinwohlinteressen. Bei unternehmensnahen Stiftungen stellt sich dieses Spannungsverhältnis jedoch als besonders prägnant dar, denn diese Stiftungen sind eben (auf ganz unterschiedliche Art und Weise) mit einem (oder mehreren) Unternehmen verbunden. Trotz dieses offensichtlichen Spannungsverhältnisses ist in den letzten Jahren ein allgemeiner Stiftungsboom in Deutschland zu verzeichnen, bei dem gerade auch zahlreiche unternehmensnahe Stiftungen neu gegründet wurden, für die wiederum der Wissenschaftsbereich einen zentralen Förderbereich darstellt.6 Der Boom ist auch eine Folge einer zunehmend stiftungsfreundlichen Gesetzgebung, die Stiftungen in den Jahren 2000 und 2007 zum wiederholten Male steuerlich begünstigt und gegenüber anderen Non-Profit-Organisationen bevorzugt hat (vgl. Adloff 2010, S. 405). Der steuerlichen Begünstigung sollte ursprünglich auch eine Gesetzesänderung zur höheren Transparenz von Stiftungen folgen – bisher blieb diese jedoch aus. Resigniert stellt der Journalist Thomas Schuler fest: „Die Öffentlichkeit wartet bis heute darauf. Dabei war sie eigentlich eine Bedingung für die Steuererleichterungen“ (Schuler 2010, S. 245). Bis zum heutigen Tage fehlen daher basale Transparenzgrundlagen wie ein Stiftungsregister, das Auskunft über die als gemeinnützig anerkannten und deshalb steuerlich begünstigten Stiftungen gibt, die in Deutschland wirken. So erklärt es sich dann auch, dass es zum Stiftungsengagement im Wissenschaftsbereich bisher kaum (aktuelle) empirische Analysen gibt, obwohl in diesem Bereich besonders viele kapitalstarke unternehmensnahe Stiftungen wirken.7 Trotz der fehlenden gesetzlichen Transparenzstandards prüfte die Bundesregierung, wie im Armuts- und Reichtumsbericht von 2013 zu lesen ist, „wie weiteres persönliches und finanzielles freiwilliges Engagement Vermögender in Deutschland für das Gemeinwohl eingeworben werden kann“ (BMAS 2013, S. XLVIII). Dabei ging die Regierung von der Annahme aus, dass das Stiftungswesen „ein Bereich [sei], in dem das finanzielle und persönliche Engagement Vermögender das Wohl der Allgemeinheit steigert” (ebd., S. XLVI). Das Zitat aus dem Armutsund Reichtumsbericht verweist auf eine grundsätzlich positive Einschätzung von Stiftungsarbeit, die im öffentlichen wie fachlichen Diskurs vielfach zu finden ist. Oft wird die positive Sicht auf Stiftungen von der Argumentation begleitet, dass Stiftungen Bedarfe dezentral aufgreifen und innovative Impulse setzen könnten, 6 7 22 Prozent der unternehmensnahen Stiftungen geben als Hauptzweck „Wissenschaft und Forschung“ an (vgl. Junck 2007. S. 42). Eine noch nicht veröffentlichte empirische Studie zum Thema „Positionierung und Beitrag deutscher Stiftungen“ des Centrums für Soziale Investitionen und Innovationen untersucht, „[a]nhand der Wirkungsfelder Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, Soziales sowie Kunst und Kultur (…) wie deutsche Stiftungen arbeiten und was sie bewirken.“ (RuprechtCarls-Universität Heidelberg 2015) Die Studie hat allerdings keinen dezidierten Fokus auf unternehmensnahe Stiftungen. Zudem sei noch auf die Studie von Horst Hanke verwiesen, die allerdings aus dem Jahr 1971 ist (vgl. Hanke 1971). 3 was nicht zuletzt zur Pluralität in liberalen Demokratien beitrage.8 Allerdings gibt es mittlerweile auch Vorbehalte gegenüber dieser Position und die Einsicht, dass das „Engagement Vermögender“ nicht nur mit Altruismus, sondern auch mit Eigennutz verbunden ist – zum Beispiel, wenn die Entscheidung des USamerikanischen Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, 99 Prozent der FacebookAktien (45 Mrd. Dollar) in eine Stiftung zu transferieren, auf mögliche dahinterstehende eigennützige Motive hinterfragt wird (vgl. u.a. Süddeutsche Zeitung, 20.01.2016). Inwieweit die positive Einschätzung von Stiftungshandeln als innovative Impulsgeber tatsächlich zutrifft, lässt sich unterdessen kaum ernsthaft beurteilen – zumindest nicht auf Basis empirischer Befunde: Aufgrund der mangelnden Transparenz fehlt es an Daten im Stiftungsbereich, auf die sich die sowieso schon eher rudimentäre (und zudem meist stiftungsfinanzierte) Forschung beziehen kann. Adloff merkt dazu bereits 2010 an, man habe in Deutschland „per se Stiftungen in den letzten zehn Jahren eine Legitimität und damit auch spezifische Funktionen und Leistungen für die Gesellschaft unterstellt, die niemals einem kritischen und empirischen Test unterzogen wurden“ (Adloff 2010, S. 417). Gleichzeitig ist offensichtlich, dass punktuelle Innovationen etwa im Gesundheits- oder Bildungssystem erst dann wirksam werden, wenn sie für die breite Bevölkerung zugänglich sind. Echter Erfolg verlangt demnach nach politischem Einfluss, der aber außerhalb des Mandats der gemeinnützigen Organisation steht. Ein Widerspruch, der viele Organisationen plagt. Während in den USA die Funktion von Stiftungen und die Legitimität ihrer politischen Lobbyarbeit in der akademischen und in der breiteren Öffentlichkeit schon länger kontrovers diskutiert wird, ist dies in Deutschland bisher nicht der Fall (vgl. ebd.). In Hinblick auf die Arbeit von unternehmensnahen Stiftungen ist grundsätzlich zu bemängeln, dass diese (wie auch die Stiftungen selbst) bislang kaum wissenschaftlich systematisch untersucht und bewertet werden. Wir nehmen diesen Befund zum Anlass für eine explorative Analyse einer größeren Zahl von unternehmensnahen Stiftungen. Auch dieses Diskussionspapier kann die Forschungslücke keineswegs schließen. Wir wollen aber zum einen auf eklatante Defizite in der Quellenlage und der Forschung zu unternehmensnahen Stiftungen aufmerksam machen. Zum anderen wollen wir erste Vorschläge liefern, wie die Frage nach Strukturmerkmalen und Aktivitäten von Stiftungen angegangen werden kann: mit Fokus auf die unverkennbare Überschneidung von Gemeinwohl- und Partikularinteressen. Die Analyse von wissenschaftsnahen Aktivitäten kann im Hinblick auf das Spannungsfeld von partikularen (Unternehmens-) und allgemeinen Interessen zudem als besonders aufschlussreich gelten, weil es etwa gegenüber den 8 4 Die Studie “European Foundations for Research and Innovation“ (EUFORI), die das Center for Philanthropic Studies für die Europäische Kommission erstellt hat, hebt diese Eigenschaft explizit für Wissenschaftsstiftungen hervor: „(…) It is in this context, that foundations make their truly distinct contribution to society: pluralism. By promoting diversity in thought, approaches and practice they enable innovations and secure the problem-solving capacity of society. The argument applies also for foundations that are active in the field of research and innovation. These fields compromise high risks and low pay-off undertakings that other potential funders or research institutions may not be willing to take on.” (Vgl. European Commission 2015a, S. 27) Stiftungszwecken Sport und Kultur viele Überschneidungen von Geschäftsgebieten der Unternehmen und den Forschungs- und Themenfeldern der Stiftungen gibt. Diese Überschneidungen wären u.E. bei einer Gesamtbewertung der Aktivitäten von unternehmensnahen Stiftungen zu berücksichtigen und auch unter wissenschaftspolitischen Gesichtspunkten zu bewerten. Um im Rahmen einer begrenzten Exploration dem Stiftungswirken nachzugehen, eignet sich das Feld der Wissenschaftsförderung demnach aufgrund seiner unternehmens- und gesellschaftspolitischen Relevanz. Inwiefern kann und muss für unternehmensnahe Stiftungen, die diesen Stiftungszweck haben und in Deutschland agieren, von einer Überschneidung von Geschäfts- und Stiftungsinteressen gesprochen werden? Wo gerät der gemeinnützige Zweck der Wissenschaftsförderung zum Eigennutz? Wie stellt sich der Zusammenhang dar, wenn nicht eine einzelne Stiftung, sondern eine größere Zahl von finanzstarken unternehmensnahen Stiftungen untersucht wird? Vor dem Hintergrund, dass im politischen und wissenschaftlichen Diskurs eine noch weitreichendere steuerliche Begünstigung von Stiftungen diskutiert wird, halten wir darüber hinaus weitere allgemeine und vertiefende Fragen für relevant: Welche Formen von unternehmensnahen Stiftungen gibt es überhaupt? Von welchen Personen werden diese Stiftungen geführt, wie sind ihre Gremien besetzt? Welche Aktivitäten verfolgen die Stiftungen im Bereich Wissenschaft und Forschung? Welche Überschneidungen weisen die wissenschaftlichen Stiftungsaktivitäten mit den Geschäftsfeldern der Unternehmen auf? Welche unternehmensnahen Stiftungen praktizieren Formen der Politikberatung, die sie u.a. mit dem Stiftungszweck der Förderung von Wissenschaft und Forschung legitimieren können? Und schließlich: Welche Transparenzstandards gibt es und wie transparent sind diesen zufolge unternehmensnahe Stiftungen? Um diesen Fragen nachzugehen werden in der nachfolgenden Explorationsstudie9 drei Untersuchungsschritte durchgeführt: Zunächst wird der bisherige sozialwissenschaftliche Forschungsstand zu dem Spannungsverhältnis von Partikular- und Gemeinwohlinteressen skizziert, in dem sich unternehmensnahe (wie zum Teil auch andere) Stiftungen befinden (Kapitel 2). Hierbei werden besonders die Aktivitäten im Wissenschaftsbereich berücksichtigt. Eine kritische Bestandsaufnahme des Forschungsstandes macht deutlich, dass als gemeinnützig anerkannte Stiftungen unternehmensfern, demokratisch strukturiert und transparent sein sollten, dies aber oftmals bezweifelt werden muss. Im Rahmen einer empirischen Analyse wollen wir deshalb diese drei Merkmale näher betrachten (Kapitel 3). 9 Die Studie ist aus einem dreimonatigen Forschungsprojekt im Sommer 2015 entstanden, das von der Hans-Böckler-Stiftung im Rahmen einer Praktikums-Kofinanzierung unterstützt wurde. Die zugrunde gelegten Daten und Informationen wurden, sofern nicht anders ausgewiesen, von August 2015 bis Oktober 2016 erhoben. Zur Durchführung haben wir auf Expertise im Stiftungs- und Wirtschaftsrecht zurückgegriffen, sind aber für weiterführende Hinweise, Ergänzungen und ggf. Korrekturen besonders dankbar. Wir verstehen dieses Papier in erster Linie als eine Anregung für eine stärkere (politik)wissenschaftliche und öffentliche Diskussion über Stiftungen. An dieser Stelle bedanken wir uns besonders beim Maecenata Institut, das so freundlich war, uns einen umfangreichen Stiftungsdatensatz bereitzustellen. 5 Dazu analysieren wir zunächst, welche unternehmensnahen Stiftungstypen sich in unserer Stichprobe finden lassen (Kapitel 3.1). Dies ist wichtig zu klären, da sich mit unterschiedlichen Stiftungskonstruktionen unterschiedliche Interessen realisieren lassen. Zudem wird deutlich, dass es weitaus mehr unternehmensnahe Stiftungen gibt als zunächst angenommen. Des Weiteren interessiert uns, welche Stiftungsorgane unternehmensnahe Stiftungen haben und welche Entscheidungsträger/innen und Repräsentanten/innen in diesen Organen vertreten sind. Darauf folgt eine Analyse der Stiftungsaktivitäten im Wissenschaftsbereich (3.2) und der Erfüllung von Transparenzkriterien (3.3). Im Fazit fassen wir die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf das Spannungsfeld von Gemeinnützigkeit und Partikularinteressen von unternehmensnahen Stiftungen zusammen, verweisen auf Forschungsdesiderate und bewerten die aktuelle politische Stiftungsdebatte. 2. Forschungsstand zu unternehmensnahen (Wissenschafts-) Stiftungen: Eine kritische Bestandsaufnahme im Hinblick auf das Spannungsverhältnis Gemeinwohl und Partikularinteressen10 2.1 Unternehmensnahe Stiftungen und partikulare Interessen Was ist eigentlich eine Stiftung? Dies ist nur scheinbar eine einfache Frage, auf die es leider auch keine einfache Antwort gibt. Allen Stiftungen ist zwar gemeinsam, dass sie über ein Stiftungskapital verfügen. Da aber das Label Stiftung „kein geschützter Rechtsbegriff des Handelsrechts“ (vgl. Wigand u.a. 2015, S. 22) ist, verbirgt sich dahinter ein Spektrum an höchst unterschiedlichen Rechtsformen, sei es die Stiftung des bürgerliches Rechts oder die GmbH oder der Verein.11 Stiftungen können also sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und im Prinzip ist jede einzelne Stiftung eine eigene Konstruktion, ein Hybrid. Neben den Rechtsformen können auch funktionale Stiftungsarten identifiziert werden: So gibt es unter anderem kirchliche, parteinahe oder eben unternehmensnahe Stiftungen – sie können in allen Rechtsformen organisiert werden sowie mit weiteren Stiftungen und GmbHs verbunden sein. Betrachtet man diese hier nur angedeutete Vielfalt an Stiftungen, so überrascht und irritiert es, dass in bestehenden Untersuchungen zu Stiftungen oftmals 10 11 6 Dieses Kapitel wurde von Anja Hirsch verfasst. Vergleiche ausführlich das Kapitel “Stiftungsrecht”, in: Strachwitz/Mercker 2005. Der Jurist Peter Lex führt dazu aus: „Grundzüge des Stiftungsrechts ausfindig zu machen, ist ein schwieriges Unterfangen. Wer unter Stiftungsrecht die Rechtsmaterie versteht, die sich auf Stiftungen bezieht, wird an jeder Ecke unseres Rechtssystems fündig. Bundesrecht und Landesrecht, Verfassungsrecht, privates und öffentliches Recht, Kirchenrecht und Steuerrecht begleiten die Stiftungen von ihrer Errichtung bis zu ihrer Aufhebung.“ (Lex 2005, S. 205) nur allgemein und wenig differenziert von „Stiftungen“ gesprochen wird.12 Die Vielfalt an Stiftungen - und somit auch unternehmensnahe Stiftungstypen - werden überdeckt von einer Zahl: 95 Prozent. So hoch ist der Anteil der Stiftungen, die in Deutschland als gemeinnützig anerkannt sind (vgl. Hartmann 2005, S. 381). Doch die Gemeinnützigkeit ist eine steuerrechtliche Kategorie, die nichts über die gesellschaftliche und politische Funktion von Stiftungen aussagt.13 Genau diese aber interessiert aus politikwissenschaftlicher Perspektive, in der Akteure und ihre Rolle im politischen Prozess analysiert werden. Im Hinblick auf die Frage „who or what makes things happen or prevents things from happening“ (Roelofs 2015, S. 657) scheinen Politikwissenschaftler/innen Stiftungen nur wenig Relevanz zuzuschreiben – in Deutschland u.E. noch weniger als in den USA.14 In den Vereinigten Staaten wurde und wird z.B. anhand der Arbeit der Rockefeller Foundation, Ford Foundation oder Carnegie Foundation bzw. in jüngerer Zeit auch am Beispiel der Stiftungen der Koch-Brüder (vgl. Mayer 2016) und der Gates Foundation (siehe McGoey 2015) die Arbeit der „corporate foundations“ kritisch untersucht. Dabei besteht kaum ein Zweifel am Erfolg großer US-Stiftungen, innen- wie außenpolitisch gezielt zu wirken und partikulare Interessen geschickt als Gemeinwohlinteressen zu verallgemeinern (vgl. Roelofs 2003; dies. 2015; Arnove 1980; ders./Pinede 2007). Demgegenüber gibt es in Deutschland bislang nur vereinzelte Studien zum Wirken von unternehmensnahen Stiftungen: In die Kritik gerieten sie zum Beispiel aufgrund einer marktliberal-ideologischen Ausrichtung politischer und ökonomischer Bildungsangebote, die von unternehmensnahen Stiftungen ko-finanziert werden (vgl. Wolf 2010; Möller/Hedtke 2015) oder, wie eingangs erwähnt, aufgrund des Wirkens der Bertelsmann Stiftung als politischer Think-Tank (vgl. Wernicke/Bultmann 2010). Zuletzt veröffentlichte Holland-Letz (2015) eine kleine Studie mit Beispielen zur Überschneidung von Geschäftsinteressen und Stiftungsarbeit, etwa bei der Finanzierung der Logistikforschung und – ausbildung der Kühne-Stiftung (siehe Holland-Letz 2015, S. 54ff.). Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß hat die „Vernetzung von Industrie und Forschung in der deutschen Wissenschaft“15 untersucht und erwähnt, „dass sich viele Stiftungen als unabhängig deklarieren, in Wirklichkeit jedoch industrienahe Partikularinteressen vertreten“ (Kreiß 2015, S. 178-179). Schaut man sich die Leitbilder von gemeinnützig anerkannten, unternehmensnahen Stiftungen an, verstehen sich diese als Teil der Zivilgesellschaft und tatsächlich in der Regel als unabhängige, überparteiische oder sogar als „weltanschaulich neutrale“ Akteure.16 Die empirische Forschungsliteratur in den USA, die 12 13 14 15 16 Zum Beispiel nennt die europäische Studie über „European Foundations for Research and Innovation“ eine solche Differenzierung zwar, benutzt sie aber kaum als Analysekategorie (vgl. European Commission 2015a). So betont Hanke: „Aus dieser juristischen Zweckbestimmung läßt sich weder der wirtschaftliche noch der politische Inhalt der Stiftungen ersehen.“ (Hanke 1971, S. 5) Roelofs stellt für die USA fest, dass corporate foundations ein von Politikwissenschaftlern/innen zu wenig beachteter Forschungsgegenstand seien (vgl. Roelofs 2003, S. ix). Dieses Zitat wurde dem Bucheinband entnommen (vgl. Kreiß 2015). Beispielsweise schreibt die Körber Stiftung: „Die Körber-Stiftung ist politisch unabhängig und weltanschaulich neutral.“ (vgl. Körber Stiftung, Wir über uns, 15.10.2015) 7 sich mit der politischen Rolle von Stiftungen in liberalen Demokratien auseinandersetzt, bezieht sich deshalb auf die Kulturelle-Hegemonie-Theorie (vgl. u.a. Roelofs 2003), die ursprünglich auf Antonio Gramsci zurückgeht. Aus dieser Theorieperspektive werden scheinbar „neutrale“ zivilgesellschaftliche Akteure und ihre gemeinwohlorientierten Aktivitäten auf ihre Politizität und dahinter stehende partikulare Interessen befragt. Zivilgesellschaftliche Akteure sind nach Gramsci nicht per se etwas Gutes und Zivilgesellschaft wird hier auch keineswegs als herrschaftsfreier Raum verstanden – sondern als ein umkämpftes Feld, auf dem unterschiedlich starke Akteure um Konsens oder Widerspruch zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen ringen. Bei diesem „Ringen“ kommt dem Wissenschaftsbereich und seinen Akteuren eine zentrale Rolle zu, da zum Beispiel mit wissenschaftlichen Studien Deutungskonzepte für aktuelle gesellschaftliche Debatten bereitgestellt werden (vgl. Becker u.a. 2013, S. 69). Die These der politischen Funktion von unternehmensnahen Stiftungen belegt z.B. die detaillierte Untersuchung von Thomas Schuler über die Bertelsmann Stiftung (vgl. Schuler 2010): Die Stiftung nutzt den gemeinnützigen Satzungszweck „Förderung der Wissenschaft“ dazu, um Studien und Policy Papers zu gesellschaftspolitischen Themen zu erarbeiten und diese öffentlichkeitswirksam, z.B. über Podien, Fachkongresse oder Kampagnen, in die Diskussion einzubringen. Auch hat die Stiftung ein breites und hochkarätiges politisches Netzwerk aufgebaut, in dem zahlreiche Spitzenpolitiker/innen – bis zu Bundeskanzler/in oder Bundespräsidenten – zu finden sind. Schulers Analyse verweist zudem auf die politische Orientierung der Stiftung, die sich zum Beispiel im Rahmen der Hartz-IVReformen mit wissenschaftlichen Expertisen für den Rückbau des Sozialstaates einsetzte. Der Satzungszweck Wissenschaft ermöglicht es Stiftungen folglich, sich als Think-Tank zu profilieren und Politikberatung zu betreiben – steuerbegünstigt und damit subventioniert von Steuerzahler/innen, wie Kritiker/innen der Bertelsmann Stiftung seit Jahren bemängeln (vgl. Lindner 2015, zit. n. Schuler 2010, S. 268). Bei der Bertelsmann Stiftung wird bis heute auf den Nutzen der Stiftungsarbeit für den Bertelsmann-Konzern verwiesen (vgl. u.a. Füller 2016, S. 13ff.). Dabei ist hervorzuheben, dass die Stiftung ausschließlich operativ tätig ist, das heißt, keine Projekte anderer Institutionen oder Initiativen fördert; andere (unternehmensnahe) Stiftungen sind dagegen auch fördernd oder sogar ausschließlich fördernd tätig. Neben der politischen Funktion von unternehmensnahen Stiftungen verweisen amerikanische wie deutsche Autoren/innen auf deren ökonomische Funktion (vgl. Arnove 2007; Hanke 1971). Diese besteht vor allem in umfangreichen Steuererleichterungen: Je nach Stiftungskonstruktion werden Körperschafts-, Erbschafts-, oder Gewerbesteuern eingespart.17 Einige Stiftungen fungieren zudem als „konzerneigene Bank […]“ (Hanke 1971, S. 19), da mit der Stiftung Gewinne im Unternehmen gehalten werden können. Im Hinblick auf den Satzungszweck Förde17 8 Die Familie Bertelsmann hat 2009 geschätzte 4,62 Milliarden Euro Erbschaftssteuer „durch die Stiftungskonstruktion gespart“ (Schuler 2010, S. 223), auch bei der Gründung der Ford Foundation 1936 soll „die Vermeidung von der Erbschaftssteuern in Höhe von über 300 Millionen ausschlaggebend“ (Hanke 1971, S. 14) gewesen sein. rung von Wissenschaft und Forschung sind weitere ökonomische Funktionen zu ergänzen: die Ausbildung des eigenen betrieblichen Nachwuchses oder die Durchführung von Forschungsvorhaben, um neue Entwicklungen für das Unternehmen zu erfassen.18 Sowohl die politischen als auch die ökonomischen Funktionen von unternehmensnahen Stiftungen verweisen auf Partikularinteressen, die mit der Gründung einer als gemeinnützig anerkannten, unternehmensnahen Stiftung verknüpft werden können. Damit werden dem offiziellen gemeinnützigen Stiftungszweck entsprechende Aktivitäten keineswegs in Abrede gestellt, aber es erscheint dringend erforderlich, eine realistischere Analyse der Multifunktionalität von unternehmensnahen Stiftungen an die Stelle einseitiger Postulate im Sinne des Gemeinnutzens zu setzen. Bislang wird der mitunter sehr enge Zusammenhang von Stiftungen und Unternehmen kaum analysiert und insofern ist dieser Zusammenhang „empirisch kaum untersucht“ (Eulerich/Welge 2011. S. 9). Die Wirtschaftswissenschaftler Eulerich und Welge konstatieren in ihrer Studie über den Einfluss von Stiftungen auf Unternehmen großen Bedarf an Grundlagenforschung (vgl. ebd., S. 93ff.). Ein Resultat der fehlenden Grundlagenforschung ist der feststellbare Mangel an konzeptioneller und begrifflicher Klarheit. In der Fachliteratur gibt es keine einheitliche Verwendung von Begriffen: Zum Beispiel wird die Robert Bosch Stiftung in einer Studie des Bundesverbands Deutscher Stiftungen (BDS) als Unternehmensbeteiligungsstiftung, von dem Wirtschaftswissenschaftler Matthias Fifka als Beteiligungsträgerstiftung bezeichnet (vgl. Junck 2007, S. 14; Fifka 2011, S. 121). Angesichts der fehlenden Grundlagenforschung wundert es auch nicht, dass selbst der BDS als größte Interessenvertretung deutscher Stiftungen keine Angaben darüber machen kann, wie viele Stiftungen unter den Begriff „unternehmensnah“ fallen bzw. was eigentlich eine unternehmensnahe Stiftung ist. Zwar hat der BDS bereits im Jahr 2007 eine Studie zu unternehmensnahen Stiftungen beauftragt, in der nach Definition, Stiftungstypen und Anzahl von unternehmensnahen Stiftungen gefragt wird.19 Dazu wurde ein erster Datensatz zusammengestellt, in welchem drei Stiftungstypen (Unternehmensträger-, Unternehmensbeteiligungs- und Unternehmensstiftung) unterschieden wurden. Weil die Kategorie „unternehmensnah“ damals zu „unkonkret“ gefasst worden sei, stellt der BDS den Datensatz aber für weitere wissenschaftliche Analysen nicht zur Verfügung.20 Der Datensatz umfasst rund 1500 Stiftungen, wobei auch die rund 600 Sparkassenstiftungen aufgenommen wurden, die aber aus Sicht des BDS einen „Sonderfall“ darstellen.21 18 19 20 21 Darauf wies bereits Hankes Studie von 1971 hin (vgl. ebd., S. 50). Den Hinweis der Forschungsförderung bezieht Hanke z.B. auf die Carl-Zeiss-Stiftung (vgl. ebd., S. 31). Die Studie stellt damit einen Überblick über die zahlreichen Rechtsformen bereit, jedoch keine Analyse der Stiftungsstrukturen und –funktionen unternehmensnaher Stiftungen. Aufgrund der Schwierigkeit mit der Kategorie „unternehmensnah“ werde auch die Studie nicht mehr öffentlich vertrieben bzw. stehe nirgends zum Download bereit. (Die Aussagen sind einem Gespräch mit einer BDS-Mitarbeiterin im August 2015 entnommen.) Junck 2007, S. 32. Die 600 Sparkassenstiftungen gehörten zu „den fünf kapitalstärksten Unternehmensstiftungen Deutschlands“ (ebd.), würde man von ihrem Gesamtvermögen i.H.v. 1,3 Mrd. 9 Die Mängel bei der Definition und die unterschiedlichen Abgrenzungen zählen also zu den wichtigen Gründen, warum es bis heute keinen Datensatz zu unternehmensnahen Stiftungen in Deutschland und keine (darauf aufbauende) empirische Forschung gibt. Folglich besteht die erste Herausforderung zur Exploration des Themas „unternehmensnahe Stiftungsarbeit im Bereich Wissenschaft“ darin, einen Datensatz mit unternehmensnahen Stiftungen zusammenzustellen, die in diesem Bereich als relevante Akteure gelten können, um die bisherigen Arbeiten in Bezug auf Definitionen und Klassifikationen zu prüfen. Dabei sind eine Präzision der Definition des Begriffs „unternehmensnahe Stiftung“ und ggf. eine sachdienliche Erweiterung der existierenden Klassifikationssysteme anzustreben. Während in Bezug auf die US-Fachliteratur schon mehrfach der Begriff „corporate foundation“ gebraucht wurde, ist in dieser Studie in Bezug auf Deutschland nicht von „Unternehmensstiftungen“ oder „unternehmensverbundenen Stiftungen“ die Rede. Denn diese stellen u.E. nur bestimmte Typen dar, die wir (neben anderen unternehmensnahen Stiftungsformen) unter dem Oberbegriff ‚unternehmensnahe Stiftungen‘ zusammenfassen. Wir lehnen uns dabei begrifflich an die Typologie unternehmensnaher Stiftungen aus der BDS-Studie an, gehen jedoch - wie wir im Folgenden begründen werden - über diese hinaus. Die Autorin Sibylle Junck unterscheidet drei Typen; sie stützt sich dabei auf die bestehende Fachliteratur und verschiedene (meist vom BDS initiierte) Fachtagungen, die rund um das Thema „Stiftung und Unternehmen“ stattfanden (vgl. Junck 2007, S. 9ff.): - Typ 1: die Unternehmensträgerstiftung, bei der die Stiftung selbst am Markt agiert, Unternehmens- und Stiftungszweck fallen bei diesen Stiftungen zusammen (vgl. ebd., S. 14); - Typ 2: die Unternehmensbeteiligungsstiftung, die Anteile am Unternehmen hält, bei der aber Stiftungs- und Unternehmenszweck getrennt sind (vgl. ebd.); - Typ 3: die Unternehmensstiftung (CSR-Stiftung), die ihr Vermögen vom Unternehmen erhält und in der Regel keine Unternehmensanteile besitzt, wie Junck ausführt (vgl. ebd.). Als „Unternehmensstiftung i.w.S.“ (Junck 2007, S. 14) versteht Junck zudem die Unternehmer/innen-Stiftung, bei der sich die Stiftung aus dem Vermögen eines/einer Unternehmers/in oder einer Unternehmensfamilie finanziert. Adloff weist darauf hin, dass es insbesondere in den 1990er Jahren im Kontext der Debatte um Corporate Social Responsibility („soziale Unternehmensverantwortung“) zu Neugründungen von Stiftungen kam (vgl. Adloff 2010, S. 375) und hebt in dem Zusammenhang das Ergebnis der BDS-Studie hervor, wonach 37 Prozent der vom BDS identifizierten 1500 unternehmensnahen Stiftungen „in den letzten zehn Jahren errichtet“ wurden (Junck 2007, S. 36). Forschung zu den verschiedenen unternehmensnahen Stiftungstypen wäre wichtig, da aus unterschiedlichen Stif- Euro ausgehen. Wir halten diese für einen relevanten Untersuchungsgegenstand, können ihn aber in dieser Exploration nicht näher erfassen. 10 tungstypen unterschiedliche Spannungsverhältnisse von Gemeinwohl- und Partikularinteressen resultieren; dies sei an einigen Beispielen erläuert: Die CSR-Stiftung, bei der die Stiftung ihr Vermögen vom Unternehmen erhält, erfüllt für das Unternehmen die Funktion, mit gemeinnützigen Aktivitäten die soziale Verantwortung des Unternehmens zu demonstrieren22 und ist dementsprechend in die Unternehmenskommunikation eingebunden (vgl. ebd., S. 14). Die Verknüpfung der unternehmerischen mit gemeinnützigen Interessen gehört somit zur offiziellen Funktion der Stiftung. Das Beispiel der CSR-Stiftungen verweist damit recht anschaulich auf die Notwendigkeit, den Einfluss von Unternehmen auf Stiftungen genauer zu untersuchen. Bisher liegt aber nur die Untersuchung von Eulerich und Welge zur umgekehrten Einflussnahme, nämlich von Stiftungen auf Unternehmen, vor (die dort untersuchten Stiftungen sind im Übrigen keine CSRStiftungen).23 Die enge Unternehmensverbundenheit von CSR-Stiftungen und das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis von Gemeinnützigkeits- und Partikularinteressen werden in der (deutschen) Forschungsliteratur bisher nur vereinzelt thematisiert.24 Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat 2010 zudem „Zehn Empfehlungen für gemeinnützige Unternehmensstiftungen“ verabschiedet. Diese Empfehlungen lassen jedoch viel Raum für Interpretation (z.B. wenn gefordert wird, eine Unternehmensstiftung solle „vom Stifterunternehmen möglichst unabhängig sein“ (BDS 02.05.2016)) und sie sind zudem nicht verpflichtend – auch nicht für die Stiftungen, die Mitglied im BDS sind. Der Konflikt von Gemeinnützigkeits- und Partikularinteressen ergibt sich jedoch nicht nur aus der ökonomischen Funktion von Unternehmensstiftungen - als einem speziellen Typ der unternehmensnahen Stiftung -, sondern dieser Konflikt ist auch bei anderen Stiftungstypen zu finden: zum Beispiel bei Unternehmensbeteiligungsstiftungen. Diese können, wie bereits erwähnt, als „konzerneigene Bank […]“ (Hanke 1971, S. 19) fungieren oder - wie Schuler zuspitzt - als „Sparbüchse“ (vgl. Schuler 2010, S. 279), da mit ihnen Gewinne im Unternehmen gehalten werden können. Diese Tatsache sorgte in den USA für Stiftungsreformen, die Stiftungen „nur noch“ 20 Prozent Anteile an einem Unternehmen erlauben. In Deutschland gibt es demgegenüber bisher keine Beschränkungen. Darüber brachte die Politikwissenschaftlerin Annette Zimmer im Kontext der Debatte um eine Reformierung der Stiftungsgesetzgebung ihre Verwunderung zum Ausdruck: 22 23 24 Junck schreibt dazu: „Errichtet ein Unternehmen eine gemeinnützige CSR-Stiftung, zeigt es öffentlich, dass ihm gesellschaftliche Verantwortung wichtig ist.“ (Ebd., S. 27) Vgl. Eulerich/Welge 2011. Zudem ist soeben von Eulerich erschienen: Eulerich, Marc, Stiftungsverbundene Unternehmen in Deutschland. Grundlagen, Ziele, Ausgestaltung, Berlin 2016. So hat beispielsweise Jörg Ultsch untersucht, wie die zehn Empfehlungen des BDS für gemeinnützige Stiftungen von Unternehmensstiftungen eingeschätzt werden (vgl. Ultsch 2011). Zu CSRAktivitäten (in Deutschland) allgemein gibt es bisher kaum sozialwissenschaftliche Analysen: 2011 legte Fifka eine erste Bestandsaufnahme über Corporate Citizenship vor (vgl. Fifka 2011). Auch gibt es Handbücher, die jedoch eher praxisorientiert sind und sich an potentielle Stiftungsgründer/Unternehmen richten oder Sammelbände, die in denen kaum politikwissenschaftliche Analysen zu finden sind (vgl. u.a. Backhaus-Maul et al. 2008; Schneider/Schmidpeter 2015; Hardtke/Kleinfeld 2010). 11 „Wir sind eines der wenigen Länder, wo es möglich ist, dass Unternehmen und Stiftungen in der Weise verkoppelt sind, wie es zum Beispiel bei der Bosch Stiftung oder bei der Bertelsmann Stiftung der Fall ist. In den USA ist das verboten, und ich glaube, es gibt auch gute Gründe, dass man diese beiden Bereiche trennt. (…)“ (Zimmer, zit.n. Schuler 2010, S. 243) Ein Vorschlag für eine Stiftungsreform sah 1997 den Grundsatz vor, dass Stiftungen keine Zwecke verfolgen dürften, die „auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind“.25 Gegen die Reformvorschläge setzten sich die Bertelsmann Stiftung und auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen als Interessenvertretung deutscher Stiftungen erfolgreich zur Wehr: Die Reform verschwand von der politischen Agenda.26 Das damals verhandelte Argument, dass Stiftungen keine Geschäftsinteressen verfolgen sollten, wirkt vor dem heutigen Boom und zum Beispiel der steuerlichen Begünstigung von CSR-Stiftungen fast schon antik. Denn CSR-Stiftungen sind als Botschafter für ihre Unternehmen – hochoffiziell und für jeden auf Anhieb ersichtlich – mit den Geschäftsinteressen ihrer Eigentümer verbunden. Es wird bei der Durchsicht der bestehenden Forschungsliteratur schnell deutlich, dass mit Stiftungsgründungen Eigeninteressen verfolgt werden, die Zweifel an der ausschließlichen Gemeinnützigkeit von Stiftungen nähren. Dies wird aber meist nur an Einzelfällen wie der Bertelsmann Stiftung gezeigt. Ist die Bertelsmann Stiftung aber vielleicht nur ein „schwarzes Schaf“? Oder werden Stiftungen und der Stiftungszweck „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ von einer größeren Zahl von unternehmensnahen Stiftungen zur erweiterten politischen Einflussnahme genutzt? Nach unserem Kenntnisstand gibt es bisher keine Studie, die das Wirken unternehmensnaher Stiftungen in Deutschland in einem bestimmten Bereich, Themen- oder Politikfeld untersucht, also auch nicht im Bereich Wissenschaft(spolitik). In einer solchen Studie kann und muss dabei neben den weiterhin unterstellten Gemeinnutzanliegen auch der grundsätzlichen Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten Unternehmen und Eigentümer haben, über Stiftungen weitere Interessen zu verfolgen. Die aktuelle Forschungsliteratur über in Deutschland agierende Wissenschaftsstiftungen (in der unternehmensnahe Stiftungen nicht gesondert betrachtet werden) ist leicht zu überblicken: Die internationale Studie „European Foundations for Research and Innovation (EUFORI)“ aus dem Jahr 2015 untersucht die Innovationsfähigkeit und Forschungsaktivitäten europäischer Stiftungen und hat auch einen Länderreport zu Deutschland erstellen lassen (vgl. European Commission 2015a, dies. 2015b). Die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse verweist auf die Relevanz des Wissenschaftsbereichs für Stiftungen: Er sei ein relativ neuer und sehr stark wachsender Bereich, in den Stiftungen investieren – traditi25 26 12 Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Gerald Häfner, Albert Schmidt (Hitzhofen), Christine Scheel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Stiftungswesens (StiftFördG), Drucksache 13/9320, 01.12.97. S. 3. In diesem Zusammenhang verweist Schuler auch auf die starken Lobbyverbände im Stiftungsbereich (vgl. Schuler 2010, S. 233ff.). onell war das eher der soziale Bereich (vgl. ebd., S. 92). Im Jahr 2012 gaben Stiftungen mindestens 5 Milliarden Euro im Wissenschaftsbereich aus (vgl. ebd., S. 92ff.) Zudem wird deutlich, dass es eine starke Fragmentierung gibt: Nicht nur gesamteuropäisch, sondern auch in den einzelnen Ländern gibt es eine Kluft zwischen ressourcenstarken und -schwachen Stiftungen: „A few very large foundations in Europe are responsible for the largest share of the total expenditure on R&I [Research and Innovation; Anmerk. der Autoren/innen] in Europe“ (vgl. European Commission 2015a, S. 94). Da die Stiftungsformen in der Studie zwar eingangs kurz differenziert, dann aber weitgehend nicht gesondert analysiert werden, ist unklar, ob es sich bei den besonders kapitalstarken um unternehmensnahe Stiftungen handelt. Allerdings wird als ein Beispiel für die Dominanz in einem Land die unternehmensnahe Stiftung Wellcome Trust in Großbritannien genannt.27 Interessant ist der Befund, dass 18 Prozent der untersuchten Stiftungen von Unternehmen und 54 Prozent von Individuen/Familien gegründet wurden (vgl. European Commission 2015a, S. 10); bei letzteren wird aber nicht differenziert, inwiefern es sich hier um das Privatvermögen (zu dem ggf. Unternehmensanteile und Aktien gehören können) von Unternehmer/innen und Unternehmensfamilien handelt. Des Weiteren haben Donsbach und Brade 2013 „Forschungsfördernde Stiftungen in der Wahrnehmung ihrer Stakeholder“ (Donsbach/Brade 2013) erforscht, um zu prüfen, ob Stiftungen durch ihre Förderpolitik „eine wahrnehmbare und insgesamt wichtige Rolle einnehmen“ (ebd. S. 83). Dazu haben sie die Einschätzung der „wichtigsten Anspruchsgruppen“ der Stiftungen mittels einer Befragung erhoben und Presseartikel analysiert (vgl. ebd.). Drei ihrer vier Partnerstiftungen in der Studie sind unternehmensnahe Stiftungen (Fritz Thyssen Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator). In der Studie werden zwar explizite Fragen zur Wahrnehmung unternehmensnaher Stiftungen gestellt, aber auf die Strukturen und Funktionen unternehmensnaher Stiftungen gehen die Autoren/innen nicht ein. Als Ergebnis wird festgehalten, dass Stiftungen „nicht stark im Bewusstsein der Bevölkerung verankert“ (ebd.) seien. Speziell im Hinblick auf die Wahrnehmung unternehmensnaher Stiftungen wird zusammengefasst: „Stiftungen, die (zumindest vom Namen her) mit bedeutenden Unternehmen verbunden sind“ seien bekannter, jedoch gehe damit „auch die Vorstellung vieler Stakeholder [einher], dass die Unabhängigkeit der Stiftungsarbeit nicht immer gewährleistet ist. Besonders die beiden wichtigen Gruppen der Wissenschaftsgemeinschaft und der Journalisten haben hier Zweifel. Zu dem etwas diffusen und schillernden Bild, das die Menschen von Stiftungen haben, trugen sicher auch die nicht immer legalen Aktivitäten einiger weniger Stiftungen bei: Immerhin ein Drittel der Bürger denkt bei Stiftungen an ‚Steuersparmodelle‘.“ (ebd.) 27 Nach der hier angewandten Typologie ist der Wellcome Trust eine Unternehmer/innen-Stiftung (vgl. Kapitel 3.1); die Stiftung hält bis heute 3 Prozent an dem Pharmaziekonzern GlaxoSmithKline, in dem die Anteile des Pharmazie-Unternehmers Henry Wellcome aufgegangen sind (vgl. Wellcome Trust, 20.01.2016). 13 Die Autoren/innen ordnen diese Wahrnehmung als diffuses Bild ein und legen damit nahe, dass diese Wahrnehmung auf ein Wissensdefizit in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgehe (vgl. ebd.). Hier taucht somit explizit die These vom schwarzen Schaf auf, welches ein schlechtes Licht auf die Herde werfe. Ohne die eingehende Analyse der Aktivitäten der Stiftungen selbst genauer zu untersuchen, muss die Einschätzung der Autoren unterdessen als Meinungsäußerung gelten, nicht selbst schon als Beitrag zur Verringerung eklatanter Wissensdefizite. Der Studie von Donsbach/Brade zufolge, würden Stiftungen als Forschungsförderer von Wissenschaftsjournalisten/innen „deutlich negativer“ beurteilt als von den Wissenschaftlern/innen (ebd., S. 84). Dies spricht den Autor/innen zufolge „für eine Kommunikations-Offensive in Richtung Multiplikatoren“ (ebd.). Wissenschaftler/innen und Antragsteller/innen würden den Stiftungen insgesamt zugestehen, eine „‚relevante‘ und ‚weltanschaulich neutrale‘ Förderung“ zu betreiben. Im Vergleich zur DFG werde jedoch „ein manchmal zu enges Spektrum dessen, was sie fördern“ (ebd., S. 83) bemängelt. Als dritte aktuelle Quelle zum Wirken von Wissenschaftsstiftungen in Deutschland ist auf einen „Ratgeber für die Praxis“ zu verweisen, den der BDS 2013 unter dem Titel „Private Stiftungen als Partner der Wissenschaft“ (vgl. BDS 2013) herausgegeben hat. Die Beiträge sind überwiegend von Repräsentanten/innen unternehmensnaher Stiftungen verfasst; auch hier werden unternehmensnahe Stiftungen nicht als spezieller Stiftungstyp, der in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohl- und Partikularinteressen steht, thematisiert. Neben den genannten drei Beiträgen zu Wissenschaftsstiftungen gibt es zudem Fachliteratur, die sich diesen Stiftungen unter dem breiteren Stichwort „zivilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung“ widmet – so titelt ein Sammelband von Kocka und Stock (siehe Kocka/Stock 2011). Der Band konzentriert sich nicht nur auf Stiftungen (bzw. unternehmensnahe Stiftungen), erwähnt aber bereits im Vorwort den historisch schon lange anhaltenden Einfluss von „Wirtschaft oder durch einzelne Industrielle“ (ebd. S. 8). Der Sammelband entstand im Anschluss an eine Tagung, die „in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen“ (Stock 2011, S. 7) organisiert wurde; die Veranstalter der Tagung setzen sich für eine „Verstärkung der zivilgesellschaftlichen Wissenschaftsförderung“ (Kocka 2011a, S. 13) ein. In einigen Beiträgen werden Probleme im Stiftungssektor wie die fehlende Legitimität (vgl. Lingelbach 2011, S. 53), mangelnde Transparenz (vgl. Kocka 2011b, S. 201) oder die Verknüpfung von Geschäfts- und Stiftungsinteressen bei Unternehmensstiftungen benannt (ebd., S. 200; Ders./Krull/Markschies, S. 187, 189). Ausgestattet mit dem breiten Fokus auf „zvilgesellschaftliche Wissenschaftsförderung“ resümiert einer der beiden Herausgeber im Fazit dennoch, dass „an der grundsätzlich positiven Wirkung zivilgesellschaftlicher Wissenschaftsförderung kein […] Zweifel“28 bestehe. Die beiden genannten wissenschaftlichen Studien zu Wissenschaftsstiftungen, wie auch der genannte BDS-Ratgeber oder der Sammelband von Stock/Kocka lie28 14 Als Beleg führt Kocka die Aufsätze des Sammelbandes an (vgl. Kocka 2011b, S. 198). fern Anschauungsmaterial für das, was wir an der bestehenden Stiftungsforschung grundsätzlich problematisch finden: Erstens werden Entwicklungen im Stiftungswesen, die unter demokratischen Gesichtspunkten problematisch sind, - wenn überhaupt - nur kurz benannt, nicht aber eingehend und hinreichend kontrovers diskutiert. Stattdessen liegt oftmals der Schwerpunkt auf der Frage, wie eine umfangreichere, bessere und effizientere Stiftungsarbeit aussehen könnte (vgl. Donsbach/Brade 2013). So weist zwar auch EUFORI auf die elitäre Ausrichtung von Stiftungen und auf fehlende Stiftungsregister hin,29 empfiehlt aber dennoch, dass gesetzliche Barrieren für die Gründung von europäischen Forschungsstiftungen beseitigt und die steuerlichen Bedingungen verbessert werden müssen (vgl. ebd., S. 18). Stiftungsregister und Transparenzstandards werden somit nicht als Voraussetzung für solche Erleichterungen genannt, erscheinen vielmehr als fakultative Verzierung. Zweitens werden Forschungsprojekte zum Stiftungswirken oft von unternehmensnahen Stiftungen finanziert oder stammen aus einem stiftungsnahen Umfeld. So wurde der Länderbericht Deutschland für die EUFORI-Studie vom Centrum für Soziale Investitionen (CSI) erstellt, das unter anderem von der Robert Bosch Stiftung, der Fritz Thyssen Stiftung, der Deutschen Bank Stiftung und der HertieStiftung finanziert wird. Der Länderreport stützt sich bei der Frage nach „innovativen Beispielen“ wiederum auf Studien, die von unternehmensnahen und privaten Stiftungen (ko-)finanziert wurden (vgl. European Commission 2015b, S. 32). Als ein innovatives Beispiel für Stiftungstätigkeit im Forschungsbereich wird die Gründung innovativer Forschungseinrichtungen genannt, worunter das CSI selbst falle und sich als solches auch benennt (vgl. ebd., S. 36). Die stiftungsfinanzierte Stiftungsforschung verweist somit recht eindringlich auf Probleme mangelnder Distanz der Forschung zum Gegenstand sowie auf eine wenig pluralistische Landschaft der Stiftungsforschung: Philanthropie-kritische (notabene: nicht per se ablehnende) Positionen, die nicht a priori von der Legitimität von Stiftungen ausgehen, sind in der Forschung über Stiftungen (in Deutschland) bislang eher selten zu finden. 2.2 Politischer Einfluss und institutionelle Strukturen In der Stiftungsforschung wird oft betont, dass Stiftungen nicht sehr einflussreich seien – zu klein sei ihr Budget für strukturelle Reformen. So konstatiert der Germany Country Report der EUFORI-Studie: “Science foundations provide only about 1 % of public science funding” (ebd. S. 38). Auch Kocka befindet im Jahr 2011: „Hier und heute stehen wir nicht vor der Notwendigkeit, übermäßigen Einfluss nichtstaatlicher Akteure auf die Wissenschaft einzudämmen oder zu begren- 29 Vgl. European Commission 2015a, S. 119. So wird u.a. festgestellt: “Throughout history, foundations in Europe have been established primarily by members of the elite: by entrepreneurs, the nobility and members of the upper class.” Ebd. 15 zen; denn weder existiert solch übermäßiger Einfluss, noch droht er auf absehbare Zeit.” (Kocka 2011b, S. 201.) Diese Sicht (entweder auf Stiftungen im Allgemeinen oder eben auf nicht staatliche Akteure, von denen Stiftungen ein Teil sind) berücksichtigt jedoch nicht die hohe Konzentration an Stiftungskapital30 und die damit potentiell einhergehenden Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme. Der ausschließliche Fokus auf das Geldvermögen kann dazu führen, dass die Steuerungskapazitäten und der Einfluss von Stiftungen im Allgemeinen und von unternehmensnahen Stiftungen im Besonderen systematisch unterschätzt werden. So sind beispielsweise Agenda Setting und die Herausbildung von strategischen Koalitionen zur Durchsetzung von bestimmten Orientierungen nicht – zumindest aber nicht alleine – durch den Anteil der verfügbaren finanziellen Mittel in einem Arbeitsgebiet bestimmt.31 Bei der Frage, wie einflussreich unternehmensnahe Stiftungen sind, ist zudem zu beachten, dass diese als besondere Institutionen zu erachten sind. Denn sie vereinen meist alle komplementär wirkenden Kapitalformen (im Sinne Pierre Bordieus):32 Sie sind finanziell sehr gut ausgestattet und verfügen somit über ein hohes ökonomisches Kapital; sie können (über Stiftungsgremien, Veranstaltungen, Projektkooperationen usw.) ein hohes soziales Kapital, z.B. in Form von Netzwerken, sowie ein hohes kulturelles Kapital erlangen, z.B. Wissen darüber, welche Verhaltensregeln in einem sozialen Feld als anerkannt gelten. Aus diesen drei Kapitalien generiert sich (jeweils und besonders im Zusammenspiel) zudem ein hohes symbolisches Kapital, in Form von Reputation und gesellschaftlicher Anerkennung, das auch durch die anerkannte Gemeinnützigkeit und ggf. das Image einer Wissenschafts-, Bildungs- oder Kulturstiftung befördert wird. Schließlich können ressourcenstarke unternehmensnahe Stiftungen als „ein spezieller Ort der Vermittlung besagter Kapitalien an andere Akteure“ (Höhne 2012, S. 243) gelten. Ignoriert man das Zusammenspiel der Kapitalformen, das oftmals bei den ressourcenstarken unternehmensnahen Stiftungen anzutreffen ist, dann bleiben Machtpotentiale von Stiftungen unerkannt: zum Beispiel der Einfluss von Machteliten, die vielleicht nicht ein gesamtes Politikfeld dominieren, aber dafür in einem Teilbereich beträchtlichen Einfluss ausüben können. Auch der Germany Country Report der EUFORI-Studie weist darauf hin, dass es einige wenige große Stiftungen gibt, „which control the majority of the financial means of the sector. These big foundations can in fact influence a certain field of research by funding either a specialised infrastructure or individuals that fit into the foundations‘ focus programs.“ (European Commission 2015b, S. 37). Beispiele für die These liefert auch die Analyse von Thomas Schuler zur Rolle der Bertelsmann Stiftung, zum Beispiel in der Hochschulpolitik (vgl. Schuler 2010, 30 31 32 16 Vgl. European Commission (2015a), S. 94. Kreiß benennt zudem „subtile Formen der Einflussnahme“ durch Konzerne auf Hochschulen und Forschung, wozu er Stiftungsprofessuren zählt (vgl. ausführlich Kreiß 2015, S. 82-94). Darauf weist der Erziehungswissenschaftler Thomas Höhne hin (vgl. Höhne 2012, S. 247). S. 138ff.). Problematisch an solchem Einfluss ist, dass Stiftungen über keine - etwa den politischen Parteien oder anderen Mitgliederorganisationen vergleichbare demokratische Legitimation und Rückbindung verfügen. Wie in der Stiftungsfachliteratur regelmäßig festgestellt wird, sind Stiftungen nicht rechenschaftspflichtig gegenüber Mitgliedern, Wählern/innen oder Anteilseignern/innen – wie das zum Beispiel bei einem Verein, einer Partei oder einem Unternehmen der Fall ist.33 Hinzu kommt, dass die die bestehende Stiftungsforschung das Stiftungswesen als „Elitenphilanthropie“ (Adloff 2010, S. 405) beschreibt und die innere Organisation von Stiftungen insgesamt eher „vordemokratisch-dynastischen Entscheidungsstrukturen“ (Höhne 2012, S. 249) entspricht (was wiederum der Durchsetzung partikularer Interessen Vorschub leistet): „Der Stiftungssektor ist per Definition und Gesetz weitgehend undemokratisch, denn wie sonst soll man eine wohlhabende Elite beschreiben, die steuerfreie Dollars verwendet, um ihre Vision des öffentlichen Wohls geschehen zu lassen?“ (Prewitt 2011, S. 96, zit. n. Schuler 2010, S. 281). Anheier/Appel gehen bei Stiftungen von „engen Verbindungen zur politischen und gesellschaftlichen Elite“ (Anheier/Appel 2004, S. 10) aus und stellen fest, dass „(i)m Falle Großbritanniens und der USA (…) Stiftungen von der Elite des Landes nicht nur gegründet, sondern auch geführt und kontrolliert werden“ (ebd., S. 9). Umso mehr überrascht, wie wenig die elitäre Ausrichtung von Stiftungen in Deutschland zur Diskussion steht und Gegenstand einer empirischen Forschung ist, zum Beispiel mit Blick auf die Stiftungsorgane und Entscheidungsträger/innen. Ein Blick auf die institutionelle Binnenstruktur und Gremien von Stiftungen verrät, dass eine Stiftung nur ein einziges Organ besitzen muss: einen Vorstand, der laut Gesetz sogar nur aus einer Person bestehen muss (s. Wigand et al. 2015, S. 42). Der Vorstand wird manchmal auch als Stiftungsrat oder auch noch anderweitig bezeichnet, was die Transparenz nicht erhöht. Der Vorstand „entscheidet (…) alleine über die Geschäftsführungsmaßnahmen“ und „verfügt damit über einen großen Handlungsspielraum“ (ebd., S. 47). Die Geschäftsführung beinhaltet die „(…) Verwaltung des Stiftungsvermögens und die Verwirklichung der Stiftungszwecke im Rahmen der Stiftungssatzung durch die Erträge des Stiftungsvermögens“ (ebd., S. 47). Laut Gesetz darf also nur eine einzige Person über die Verwendung des Stiftungsbudgets bestimmen und ist gesetzlich nicht dazu verpflichtet, einem zweiten kontrollierenden Organ Rechenschaft abzulegen. Oftmals wird der Vorstand um ein zweites Organ, das Kuratorium, und ggf. um weitere Organe (z.B. einen Wissenschaftlichen Beirat) ergänzt. Diesen weiteren Organen wird in der Fachliteratur eine Kontrollfunktion zugesprochen, da sie unter anderem den Vorstand beraten, die Haushalts- und Wirtschaftsführung prüfen, den Vorstand be- und abrufen können (vgl. ebd., S 49). Von Kontrolle kann indes kaum die Rede sein. Wie die Organe ausgestaltet sind, wird von dem/ der Stifter/in festgelegt. Hinzu kommt, dass 33 Vgl. u.a. Anheier/Appel 2004, S. 13. Eine gewisse demokratische Rückbindung kann hergestellt werden, indem die Stiftung selbst als Verein organisiert wird oder sich erweiterte Mitbestimmungsstrukturen gibt. 17 - selbst wenn es ein Kuratorium gibt – dort auch Personen aus dem Stiftungsvorstand in Personalunion vertreten sein dürfen. In manchen Stiftungen fallen Stiftungsvorstand und Kuratorium in einem Organ zusammen (z.B. bei der Robert Bosch Stiftung oder der Haniel Stiftung). Aus Sicht des/der Stifters/in ergibt das (wie auch Personalunionen zwischen Vorstand und Kuratorium) Sinn, um sich und den Nachfolgenden Einfluss zu sichern. Aus demokratietheoretischen Überlegungen dagegen erscheint die fehlende öffentliche Kontrolle über das steuerlich begünstigte Vermögen, das zu gemeinnützigen Zwecken eingesetzt werden soll, problematisch. Die „Legitimationsprobleme“ von gemeinnützig anerkannten Stiftungen stellen sich jedoch „besonders deutlich“, wenn sie ihre Tätigkeiten „eng mit der Verfolgung kommerzieller Interessen ihnen nahestehender oder mit ihnen verknüpfter Wirtschaftsunternehmen verbinden (…); und (b) wenn Stiftungen ihren Verantwortungsbereich sehr politisch definieren und mit ihren teilweise erheblichen, demokratisch nicht kontrollierten Mitteln gezielt und praktisch (zum Beispiel in Form von Kampaganen und durch Einrichtung von aktivierender Infrastruktur) zugunsten bestimmter politischideologischer Optionen in den politischen Wettbewerb eintreten.“ (Kocka 2011b, S. 200) Diese zwei von Kocka genannten Punkte werden besonders für die Bertelsmann Stiftung diskutiert (vgl. ebd.), doch trifft dies auch auf andere unternehmensnahe Stiftungen zu? Um dieser Frage nachzugehen, werden wir bei der Analyse der Stiftungen in unserem Datensatz neben dem Fokus auf Stiftungsorgane (vgl. Kapitel 3.2.1) besonders auch die personellen und thematischen Überschneidungen zwischen Stiftungen und Unternehmen sowie Stiftungsaktivitäten im Bereich wissenschaftsnaher Politikberatung beleuchten (vgl. Kapitel 3.2.2). 2.3 Transparenzstandards „Es ist ja nicht immer klar, wie viel Stiftungen mit Unternehmen zu tun haben, die einen ähnlichen Namen tragen“ (Donsbach/Brade 2013, S. 31). Damit leiten Donsbach und Brade eine der Fragen ein, mit der sie die Wahrnehmung forschungsfördernder Stiftungen bei deren Stakeholdern erheben wollen. Doch warum ist das eigentlich „nicht immer klar“? Auf die Frage könnte man mit einem gängigen Bonmot über die mangelnden gesetzlichen Transparenzverpflichtungen von Stiftungen antworten: „Jeder Betreiber einer Würstelbude muss mehr offenlegen als eine Stiftung.“34 Jedoch lässt sich – im Gegensatz zur Würstelbude - ein essenzielles öffentliches Interesse an der Mittelherkunft und -verwendung von Stiftungen begründen, wie es auch gegenüber anderen gemeinwohlorientierten (oder auch öffentlich finanzierten) Institutionen formuliert wird (vgl. Schuler 2010, S. 17). Zum einen sind als gemeinnützig anerkannte Stiftungen in öffentlich relevanten 34 18 Dieser Vergleich kursiert unter Wirtschaftsprüfern/innen und Steuerberatern/innen (vgl. Schuler 2010, S. 218). Bereichen (wie in der Wissenschaft, im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich) aktiv und beeinflussen damit öffentliche Belange. Zum anderen sind Stiftungen aufgrund der steuerlichen Vergünstigungen als „öffentlich subventioniert“ (Adloff 2010, S. 415) zu betrachten. So hebt Adloff hervor, dass ein „Teil des sonst anfallenden Steueraufkommens der politischen Entscheidung entzogen wird. Stiftungen nehmen also Einfluss auf die öffentliche Ressourcenallokation und setzen eigene Förderschwerpunkte, die völlig abweichend von denen des Staates sein können“.35 Dass Stiftungen völlig andere Förderschwerpunkte als der Staat setzen, muss dabei keineswegs problematisch sein bzw. dies wird sogar oftmals als Chance gesehen. Jedoch könnte für Stiftungen dann trotzdem das gelten, was auch für öffentliche Einrichtungen (wie Bundesbehörden) gilt: das Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern/innen das Recht auf Akteneinsicht gewährt.36 Das Gesetz beinhaltet ein verbrieftes Recht für Bürger/innen, Unterlagen einsehen zu dürfen. Bei gemeinnützigen Stiftungen können Bürger/innen das nicht – obwohl sie ja dem Anspruch nach gemeinnützig sind und entsprechend nichts zu verbergen haben sollten. Wie die stiftungsabhängige „private Vision des Gemeinwohls“ (Adloff 2010, S. 415) aussieht, kann (zumindest ohne größeren Rechercheaufwand) momentan nur anhand der Materialien beurteilt werden, die Stiftungen im Rahmen ihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit bereitstellen. Dass dies unzureichend ist, zeigt Schuler an zahlreichen Beispielen (vgl. u.a. Schuler 2010, S. 75). Wie transparent sind Stiftungen also im Allgemeinen und unternehmensnahe Stiftungen im Besonderen? Nicht besonders und besonders wenig könnte die Antwort auf die Frage lauten, zumindest wenn wir den wenigen Untersuchungen Glauben schenken, die sich bislang um eine Antwort bemüht haben. So zeigt Schulers wissenschaftsjournalistische Analyse der Bertelsmann Stiftung beispielhaft die fehlenden Transparenzstandards im Stiftungssektor auf: Es verlangt umfangreiche Recherchearbeiten, wenn man sich für das Stiftungsvermögen, die Herkunft der Stiftungseinahmen und deren Verwendung interessiert. Doch trifft das nur auf die Bertelsmann Stiftung zu oder auf den Großteil der Stiftungen, die große Vermögen verwalten? Diese Frage ist kaum zu beantworten, weil als gemeinnützig anerkannte Stiftungen in Deutschland nicht dazu verpflichtet sind, ihre Satzung zu veröffentlichen, Rechenschaft über ihre Aktivitäten, ihr Stiftungsvermögen, ihr jährliches Stiftungsbudget, ihre Mittelherkunft und -verwendung abzulegen. Ein großes Transparenzdefizit ist dabei, dass es bis heute kein öffentlich gefördertes (und damit auch öffentlich zugängliches) Register gibt, das alle Stiftungen, die in Deutschland wirken, erfasst.37 Ein solches Register wurde u.a. in einem Gesetzent35 36 37 Ebd., S. 378. Adloff verweist hierbei auf Münkler (vgl. Münkler 2007, S. 205). Diesen Hinweis entnehmen wir der Analyse von Thomas Schuler (vgl. Schuler 2010, S. 17). Lobbyiert wurde das Informationsfreiheitsgesetz, das mittlerweile für Bundesbehörden, nicht aber für als gemeinnützig anerkannte Stiftungen gilt, ironischerweise von der Bertelsmann Stiftung. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen und das Maecenata Institut haben zwar ein Gesamtregister, jedoch muss man sich den Zugang käuflich erwerben. Auf den jeweiligen Webseiten wird 19 wurf aus dem Jahr 1997 vorgeschlagen, seine Notwendigkeit also auf politischer Ebene nun schon seit fast 20 Jahren erkannt. In den USA gibt es ein Stiftungsregister mit Informationen, die Stiftungen gegenüber der Steuerbehörde machen müssen, darunter auch die Gehälter hoher Stiftungsmitarbeiter/innen (Schnurbein et al. 2012, S. 14). Allerdings muss auch hier (ähnlich wie für vorhandene, nicht öffentlich finanzierte deutsche Stiftungsregister) der Zugang käuflich erworben werden. Obwohl in den letzten Jahren Stiftungen (und damit auch unternehmensnahe Stiftungen) in Deutschland steuerlich stark begünstigt wurden und dies in Zukunft noch stärker der Fall sein soll, wie es z.B. im Armuts- und Reichtumsbericht von politischer Seite angedeutet (vgl. BMAS 2013, S. XLVIII) oder in der EUFORI-Studie von wissenschaftlicher Seite gefordert wird (vgl. European Commission 2015a, S. 18), gibt es immer noch kein Stiftungsregister. In der Regel unterliegen Stiftungen der Stiftungsaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Diese überprüft jedoch nur, ob die Stiftungen in den angegebenen Stiftungszwecken engagiert sind. Sie ist eine rechtliche, keine inhaltliche Aufsicht: „Die Stiftungsaufsicht ist eine reine Rechtsaufsicht. Die Aufsichtsbehörde darf daher nicht an Stelle der Stiftungsorgane Entscheidungen treffen“ (Wiegand et al. 2015, S. 55). Des Weiteren diene die Aufsicht „dem Interesse des Stifters, nicht dem Interesse des Staates. Sie hat den Zweck, die Stiftung vor Schäden zu bewahren. Die Behörden prüfen, ob der Stifterwille verwirklicht wird und ob die Gesetze eingehalten werden“ (vgl. ebd.). Von daher werde der Stiftungsaufsicht zwar „eine Kontroll- und Überwachungsfunktion dahingehend zugesprochen, die Gemeinwohlverträglichkeit einer Stiftung zu überprüfen” (vgl. BDS, 21.01.2016). Doch da sich der Blick der Aufsicht nur auf die Stiftung, nicht aber auch auf die Unternehmen richtet, die mit der Stiftung (auf unterschiedliche Weise) verbunden sind, können Überschneidungen nicht in den Blick geraten (vgl. der Freitag 2015, S. 7). Etliche große Stiftungen sind zudem als GmbH organisiert, wie die Stiftung Mercator oder die Robert Bosch Stiftung, und unterliegen gar nicht der Stiftungsaufsicht. Zur Letztgenannten merkt der Stiftungsexperte Adloff an: „Bei der Robert Bosch Stiftung hat die Rechtsform dezidiert mit der Ablehnung der Stiftungsaufsicht zu tun. Sie geht auf den Willen Robert Boschs zurück, der keine staatliche Kontrolle wünschte und die Stiftungstätigkeit als Verlängerung der Unternehmensführung betrachtete.“ (Adloff 2010, S. 389) Eine höhere Transparenz wäre nicht nur wünschenswert im Hinblick auf das Argument der öffentlichen Kontrolle, sondern auch in Bezug darauf, dass erhobene Daten und gewonnene Erkenntnisse als öffentliches Gut und nicht nur „privatisiert“ den Stiftungen zur Verfügung stehen sollten. Denn die zunehmende steuerliche Begünstigung von gemeinnützigen Stiftungen bringt genau das mit sich: die Privatisierung von öffentlichen Gütern. Dies hat der Erziehungswissenschaftler Thomas Höhne am Beispiel eines Bildungsprojektes herausgearbeitet – wiederum für die Bertelsmann Stiftung, auf die sich das wissenschaftliche und öffentliche jeweils nur ein Teil der Stiftungen bzw. der Informationen angezeigt; nicht angezeigt wird z.B. die für die Öffentlichkeit relevante Information, wer die Stiftung gegründet hat. 20 Interesse zu fokussieren scheint. Bei dem Schulevaluationsprojekt „Selbstevaluation an Schulen (SEIS)“ wurde der Stiftung „mit der Erhebung, Auswertung und Rückspiegelung der Daten an Schulen und lokale Schulbehörden eine zentrale Aufgabe der Schulaufsicht übertragen“ und damit „staatliche Steuerungskompetenz ‚ausgelagert‘“ (Höhne 2012, S. 252). Über die sensiblen Schuldaten, die erhoben wurden, kann die Bertelsmann Stiftung auch nach Projektende frei verfügen und sie weiterverwenden (vgl. ebd., S. 252f.). Die Privatisierung, die Höhne anhand der Untersuchung eines speziellen Projekts beispielhaft problematisiert, wirft nicht nur Fragen für zahlreiche weitere Projekte der Bertelsmann Stiftung auf, sondern auch für alle anderen privaten und/oder unternehmensnahen Stiftungen, die im öffentlichen Bereich agieren. Über das, was Stiftungen „privat“ gehört, können sie frei verfügen. Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft - unterstützt vom BDS und anderen Trägern - hat 2010 minimale Transparenzstandards für gemeinnützige Organisationen entwickelt, denen sich Stiftungen freiwillig anschließen können. Zu den Kriterien gehören unter anderem die Veröffentlichung der Satzung, die Berichterstattung über die Tätigkeiten, Angaben zu Vermögen und zur Mittelverwendung und -herkunft (einschließlich Großspenden) sowie Name und Funktion von Entscheidungsträgern/innen (vgl. Transparency International Deutschland, 28.01.2016). Einige dieser Minimalstandards werden wir nachfolgend (in Kapitel 3.3) als Analyseraster für die explorative Untersuchung der Transparenz von unternehmensnahen Stiftungen verwenden, um einen ersten Aufschlag für eine empirische Forschung über das vermutlich nach wie vor erhebliche und weit verbreitete Transparenzdefizit von Stiftungen zu leisten. 3. Exploration: Unternehmensnahe Stiftungen mit dem Stiftungszweck „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ 3.1 Typen und Erscheinungsformen unternehmensnaher Stiftungen 3.1.1 Analyse Wie bereits in Kapitel 2.1 ausgeführt, ist in dieser Studie nicht von „Unternehmensstiftungen“ oder „unternehmensverbundenen Stiftungen“ die Rede, da diese u.E. nur bestimmte Typen darstellen, die wir (in Anlehnung an Junck 2007) unter dem Oberbegriff „unternehmensnahe Stiftungen“ zusammenfassen. Sibylle Junck (2007) unterscheidet drei Typen von unternehmensnahen Stiftungen (vgl. Junck 2007, S. 9ff.), die wir der Vollständigkeit halber hier noch einmal aufzählen: - Typ 1: die Unternehmensträgerstiftung, bei der die Stiftung selbst am Markt agiert, Unternehmens- und Stiftungszweck fallen bei diesen Stiftungen zusammen; 21 - Typ 2: die Unternehmensbeteiligungsstiftung, die Anteile am Unternehmen hält, bei der aber Stiftungs- und Unternehmenszweck getrennt sind; - Typ 3: die Unternehmensstiftung (CSR-Stiftung), die ihr Vermögen vom Unternehmen erhält und in der Regel keine Unternehmensanteile besitzt, wie Junck ausführt. In Ergänzung zu der Studie von Junck und in Orientierung an Adloff (vgl. Adloff 2010, S. 375) kann ein weiterer Typ ergänzt werden: - Typ 4: die Unternehmer/innen-Stiftung, bei der sich die Stiftung aus dem Vermögen eines/einer Unternehmers/in oder einer Unternehmensfamilie finanziert. Junck fasst diesen Stiftungstyp als „Unternehmensstiftung i.w.S.“ und subsumiert ihn unter Typ 3. Sie bezieht sich dabei auf „eine Diskussion über Begrifflichkeiten“ bei einer Tagung der Arbeitsgruppe Unternehmensverbundene Stiftungen im Jahr 2007. Dort sei es „Tenor“ gewesen, „sich an der Praxis zu orientieren und bei der Kategorisierung des Typs der Unternehmensstiftung (i.w.S.) als Kriterien die Person des Stifters und die Vermögensquelle zu berücksichtigen“.38 Wir behandeln also Unternehmer/innen-Stiftungen als eigenen Typ (bei uns: Typ 4), weil das Vermögen i.d.R. nicht direkt aus dem Unternehmen, sondern aus dem Privatvermögen von Unternehmer/innen stammt. Unseres Erachtens unterscheidet sich die Unternehmer/innen-Stiftung somit substanziell von dem Typ der Unternehmensstiftung, die direkt von einem Unternehmen eingerichtet wird. Stifter/innen, die ein Privatvermögen in eine Stiftung geben, mögen ihr Stiftungsengagement nicht selten als eine rein „private“ Angelegenheit betrachten - und nicht als etwas, das im Zusammenhang mit ihren aktuellen oder ehemaligen unternehmerischen Tätigkeiten steht. Jedoch ist aufgrund fehlender Transparenzstandards oft nicht bekannt, wie sich das Vermögen dieser Stiftungen genau zusammensetzt; in der Regel gehören Aktien und Unternehmensbeteiligungen zu dem privaten Vermögen von Unternehmer/innen und damit auch zum Stiftungsvermögen. Dies wiederum deutet u.E. auf eine Merkmalsüberschneidung mit Unternehmensbeteiligungsstiftungen – als einem eindeutig unternehmensnahen Stiftungstypen - hin. Aus diesem Grund führen wir die Unternehmer/innenStiftung im Folgenden als unternehmensnahe Stiftung. Zudem gehen wir von der Annahme aus, dass solche Stiftungen – aufgrund eines oder einer Stifters/in mit Unternehmensvergangenheit – Eigentümer/innen-Interessen nahestehen (die nicht automatisch mit Gemeinwohlinteressen gleichzusetzen sind) und eine weltanschauliche Nähe zu unternehmerischen Prinzipien haben (wie Wettbewerb, Eigentumsrechte, Selbstverantwortung etc.). 38 22 Ebd., S. 13. Junck führt einerseits aus, dass die „Unternehmer-Stiftung“ zur „Unternehmensstiftung i.w.S.“ gehört, andererseits steht bei der darauffolgenden Beschreibung nur noch die „Unternehmensstiftung (CSR-Stiftung)“ im Titel (vgl. Junck 2007, S. 14). Es scheint somit, als bedürfe es keiner näheren Betrachtung der „Unternehmer-Stiftung“. Unterschiedliche Stiftungstypen können unterschiedliche politische und ökonomische Funktionen haben (vgl. Kapitel 2.1). In unserer Untersuchung werden wir nachfolgend zeigen, dass die sorgfältigere Unterscheidung von Stiftungstypen aber auch noch aus einem zweiten Grund wichtig ist: nämlich um überhaupt eine Unternehmensnähe zu identifizieren und zu benennen. Wenn keine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Stiftungstypen erfolgt - wie bisher in der öffentlichen Stiftungsdiskussion häufig der Fall -, so werden viele Stiftungen einfach verallgemeinernd als „private Stiftungen“ beschrieben, obwohl an ihrer Gründung und Finanzierung Unternehmen, Arbeitgeber- und Unternehmensverbände und/oder unternehmensnahe Stiftungen beteiligt sind. Während jedoch Arbeitgeberinteressen nicht mit Allgmeininteressen in eins gesetzt werden können, sind private Stiftungen i.d.R. positiv konnotiert. 3.1.2 Zu unserem Sample: methodische Fragen Die Erstellung eines Datensatzes mit unternehmensnahen Stiftungen ist grundsätzlich schwierig, weil es kein staatliches Stiftungsregister gibt. Hinzu kommt, dass es kaum Forschung zu unternehmensnahen Stiftungen gibt und es keinesfalls eine triviale Frage ist, welche Stiftungen aus welchen Gründen als „unternehmensnah“ kategorisiert werden können. Bestehende Datenbanken erfassen zudem nicht alle Stiftungen: So sammelt der BDS, dessen Stiftungsregister man käuflich erwerben kann, zwar alle Namen in einer Datenbank und deckt damit den Großteil der Stiftungen ab. Jedoch sind einige Stiftungen, die in Deutschland wirken, nicht erfasst39 – zum Beispiel, weil sie im Ausland registriert sind. Auch kann in der Stiftungsdatenbank des BDS, ebenso wie in der zweiten großen Stiftungsdatenbank des Maecenata Instituts,40 nicht gezielt nach unternehmensnahen bzw. Unternehmensstiftungen recherchiert werden – auch nicht nach denjenigen, die eindeutig unternehmensverbunden sind, da sie Träger eines Unternehmens sind, Anteile am Unternehmen halten oder ihr Budget von einem Unternehmen erhalten. Zwangsläufig beruht unsere Vorgehensweise deshalb auf einem heuristischen Verfahren. Wir haben im August 2015 einen Datensatz beim Maecenata Institut angefragt, in dem alle Stiftungen der Maecenata-Datenbank aufgeführt sind, die mindestens 200.000 Euro im Jahr ausgeben und die Förderung von Forschung und Wissenschaft als einen ihrer Stiftungszwecke angeben.41 Wir stellten bei der Durchsicht des Datensatzes fest, dass nicht alle Stiftungen erfasst sind, auf die dieses Merkmal in Deutschland zutrifft und einschlägige unternehmensnahe Stiftungen mit dem Stiftungszweck Förderung von Forschung und Wissenschaft fehlen (beispielsweise die Bertelsmann Stiftung).42 Aus diesem Grunde haben wir noch 20 39 40 41 42 In unserem Datensatz trifft dies auf die L’Oréal-Unternehmensstiftung und die Jacobs Foundation zu. Das Maecenata Institut erfasst in seiner Datenbank Stiftungen mit jeweils 80 Items, darunter die Satzungszwecke, Angaben zum Vermögen und zu den jährlichen Ausgaben. Das Maecenata Institut war freundlicherweise bereit, uns einen solchen Datensatz kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zu den Ursachen konnte das Maecenata Institut uns gegenüber keine Angaben machen. 23 weitere, von uns als unternehmensnah eingestufte Stiftungen dazu genommen, die den Stiftungszweck Förderung von Forschung und Wissenschaft haben.43 Wir betonen nachdrücklich, dass die Stiftungsauswahl eine Stichprobe darstellt. Aus diesem so zusammengestellten Sample mit 164 Stiftungen (144 Stiftungen aus dem Datensatz des Maecenata Instituts und 20 von uns hinzugefügten unternehmensnahen Stiftungen) wurden insgesamt 78 unternehmensnahe Stiftungen identifiziert; dabei waren 58 von insgesamt 144 Stiftungen (also rund 40 Prozent) aus dem Datensatz des Maecenata Instituts als unternehmensnah einzuordnen. Allerdings lassen sich die insgesamt 78 als unternehmensnah identifizierten Stiftungen nicht alle den vier unternehmensnahen Stiftungstypen zuordnen, die wir auf der Basis der Fachliteratur bestimmen konnten. Es mussten daher weitere Typen ergänzt werden. Bislang existierende Typologien zu unternehmensnahen Stiftungen legen vor allem das Kriterium einer mittelbaren und unmittelbaren Unternehmensverbindung zugrunde und unterscheiden bis zu vier verschiedene Formen, die sich (u.a.) in der Reichweite und Art der Kontrolle der Stiftung durch das Unternehmen oder die Eigentümer unterscheiden. Weitere Formen von Unternehmenseinfluss mit unterschiedlichen Stifterkonstellationen wurden in der bisherigen Diskussion noch nicht berücksichtigt. Abbildung 1: Verfahren zur Stichprobengewinnung 164 Stiftungen (Maecenata: 144 + Eigene: 20) 78 Unternehmensnahe Stiftungen 61 „Klassisch“ Unternehmensnah 17 „Nicht klassisch“ Unternehmensnah Quelle: Eigendarstellung Basierend auf dem Kriterium, dass mehrere Unternehmen, unternehmensnahe Stiftungen, Unternehmer/innen, Arbeitgeber- und Unternehmensverbände als Stifter einer Stiftung auftreten können, schlagen wir daher eine neue Untertei43 24 Diese Namen haben wir größtenteils verschiedenen Studien entnommen (vgl. u.a. Eulerich/Welge 2011; BDS 2013). Um den Stiftungszweck „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ bei den einzelnen Stiftungen zu identifizieren, haben wir uns an den Eintragungen zu den jeweiligen Stiftungen und dem „Register nach Satzungszwecken“ im Verzeichnis Deutscher Stiftungen orientiert (vgl. BDS 2014). lung in sechs Typen vor, von denen sich die ersten vier Typen mit den vier bereits in der Fachliteratur definierten Typen decken: 1) 2) 3) 4) Unternehmensträgerstiftungen, Unternehmensbeteiligungsstiftungen, Unternehmensstiftungen (wozu auch die CSR-Stiftungen gehören) und Unternehmer/innen-Stiftungen. Diesen „klassischen“ unternehmensnahen Stiftungstypen konnten wir aus unserem Sample insgesamt 61 Stiftungen zuordnen. Des Weiteren wurden 17 „nicht klassische“ unternehmensnahe Stiftungen identifiziert: Es handelt sich dabei um 5) „Unternehmensnahe Hybridformen“: Stiftungen, die von Unternehmen, Unternehmens- und Arbeitgeberverbänden gegründet wurden und 6) „Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung“: Stiftungen, an deren Gründung neben öffentlich finanzierten Einrichtungen Unternehmen, unternehmensnahe Stiftungen, Unternehmens- und Arbeiternehmer/innenVerbände beteiligt waren. Hinzu kommen einige Stiftungen, zu denen wir leider keine hinreichenden Angaben finden konnten, deren Unternehmensverbindung jedoch zum Beispiel anhand des/der Stifters/in ersichtlich ist (zusammengefasst unter „Typ 7“ – von uns nicht als wirklicher Typ, sondern vorläufig als Residualkategorie verstanden). Die Typen-Zuordnung selbst ist rechercheintensiv, da herausgefunden werden muss, wer die Stifter sind,44 woher das Vermögen der Stiftung stammt und wie sich dieses (zumindest in etwa) zusammensetzt, also z.B. auch aus Aktien, Immobilien etc. Mangels Angaben ist eine Zuordnung nicht immer zweifelsfrei möglich. Die nachfolgende Klassifizierung versteht sich daher ausdrücklich als vorläufig. Sie dient insbesondere dem Zweck, der Vielfalt an Verbindungen zwischen Unternehmen und Stiftungen Rechnung zu tragen und damit eine höhere Vollständigkeit bei der Erforschung von unternehmensnahen Stiftungen zu erzielen. Ob und wie stark sich ein mittelbarer Unternehmensbezug auf die Art der Kontrolle und die Arbeitsweise einer unternehmensnahen Stiftung auswirken, gilt uns als empirische Forschungsangelegenheit. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass der Einfluss von Unternehmen auf Stiftungen in der öffentlichen Diskussion massiv unterschätzt wird, wenn wie bisher nur die direkteren Formen der Unternehmensbeteiligung als Indikator für Unternehmensnähe dienen. Abbildung 2 fasst die Verteilung der Typen in unserem Sample zusammen. 44 Bei der Identifizierung der Stifter war die Stiftungsdatenbank des BDS sehr hilfreich, auch wenn sogar hier teilweise die Stifter/innen nicht angegeben werden (da diese Angabe auf der freiwilligen Auskunft der Stiftungen beruht). 25 Abbildung 2: Verteilung der Typen unternehmensnaher Stiftungen im Sample 30 28 25 20 18 15 12 10 7 5 5 5 3 3,8% 15,4% 23,1% 35,9% 6,4% 9,0% 6,4% 0 Quelle: Maecenata und eigene Ergänzung unternehmensnaher Stiftungen im Bereich Wissenschaft und Forschung, eigene Klassifikation. Die auf diese Weise gewonnenen Informationen werden i.F. als „Stiftungsample“ aufgeführt. Die Typologie verweist auf den Zusammenhang von Unternehmen/ unternehmensnahen Stiftungen/ Arbeitgeber- und Unternehmensverbänden einerseits und der jeweiligen Stiftung andererseits, die (außer bei der Unternehmensträgerstiftung) formal getrennte organisatorische Einheiten sind: 26 1) Unternehmensträgerstiftung Abbildung 3: Unternehmensträgerstiftung (Eigendarstellung in Anlehnung an Junck 2007) Stiftung Unternehmen Die „Stiftung ist selbst als Unternehmen am Markt aktiv“ – Träger des Unternehmens ist die Stiftung und es gibt „keine (weiteren) Gesellschafter des Unternehmens“, das heißt, „(w)irtschaftlich sind Stiftung und Unternehmen eins“ (Junck 2007, S. 14). In unserem Sample befanden sich drei Unternehmensträgerstiftungen: die SRH Holding, die unter anderem Hochschulen betreibt, die Stiftung Evangelisches Kranken- und Versorgungshaus zu Mühlheim an der Ruhr und die Stiftung Bildung und Handwerk. 2) Unternehmensbeteiligungsstiftung Abbildung 4: Unternehmensbeteiligungsstiftung (Eigendarstellung in Anlehnung an Junck 2007) Stiftung Unternehmen Die Stiftung hält Anteile am Unternehmen,45 aber Stiftung und Unternehmen sind getrennte organisatorische Einheiten und „unterschiedliche juristische Personen. (…) Dabei kann ein Unternehmer der Stifter sein“ (ebd.). Klassische Beispiele hierfür sind die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung oder die KörberStiftung, jedoch sind auch diese drei Stiftungen jeweils unterschiedlich struktu- 45 Ebd. Junck (2007) führt aus: „Unternehmensanteile sind ggf. langfristig ein Teil des Stiftungsvermögens.“ 27 riert.46 Insgesamt sind 15,4 Prozent Unternehmensbeteiligungsstiftungen in unserem Datensatz. Tabelle 1: Überblick über Unternehmensbeteiligungsstiftungen Unternehmensbeteiligungsstiftungen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach‐Stiftung Bertelsmann Stiftung Carl‐Zeiss‐Stiftung Dieter Schwarz Stiftung Else Kröner‐Fresenius‐Stiftung Freudenberg Stiftung Jacobs Foundation Körber‐Stiftung Possehl‐Stiftung Robert Bosch Stiftung Software AG‐Stiftung Wüstenrot Stiftung Quelle: Stiftungssample 3) Unternehmensstiftung (CSR-Stiftung) Abbildung 5: Unternehmensstiftung (Eigendarstellung in Anlehnung an Junck 2007) Unternehmen Stiftung Der Name „Unternehmensstiftung“ wird oftmals umgangssprachlich für alle Typen von unternehmensnahen Stiftungen gebraucht. In der Fachterminologie steht er jedoch für einen bestimmten Stiftungstyp, bei dem die Stiftung ihr Vermögen von einem Unternehmen erhält. Junck führt aus, dass in der Regel keine Anteile am 46 28 So halten bei den Konzernen Bosch und Bertelsmann die Stiftungen den Großteil der Aktien am Unternehmen, haben aber formal keine Stimmrechte. Da aber z.B. bei der Bertelsmann Stiftung Liz Mohn nicht nur Mitglied im Stiftungsvorstand, sondern auch im Konzernvorstand ist, hat das Unternehmen über diese personelle Verknüpfung ein Mitspracherecht. Unternehmen gehalten werden.47 Ob das allerdings nicht doch der Fall ist, ist oft nicht ohne Weiteres ersichtlich. Zu den Unternehmensstiftungen zählen auch die sogenannten CSR-Stiftungen. Bekannte Unternehmensstiftungen sind die Telekom Stiftung, die BMW Stiftung Herbert Quandt oder die Vodafone Stiftung; insgesamt sind 23,1 Prozent in unserem Sample Unternehmensstiftungen. Tabelle 2: Überblick über Unternehmensstiftungen Unternehmensstiftungen Allianz Umweltstiftung Altenheim‐Stiftung der Stadtsparkasse Duisburg Aventis Foundation Bertelsmann Wissenschaftsstiftung BMW Stiftung Herbert Quandt Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung Daimler und Benz Stiftung Deutsche Telekom Stiftung Eberhard von Kuenheim Stiftung Haniel Stiftung Koenig & Bauer‐Stiftung zur Förderung des kulturellen Lebens in Würzburg L'Oréal‐Stiftung McDonald's Kinderhilfe Stiftung Museumsstiftung Post und Telekommunikation RWE Stiftung Siemens Stiftung SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn Vodafone Stiftung Quelle: Stiftungssample 47 Vgl. Junck, S. 14. Unseres Erachtens wäre es wichtig zu prüfen, ob und in welchem Umfang Unternehmensstiftungen auch Anteile halten und was daraus für die Stiftungsarbeit folgt. 29 4) Unternehmer/innen-Stiftung Abbildung 6: Unternehmer/innen-Stiftung (Eigendarstellung) Unternehmer/in Stiftung Wie bereits erwähnt, ist dieser Stiftungstyp schwierig zu bestimmen. Weil das Vermögen dieser Stiftungen i.d.R. zu einem großen Anteil aus dem Privatvermögen eines/r Unternehmers/in oder einer Unternehmensfamilie (und eben nicht direkt aus dem Unternehmen) stammt, ist der Einfluss eines Unternehmens auf die Stiftung – sofern überhaupt gegeben - keineswegs so direkt gestaltet wie bei der Unternehmensstiftung. Wie bereits erwähnt, weist die Unternehmer/innenStiftung vielmehr Überschneidungen mit der Unternehmensbeteiligungsstiftung (vgl. Abb. 4) auf, weil zum Privatvermögen auch Aktien bzw. Unternehmensanteile gehören können. Inwiefern und wie häufig das bei Unternehmer/innenStiftungen der Fall ist, kann jedoch aufgrund fehlender Transparenzstandards nicht gesagt werden: Unternehmer/innen sind nicht verpflichtet, öffentlich anzugeben, in welcher Form sie ihr Vermögen in eine Stiftung einbringen und geben dies dementsprechend oftmals nicht an. Dies lässt sich am Beispiel der Stiftung Mercator verdeutlichen: Sie wurde von der Familie Schmidt gegründet, die zu den Hauptanteilseignern der Metro Group gehört, und ist „mit erheblichen finanziellen Mitteln“ (Stiftung Mercator, FAQ zur Stiftung, 28.10.2015) aus dem Vermögen der Familie ausgestattet. Mehr Information gibt die Stiftung über die Herkunft ihres Vermögens von 276 Millionen Euro nicht preis (Stiftung Mercator, Jahresbericht 2014, 21.01.2016). Folglich kann auch über die „Unternehmensnähe“ der Stiftung Mercator nur spekuliert werden, da nicht bekannt ist, ob und in welchem Umfang Aktien an der Metro Group zum Teil des Stiftungsvermögens gehören. Verbindungen zum Unternehmen können bei der Unternehmer/innenStiftung unterschiedlich aussehen: Sofern nicht verstorben, kann der/die Unternehmer/in zum Beispiel auch noch im Unternehmen tätig sein. Dies war zum Beispiel beim SAP-Gründer Dietmar Hopp der Fall, der 1995 eine Stiftung gegründet hat und parallel dazu bis 1998 Vorstandsvorsitzender der SAP AG und bis 2005 Mitglied im Aufsichtsrat war. Ein weitere mögliche Verbindung zum Unternehmen zeigt der Fall der Auerbach Stiftung: Sie wurde aus dem Privatvermögen von Tjark Auerbach, Gesellschafter des IT-Unternehmens AVIRA, gegründet. Die Stiftung be- 30 zieht 5 Prozent aus jedem verkauften AVIRA-Online-Produkt48 und der Umfang eines Teils ihres Budgets hängt damit unmittelbar vom Umsatz des Unternehmens ab. Da das Stiftungsvermögen einer Unternehmer/innen-Stiftung aus Privatvermögen stammt, könnten darin auch Aktien von unterschiedlichen Unternehmen enthalten sein. Tabelle 3: Überblick über Unternehmer/innen-Stiftungen Unternehmer/innen-Stiftungen Alfred Toepfer Stiftung F.V.S Auerbach Stiftung Carlo und Karin Giersch‐Stiftung an der TU Darmstadt Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) Deutsche Wildtier Stiftung Dietmar Hopp Stiftung Dräger‐Stiftung Friede Springer Stiftung Fritz Thyssen Stiftung Fürst Donnersmarck‐Stiftung zu Berlin Gemeinnützige Hertie‐Stiftung Georg Ludwig Rexroth‐Stiftung Gerda Henkel Stiftung G. u. L. Powalla Bunny's Stiftung Hasso Plattner Förderstiftung Heidehof Stiftung Herbert Quandt‐Stiftung Hermann Reemtsma Stiftung Joachim Herz Stiftung Klaus Tschira Stiftung Rut‐ und Klaus‐Bahlsen‐Stiftung Schader‐Stiftung Schwarzkopf‐Stiftung Junges Europa Stiftung Deutsche Schlaganfall‐Hilfe Stiftung Mercator Stiftung van Meeteren Wilhelm und Else Heraeus‐Stiftung ZEIT‐Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Quelle: Stiftungssample 48 „Von den Produkten für Privatanwender, die über den Onlineshop der Avira verkauft werden, fließen jeweils fünf Euro in Stiftungsprojekte.“ (Auerbach Stiftung, Die Stiftung, 28.10.2015) 31 Des Weiteren kann es vorkommen, dass die Unternehmen auch nicht mehr existieren oder kaum eine Verbindung zur Stiftung bestand bzw. mittlerweile nicht mehr besteht. Es wird deutlich, dass im Falle von Unternehmer/innen-Stiftungen immer Forschungsbedarf besteht, um Art und Umfang der „Unternehmensnähe“ zu ermitteln. Nur solche Unternehmer/innen-Stiftungen dürfen unterdessen eindeutig als nicht unternehmensnah gelten, die ihre Vermögensstruktur offenlegen und damit nachweisen, dass tatsächlich keine Unternehmensnähe zu konstatieren ist. In unserem Sample lassen sich mit 28 der größte Teil des Samples, nämlich 35,9 Prozent der Stiftungen, dem Typen der UnternehmerInnen-Stiftung zuschreiben. 5) Unternehmensnahe Hybridformen: Stiftungen, die von Unternehmen, Unternehmens- und Arbeitgeberverbänden gegründet wurden Abbildung 7: Unternehmensnahe Hybridform (Eigendarstellung) Unternehmen Unterschiedliche Konstellationen von Stiftern Unternehmens‐ verbände Stiftung Arbeitgeber‐ verbände Unseres Erachtens gehören zu einem weiteren unternehmensnahen Stiftungstypen solche Stiftungen, an deren Gründung Unternehmen, Unternehmens- und Arbeitgeberverbände beteiligt sind. Die unten stehende Tabelle gibt einen Überblick über Gründungskonstellationen von Stiftungen, auf die wir bei der Durchsicht unseres Stiftungsdatensatzes gestoßen sind; insgesamt machen sie einen Anteil von 6,4 Prozent aus. 32 Tabelle 4: Unternehmensnahe Hybridformen: Stiftungen, die von Unternehmen, Unternehmensverbänden und/oder unternehmensnahen Stiftungen gegründet wurden Stiftung Stifterkonstellation Namen der Stifter Papiertechnische Stiftung (PTS) Zwei Unternehmensverbände und ein Arbeitgeberverband Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP), Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V. (HPV), Forschungsvereinigung Papiertechnik e. V. (FPT) Stiftung Stipendien-Fonds des Verbandes der Chemischen Industrie Ein Unternehmensverband Verband der Chemischen Industrie 23 Unternehmen, ein Unternehmensverband, ein Arbeitgeberverband Airbus Group, Allianz SE, Axel Springer AG, Bayer AG, Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, Bayerische Motoren Werke AG, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., Daimler AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Lufthansa AG, Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG, E.ON SE, GAZPROM Germania GmbH, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, MAN SE, McKinsey & Company Inc., Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG, Robert Bosch GmbH, RWE AG, SAP SE, Siemens AG, The Boston Consulting Group, ThyssenKrupp AG Zwei Unternehmen von der Aesculap AG & Co KG und der Carl Zeiss AG gegründet. Zustiftungen erfolgen durch die Richard Wolf GmbH (seit 1993), die KaVo Dental GmbH (1997-2010) und das Universitätsklinikum Ulm (seit 1999) Neun Unternehmen Siemens AG, Dresdner Bank, Schering AG, Deutsche Bank, Commerzbank, Berliner Bank, Willy Vogel AG, Cornelsen Verlag, Arthur D. Little European School of Management and Technology Stiftung (ESMT) Stiftung für Lasertechnologie in der Medizin und Meßtechnik an der Universität Ulm TSB Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 33 6) Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung Abbildung 8: Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung (Eigendarstellung) Unternehmensnahe Stiftungen Unternehmens‐ verbände Unterschiedliche Konstellationen von Stiftern Unternehmen Stiftung Öffentliche Einrichtungen Weitere Organisationen Schließlich sind wir noch auf Stiftungen gestoßen, an deren Gründung öffentlich finanzierte Einrichtungen, Unternehmen, unternehmensnahe Stiftungen, Unternehmens- und Arbeiternehmer/innen-Verbände beteiligt sind. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über solche Stiftungen; insgesamt sind es 7 von 78 (9 Prozent) Stiftungen in unserem Sample. 34 Tabelle 5: Hybride aus öffentlicher und privater Finanzierung Stiftung StifterKonstellation Namen der Stifter Unterfränkische Gedenkjahrstiftung für Wissenschaft Bundesland, Landkreise, Unternehmen Freistaat Bayern, Unterfränkische Sparkassen und Landkreise Institut für Mikroelektronik Stuttgart Bundesland, Unternehmen Das Land Baden-Württemberg ist als einziger Stifter im BDS-Verzeichnis eingetragen. Wikipedia ist zudem der folgende Hinweis zu entnehmen: „Das Institut für Mikroelektronik Stuttgart wurde am 18. Juli 1983 auf Veranlassung der damaligen baden-württembergischen Landesregierung unter Beteiligung der Unternehmen Daimler-Benz, IBM, SEL und Siemens als Stiftung des öffentlichen Rechts in Stuttgart gegründet.“49 Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung Ulm Deutsches Bundesland, österreichisches Bundesland, acht Unternehmen Baden-Württemberg, DaimlerChrysler AG, Jenoptik AG, Kärnten, Deutscher Sparkassenverlag, Hewlett-Packard GmbH, Robert Bosch GmbH, Stadtsparkasse Köln, Tecomac AG, ZF Friedrichshafen AG Stiftung Deutsches RheumaForschungszentrum Berlin Unternehmen, Bundesland Immanuel-Krankenhaus GmbH, Land Berlin Bundesministerium, Bundesländer, Unternehmen Die Stiftung wurde 2005 auf Initiative und unter Moderation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit Unterstützung der deutschen Küstenländer und der Wirtschaft (Betreiber und Hersteller von Offshore-Windenergieanlagen) gegründet (vgl. Stiftungshomepage). Allerdings werden die genauen Stiftungsgründer nicht im Verzeichnis Deutscher Stiftungen aufgeführt. Stiftung OffshoreWindenergie 49 Wikipedia, Institut für Mikroelektronik Stuttgart, 21.01.2016 35 Stiftung Neue Verantwortung Unbekannt, gefördert durch öffentlich finanzierte Einrichtungen, Unternehmen und Stiftungen RAG-Stiftung Unternehmen, Gewerkschaft, Universität, Stadt, Unternehmensverband, Arbeitnehmer/innenVerband Gefördert von: Allianz SE, A.T. Kearney, Auswärtiges Amt, Bertelsmann Stiftung, BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, Bundesverband Deutscher Stiftungen, Egon Zehnder Evonik Industries AG, Hewlett-Packard Deutschland, IBM Deutschland, Knauf Gips KG, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Lanxess AG, Medienanstalt BerlinBrandenburg, Netflix, Omydiar Network, Open Society Foundations (OSF), ORRICK HÖLTERS & ELSING, Otto Beisheim Holding GmbH, PricewaterhouseCoopers AG WPG, Robert Bosch Stiftung, RWE Stiftung, Stiftung Erneuerbare Freiheit, Stiftung Mercator, Twitter Deutschland, TUI Stiftung, United Internet AG, Universität Siegen, Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation RAG Aktiengesellschaft, DMT Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, IG Bergbau, Chemie, Energie, Unternehmensverband Ruhrbergbau, Essen, Ruhr-Universität Bochum, Stadt Bochum Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 7) „Fehlende Angaben, aber Unternehmensverbindungen ersichtlich“ Zu einigen Stiftungen sind kaum Angaben zu finden, jedoch ist eine Unternehmensverbindung ersichtlich, z.B. anhand der Stifter/innen. Für diese haben wir uns mit einer Arbeitsdefinition beholfen und diese unternehmensnahen Stiftungen vorläufig unter einem Residualtypen subsumiert. Die insgesamt fünf Stiftungen, die wir diesem Residualtypen zuordnen, haben in unserem Sample einen Anteil von 6,4 Prozent. 36 Tabelle 6: Unternehmensnahe Stiftungen, fehlende Angaben zur Identifizierung von Stiftungstypen Stiftung Stifter/innen Weitere Angaben Stiftung zur Förderung der European Business School Klaus Evard ist als Stifter eingetragen; über das Stiftungsvermögen liegen keine genaueren Angaben vor. Die Stiftung wird öffentlich subventioniert (Quelle: Lobbypedia) und von zahlreichen Unternehmen gefördert; der Stifter ist nur im BDSVerzeichnis ersichtlich. Stiftung Lesen Unbekannt Das Vermögen besteht u.a. aus Zustiftungen von wem diese stammen, ist nicht bekannt. Im Stiftungsvorstand sitzt u.a. ein Vertreter der Unternehmen DHL und Random House sowie des Arbeitgeberverbands Verband Deutscher Zeitschriftenverleger. Alfred TeufelStiftung Unbekannt Alfred Teufel war Unternehmer (vgl. Wikipedia); kein Eintrag im Stiftungsregister des BDS. Unbekannt Keine Angaben gefunden; die Stiftung hält einen Anteil von 10,1 Prozent an der Metro Group (vgl. Eulerich/Welge 2011, S. 53). Unbekannt Die Zeppelin-Stiftung „ist eine rechtlich unselbständige Gemeindestiftung. Das Stiftungsvermögen stellt somit ein städtisches Sondervermögen dar“.50 „Die Zeppelin-Stiftung ist Hauptaktionärin der ZF Friedrichshafen AG und über die Luftschiffbau Zeppelin GmbH an der ZEPPELIN GmbH beteiligt.“51 Prof. Otto BeisheimStiftung ZeppelinStiftung Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 50 51 Wikipedia, Zeppelin Stiftung, 18.07.2016 Zeppelin Stiftung, 18.07.2016 37 Weitere Hybridtypen Neben diesen Hybridformen gibt es weitere als „unternehmensnah“ zu klassifizierende Typen, die jedoch vertiefter Analyse bedürfen, um sie hinreichend abzugrenzen. Zwei Formen, auf die wir gestoßen sind, sollen kurz genannt werden, um einen Hinweis für künftige Forschung zu diesen vielfältigen Verbindungen zu geben: - Landesstiftungen, wie die Baden-Württemberg Stiftung, deren Vermögen von 2,2 Milliarden Euro „im Wesentlichen aus Investmentfonds, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen“ (Baden-Württemberg Stiftung, 28.10.2015) besteht; - öffentliche Stiftungen mit starker privatwirtschaftlicher Förderung, wie das Deutsche Institut für Textil- und Faserforschung Denkendorf, das vom Württembergischen Arbeitsministerium gestiftet wurde, aber sein Forschungsvolumen von 18 Millionen Euro zu ungefähr 40 Prozent über „direkte Auftragsforschung aus der Industrie” (DITF, 22.01.2016) finanziert. Wandel des Stiftungstyps im Laufe der Zeit Neben den Hybridformen ist im Hinblick auf eine Operationalisierung von unternehmensnahen Stiftungstypen noch darauf hinzuweisen, dass manche Stiftungen ihre institutionelle Struktur im Laufe der Zeit verändern. So war die Hertie Stiftung früher eine Unternehmensbeteiligungsstiftung, ist nach dem Verkauf von Aktienpaketen aber mittlerweile eine Unternehmer/innen-Stiftung. Die CarlZeiss-Stiftung war bis 2004 eine Unternehmensträgerstiftung, ist jetzt jedoch dem Typ der Unternehmensbeteiligungsstiftung zuzurechnen (vgl. Carl-Zeiss-Stiftung, 28.10.2015). Inwiefern sich dieser Wandel der Stiftungsform auf die Stiftungsaktivitäten und –gremien auswirkt, ist u.E. ein weiterer relevanter Untersuchungsgegenstand, kann aber im Rahmen dieser Studie leider nicht bearbeitet werden. 3.1.3 Zwischenfazit: Existierende Typologie muss erweitert werden In Deutschland gibt es zahlreiche kapitalstarke private Stiftungen. Unsere Analyse zeigt, dass von diesen privaten Stiftungen sehr viel mehr Stiftungen als „unternehmensnah“ gelten können als nur diejenigen, die eine direkte Unternehmensverbundenheit aufzeigen: Als unternehmensnah müssen u.E. auch Stiftungen eingeordnet werden, deren Vermögen aus dem Privatvermögen eines/einer Unternehmers/in stammt, zu der oft auch Unternehmensbeteiligungen und Aktien gehören – jedoch ist i.d.R. nicht bekannt, wie sich das Privat- und damit Stiftungsvermögen zusammensetzt. Weiterhin sind u.E. Stiftungen, die von mehreren Unternehmen, unternehmensnahen Stiftungen und Unternehmens- und Arbeitgeberverbänden (ggf. auch unter Mitfinanzierung durch andere private und öffentliche Geber) gegründet werden, als unternehmensnah einzuordnen. Schließlich gibt es eine Reihe von Stiftungsformen, bei denen sich die „Unternehmensnähe“ über 38 das Stiftungsbudget erschließt; für eine genauere Aussage dazu bedarf es jedoch weiterer Forschung. Insgesamt waren in unserem Sample von 78 unternehmensnahen Stiftungen: - 3 und damit 3,8 Prozent Unternehmensträgerstiftungen, - 12 und damit 15,4 Prozent Unternehmensbeteiligungsstiftungen, - 18 und damit 23,1 Prozent Unternehmensstiftungen (wozu auch CSRStiftungen gehören), - 28 und damit 35,9 Prozent Prozent Unternehmer/innen-Stiftungen, - 12 und damit 15,4 Prozent hybride unternehmensnahe Stiftungsformen, - 5 und damit 6,4 Prozent Stiftungen, bei denen eine Unternehmensverbindung ersichtlich, aber (mangels leicht öffentlich zugänglicher Informationen) nicht näher bestimmbar ist. 3.2 Analyse von „klassischen“ unternehmensnahen Stiftungen mit dem Stiftungszweck Förderung von Wissenschaft und Forschung In der Diskussion über die Bertelsmann Stiftung wurde eine starke personelle Verstrickung zwischen Unternehmen und Stiftung festgestellt, die obendrein mit einem eklatanten Mangel an Transparenz einhergeht, z.B. im Hinblick auf die Stiftungsziele und die entsprechende Verwendung der Stiftungsmittel. Diese Befunde verweisen darauf, dass Stiftungs- mit Unternehmensinteressen auf problematische Weise verbunden werden können: zum Beispiel wenn Stiftungsprojekte im Bildungs- und Wissenschaftsbereich dazu genutzt werden, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Zudem ist die Bertelsmann Stiftung für ihre Politikberatungstätigkeiten bekannt, bei denen sie mit Hilfe von Studien und Tagungen Agenda Setting betreibt, Politiker/innen Experten/innen-Kommissionen finanziert, politische Netzwerke etabliert - und damit die Möglichkeit hat, Politik im Sinne der Stifterfamilie (und somit den Mit-Eigentümer/innen der Bertelsmann AG) zu beeinflussen. Formen der Politikberatung kann die Bertelsmann Stiftung mit ihren zahlreichen Stiftungszwecken rechtfertigen – darunter auch die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Kann die „Bertelsmannhypothese“ (deutliche Überlappung von Geschäftsinteressen des Unternehmens und Stiftungsarbeit im Bereich Wissenschaft und Forschung, die z.B. auch in der Personalverflechtung von Unternehmen und Stiftung zum Ausdruck kommt) für viele weitere unternehmensnahe Stiftungen bestätigt werden („Modell Bertelsmann“)? Oder wird die problematische Verquickung von Partikularinteressen und Gemeinnützigkeit durch andere Stiftungen relativiert („Bertelsmann als schwarzes Schaf“)? Zur Beantwortung dieser Frage müssen im Einzelnen die Besetzung der Stiftungsgremien (3.2.1), die Ferne bzw. Nähe der Tätigkeitsprofile der Stiftungen zu den Geschäftsfeldern der Unternehmen (3.2.2) 39 sowie die Praktiken von unternehmensnahen Stiftungen im Bereich Transparenz untersucht werden (3.2.3). Die 61 klassischen unternehmensnahen Stiftungen (Typ 1-4) in unserem Sample scheinen für eine erste Exploration des Spannungsverhältnisses von Gemeinwohl- und Partikularinteressen besonders geeignet. Denn i.d.R. weisen sie eine Verbundenheit oder Nähe zu nur (oder zumindest vor allem) einem Unternehmen bzw. Großkonzern auf (vgl. Kapitel 3.2.1), während dies auf die 17 weiteren von uns identifizierten unternehmensnahen Stiftungstypen nicht in der Klarheit ersichtlich ist (aufgrund ihrer Verbindung zu mehreren Unternehmen, Unternehmensverbänden etc.). 3.2.1 Stiftungsgremien und ihre personelle Besetzung 3.2.1.1 Analyse Die Untersuchung der Stiftungsgremien ist in zweifacher Hinsicht interessant. Einerseits geht es um die Frage der personellen Verstrickung von Unternehmen und Stiftung. Andererseits kann dem Forschungsstand die These entnommen werden, dass unternehmensnahe Stiftungen von gesellschaftlichen Eliten gesteuert werden. Im Folgenden ermitteln wir deshalb die Verflechtungsstrukturen für unser Sample mit unternehmensnahen Stiftungen, die in Deutschland wirken, und zeichnen damit gleichzeitig ein detaillierteres Bild der Sozialstrukturen von Stiftungsgremien. Berücksichtigt werden die Mitglieder der Stiftungsvorstände (auch Stiftungsräte genannt) und der Kuratorien (die bei manchen Stiftungen auch als Vorstand fungieren). Die Daten wurden zwischen dem 1. Oktober und dem 12. November 2015 erhoben, wobei Informationen zu 536 Personen zusammengetragen werden konnten. Neben Vor- und Nachnamen wurden auch das Geschlecht, höchste Bildungstitel (Professor/Doktor), die Gremienzugehörigkeit und der berufliche Hintergrund in die Analyse aufgenommen. Im Folgenden werden zunächst die deskriptivstatistischen Ergebnisse aufgezeigt. Wir beginnen mit der allgemeinen Beschreibung der Gremienmitglieder. Anschließend präsentieren wir die Ergebnisse einer Vernetzungsanalyse. Geschlechterverhältnis Die bestehende Elitenforschung verweist auf die männliche Dominanz bei gesellschaftlichen Eliten in Deutschland, die auch bei der Analyse der Stiftungsgremien unseres Samples bestätigt wird. Der Frauenanteil liegt bei rund 21 Prozent. Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass unternehmensnahe Stiftungen im Wissenschaftsbereich auch Programme für Frauenförderung finanzieren und darauf sogar teilweise einen Schwerpunkt legen (wie die L’Oréal-Stiftung oder die Robert Bosch Stiftung). Bei der Stiftung Mercator scheint es diesbezüglich ein Problembewusstsein zu geben. In ihrem Jahresbericht weist sie auf den hohen Prozentsatz 40 an Frauen bei den Beschäftigten der Stiftung im Gegensatz zum deutlich geringeren Anteil bei hohen Ämtern hin: „Zum 31. März 2015 arbeiten bei der Stiftung Mercator insgesamt 96 Mitarbeiter. Davon sind 33 Prozent männlich und 67 Prozent weiblich. Von den Führungskräften sind 62 Prozent männlich und 38 Prozent weiblich“ (Stiftung Mercator 2015, S. 7). Bildungsabschlüsse Betrachtet man die höchsten Bildungsabschlüsse, so zeigt sich, dass mehr als die Hälfte der Stichprobe einen Doktortitel bzw. einen Professorentitel tragen. Dabei überwiegt die Bildungsgruppe der Professoren/innen, die i.d.R. habilitiert haben, mit rund 29 Prozent sogar mit vier Prozentpunkten die der Doktoren/innen. Verglichen mit der Gesamtbevölkerung sind die Personen in unserem Sample deutlich besser gebildet, da „nur“ 1,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine Promotion abgeschlossen hat (vgl. DESTATIS, 06.07.2016). Einerseits kann dieses Ergebnis dadurch relativiert werden, dass Stiftungen, die Forschung und Wissenschaft fördern, sich auch um akademische Vertreter/innen bemühen. Andererseits haben viele Stiftungen in unserem Sample mehrere Stiftungszwecke, worunter auch zahlreiche nicht wissenschaftsnahe Bereiche fallen. Abbildung 9: Akademische Titel der Mitglieder in Stiftungsgremien 300 249 250 200 156 150 131 100 50 29,1% 24,4% 46,5% Habilitation (Prof.) Dr. Andere Bildungstitel 0 Quelle: Stiftungssample, eigene Auswertung der Bildungsabschlüsse von Gremienmitgliedern 41 Berufsgruppen Der Großteil der Gremienmitglieder in den von uns untersuchten unternehmensnahen Stiftungen rekrutiert sich aus der Privatwirtschaft (Abb. 10). Mit rund 44 Prozent liegt dieser Teil deutlich höher als bei Personengruppen, welche ihre Hauptanstellung im Universitätsbereich (rund 13,6 Prozent), in Verbänden und Stiftungen (11,6 Prozent) oder der Politik (rund 9 Prozent) haben. Abbildung 10: Beruflicher Hintergrund der Mitglieder in Stiftungsgremien 250 236 44,0% 200 150 100 73 13,6% 50 62 11,6% 47 8,8% 27 5,0% 23 4,3% 20 3,7% 0 17 3,2% 14 2,6% 8 1,5% 6 2 1 1,1% 0,4% 0,2% Berufsgruppen Quelle: Stiftungssample, eigene Auswertung der Tätigkeiten der Gremienmitglieder Unter den Gremienmitgliedern sind einige hochrangige Politiker/innen, darunter: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (im Kuratorium der Deutschen Telekom Stiftung), NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung), die ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler (im Kuratorium der Friede Springer Stiftung) und Roman Herzog (im Kuratorium der Hertie Stiftung), der ehemalige und mittlerweile verstorbene Bundeskanzler Helmut Schmidt (im Kuratorium der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius), die ehemaligen EU-Kommissarinnen Monika Wulf-Mathies (im Beirat der Vodafone Stiftung) und Michaele Schreyer (im Vorstand der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa). Der Ehemann der Bundeskanzlerin, Joachim Sauer, ist Mitglied im Kuratorium der Friede Springer Stiftung. Neben hochrangigen Politiker/innen sind auch hohe Re- 42 präsentanten/innen aus dem Medien- und Wissenschaftsbereich zu finden (vgl. Tabelle 7 und 8). Tabelle 7: Einschlägige Medienvertreter/innen Stiftung Personen Alfried Krupp von Bohlen und HalbachStiftung Dr. h. c. Fritz Pleitgen Bertelsmann Stiftung Rolf SchmidtHoltz Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) Berufsfeld Von 1995 bis 2007 Intendant des Westdeutschen Rundfunks; von 2001 bis 2002 Vorsitzender der ARD; 2006 bis 2008 Präsident der Europäischen Rundfunkunion EBU; 2007 Vorsitzender der Geschäftsführung der RUHR 2010 GmbH52 2001 bis 2011 Vorsitzender der Bertelsmann Music Group (BMG) in New York (heute Sony Music Entertainment)53 Rolf SeelmannEggebert Sonderkorrespondent des Norddeutschen Rundfunks54 Prof. Dr. Alfred Biolek Fernsehmoderator55 Dr. Wolfgang Kaden Von 1968 bis 1994 in der Redaktion "Der Spiegel" tätig (Auslandsressort, Bonner Büro, Wirtschaftsressort, Chefredaktion); von 1994 bis 2003 Chefredakteur "manager magazin"56 Eberhard von Kuenheim Stiftung Ulrich Wilhelm Seit 2011 Intendant des Bayerischen Rundfunks; zwischen 2005 und 2010 arbeitete er als Chef des Bundespresseamts57 Freudenberg Stiftung GmbH Susanne BiedenkopfKürten Leiterin der Hauptredaktion Wirtschaft, Recht, Service, Soziales und Umwelt des ZDF58 Freudenberg Stiftung GmbH Dr. Petra Lidschreiber Leiterin der Redaktion Mittel und Osteuropa beim RBB59 Gemeinnützige Hertie-Stiftung Petra Gerster Hauptmoderatorin der heute-Nachrichten des ZDF60 Eberhard von Kuenheim Stiftung 52 53 54 55 56 57 58 59 60 Wikipedia, Fritz Pleitgen, 08.07.2016 Wikipedia, Rolf Schmidt-Holtz, 08.07.2016 Wikipedia, Rolf Seelmann-Eggebert, 08.07.2016 Wikipedia, Alfred Biolek, 08.07.2016 Kressköpfe, 27.05.2016 Wikipedia, Ulrich Wilhelm, 08.07.2016 ZDF Presseportal, Susanne Biedenkopf-Kürten, 27.05.2016 Wikipedia, Petra Lidschreiber, 08.07.2016 ZDF Presseportal, Petra Gerster, 27.05.2016 43 Gemeinnützige Hertie-Stiftung Dr. Helmut Reitze Von 2003 bis 2016 Intendant des Hessischen Rundfunks61 Haniel Stiftung Dr. Uwe Jean Heuser Leiter des Wirtschaftsressorts der Tageszeitung DIE ZEIT62 Körber-Stiftung Dr. Peter Frey Chefredakteur des ZDF63 Körber-Stiftung Peter-Matthias Gaede Von 1994 bis 2014 Chefredakteur des Magazins GEO64 SchwarzkopfStiftung Junges Europa Theo Koll Seit 2014 Leiter des ZDF-Studios Paris65 SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn Matthias Kremin Leiter des Programmbereichs „Kultur und Wissenschaft“ des WDR66 Vodafone Stiftung Andreas Lebert Chefredakteur des Magazins ZEIT-Wissen67 Vodafone Stiftung Dr. Helmut Reitze Von 2003 bis 2016 Intendant des Hessischen Rundfunks68 ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Giovanni di Lorenzo Chefredakteur der Tageszeitung DIE ZEIT69 ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Prof. Jobst Plog Von 1991 bis 2008 Intendant des NDR70 Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 44 Wikipedia, Helmut Reitze, 08.07.2016 Wikipedia, Uwe Jean Heuser, 08.07.2016 ZDF, das Unternehmen, 27.05.2016 Wikipedia, Peter-Matthias Gaede, 08.07.2016 Auslandsjournal, 27.05.2016 Westdeutscher Rundfunk, 27.05.2016 ZEIT Online, 27.05.2016 Wikipedia, Helmut Reitze, 08.07.2016 Wikipedia, Giovanni di Lorenzo, 08.07.2016 Wikipedia, Jobst Plog, 08.07.2016 Tabelle 8: Einschlägige Vertreter/innen aus der Wissenschaftsgemeinschaft Stiftung Person Position Aventis Foundation Prof. Werner MuellerEsterl 2009-2014 Präsident der GoetheUniversität Frankfurt a. M.71 Carlo und Karin Giersch-Stiftung an der TU Darmstadt Prof. Hans Juergen Prömel Präsident der TU Darmstadt Daimler und Benz Stiftung Prof. Matthias Kleiner Seit 2014 Präsident der LeibnizGemeinschaft; von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)72 Eberhard von Kuenheim Stiftung Prof. Renate Köcher Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD)73 Fritz Thyssen Stiftung Prof. Thomas Risse Professor für internationale Politik und Direktor der Arbeitsstelle Transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin74 Gemeinnützige Hertie Stiftung Prof. Wolf Singer Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main75 Gemeinnützige Hertie Stiftung Prof. Otmar D. Wiestler Seit September 2015 Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft76 Haniel Stiftung Dr. Sascha Spoun Präsident der Leuphana Universität77 Jacobs Foundation Prof. Ulman Lindenberger Direktor des Forschungsbereichs Entwicklungspsychologie am Max-PlanckInstitut für Bildungsforschung in Berlin78 Klaus Tschira Prof. Werner Hofmann Stiftung gGmbH (KTS) 71 72 73 74 75 76 77 78 79 Direktor Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg79 Wikipedia, Werner Müller-Esterl, 08.07.2016 Leibniz-Gemeinschaft, 27.05.2016 Wikipedia, Renate Köcher, 08.07.2016 Forum Internationale Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung, 27.05.2016 Ernst Strüngmann Institute, 27.05.2016 Wikipedia, Otmar Wiestler, 08.07.2016 Leuphana Universität Lüneburg, 27.05.2016 Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 27.05.2016 Wikipedia, Werner Hofmann, 08.07.2016 45 Schader-Stiftung Prof. Hanns H. Seidler Kanzler a.D. der Technischen Universität Darmstadt, Vorsitzender des Vorstands des Zentrums für Wissenschaftsmanagement Speyer (ZWM) 80 SRH Holding <Stiftung Rehabilitation Heidelberg Prof. Michael Hüther Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln81 SRH Holding <Stiftung Rehabilitation Heidelberg Prof. Ernst-Ludwig von Thadden Rektor der Universität Mannheim82 Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung Prof. Johanna Stachel Vizepräsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DFG), deren Präsidentin sie von 2012 bis 2014 war83 Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung Prof. Matthias Steinmetz Wissenschaftlicher Vorstand des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam84 Prof. Jürgen Mlynek Von 2005 bis 2015 Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft; von 2000 bis 2005 war er Präsident der HumboldtUniversität zu Berlin;85 von 1996 bis 2001 Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample Unternehmensnähe Die Legitimität vieler Stiftungen basiert stark auf der Vermittlung eines hinreichenden Abstandes zu Unternehmensinteressen. In der nachfolgenden Analyse interessiert uns deshalb besonders, wie viele Personen in den Stiftungsgremien Unternehmensbezüge aufweisen. Die Forschung zu personellen Verflechtungen zwischen Unternehmen und politiknahen Beratungsorganisationen zeigt, dass Unternehmensinteressen insbesondere dann eine größere Rolle spielen, wenn über personelle Verflechtungen eine enge Bindung an die Beratungsorganisation gegeben ist (vgl. Scott 1990); von dieser Annahme gehen wir auch in Bezug auf die personelle Verflechtung von Unternehmen und unternehmensnaher Stiftung aus. Um Hinweise über die Verbundenheit der Stiftungen mit ihren jeweiligen „Mutter80 81 82 83 84 85 46 Technische Universität Darmstadt, 27.05.2016 Wikipedia, Michael Hüther, 08.07.2016 European Corporate Governance Institute, 27.05.2016 Universität Heidelberg, 27.05.2016 Wikipedia, Matthias Steinmetz, 08.07.2016 DAAD, 27.05.2016 konzernen“ zu verifizieren, wurde der Hauptarbeitgeber der Mitglieder der Stiftungsorgane erfasst. Bezüglich der Unternehmensnähe der einzelnen Personen unterscheiden wir zwischen vier Relationen (vgl. Abb. 11): 1) Sitz im Unternehmen: Eine gleichzeitige Anstellung beim Unternehmen und bei der Stiftung (rund 19 Prozent) 2) Ehemaliger Sitz im Unternehmen: Eine ehemalige Anstellung beim Unternehmen in Verbindung mit einer aktuellen Position in der Stiftung (rund 6 Prozent) 3) Verbindung zu einem anderen Unternehmen: Eine gleichzeitige Anstellung oder Position in einem anderen Unternehmen (rund 23 Prozent) 4) Personen mit einer familiären Verbindung zum/zur Stiftungsgründer/in (rund 4 Prozent) 5) Keine Verbindungen: keine Verbindungen zu Unternehmen, anderem Unternehmen oder zum/zur Stiftungsgründer/in (rund 47 Prozent) 6) Keine Angaben gefunden (1 Prozent) Zu Punkt 6 ist anzumerken, dass über die hauptberuflichen Aktivitäten von vielen Personen auf den Stiftungsseiten keine Angaben gemacht werden (dies trifft auf 184 Personen, 34,3 Prozent, zu). Wir konnten aber durch eigene Recherchearbeiten Beruf und Arbeitgeber in fast allen Fällen ermitteln. Der zu beklagende Mangel an Angaben dient im Übrigen in vielen Fällen nicht der Verschleierung einer Unternehmensnähe der betroffenen Person: Der Anteil von Personen ohne direkte Verbindung zum Unternehmen stieg nach unserer Recherche mit ca. 15 Prozent am stärksten. 47 Abbildung 11: Personelle Verflechtungen unternehmensnaher Stiftungen und Unternehmen (Eigendarstellung) 300 253 47,2% 250 184 200 175 34,3% 32,6% 150 122 103 100 78 14,6% 22,8% 19,2% 71 13,2% 50 31 20 5,8% 3,7% 8 1,5% 21 6 3,9% 0 1,1% Stiftungsinformationen Eigene Recherche Quelle: Stiftungssample, eigene Auswertung Immerhin 103 Personen (19 Prozent) konnten wir aber identifizieren, deren Hauptberuf im Unternehmen liegt, das mit der Stiftung verbunden ist. Weitere 122 Personen (knapp 23 Prozent) waren früher bei dem jeweiligen Unternehmen beschäftigt. Weitere 21 Personen (knapp 4 Prozent) konnten identifiziert werden, die eine familiäre Bindung zum/zur Stiftungsgründer/in aufweisen. Summa summarum wird im Rahmen unseres Samples lediglich in etwa der Hälfte der unternehmensnahen Stiftungen schon dadurch Distanz zum verbundenen Unternehmen86 gewahrt, dass die mögliche Einflussnahme im Unternehmensinteresse nicht über 86 48 Von „verbundenen Unternehmen“ sprechen wir in einem weiten Sinn, wenn rechtliche, personelle oder Verbindungen durch Aktienbesitz zu verzeichnen sind. Es handelt sich also um eine direkte oder um eine mittelbare Verbundenheit. eine personelle Verflechtung organisiert wird. Ob und inwiefern es den betreffenden Personen in der anderen Hälfte der Fälle (also mit Personalunionen zwischen Unternehmen und Stiftung) tatsächlich gelingt, sich jeweils die verschiedenen Hüte (Unternehmensinteresse oder Gemeinnützigkeit) aufzusetzen, bedarf einer eingehenderen Untersuchung. Zweifel daran sind aber vor dem Hintergrund der medialen Berichterstattung – mindestens in Einzelfällen – durchaus berechtigt. Personalunionen höchster Stiftungs- und Unternehmensposten Im Dezember 2015 wurde in den deutschen Medien kritisch diskutiert, dass Rupert Stadler nicht nur Audi-Chef und Mitglied im VW-Aufsichtsrat ist, sondern gleichzeitig auch im Vorstand der drei Privatstiftungen der Familie Piech wirkt, die wiederum zu den Hauptaktionären des VW-Konzerns gehört. Die Stiftungen sind zwar nicht gemeinnützig, aber das Prinzip der „Überschneidung“ von Stiftungs- und Unternehmensinteressen wird auch in diesem Fall im Hinblick auf „Interessenkonflikte“ (sueddeutsche.de, 22.01.2016) kritisch besprochen. Die Überschneidung von hohen Unternehmensämtern und gleichzeitiger Besetzung des Stiftungsvorstandes wird insbesondere bei den als gemeinnützig anerkannten unternehmensnahen Stiftungen mit großer Skepsis betrachtet. Unlängst stand wieder einmal die Bertelsmann Stiftung im Zentrum der Kritik, weil sie sich – genau wie die Deutsche Telekom Stiftung – im Bereich Digitalisierung neu ausrichtet, während die dazugehörigen Unternehmen Bertelsmann AG und Deutsche Telekom AG dies auch tun (vgl. der Freitag, 29.10.2015). In beiden unternehmensnahen Stiftungen gibt es auch Personalunionen in den höchsten Unternehmens- und Stiftungsgremien. Es stellt sich im Übrigen schlicht die Frage: Was hat ein Unternehmensvorstand oder -aufsichtsrat im Vorstand einer als gemeinnützig anerkannten Stiftung zu suchen, die ihre Interessen unabhängig vom Unternehmen verfolgen soll? Die Vermutung ist kaum von der Hand zu weisen, dass die Stiftung in solchen Fällen zumindest auch zum Instrument von Unternehmensinteressen wird. Doch sind hohe Unternehmensrepräsentanten/innen im Stiftungsvorstand vielleicht eher eine Ausnahme? Keineswegs, wie unsere Analyse zeigt. Obwohl solche Personalunionen öffentlich immer wieder beanstandet werden, kommen sie bei vielen Stiftungen in unserem Sample vor: bei der Robert Bosch Stiftung, der Carl-Zeiss-Stiftung, der Daimler und Benz Stiftung, der Haniel Stiftung usw. (vgl. Tabelle 11, siehe Anhang). Besonders bemerkenswert ist der Fall der L’OréalUnternehmensstiftung, bei der der Stiftungsvorsitzende der Konzernvorsitzende von L’Oréal Deutschland ist. Bei 22 unternehmensnahen Stiftungen finden sich insgesamt 50 Personen aus dem höheren Management, die neben ihrem Posten im Aufsichtsrat, Vorstand oder in einer hohen Leitungsfunktion im Unternehmen auch einen solchen im Kuratorium oder Vorstand der jeweiligen Stiftung halten. Darüber hinaus konnten wir fünf Personen identifizieren, die neben ihrer hohen Position im Unternehmen einen Sitz im Kuratorium und im Vorstand der Stiftung halten. Dies trifft neben Liz Mohn von der Bertelsmann Stiftung auch auf Friede Springer von der Friede Springer Stiftung, Andreas Barner vom Boehringer Ingelheim Fonds, Thomas Dan- 49 nenfeldt von der Deutsche Telekom Stiftung und Werner Redeker von der KörberStiftung zu (vgl. Tabelle 11 im Anhang). Abbildung 12: Personalunionen höchster Stiftungs- und Unternehmensposten Deutsche Telekom Stiftung RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Körber‐Stiftung Carl‐Zeiss‐Stiftung Haniel Stiftung BMW Stiftung Herbert Quandt Bertelsmann Stiftung L'Oréal‐Stiftung Else Kröner‐Fresenius‐Stiftung Dräger‐Stiftung Daimler und Benz Stiftung Allianz Umweltstiftung Stiftung Deutsche Schlaganfall‐Hilfe Software AG‐Stiftung SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn Siemens Stiftung Robert Bosch Stiftung Gerda Henkel Stiftung Friede Springer Stiftung Freudenberg Stiftung Eberhard von Kuenheim Stiftung Carl‐Zeiss‐Stiftung Boehringer Ingelheim Stiftung 0 1 2 3 Quelle: Stiftungssample, eigene Auswertung (Eigendarstellung) 50 4 5 6 7 8 Stiftungstyp „Unternehmensstiftung“ und Gremienbesetzung Unternehmensstiftungen, die wir in Kapitel 3.1 als „Typ 3“ aufgeführt haben und zu denen auch die CSR-Stiftungen gehören, werden direkt vom Unternehmen gegründet. In den Gremien dieses Typs sind (im Vergleich zu den anderen unternehmensnahen Stiftungstypen) signifikant mehr Personen in den Stiftungsgremien vertreten, die ehemals im Unternehmen gearbeitet haben (vgl. Abb. 13). Möglicherweise spielt der Typ der Unternehmensstiftung eine größere Rolle in der Personalpolitik der Unternehmen, als dies bei anderen unternehmensnahen Stiftungstypen der Fall ist. Auch gibt es bei diesem Typ insgesamt mehr direkte Verbindungen zum Unternehmen als im Durchschnitt des Samples. Abbildung 13: Personelle Verflechtungen zwischen Unternehmen und Stiftungen vom Typ „Unternehmensstiftung“ 80 70 67 60 47 50 40 28 30 20 10 14 41,1% 28,8% 17,2% 8,6% 0 2 1,2% 5 3,1% Keine Position im Position im Position in einem Ehemalige Familiäre Bindung Keine Angaben Unternehmen Unternehmen anderen Position im zum Unternehmen Unternehmen Stiftungsgründer Unternehmensnähe Quelle: Stiftungssample, eigene Auswertung (Eigendarstellung) 51 Institutionelle Struktur von Stiftungen und Kontrollmechanismen Wenn eine unternehmensnahe Stiftung ihre Distanz zum verbundenen Unternehmen durch eindeutig getrennte Führungsstrukturen und Beratungsgremien manifestiert, die mit weiteren unabhängigen Personen besetzt sind, wird damit eine Art der öffentlichen Kontrolle angestrebt: Eine öffentliche Kontrolle, die nach Legitimation für die gemeinnützigen Ziele strebend aktiv Distanz zur Interessenlage des jeweiligen Unternehmens sucht. Umgekehrt scheinen Stiftungen, die nur ein Stiftungsorgan haben, und Stiftungen, die zwar zwei Organe haben, diese jedoch teilweise in Personalunion besetzen, wenig daran interessiert zu sein, eine Art der öffentlichen Kontrolle in ihrer Struktur zu verankern. Aus diesem Grunde haben wir erhoben, welche Stiftungen Personalunionen innerhalb ihrer Stiftungsgremien aufweisen (Tabelle 9) und welche Stiftungen über nur ein Stiftungsorgan verfügen (Tabelle 10). Tabelle 9: Personalunionen in Stiftungsorganen Stiftung Anzahl Personalunion Körber-Stiftung 3 (Werner Redeker, Lothar Dittmer, Thomas Paulsen) Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung 2 (U. Benjamin Kaupp, Jan-Michael Peters) Deutsche Telekom Stiftung 1 (Thomas Dannenfeldt) BMW Stiftung Herbert Quandt 1 (Michael Schäfer) Friede Springer Stiftung 1 (Friede Springer) SRH Holding (Stiftung Rehabilitation Heidelberg) 1 (Christof Hettich) Bertelsmann Stiftung 1 (Liz Mohn) Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 52 Tabelle 10: Stiftungen mit nur einem Stiftungsorgan Stiftung Robert Bosch Stiftung Auerbach Stiftung Dräger-Stiftung Eberhard von Kuenheim Stiftung Fürst Donnersmarck-Stiftung Haniel Stiftung Herbert Quandt-Stiftung Jacobs Foundation L‘Oréal-Stiftung Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung Schwarzkopf-Stiftung Stiftung Ev. Kranken- und Versorgungshaus zu Mülheim Wüstenrot Stiftung Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample 3.2.1.2 Zwischenfazit: Unternehmensnahe und elitäre Besetzung von Stiftungsgremien sind keine Ausnahme Die Gremienanalyse der 61 „klassischen“ unternehmensnahen Stiftungen bestätigen die Vermutungen zum elitären Einfluss in und über Stiftungen, die in der Forschungsliteratur zu finden sind: Die Gremien der von uns untersuchten unternehmensnahen und als gemeinnützig anerkannten Stiftungen können als höchst elitär gelten. Sie werden von einer akademischen, bei weitem überwiegend männlich dominierten und in hohen gesellschaftlichen Positionen befindlichen Personengruppe geleitet. Lediglich ca. 20 Prozent der Gremienmitglieder sind weiblich, über 50 Prozent haben einen Doktor- oder Professoren-Titel. Zwar könnte der hohe Anteil von Akademikerinnen und Akademikern mit dem Stiftungszweck Wissenschaftsförderung im Zusammenhang stehen, aber es ist zu bedenken, dass fast alle Stiftungen nicht ausschließlich im Wissenschaftsbereich tätig sind und keine reinen Wissenschaftsstiftungen sind. Rund 20 Prozent der Führungskräfte der Stiftungen haben auch eine Position im mit der Stiftung verbundenen Unternehmen. Etwa die Hälfte der Personen weist eine Unternehmensnähe auf – d.h. sie sind oder waren entweder in dem Un- 53 ternehmen beschäftigt, das mit der Stiftung (auf höchst unterschiedliche und, wie dargestellt, nicht immer öffentlich einsehbare Weise) verbunden ist, oder sie haben eine Funktion in einem anderen Unternehmen. Der Typ der Unternehmensstiftung scheint in den Stiftungsgremien (im Vergleich zu anderen unternehmensnahen Stiftungstypen) einen besonders hohen Anteil an Personen zu haben, die ehemals im Unternehmen tätig waren; der Typ spielt also möglicherweise in der Personalpolitik des mit der Stiftung verbundenen Unternehmens eine eigenständige Rolle. Neben dem hohen Anteil von Personen aus der Privatwirtschaft finden sich in den Stiftungsgremien der untersuchten unternehmensnahen Stiftungen Politiker/innen, Medien/vertreter/innen und Stiftungs- und Verbandsvertreter/innen zu jeweils rund 10 Prozent. Aus dem öffentlichen Bereich sind viele führende Personen aus der Politik repräsentiert, darunter amtierende Politikerinnen und Politiker, aber besonders viele ehemalige. Dabei spielt neben dem Dank für die Übernahme von öffentlichen Ämtern sicherlich eine Rolle, dass ehemalige Führungspolitiker/innen noch über gute Kontakte zur Politik verfügen. Während die Karenzzeitdiskussion im Hinblick auf den Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft eine große Rolle spielt und für Mitglieder der Bundesregierung und anderes Spitzenpersonal 2015 Abkühlungsphasen von 12 bis 18 Monaten eingeführt wurden, gibt es solche Vorschriften nicht für unternehmensnahe Stiftungen. Besonders brisant im Hinblick auf Fragen der Kontrolle von Stiftungsaktivitäten ist, dass es in acht Stiftungen nur ein einziges Stiftungsorgan gibt und sich in rund 36 Prozent höchste Unternehmensvertreter/innen in dem höchsten Stiftungsorgan (Vorstand) befinden. Daraus lassen sich u.E. Zweifel am ausschließlich gemeinnützigen Charakter dieser Stiftungen ableiten. Über das Verhältnis zwischen unternehmensnahen Stiftungen und verbundenen Unternehmen hinaus erlaubt die Analyse der Stiftungsgremien ein Schlaglicht auf die Verbindungen zwischen den Stiftungen unseres Samples. Die folgende Abbildung 14 stellt anhand der Personalverflechtungen in den Stiftungsgremien die Verbindungen zwischen Stiftungen dar. Die höchste Zahl von Verflechtungen sind bei Körber (5), Hertie (4) und Thyssen Stiftung (4) zu finden, aber auch die Bosch Stiftung und die Telekom Stiftung sind mit immerhin drei Stiftungen personell verflochten. Dieser Befund ist zunächst nur ein Hinweis auf Formen der Koordination zwischen Stiftungen, die auch für die mit den Stiftungen verbundenen Unternehmen von Belang sein könnten. 54 Abbildung 14: Vernetzung der Stiftungen durch Interlock-Positionen87 Schader-Stiftung Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Freudenberg Stiftung GmbH Deutsche Telekom Stiftung Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung Vodafone Stiftung Gemeinnützige Hertie-Stiftung Daimler und Benz Stiftung Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa Bertelsmann Stiftung Fritz Thyssen Stiftung Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe Friede Springer Stiftung Boehringer Ingelheim Stiftung Heidehof Stiftung GmbH Carl-Zeiss-Stiftung Körber-Stiftung Eberhard von Kuenheim Stiftung Allianz Umweltstiftung Deutsche Wildtier Stiftung Robert Bosch Stiftung GmbH Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample (Eigendarstellung) 87 Die Größe der Kreise ergibt sich aus der Anzahl sogenannter Interlock-Positionen. InterlockPositionen werden durch Personen erzeugt, die in verschiedenen Stiftungen Positionen in Gremien halten. 55 3.2.2 Stiftungstätigkeiten im Bereich Wissenschaft und wissenschaftsnaher Politikberatung 3.2.2.1 Analyse Mit dem Fokus auf das Spannungsverhältnis Gemeinwohl und Partikularinteressen rücken bei der Analyse von Stiftungstätigkeiten im Wissenschaftsbereich auch Themen und Formate ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Über die Themenanalyse lässt sich ermitteln, welche Stiftungen Förderschwerpunkte aufweisen, die sich mit den Geschäftsfeldern des verbundenen Unternehmens überschneiden: zum Beispiel, ob eine Stiftung, die mit einem Pharmakonzern verbunden ist, medizinische und pharmazeutische Forschung fördert. Damit wird ausdrücklich nicht in Abrede gestellt, dass die Stiftungstätigkeit den Charakter der Gemeinnützigkeit erfüllt. Aber es ist für die Bewertung der Stiftungsfunktionen bereits von Interesse, ob und inwiefern ein engerer Zusammenhang zwischen Geschäftsinteressen und Stiftungsarbeit besteht. So kann zum Beispiel bei der Kühne-Stiftung (die jedoch nicht in unserem Sample ist) davon ausgegangen werden, dass die Logistikschwerpunkte der Stiftung (u.a. im Bereich Wissenschaft) auch etwas mit den Geschäftsinteressen der Großspedition Kühne & Nagel AG zu tun haben (vgl. Holland-Letz 2015, S. 54ff.). Je weiter entfernt die Geschäftsinteressen und die thematische Stiftungsarbeit auseinander liegen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Unternehmensinteressen eine Rolle für die Fokussierung der Stiftungsarbeit spielen. Bei der Format-Analyse haben wir demgegenüber untersucht, ob Stiftungen im Bereich der wissenschaftsnahen Politikberatung aktiv sind. Solche Formate bieten politische Einflussmöglichkeiten, die auch dazu dienen können, Interessen der verbundenen Unternehmen durchzusetzen bzw. Eigentümer/innen-Interessen zu verallgemeinern. Viele Stiftungen geben z.B. an, bei Veranstaltungen Entscheidungsträger/innen (meist ist nur von „Entscheidungsträgern“ die Rede) aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzubringen (zum Beispiel die Robert Bosch Stiftung, die BMW Stiftung Herbert Quandt, die Stiftung Mercator) oder wissenschaftliche Expertise für die Politik zu erarbeiten. Diese Stiftungen wurden dann in die Kategorie „betreiben Politikberatung“ eingeordnet. Der über die Stiftungsarbeit ermöglichte Zugang zu politischen Entscheidungsträgern/innen kann bei der Verfolgung weiterer Unternehmensinteressen auch dann eine Rolle spielen, wenn die Stiftungsschwerpunkte keine offensichtliche Überschneidung mit dem Tätigkeitsprofil des Unternehmens erkennen lassen. Die Politikberatungsaktivitäten deuten wir, genau wie die Überschneidung mit dem Unternehmensprofil, als Möglichkeiten, Eigeninteressen zu realisieren. Ob und inwiefern dies jeweils der Fall ist, lässt sich nur über eine vertiefende qualitative Studie ermitteln. 56 Über Stiftungszwecke Zunächst sei einführend darauf hingewiesen, dass es üblich ist, dass Stiftungen mehrere Zwecke haben; einen Stiftungszweck müssen sie mindestens angeben. In der Regel sind es mehr als ein oder zwei Stiftungszweck/e – zum Teil wesentlich mehr. In unserem Datensatz hat nur die Boehringer Ingelheim Fonds - Stiftung für medizinische Grundlagenforschung einen einzigen Stiftungszweck angegeben. Die Bertelsmann Stiftung, die RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft und die Altenheim-Stiftung der Stadtsparkasse Duisburg geben 14 Stiftungszwecke an, die Stiftung Mercator sogar 16.88 In unserem Sample, zu dem unternehmensnahe Stiftungen gehören, die Stiftungszwecke im Bereich Wissenschaft, Forschung und Studentenhilfe angeben, waren für einige Stiftungen jedoch keine oder kaum Aktivitäten im Wissenschaftsbereich zu finden. Darunter die McDonald’s Kinderhilfe Stiftung, die G. u. L. Powalla Bunny’s Stiftung, die Fürst Donnersmarck-Stiftung, die AltenheimStiftung der Stadtsparkasse Duisburg, die Stiftung van Meeteren oder die höchst intransparenten Stiftungen Dietmar Hopp Stiftung und Bertelsmann Wissenschaftsstiftung.89 Bei den Stiftungen, die wissenschaftliche Aktivitäten betreiben, ist es mangels Daten z.T. schwierig zu beurteilen, in welchem Verhältnis diese zum Umfang der anderen Stiftungszwecke stehen. Damit ist es des Weiteren schwierig zu bewerten, ob eine starke akademische Besetzung der Stiftungsgremien gerechtfertigt werden kann. Überschneidung Unternehmens- und Stiftungstätigkeit im Bereich Wissenschaft und Forschung Unserer Analyse zufolge weisen rund 41 Prozent der Stiftungen Aktivitäten im Förderbereich auf, die sich mit einem der Geschäftsfelder des verbundenen Unternehmens offensichtlich überschneiden. Bei rund 46 Prozent ist das nicht der Fall. Bei rund 13 Prozent der Stiftungen fehlen die nötigen Angaben, um das beurteilen zu können, wie Abbildung 15 zeigt (vgl. ausführlich: Tabelle 12 im Anhang). 88 89 Die Stiftungszwecke sind im Verzeichnis Deutscher Stiftungen zu finden (vgl. BDS 2014). Vergleiche hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.2.3. 57 Abbildung 15: Überschneidung der Wissenschaftsförderung von Stiftungen und der Geschäftsfelder der verbundenen Unternehmen 30 28 25 25 20 15 10 8 5 41,0% 45,9% 13,1% Überschneidungen Keine Überschneidungen Keine Angaben 0 Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample (Eigendarstellung) Wir betonen, dass es sich bei den nachfolgenden Ausführungen um Hinweise auf eine sehr allgemeine Überschneidung der Stiftungsaktivitäten im Wissenschaftsbereich mit dem jeweiligen Unternehmensprofil des Unternehmens handelt; sie werden an einzelnen Fällen genauer erörtert. Erst vertiefte Recherchen ermöglichen Differenzierungen bezüglich des Umfangs der Überschneidung und möglichen weiteren Zusammenhängen. Dies trifft insbesondere auf die Unternehmer/innen-Stiftungen zu, deren Verbindungen zu einem oder mehreren Unternehmen genauer erforscht werden müssen. Die Hinweise auf die Überschneidungen einiger Stiftungsaktivitäten mit den Geschäftsfeldern der Unternehmen ist – wie bereits erwähnt – selbst noch kein Beleg für die These, dass unternehmensnahe Stiftungen nicht gemeinnützig arbeiten, sondern den Interessen des Unternehmens dienen. Diese These kann aufgrund der begrenzten Ressourcen für diese Studie nicht überprüft werden. Die einzelnen Fälle von Überschneidung müssten genauer untersucht werden. Vertiefende Fallstudien könnten Aufschluss über die mögliche Verknüpfung von Unternehmensinteressen mit Stiftungszielen geben, die über thematische Überschneidungen hinausgehen. So kann ein Unternehmen auch gemeinnützige Anliegen der Stiftungsarbeit mit standortpolitischen Anliegen verbinden: zum Beispiel, wenn die Förderung von Grundlagenforschung gleichzeitig Einfluss an einer Hochschule sichert, die auch unternehmensnahe Ausbildungsaufgaben übernimmt. Ferner können gemeinnützige Aufgaben Maßnahmen zur Landschaftspflege darstellen, also für einen regelmäßigen Zugang und Ansehen bei Entscheidungsträgern/innen sorgen. Untersuchungen im Zeitverlauf könnten hierbei längerfristige Strategien beteiligter Unternehmen sichtbar machen. Nachfolgend werden Einzelfälle angesprochen, die sich für eine vertiefende Analyse anbieten. Es wird bei diesen Beispielen deutlich, dass unternehmensnahe Stiftungen Forschungstätigkeiten för58 dern, die auch der Weiterentwicklung der Produkte für das Unternehmen zuträglich oder der Ausbildung von Mitarbeitern/innen dienlich sein können.90 - Die Wüstenrot Stiftung ist als Unternehmensbeteiligungsstiftung „über die Wüstenrot Holding AG mit 66 Prozent an der Wüstenrot & Württembergische AG beteiligt“, die im Bereich Versicherungen und Bausparkasse aktiv ist. Die Stiftung betreibt Forschung „in den Bereichen Baukultur, Wohnen und Stadtentwicklung sowie die Erforschung der Chancen und Gefahren des demografischen Wandels in Bezug auf verschiedene Altersgruppen und deren Wohn-, Arbeits- und Freizeitverhältnisse in den Städten und im ländlichen Raum“.91 - In unserem Sample sind drei Stiftungen, die mit einem Pharma-Unternehmen verbunden sind und medizinische Forschung betreiben: Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung ist zu 27 Prozent Anteilseigner bei dem Medizintechnik- und Gesundheitsunternehmen Fresenius; die Stiftung „dient der Förderung medizinischer Wissenschaft und unterstützt medizinischhumanitäre Hilfsprojekte“.92 Die Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung „wurde 1983 von den Holdinggesellschaften des Unternehmensverbandes Boehringer Ingelheim gegründet“.93 Im Kuratoriumsvorstand der Stiftung sitzt der Vorsitzende der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim, Andreas Barner. Der Tätigkeitsschwerpunkt der Stiftung liegt auf der „Förderung biomedizinischer Grundlagenforschung“.94 In der taz wurde über den Verdacht berichtet, dass der Unternehmenskonzern 150 Millionen Euro an die JohannesGutenberg-Universität Mainz gespendet haben könnte, um sich etwaige Patente zu sichern; die Spende tätigte die „formell vom Konzern getrennte Boehringer Ingelheim Stiftung“ (vgl. taz, 16.01.2016). Unabhängig davon, dass es sich hier um einen Verdacht handelt, verweist genau dieser Verdacht auf Möglichkeiten der Einflussnahme und Instrumentalisierung einer Stiftung im Sinne der Geschäftsinteressen. Jüngst wurde zudem bekannt, dass „einzelne Regelungen in den Vereinbarungen“, die die Stiftung mit der Universität Mainz getroffen hat, „gegen das Hochulrecht [verstoßen] oder (…) mit der grundgesetzlich geschützten Forschungsfreiheit unvereinbar [sind]“ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2016). So wird es als gesetzeswidrig eingeordnet, dass die Stiftung eine Veto-Möglichkeit bei Berufungsverfahren erhält; der Verstoß gegen die Forschungsfreiheit manifestiert sich darin, dass laut Kooperationsvereinbarung alle Veröffentlichungen der Zustimmung der Stiftung bedürfen. Journalisten 90 91 92 93 94 Darauf weist auch die Studie von Hanke aus dem Jahr 1971 hin, in der Stiftungen „als Instrumente der Monopolherrschaft“ untersucht werden (vgl. Hanke 1971, S. 50). Den Hinweis der Forschungsförderung bezieht Hanke z.B. auf die Carl-Zeiss-Stiftung (vgl. ebd., S. 31). Wüstenrot Stiftung, 14.01.2016 Else Kröner-Fresenius-Stiftung, 22.01.2016 Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung, 29.06.2016 Dies., 22.01.2016 59 konnten die Kooperationsvereinbarung einsehen, weil sich die Stiftung „zu ein wenig Transparenz bewegen ließ“ (vgl. ebd.).95 Die Aventis Foundation „wurde 1996 von der Hoechst Aktiengesellschaft als Hoechst Foundation gegründet“96 und legt im Bereich Wissenschaft ihren Schwerpunkt auf die „Verknüpfung der Forschungsgebiete Chemie-BiologieMedizin“.97 Der Pharmakonzern Aventis besteht mittlerweile nicht mehr und ist zum Teil in den heutigen Pharmakonzern Sanofi-Aventis aufgegangen; dieser führt die Stiftung als eine seiner CSR-Initiativen.98 - Die RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft ist die Unternehmensstiftung der RWE AG. Sie hat eine wissenschaftliche Studie zu sogenannter „Energiebildung“ erstellen lassen und stellt hier einen Bedarf fest: “Jugendliche hierzulande wissen zu wenig über Energie. So das Kernergebnis der ersten umfassenden Studie zur Energiebildung an deutschen Schulen“ (RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft, Energie?, 14.01.2016). Dieses Ergebnis kann zur Legitimation der Stiftungsziele verwendet werden, nämlich einer „umfassende[n] Energiebildung”, die „Voraussetzung” für „energiemündige Bürgerinnen und Bürger” (ebd., Was wir wollen, 22.01.2016) sei. Des Weiteren geht die Stiftung in einem dreijährigen Forschungsprojekt Nutzerinnovationen für den Energiemarkt nach und damit auch neuen Geschäftsmodellen und Produktlinien, wie das nachfolgende Zitat von der Stiftungshomepage belegt: Im Auftrag der Stiftung untersucht das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, „welche Gründe Nutzer zur Innovation antreiben und welche sie daran hindern, sich für intelligente Stromtechnologien zu interessieren, diese zu implementieren und sich in Online-Foren, offenen Werkstätten und mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen und diese weiterzuentwickeln. Dabei wird auch erforscht, wie die Anbieterseite durch nutzerzentrierte Geschäftsmodelle diese Entwicklung unterstützen kann. Wir möchten mit der Studie Grundlagenwissen für Innovationen im Energiemarkt bereitstellen und Verhaltensweisen von Nutzern aufzeigen. So kann eine Basis für Energieversorger geschaffen werden, diese Erkenntnisse für Entwicklungen von Smart-EnergyTechnologien zu nutzen.“ (Ebd., Projekte, 14.01.2016) Die Stiftung organisiert auch die jährliche Seminarwoche „Akademie für Energie & Akzeptanz“, bei der sich 40 Studierende und Promovierende aus verschiedenen Fachrichtungen austauschen. Im Hinblick auf die Akademie sieht die Stiftung „eine ausgewogene Energiebildung als Grundstein für einen sachlichen Diskurs über Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Grenzen der Energie95 96 97 98 60 Auch im Kontext dieses Falls wirft der Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß die Frage auf, ob durch die zahlreichen Stiftungsprofessoren der Pharmaunternehmen nicht auch andere Forschungsfelder vernachlässigt würden – wie z.B. „Prophylaxe vor Krankheiten, Folgen von Übermedikamentierung und Naturheilverfahren“ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2016). Aventis Foundation, Die Aventis Foundation, 14.01.2016 Dies., Was wir fördern, 14.01.2016 Vgl. Sanofi, 14.01.2016 wende. Dabei gilt es, Werte und Wirklichkeit in eine realistische Relation zueinander zu bringen.”99 Recht offensichtlich sind diese Themen von großem Belang für einen großen Energiekonzern, der vom Kohle- und Atomausstieg betroffen ist. - Die Auerbach Stiftung wurde von Tjark Auerbach gegründet, der Gesellschafter der Firma Avira ist, die Virenschutzprogramme für PCs herstellt. Die Stiftung fördert zum Beispiel zwei Stiftungsprofessuren, die im Einklang mit dem Geschäftsfeld von Avira stehen: die eine zu „IT-Sicherheit“ an der Hochschule Ravensburg-Weingarten,100 die andere zu „Datensicherheit in cloudbasierten Systemen und IT-Forensik“101 an der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG). - Die L’Oréal-Unternehmensstiftung wurde vom Kosmetik-Konzern L’Oréal gegründet. Die Stiftungshomepage läuft unter „loreal.de“ und es ist dort der direkte Hinweis „Besuchen Sie die Webseite L’OREAL.DE“ zu finden. Die Stiftung „engagiert sich in zahlreichen sozialen Projekten aus den Bereichen Wissenschaft und Schönheit”102 und gibt an, sie „vermittelt benachteiligten Menschen mehr Selbstwertgefühl“.103 Dazu führt sie aus: „Wenn Sie jemandem dabei helfen, sein Aussehen wiederherzustellen, dann fühlt sich diese Person wieder in die Gesellschaft eingegliedert, gewinnt Würde und Selbstvertrauen, kann wieder selbstbewusst als Individuum auftreten und ihre Rolle in der Gesellschaft spielen. Dieses Ziel will L'Oréal mit seinem Wissen über Schönheit seit jeher erreichen.” (Ebd.) Die Stiftung vergibt zum Beispiel zusammen mit der französischen Nationalbibliothek BNF die „‚Art of Being and Appearance‘-Stipendien“ und möchte damit „die Erarbeitung und Verbreitung von Wissen über die Bedeutung des physischen Aussehens“104 unterstützen. - Die Daimler und Benz Stiftung, die von der Daimler AG (ehemals Daimler-Benz AG) gegründet wurde, fördert „gesellschaftsrelevante Forschungsprojekte von interdisziplinärem Charakter. Dabei definiert sie klare Schwerpunktthemen, von denen künftig weitreichende Auswirkungen zu erwarten sind“ (Daimler und Benz Stiftung Forschung, 14.01.2016). Dazu gehört zum Beispiel eine Tagung zum Thema „Roboterethik“ oder Publikationen zum Thema „autonomes Fahren“ (vgl. ebd., Roboterethik, 14.01.2016). 99 100 101 102 103 104 RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft, Die Akademie für Energie und Akzeptanz, 18.01.2016 Auerbach Stiftung, IT-Sicherheit als Thema der Zukunft, 14.01.2016 Dies., Datensicherheit in cloudbasierten Systemen und IT-Forensik, 14.01.2016 L’Oréal-Stiftung, Wissenschaft und Schönheit, 14.01.2016 Dies., Mit Schönheit etwas erreichen, 14.01.2016 Dies., Wissen über Schönheit teilen, 14.01.2016 61 - Die Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung ordnen wir als Unternehmer/innenStiftung ein: Sie ist von dem Ehepaar Rut und Klaus Bahlsen gegründet worden; Klaus Bahlsen ist einer der Erben von Hermann Bahlsen, der das BackwarenUnternehmen Bahlsen gegründet hat. Die Stiftung legt einen ihrer Schwerpunkte auf „Ökologische(n) Landbau und Gesunde Ernährung“.105 - Die Deutsche Wildtier Stiftung ist eine „nach unternehmerischen Prinzipien geführte private gemeinnützige Stiftung, die sich für den Schutz und die Förderung heimischer Wildtiere einsetzt.“106 Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog ist ihr Schirmherr. Die Stiftung ist eine Unterzeichnerin der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (die 7 der 61 „klassischen“ utnernehmensnahen Stiftungen in unserem Sample unterzeichnet haben, vgl. Kapitel 3.2.3). Entsprechend der ITZ-Kriterien gibt die Stiftung ihre gesellschaftsrechtliche Verflechtung an: Zu 40 Prozent hält sie Anteile an der Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen GmbH. Der Stiftungsvorstand besteht aus einer Person: Fritz Vahrenholt, der auch einer der Geschäftsführer der Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen ist.107 Dieser Gourmet-Betrieb wiederum wirbt für seine Produkte – z.B. Wildfleisch – auf der Stiftungshomepage. Die Stiftung selbst bietet auf ihrer Homepage einen „Shop“ an und vertreibt dort „Naturschutzprodukte“,108 zum Beispiel Vogel- und Bienenhäuser. Die Stiftungsaktivitäten im Bereich Wissenschaft umfassen zum Beispiel die Vergabe des Forschungspreises, „der intensive Forschungsvorhaben rund um die heimische Tierwelt ermöglicht“.109 Die Dieter Schwarz Stiftung „ist eine gemeinnützige GmbH, die sich aus Ausschüttungen der beiden Unternehmen Lidl Stiftung und Kaufland Stiftung um die Schwarz-Gruppe finanziert“.110 Diese Angabe ist jedoch nicht auf der Stiftungshomepage, sondern bei Wikipedia zu finden. Zur Schwarz-Gruppe gehören mehrere Supermarkt-Ketten, darunter Lidl und Kaufland. Die Stiftung fördert u.a. Studiengänge zu Konsumgüterhandel und Dienstleistungsmanagement, die in der Außenstelle der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach in Heilbronn angeboten werden. Mit dem Campus Heilbronn hat die Stiftung der DHBW „Tausende Quadratmeter Land und ein Ensemble moderner Seminargebäude spendiert“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.08.2016). Die Hochschule steht im Kontext der Kooperation mit der Stiftung mittlerweile stark in der Kritik: Zum einen würde der von der Schwarz-Stiftung geförderte Campus ausgebaut, während die anderen Akademien der DHWB zunehmend geschröpft seien; Studierende müssten zudem lange Anfahrten in Kauf nehmen, um den Campus zu erreichen (vgl. ebd.). Zum anderen wechselte der Präsident der DHBW im Februar 2016 in die Geschäftsführung der Stiftung und es steht der Ver- - 105 106 107 108 109 110 62 Rut und Klaus-Bahlsen-Stiftung, Projekte, 14.01.2016 Deutsche Wildtier Stiftung, Unser Leitbild, 14.01.2016 Vgl. Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen, 22.01.2016 Deutsche Wildtier Stiftung, Naturschutzprodukte, 15.01.2016 Deutsche Wildtier Stiftung, Forschungspreis, 25.06.2016 Wikipedia, Dieter Schwarz Stiftung, 18.01.2016 dacht im Raum, dass er hohe Beratungshonorare schon zu seiner Amtszeit als Präsident von der Stiftung erhalten haben soll (vgl. ebd.). In Anspielung auf die öffentliche Weiterfinanzierung des Campus Heilbronn urteilt die FAZ, dass sich das Engagement der Stiftung für dieselbige gelohnt habe, da sie „dem Konzern mit öffentlichen Geldern eine verlängerte Werkbank vor der Haustür verschafft“ (ebd.). - Die Unternehmer/innen-Stiftung Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung wird von dem Technologiekonzern Heraeus unter dem Stichwort „Verantwortung“111 auf der Homepage geführt; das Unternehmen ist in den Bereichen „Edel- und Sondermetalle, Medizintechnik, Quarzglas, Sensoren und Speziallichtquellen“112 tätig. Die Stiftung fördert die „Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Naturwissenschaften“113 und viele Aktivitäten im Bereich Physik. Grenzfälle und weiterer Forschungsbedarf zur Überschneidung von Unternehmensund Stiftungstätigkeit im Bereich Wissenschaft und Forschung Wir möchten beispielhaft auf einige Grenzfälle hinweisen, in denen die Stiftungsaktivitäten im Dienste eher allgemeiner Interessen von Unternehmen stehen: - Bei der Joachim-Herz-Stiftung stammt das Stiftungsvermögen aus dem Privatvermögen des (bereits verstorbenen) Unternehmers Joachim Herz; es setzt sich zu rund 65 Prozent aus „unternehmerischen Beteiligungen“ zusammen, wobei „der Schwerpunkt (…) in der Beiersdorf AG“ liegt. Genauere Angaben macht die Stiftung nicht. Sie hat einen ihrer Schwerpunkte auf „Wirtschaft verstehen und gestalten“ gelegt und fördert u.a. Projekte zum Thema „Wirtschaftsbildung erforschen“ sowie das Forschungsprojekt „Wie Emotionen die Unternehmensführung beeinflussen”.114 - Die Jacobs Foundation hält „sämtliche Vermögensrechte an der Jacobs Holding AG“.115 Zu dieser gehört die 50-prozentige Beteiligung an dem Unternehmen Barry Callebaut, das wegen Kinderarbeit/-sklaverei in die Kritik geriet.116 Ein Schwerpunkt der Stiftung ist die Forschung zur Kinder- und Jugendentwicklung: Sie „unterstützt Forschung und Praxisprojekte höchster Qualität, die weltweit zu wichtigen Erkenntnissen und grundlegenden Verbesserungen für Kinder und Jugendliche führen“.117 Diese Stiftungsaktivitäten kann man im Kontext einer Imageaufbesserung der Marke Jacobs verorten. 111 112 113 114 115 116 117 Heraeus Group, Verantwortung, 18.01.2016 Wikipedia, Heraeus (Unternehmen), 18.01.2016 Wilhelm und Else Heraeus Stiftung, 22.01.2016 Vgl. Joachim Herz Stiftung, Wirtschaftsbildung erforschen, 14.01.2016 Jacobs Foundation, Jahresbericht 2015, 29.06.2016 Wikipedia, Barry Callebaut, 29.06.2016 Jacobs Foundation, Jahresbericht 2015, 29.06.2016 63 - Die Possehl-Stiftung ist die alleinige Gesellschafterin der Unternehmensgruppe Possehl, einem Lübecker Handelsunternehmen.118 In Lübeck fördert sie „alles Gute und Schöne“ und setzt sich „für die Erhaltung des schönen Bildes der Stadt und ihrer Anlagen, die Förderung der Jugend, die Pflege von Kunst und Wissenschaft und die Linderung der Not der Bedürftigen ein“ (ebd.). Dabei habe die Stiftung „(v)on 1950 bis heute (…) mit knapp € 40 Mio. dazu beitragen können, die Lübecker Altstadt in ihrer architektonischen Vielfalt zu erhalten und gestalten.“119 Unseres Erachtens ist in solchen Fällen zu prüfen, inwiefern die Stiftungsaktivitäten auch im Kontext einer Standortpolitik der Unternehmen zu verstehen sind. Auch wenn keine „offensichtliche“ Überschneidung schnell ersichtlich wird (also zum Beispiel durch die Stiftungsschwerpunkte im Bereich Wissenschaft), können vertiefte Recherchen zu einem anderen Ergebnis gelangen. Eine umfassendere Forschung wäre hierfür notwendig. Politikberatung Unter dem Sammelbegriff Politikberatung werden unterschiedliche Aktivitäten zusammengefasst, welche gemein haben, dass sie politische Fragestellungen handlungsorientiert analysieren. Auftraggeber sind dabei längst nicht mehr nur politische Institutionen, sondern auch private und zivilgesellschaftliche Organisationen, jedoch bleiben politische Akteure meist Adressat der entwickelten Handlungsvorschläge. Politikberatung geht dabei heutzutage über das klassische Beratungsformat hinaus und kann in verschiedensten Formen realisiert werden. In Bezug auf Think-Tanks unterscheidet Speth (2006) zwischen staatlichen, akademischen und advokatorischen Akteuren. Letztere zeichnen sich aus durch die Produktion einer „politikkompatiblen Form des Outputs: kürzere Texte mit handlungsorientierten Inhalten (policy briefs), Konferenzen, Kurzstudien, mediengerecht aufbereitete Inhalte und gezielte Information von Multiplikatoren und Entscheidungsträgern“.120 Demnach können Kongresse, Podien und Policy Papers als Formen der (advokatorischen) Politikberatung eingeordnet werden, sofern zumindest auch politische Entscheidungsträger/innen angesprochen werden. Rund 43 Prozent der unternehmensnahen Stiftungen in unserem Sample betreiben (basierend auf dieser Definition) Politikberatung und können insofern als Think-Tanks, mithin als Organisationen politiknaher Forschung und Beratung, definiert werden.121 Die nachfolgende Grafik (Abb. 16) und Tabelle 12 (vgl. Anhang) geben einen Überblick. 118 119 120 121 64 Possehl-Stiftung, Die Stiftung, 30.06.2016 Dies., Engagement der Stiftung, 30.06.2015 Speth, 30.06.2016 In Orientierung an Speth verstehen wir den Begriff Think-Tank nicht als eine „(…) bestimmte Organisationsform, sondern eher eine spezifische Handlungsweise und Funktion“. (Speth 2010, S. 394; vgl. auch Pautz 2011, S. 419ff.) Abbildung 16: (Advokatorische) Politikberatung durch Stiftungen 30 28 26 25 20 15 10 7 5 42,6% 45,9% 11,5% Beratend tätig Nicht beratend tätig Keine Angaben 0 Politikberatung Quelle: Eigene Recherche (vgl. Tabelle 12 im Anhang), Stiftungssample (Eigendarstellung) Anhand einiger Beispiele kann veranschaulicht werden, welche Aktivitäten im Einzelnen verfolgt werden: - Die RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft ist eine Unternehmensstiftung des Energieversorgungskonzerns RWE. Sie erklärt auf ihrer Homepage: „Es gilt Antworten auf drängende Fragen zu finden, vor die uns die Energiewende stellt. Wir wollen Diskussionen anstiften und Prozesse initiieren, etwa anhand aktueller Studienergebnisse oder mit Hilfe innovativer Ideen und Projekte. Die Transformationsprozesse rund um das Themenfeld ‚Energie und Gesellschaft‘ sind von zahlreichen Interessenkonflikten gekennzeichnet, die wir nicht lösen können. Wir verstehen es aber als unsere Aufgabe, sie zu thematisieren und die unterschiedlichen Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen.“122 Die von der Stiftung finanzierte Studie zum Thema „Energiebildung“ wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Berlin besprochen. Eingeladen war u.a. die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Die Vodafone Stiftung hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband deutscher Stiftungen 2011 die Studie „Denken fördern. Think Tanks als Instrumente wirkungsvoller Stiftungsarbeit“ (Berlin) publiziert, in welcher Stiftungen zu stärkerem Engagement in der politiknahen Forschung und Beratung ermuntert werden (vgl. BDS/Vodafone Stiftung (Hrsg.), Denken fördern. Think Tanks als Instrumente wirkungsvoller Stiftungsarbeit, Berlin 2011; unter: <https://www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/Publikationen/Thinktank_Studie/THINKTANK_ GESAMTANSICHT_final.pdf> am 06.07.2016). 122 RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft, Über die Stiftung, 18.01.2016 65 - Die BMW Stiftung Herbert Quandt ist eine Unternehmensstiftung der BMW Group.123 Ihre Hauptzielgruppe sind „internationale Führungspersönlichkeiten“;124 ihre Zielgruppen-Ausrichtung ist somit als dezidiert elitär zu beschreiben und ihre Veranstaltungen sind oftmals nicht für jede/n zugänglich: Sie „bringen Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und dem Nonprofit-Bereich zusammen. Teils öffentlich, teils auf Einladung.“125 Die Veranstaltungen finden zu den Schwerpunkten „Pro bono und Engagement“, „Social Finance“, „Social Entrepreneurship“, „Social Intrapreneurship“, „Europas Zukunft“, „Europa und seine Nachbarn“, „Europa und die neuen Gestaltungsmächte“ statt.126 Ein Event ist dabei der Munich Economic Summit, der sich als „politische Plattform für einen intensiven Dialog über Kernfragen der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und der Welt”127 versteht. Die Einladungsliste128 liest sich wie ein Who is Who der Industrie-, Finanz- und Versicherungswirtschaft, ergänzt um Professoren/innen renommierter Institute, Vertreter/innen der nationalen und EU-Politik sowie vereinzelte wirtschaftsnahe NGOs. Das Forum ist damit vergleichbar der Praxis des Davoser World Economic Forum, wo sich alljährlich die globale Wirtschafts- und Politikelite versammelt. Gemeinsam mit dem Tönissteiner Kreis und dem Studentenforum hat die BMW Stiftung Herbert Quandt 2013 eine Studie zum Thema „Seiteneinsteiger in die Politik. Analyse, Bewertung und Empfehlungen“ veröffentlicht. Studierende haben dafür 600 Lebensläufe „von Abgeordneten und über 70 Tiefeninterviews“ analysiert, die laut den Autorinnen und Autoren zeigen, „dass Seiteneinsteiger überdurchschnittliche Führungskompetenz, internationale Erfahrung sowie Fachexpertise haben und diese auch aktiv in die Gremienarbeit im Deutschen Bundestag einbringen“.129 Dieser Befund deutet unterdessen darauf hin, dass die Studie nicht in erster Linie „Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen“130 dient, die in der Einleitung im Hinblick auf das Thema Seiteneinsteiger in der Politik und auf (fehlende) Repräsentativität im politischen Raum erwähnt werden. Nach Einschätzung der Autoren/innen würden Seiteneinsteiger aber jedenfalls die „Chance“ bieten, „die Qualität und Akzeptanz der politischen Arbeit zu erhöhen“ (ebd.). In den Handlungsempfehlungen werden „Ausstiegs- und Rückkehrregelungen in die Privatwirtschaft“ gefordert, „die nicht nur den Einstieg in die Politik ermöglichen, sondern auch die Rückkehr erleichtern. (…) Berufliche Netzwerke unter den Parlamentariern und innerhalb der Parteien könnten helfen, den Absicherungsdruck zu mindern und zu einer höheren Durchlässigkeit des Parlaments in beiden Richtungen beizu123 Die BMW Stiftung Herbert Quandt ist im März 2016 mit der zweiten Unternehmensstiftung der BMW Group, der Eberhard von Kuenheim Stiftung, zusammengeführt worden. 124 BMW Stiftung Herbert Quandt, Über uns, 18.01.2016 125 BMW Stiftung Herbert Quandt, Veranstaltungen, 18.01.2016 126 BMW Stiftung Herbert Quandt, Was wir tun, 18.01.2016 127 BMW Stiftung Herbert Quandt, 14th Munich Economic Summit, 18.01.2016 128 Vgl. Munich Economic Summit, List of Participants 2015, 06.07.2016 129 BMW Stiftung Herbert Quandt, Studie des Tönissteiner Kreises, 18.01.2016 130 BMW Stiftung Herbert Quandt/Tönissteiner Kreis/Studentenforum (Hrsg.), S. 5, 22.01.2016 66 tragen. Um der Gefahr illegitimer Einflussnahme durch Loyalitätskonflikte von Seiteneinsteigern (z. B. gegenüber ehemaligen und zukünftigen Arbeitgebern) entgegenzuwirken, könnte eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Offenlegung potentieller Interessenkonflikte eingeführt werden (…)“ (ebd., S. 20). Das Projekt versteht sich als „politisch unabhängig“ (ebd., S. 6). Die Empfehlung, Seiteneinstiege zu befürworten und diese lediglich mit einer „freiwillige[n] Selbstverpflichtung zur Offenlegung potentieller Interessenkonflikte“ (ebd., S. 20) zu belegen, stellt aber offensichtlich eine Intervention in eine gesellschaftliche Debatte dar, in deren Rahmen Drehtüreffekte zwischen Politik und Wirtschaft auf nationaler und europäischer Ebene kritisch analysiert wurden. 2015 wurde in Deutschland mit Karenzzeiten bis zu 18 Monaten der Missbrauch von privilegiertem Zugang begrenzt; NGOs forderten dreijährige Karenzzeiten. Die Empfehlungen aus der Studie lagen offenbar sehr viel näher bei den Interessen der BMW Group und der Automobilbranche, die möglichst ohne Hindernisse erfahrenes Personal aus dem Politikbetrieb rekrutieren will. - Manche Stiftungen sehen ihre politische Arbeit explizit im Vordergrund ihrer Aktivitäten, so zum Beispiel die Stiftung Weltbevölkerung, deren Stiftungsvermögen unter anderem aus dem Privatvermögen von den Unternehmern Erhard Schreiber und Dirk Roßmann stammt. Letztgenannter hält 60 Prozent der Unternehmensanteile der von ihm gegründeten Drogeriemarktkette Rossmann. Die Stiftung, die im Bereich Gesundheitspolitik engagiert ist, greift dabei auch auf Großspenden des BASF-Konzerns zurück (als Unterzeichnerin der ITZ macht die Stiftung Angaben zu Großspenden). Die Stiftung versteht sich als „parteipolitisch unabhängig“,131 verfolgt aber dezidiert politische Zielstellungen und ist insofern wohl kaum politisch neutral: Sie „setzt sich dafür ein, dass die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern – insbesondere im Bereich Aufklärung und freiwillige Familienplanung – zur Priorität der nationalen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird. Wir engagieren uns für die Erhöhung der öffentlichen Mittel im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, innovativer Finanzierungsmechanismen wie zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer sowie für größere Transparenz und Effektivität bei der Verwendung der Mittel im Gesundheitsbereich.” (Ebd.) Der erklärte Einsatz für die Finanztransaktionssteuer ist insofern von besonderem Interesse, als Attac in Frankfurt insbesondere deshalb der Status der Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde (vgl. w.o. die Einleitung dieser Studie). Um politische Zielstellungen umzusetzen, wendet sich die Stiftung an „politische Entscheidungsträger“:132 131 Stiftung Weltbevölkerung, Auf einen Blick, 18.01.2016 132 Dies., Unsere politische Arbeit, 18.01.2016 67 „In Deutschland stehen wir in ständigem Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern im Deutschen Bundestag und den Ministerien – allen voran dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).” (Ebd.) Die Stiftung verabschiedet politische Positionspapiere (z.B. 2013 zu „Bevölkerungsdynamiken in der Post-2015-Entwicklungsagenda“133) und kommentiert aktuelle politische Entscheidungen, zum Beispiel in Pressemitteilungen.134 Im Jahresbericht verweist sie auf ihre politischen Erfolge: „Auch auf politischer Ebene haben wir viel erreicht. In Deutschland haben wir unter anderem dazu beigetragen, dass sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet haben, einen stärkeren Fokus auf globale Gesundheit zu legen und bis zum Jahr 2017 zwei Milliarden Euro zusätzlich für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen.“135 - Die Stiftung Mercator, deren Stiftungsvermögen aus dem Privatvermögen der Familie Schmidt stammt, die wiederum ein Hauptanteilseigner der Metro Group ist, hat Politikberatung als einen Schwerpunkt ihrer stifterischen Tätigkeiten. Dies findet seinen Ausdruck in zahlreichen Veranstaltungsformaten mit Politiker/innen und Studien. Aktuell (2014-16) lässt die Stiftung eine „Umfrage zur Nutzung von wissenschaftlicher Politikberatung” erarbeiten. Befragt werden Politiker/innen und Wissenschaftler/innen. Die Studie soll “klären, welche Mechanismen dafür entscheidend sind, dass wissenschaftliche Expertise in politischen Entscheidungsprozessen Beachtung findet“ (Stiftung Mercator 2015, S. 15, 21.01.2016). Die Verbindungen zwischen der Mercator-Stiftung und bestimmten Wissenschaftszweigen sind in Deutschland mittlerweile sehr eng: Zum Beispiel wird die Erforschung des Klimawandels im Rahmen des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gefördert. Im Bereich Klimawandel verfolgt die Stiftung Mercator (ebenso wie in anderen Bereichen) dezidiert politische Ziele: „Wir setzen uns dafür ein, die anthropogene Emission von im Kyoto-Protokoll eingeschlossenen Treibhausgasen in Deutschland um 40 Prozent bis 2020 und um mindestens 80 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 zu senken.“136 Auch die China-Forschung wird stark von der Stiftung vorangetrieben und ist beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) angesiedelt. Es versteht sich als 133 134 135 136 68 Dies., Positionspapier, 18.01.2016 Stiftung Weltbevölkerung, Blog, 18.01.2016 Dies., Jahresbericht 2013/2014. S. 2, 18.01.2016 Stiftung Mercator, Klimawandel, 18.01.2016 „ein unabhängiges Forschungsinstitut, das Erkenntnisse aus der ChinaForschung aktiv in die Öffentlichkeit hinein vermittelt. MERICS informiert Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und ist ständiger Ansprechpartner für die Medien“ (MERICS, Das Mercator Institute for China Studies, 18.01.2016). - Die Robert Bosch Stiftung richtet zahlreiche Konferenzen aus, bei der sie Entscheidungsträger/innen und Wissenschaftler/innen zusammenbringt: Zum Beispiel die „Transatlantic Academy“, die „die transatlantische Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern und damit die Nutzung wissenschaftlicher Expertise in politischen Entscheidungsprozessen [fördert]“.137 Mit dem EDAM Roundtable finanziert die Stiftung „eine Plattform, auf der sich europäische und türkische Entscheidungsträger zu globalen, für die EU und Türkei gleichermaßen relevanten Fragestellungen austauschen“.138 Neben Konferenzen initiiert die Stiftung auch „Expertenkommissionen“ – z.B. von März 2015 bis Januar 2016 die „Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik“.139 In ihr hat die Stiftung „zehn hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um konkrete Reformvorschläge zur deutschen Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Die Kommission verstand sich dabei als ein parteiübergreifendes und unabhängiges Gremium. Ihr ‚Mandat‘ beinhaltete den Auftrag, eine offene und sachliche Diskussion zu ermöglichen, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und konstruktive Vorschläge und Konzepte zu entwickeln. (…) Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis entwickelte die Kommission Handlungsempfehlungen für die mittel- und langfristige Integration von Flüchtlingen.“ (Ebd.) Das Mandat setzt die Stiftung zu Recht in Anführungszeichen – schließlich verfügt die Kommission über kein öffentliches Mandat. Den Kommissionsvorsitz führte Armin Laschet, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in NRW. In einem von mehreren von der Kommission erarbeiteten Dossiers wird zur „Finanzierung der Flüchtlingspolitik“ u.a. festgehalten: „Gegenwärtige Staatsüberschüsse sind eine gute Ausgangslage. Sollten die Einnahmen dennoch nicht für alle Staatsleistungen einschließlich Flüchtlingsleistungen reichen, sind höhere Steuern das Mittel der Wahl – auch wenn sie zuweilen inopportun erscheinen.“ So mag sich das Gremium zwar als parteiübergreifend und unabhängig verstehen (was angesichts der Zusammensetzung des Gremiums kontrovers diskutiert 137 Robert Bosch Stiftung, Transatlantic Academy, 19.01.2016 138 Dies., EDAM Roundtable, 19.01.2016 139 Dies, Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, 29.06.2016 69 werden kann).140 Die Ergebnisse seiner Arbeit sind jedoch – wie das Zitat zeigt – hochpolitisch und natürlich auch parteiisch im Sinne einer politischen Positionierung. Neben Konferenzen und Kommissionen ist die Bosch Stiftung auch über wissenschaftliche Studien politikberatend tätig. Solche Studien gibt sie z.B. beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Auftrag, das als „arbeitgebernahes wirtschaftswissenschaftliches Forschungsinstitut“ (vgl. Lobbypedia, 25.06.2016) gilt. So die Studie „Youth Unemployment in Europe - Appraisal and Policy Options“,141 die „zeigt, wie sich die Arbeitslosigkeit junger Menschen in Europa in den letzten Jahren entwickelt hat. Sie diagnostiziert die wichtigsten strukturellen Hürden beim Berufseinstieg und entwickelt daraus allgemeine Handlungsempfehlungen. Im Fokus stehen südeuropäische Länder, in denen die jungen Menschen besonders unter Beschäftigungsproblemen leiden: Spanien, Italien und Portugal“.142 Eingangs wurde unter Bezug auf den Forschungsstand die Annahme formuliert, dass unternehmensnahe Stiftungen Eigentümer/innen-Interessen nahe stehen. Unseres Erachtens sollte dieser These in vertiefter Forschung nachgegangen werden – wie wir nachfolgend beispielhaft an einer Aussage aus der Studie veranschaulichen, bei der Jugendliche, die i.d.R. als lohnabhängig Beschäftigte ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt veräußern müssen, als Humankapital verhandelt werden und Bildung als Mittel zur besseren Verwertung von Arbeitskraft verstanden wird: „(…) die Schwierigkeiten, die sowohl ungelernte als auch qualifizierte Jugendliche bei der Arbeitsmarktintegration haben, [sind] ein Ausdruck von qualifikatorischem Mismatch: Für einen Teil des angebotenen Humankapitals innerhalb der jungen Generation haben die Arbeitgeber keinen Bedarf. Die Bekämpfung solcher Ungleichgewichte erfordert eine Modernisierung der Bildungsund Ausbildungssysteme. Ein wesentliches Element hierbei ist, die Unterneh140 Zu den Mitgliedern gehören: Armin Laschet (Stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, Fraktions- und Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und ehemaliger Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen); Heinrich Alt (Bundesagentur für Arbeit); Günter Burkhardt (Geschäftsführer PRO ASYL); Peter Clever (Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände); Michael Griesbeck (Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge); Renate Köcher (Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach); Ulrich Maly (Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und Vizepräsident des Deutschen Städtetags); Bilkay Öney (Ministerin für Integration des Landes BadenWürttemberg); Roland Preuß (Süddeutsche Zeitung); Hans Peter Wollseifer (Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks) sowie Christine Langenfeld (Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration) als ständiger Gast (vgl. Robert Bosch Stiftung, Mitglieder der Expertenkommission, 30.06.2016). 141 Robert Bosch Stiftung, Youth Unemployment in Europe - Appraisal and Policy Options, 18.01.2016 142 Dies, Studie: Jugendarbeitslosigkeit in Europa, 19.01.2016 70 men stärker an Bildungs- und Qualifizierungsprozessen zu beteiligen.“ (Ebd., S. 10) Wie der letzte Satz zeigt, wird die Studie auch dazu genutzt, die Aktivitäten von Unternehmen im Bildungsbereich zu legitimieren. Entsprechend des Verständnisses von Jugendlichen als Humankapital wird in der Studie resümiert, es gelte „(s)prachliche und psychologische Mobilitätsbarrieren [zu] senken” (ebd., S. 11). Für globale Großkonzerne, wie die Bosch-Gruppe, ist es in Zeiten der Vollbeschäftigung an zentralen Standorten wichtig, über international mobile Arbeitskräfte zu verfügen. Die Studie wurde 2014 an den Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministierums überreicht, „der sie kurzfristig in Vertretung für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel entgegennahm” (ebd.). Im Anschluss an die Studie gründete die Robert Bosch Stiftung zusammen mit dem Verband Arbeitgeber Baden-Württemberg ein „(z)entrales Servicecenter in Baden-Württemberg zur Internationalisierung beruflicher Bildung” – das Center for European Trainees (CET). Diese Initiative, wie auch die Studie selbst, wird auch in der „internationale[n] Mitarbeiterzeitung der Bosch Gruppe“, dem „Bosch Zünder“, aufgegriffen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie mit sozialwissenschaftlicher Forschung politische Maßnahmen von unternehmensnahen Stiftungen vorangetrieben und legitimiert werden und nicht zuletzt die Konzernmitarbeiter/innen adressieren. Die Bosch Stiftung hat einen Schwerpunkt bei ihrer wissenschaftlichen Förderung im Bereich Sozialwissenschaften und lässt Studien u.a. in den Bereichen Asylpolitik, Bildungspolitik, Gesundheitspolitik und –forschung, Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarktpolitik erstellen. - Die Körber-Stiftung ist Alleinaktionärin des internationalen Technologiekonzerns Körber AG. Sie produziert Maschinen u.a. in einem politisch sensiblen Bereich, nämlich für die Herstellung von Zigaretten. Ähnlich wie bei der BMW Stiftung Herbert Quandt143 verweisen bereits ihre Stiftungsschwerpunkte auf Bezüge zur Politikberatung, z.B. „Internationale Politik“.144 Die Körber-Stiftung hat zahlreiche Veranstaltungsformate, bei der sie „Experten“ und „Politiker“145 zusammenbringt. Einige Beispiele: - Bergedorfer Gespächskreis: „Seit 1961 diskutieren hochrangige internationale Politiker und Experten in kleiner und vertraulicher Runde Grundfragen deutscher und europäischer Außen- und Sicherheitspolitik“ (ebd.). 2015 fand ein Gesprächkreis in Peking statt – zu Gast war u.a. die Bundeskanzlerin Angela Merkel.146 - Berliner Forum Außenpolitik: Hier werden „Kernfragen deutscher und europäischer Außenpolitik in einem internationalen Kreis von 200 hochran- 143 Die BMW Stiftung Herbert Quandt hat u.a. den Stiftungsschwerpunkt „Europas Zukunft“ (vgl. BMW Stiftung Herbert Quandt, Was wir tun, 18.01.2016). 144 Körber Stiftung, Internationale Politik, 20.01.2016 145 Dies., Bergedorfer Gesprächskreis, 20.01.2016 146 Vgl. dies., Angela Merkel besucht Bergedorfer Gesprächskreis in Peking, 20.01.2016 71 - - gigen Politikern, Regierungsvertretern, Experten und Journalisten [diskutiert]“.147 Körber Dialogue Middle East: Dies „bietet eine Plattform für multilaterale Gespräche zu aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Fragestellungen des Nahen und Mittleren Ostens. In regelmäßigen Abständen kommen außenpolitische Experten aus der EU, den USA sowie Staaten des Nahen und Mittleren Ostens zusammen, um in vertraulicher Atmosphäre politikorientierte Ideen zu entwickeln und Handlungsempfehlungen zu formulieren.”148 Politische Mittage: Hierbei „geben renommierte internationale Vordenker, Praktiker, Politiker oder Wissenschaftler zu den Themenfeldern Alter/Demografischer Wandel und Zivilgesellschaft Impulse für einen hochrangigen Kreis aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und NGOs“.149 Die Beispiele zeigen, dass Stiftungen politischen Einfluss geltend machen und dazu der Stiftungszweck Förderung von Wissenschaft und Forschung genutzt werden kann – durchaus auch in Verbindung mit anderen Stiftungszwecken, wie z.B. Völkerverständigung. Die Stiftungen beeinflussen die politische Willensbildung zu bestimmten Themen, zum Beispiel über die Einladung hochrangiger Politiker/innen zu Veranstaltungen oder nutzen wissenschaftliche Studien, um Handlungsempfehlungen an die Politik zu formulieren. An erarbeitete Studienergebnisse knüpfen sie zudem mit konkreten Maßnahmen an. Insbesondere durch die Zusammenarbeit mehrerer unternehmensnaher Stiftungen (und ggf. noch weiterer Organisationen) kann dezidierter Einfluss über Politikberatung ausgeübt werden, ebenso wie durch das vereinzelte Wirken mehrerer großer Stiftungen in einem Themenbereich. Dies wird im Nachfolgenden anhand einiger Beispiele aufgezeigt, bei denen ein starkes Agenda-Setting betrieben wird. An diesen Beispielen wird einmal mehr deutlich, dass die Einflussmöglichkeiten, die unternehmensnahe Stiftungen besitzen, allein mit dem Blick auf die Summe der Stiftungsausgaben nicht erfasst wird: - Die Stiftung Mercator, die Bertelsmann Stiftung, die Freudenberg Stiftung, die Robert Bosch Stiftung und die Vodafone Stiftung Deutschland kooperieren (gemeinsam mit der Volkswagen Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) bei dem Sachverständigenrat Migration (SVR). Im SVR selbst sitzen neun „Sachverständige“; das Gremium versteht sich als „ein unabhängiges, interdisziplinär besetztes Expertengremium, das die Politik handlungsorientiert berät und der Öffentlichkeit sachliche Informationen zur Verfügung stellt“.150 147 148 149 150 72 Körber Stiftung, Berliner Forum Außenpolitik, 20.01.2016 Dies., Körber Dialogue Middle East, 20.01.2016 Dies., Politische Mittage, 20.01.2016 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, 22.01.2016 - Die Deutsche Telekom Stiftung, die Hertie-Stiftung, die Jacobs Foundation, die Joachim Herz Stiftung, die Körber-Stiftung, die Siemens Stiftung kooperieren (gemeinsam mit vielen anderen Partnern) bei dem Nationalen MINT Forum, das sich „für die Förderung der Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik einsetzt (MINT-Bildung)“.151 - Die Bosch Stiftung, die Deutsche Telekom Stiftung und die Bertelsmann Stiftung haben 2014 das Positionspapier „Bildungsföderalismus mit Zukunft“152 herausgegeben. Gemeinsam mit der Vodafone Stiftung wurde begleitend zu dem Papier die Tagung „Bund, Länder und Kommunen in gemeinsamer Verantwortung: Wege in einen leistungsfähigeren Bildungsföderalismus“153 durchgeführt. Bei der Tagung waren neben Wissenschaftlern/innen und Stiftungsvertretern/innen hochrangige Politiker/innen als Referenten/innen geladen. Darunter die Bundesministerin für Bildung und Forschung, der Präsident der Kultusministerkonferenz sowie mehrere Landesminister. - Viele Stiftungen setzen sich wissenschaftlich mit dem Thema Social Entrepreneurship auseinander, bei dem soziale Missstände mit einer unternehmerischen Herangehensweise „gelöst“ werden sollen.154 Die Stiftung Mercator hat zum Beispiel einen Forschungsverbund zu dem Thema mit einer Million Euro gefördert. In diesem Rahmen wurden „Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialunternehmer“155 sowie ein Policy Paper156 entwickelt. Die Siemens Stiftung hat das „internationale Forschungsnetzwerk IRENE I SEE” initiiert; dieses „erforscht die Wirkungsformen von Sozialunternehmen und erarbeitet praktische Handlungsempfehlungen“.157 Bei der BMW Stiftung Herbert Quandt gehört das Thema zum Stiftungsschwerpunkt.158 Sie wie auch die Stiftung Mercator, die Vodafone Stiftung und der Stifterverband für die deutschen Wissenschaft (und andere Akteure) unterstützen die Social Entrepreneurship Akademie, die „den Aufbau eines breiten Netzwerks zur Verankerung von Social Entrepreneurship in der Gesellschaft voran[treibt], um unternehmerisches Handeln mit sozialem Denken in Einklang zu bringen“.159 Die Etablierung und Ausweitung der Entrepreneurship-Forschung und -Diskurse ist ein bemerkenswerter Beitrag zur Deutung der Sozialpolitik, weil grundlegende 151 Nationales MINT Forum, 22.01.2016 152 Robert Bosch Stiftung, Bildungsföderalismus mit Zukunft, 18.01.2016 153 Robert Bosch Stiftung, Bund, Länder und Kommunen in gemeinsamer Verantwortung, 22.01.2016 154 So schreibt beispielsweise Ashoka, eine Non-Profit-Organisation zur Förderung von sozialem Unternehmertum, auf seiner Homepage: „Dem Social Entrepreneur geht es darum, das richtige Modell zu entwickeln, ein gesellschaftliches Problem nachhaltig zu lösen.“ Ashoka, 25.06.2016. 155 Stiftung Mercator (Hrsg.), Handlungsempfehlungen (…), 22.01.2016 156 Stiftung Mercator (Hrsg.), Sozialunternehmer (…), 22.01.2016 157 Siemens Stiftung, Forschungsnetzwerk IRENE I SEE, 22.01.2016 158 Vgl. BMW Stiftung Herbert Quandt, Was wir tun – Themenfeld Social Entrepreneurship, 22.01.2016 159 Vodafone Stiftung, Social Entrepreneurship Akademie, 22.01.2016 73 Prinzipien und Verhaltensweisen vermittelt werden, die sich an unternehmerischem Denken und Handeln orientieren (Stichwort Eigenverantwortung, Initiative), als dies die traditionelle Sozialpolitik (Unterstützung durch den Staat, die Gemeinschaft, Versorgung etc.) getan hat. Desiderate für die weitere Forschung Bei der Analyse der Tätigkeiten von unternehmensnahen Stiftungen im Wissenschaftsbereich wird deutlich, dass nicht nur über Politikberatung politischer Einfluss ausgeübt werden kann. Viele Stiftungen betreiben institutionelle Förderung. Nutznießer sind zum Beispiel private Hochschulen (Hochschule Witten-Herdecke, Alanus Hochschule, Duale Hochschule Baden-Württemberg/DHBW) oder auch private Law Schools (z.B. Bucerius Law School) und Governance-Universitäten (Hertie School of Governance, NRW School of Governance). So sind die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, die Software AG-Stiftung, die Stiftung Mercator, die Stiftung van Meeteren, die Vodafone Stiftung Deutschland und die Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (gemeinsam mit weiteren Institutionen) Partner und Förderer der Hochschule Witten-Herdecke. Mit der Unterstützung durch Unternehmen und unternehmensnahe Stiftungen wurde hier ein ganz neuer Zweig an Hochschulen aufgebaut: private Hochschulen, für die mitunter hohe Studiengebühren zu zahlen sind. Diese Hochschulen kommen vor allem der gesellschaftlichen Elite zugute, die sich den Besuch leisten kann – insofern lässt sich sicher darüber streiten, wie gemeinnützig die Förderung privater Hochschulen ist. Zur institutionellen Förderung gehört es zudem, Lehrstühle und Stiftungsprofessuren einzurichten oder Forschungszentren zu etablieren. Institutionelle Förderungen gehören nicht zur Politikberatung, verweisen aber als wissenschaftspolitische Aktivität im Wissenschaftsbereich auf die politische Gestaltungskraft von unternehmensnahen Stiftungen und damit auf wichtige Forschungsdesiderate zur politischen Einflussnahme unternehmensnaher Stiftungen im Bereich Wissenschaft. 3.2.2.2 Zwischenfazit: Umfangreiche Möglichkeiten zur Realisierung von Partikularinteressen Mit der Analyse der Stiftungstätigkeiten im Bereich Wissenschaften sollte im Rahmen dieser Exploration ausdrücklich nicht die Wirksamkeit unternehmensnaher Stiftungen evaluiert werden. Es wurden Überschneidungen zwischen Stiftungs- und Unternehmenstätigkeiten sowie die Aktivitäten im Bereich wissenschaftsnaher Politikberatung in den Blick genommen, da dem Forschungsstand die These zu entnehmen ist, dass unternehmensnahe Stiftungskonstruktionen zur Verfolgung partikularer Interessen genutzt werden können. Für eine nähere Beurteilung – auch zum Beispiel, ob und welcher gesellschaftliche Nutzen aus den vor- 74 handenen Überschneidungen und Politikberatungsaktivitäten ggf. gezogen werden kann - bedarf es weiterer Forschung. Festzuhalten bleibt nach der Analyse: Es bestehen umfangreiche Möglichkeiten, Eigeninteressen über Stiftungsaktivitäten im Wissenschaftsbereich zu verfolgen. Denn bei rund 40 Prozent der unternehmensnahen Stiftungen in unserem Datensatz konnten wir eine (offensichtliche) Überschneidung von Stiftungstätigkeiten mit Geschäftsfeldern der verbundenen Unternehmen feststellen. Zudem betreiben ebenfalls rund 40 Prozent der untersuchten Stiftungen Politikberatung. Es wird deutlich, dass über wissenschaftsnahe Veranstaltungsformate und Studien sowie institutionelle Förderungen Möglichkeiten zur dezidierten politischen Einflussnahme bestehen, womit selbstverständlich nichts über den Erfolg oder Misserfolg versuchter politischer Einflussnahme gesagt ist. Offensichtlich erfolgreich sind aber Strukturbildungen im Hochschulsektor und in der Forschungsförderung, die recht unterschiedlichen Zwecken dienen und von denen keineswegs alle im engeren Interesse der verbundenen Unternehmen liegen müssen - dies aber sehr wohl können (z.B. Aus- und Weiterbildung). An den Beispielen wird auch deutlich, dass etliche unternehmensnahe Stiftungen Formen der Politikberatung betreiben, die im Kontext unmittelbarer Unternehmensinteressen steht, zum Beispiel wenn die RWE Stiftung eine Energiebildungsstudie macht oder die Daimler und Benz Stiftung Projekte im Bereich „Autonomes Fahren“ durchführt. Auch können zahlreiche Politikberatungsformate im Kontext mittelbarer Unternehmensinteressen gedeutet werden: Aus einer wissenschaftlichen Studie über Seiteneinsteiger/innen in die Politik (BMW Stiftung Herbert Quandt) lassen sich auch Schlüsse für den Lobbyismus der Automobilbranche ziehen. Am Beispiel der Bosch Stiftung wurde gezeigt, dass in einer von ihr beauftragten Studie zum Thema Jugendarbeitslosigkeit Jugendliche auch als Humankapital verhandelt werden, das es zu optimieren gilt. Die Förderung naturwissenschaftlicher Fächer (sog. MINT Forum) dürfte auch im Eigeninteresse der Technologiekonzerne liegen, deren Stiftungen das Forum fördern (z.B. Körber-Stiftung, Telekom Stiftung, Siemens Stiftung). Die Einführung unternehmerischer Prinzipien im sozialen Bereich wird durch Social-Entrepreneurship-Geschäftsmodelle von sehr vielen ressourcenstarken unternehmensnahen Stiftungen massiv vorangetrieben. Insgesamt sind also partikulare Interessen - nämlich unmittelbare und mittelbare Unternehmensinteressen - zu erkennen, was jedoch wenig überrascht angesichts der elitär und unternehmensnah besetzten Stiftungsorgane. Politikberatung ist zudem als ein Teil politischer Arbeit zu verstehen – dies wird deutlich u.a. an Konferenzen, die sich an elitäre Kreise richten und z.T. deutliche Merkmale interner Elitenkoordination tragen, weil sie nur geschlossenen Kreisen zugänglich sind, oder auch an den genannten Positionspapieren und Policy Papers mit Handlungsempfehlungen. Dem globalisierungskritischen Bündnis Attac wurde für zwei Jahre die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil mit der Arbeit allgemeinpolitische Ziele verfolgt würden. Unsere Untersuchung zeigt, dass dies bei vielen unternehmensnahen Stiftungen zweifelsfrei auch der Fall ist. Viele Stiftungen bezeichnen sich zwar offensiv als unabhängig, neutral und parteipolitisch nicht gebunden. Aber zum 75 einen werden politische Haltungen auch dann vertreten, wenn sie keiner bestimmten Partei zuzuordnen sind. Zum anderen werden Verbindungen von Unternehmens- und Stiftungsinteressen nicht einfach sichtbar, wenn deren Zusammenhänge nicht vertieft untersucht werden. Die rechtliche Fachaufsicht (z.B. Stiftungsaufsicht) leistet dies nicht (vgl. Kapitel 2.3). Weil „politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung) grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken“ gehören,160 müssen solche aus steuerrechtlichen Gründen anders gedeutet werden. Dies führt aber offenkundig eher zur Konfusion als zu einer realitätsnahen Abwägung der Zusammenhänge der Arbeit von gemeinnützigen Organisationen. Hier gibt es in Deutschland eine Schieflage, die sich langsam auch im öffentlichen Bewusstsein niederschlägt (vgl. der Freitag, 29.10.2015). In den USA wird gemeinnützigen Organisationen z.B. das Recht eingeräumt, bis zu 10 Prozent ihres Budgets für Lobbyaufgaben einzusetzen. Solche Regeln verlangen unterdessen offensichtlich nach transparenten Strukturen und Veröffentlichungspflichten, die es erlauben, die Finanzierung der gemeinnützigen Organisationen sowie deren Haushaltsgebahren zu untersuchen. Auf Fragen der Transparenz gehen wir im nächsten Abschnitt ein. Bei einer umfangreicheren Untersuchung von Stiftungen als politischen Akteuren wäre zu berücksichtigen, welche Rolle Stiftungszwecke bei der Legitimierung politischer Arbeit spielen, z.B. die Förderung von Wissenschaft und Forschung, aber auch Bildung oder Völkerverständigung. Des Weiteren müsste die Korrelation zwischen der Ausgestaltung der Stiftungsgremien und der Ausgestaltung der politischen Arbeit der Stiftungen stärker berücksichtigt werden: Kann hier ein Unterschied ausgemacht werden zwischen Stiftungen, die viele und z.T. sehr hohe Unternehmensvertreter/innen in ihren Gremien haben und Stiftungen, auf die das nicht zutrifft? Auch lassen sich Politikberatungsformate finden, die sich momentan weder unmittelbaren noch mittelbaren Unternehmensinteressen zuordnen lassen und die u.E. der vertieften Analyse bedürften, weil es gleichwohl um elitäre Zusammenhänge und Interessen gehen kann, die nicht ohne weiteres ersichtlich sind. 3.2.3 Der Umgang mit Transparenz 3.2.3.1 Analyse Es gibt bis heute keine gesetzlichen Transparenzstandards für Stiftungen. Auch an freiwillige Standards halten sich unternehmensnahe (wie auch andere) Stiftungen kaum, z.B. durch die Beteiligung an der Initiative für eine transparente Zivilgesellschaft (kurz: ITZ) (vgl. Transparency International Deutschland, 22.01.2016). Was aber kann genauer über das Verhalten der Stiftungen diesbezüglich ausgesagt werden? Wir haben die unternehmensnahen Stiftungen in unserem Sample auf einige Transparenzkriterien hin analysiert, um jenseits von Mutmaßungen zu er160 Attac zitiert hier aus dem Aberkennungsbescheid des Finanzamtes (vgl. Attac, Kampagne Jetzt erst recht, 25.06.2016). 76 örtern, ob und welche Mängel im Hinblick auf Transparenz bestehen. Im Einzelnen diskutieren wir im Folgenden die Einträge im Verzeichnis deutscher Stiftungen und die Beteiligung an der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Abbildung 17: Transparenzmerkmale der Stiftungen und Förderungstypen Fördernd 21% Fördernd und operativ 36% Operativ 28% Keine Angaben 15% Satzung veröffentlicht 36% Satzung nicht veröffentlicht 64% ITZ Standards unterzeichnet 11% 7 ITZ Standards nicht unterzeichnet 89% Regelmäßiger Tätigkeitsbericht 34% Unregelmäßiger Tätigkeitsbericht 15% Tätigkeitsbericht nicht vorhanden 51% 0 13 22 17 9 22 39 54 21 9 31 20 40 60 Transparenzmaßnahmen Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample. (Eigendarstellung) 77 Eintrag im Verzeichnis Deutscher Stiftungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen (BDS) Die Angaben im Verzeichnis Deutscher Stiftungen des Bundesverbands Deutscher Stiftung (BDS) beruhen auf den freiwilligen Angaben der Stiftungen und fallen in ihrem Umfang sehr unterschiedlich aus. Bemerkenswert ist, dass in dem käuflich zu erwerbenden Register die eher „sensibleren“ Daten zu finden sind (wie Angaben zu den Stiftungsgründern/innen und –organen) – in der frei zugänglichen, gekürzten Online-Version des Verzeichnisses (auf der Homepage des BDS) finden sich diese Angaben nicht. Für Stiftungsanalysen sind dies bereits wichtige Informationen, die durch Online-Recherchen nicht immer beschafft werden können. Im Stiftungsverzeichnis des BDS waren insgesamt 3 von 78 Stiftungen nicht aufgeführt: - die Jacobs Foundation und die L’Oréal-Unternehmensstiftung, da sie Stiftungen schweizerischen bzw. französischen Rechts sind (zumindest nehmen wir an, dass die L’Oréal-Unternehmensstiftung eine Stiftung französischen Rechts ist); - die Hasso-Plattner-Stiftung, von der nicht bekannt ist, ob sie eine Stiftung deutschen Rechts ist; jedenfalls ist Hasso Plattner ein deutscher Unternehmer (Mitbegründer des Software-Unternehmens SAP). Anders als von der Jacobs Foundation und der L’Oréal-Unternehmensstiftung ist von der Hasso-Plattner-Stiftung noch nicht einmal eine Adresse ausfindig zu machen. Operativ und fördernd Das Verzeichnis Deutscher Stiftungen erfasst i.d.R. die Art der Förderung (sofern Stiftungen dies angeben) und damit die Weise, wie sie ihr Stiftungsengagement realisieren: „operativ“ oder „fördernd“. „Operativ“ bedeutet, dass sie vorwiegend eigene Projekte umsetzen, „fördernd“ bedeutet, dass sie auch Projekte anderer Einrichtungen oder von Einzelpersonen finanzieren. Die Förderungsart hilft als ein Kriterium bei der Beurteilung der Frage, wie stark Stiftungen zur Pluralität in liberalen Demokratien beitragen: Denn wer „fördert“, fördert auch andere Institutionen, verzichtet in höherem Maße auf eigene Kontrolle über die Arbeit mit den Geldern der Stiftung. „[U]m wirklich Vielfalt und Zivilgesellschaft zu fördern“ spricht sich die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan deshalb für eine Begrenzung operativer Stiftungen aus – sie sollten „allenfalls 10 oder 20 Prozent für operative Zwecke“ (Kocka u.a. 2011, S. 187) verwenden. Ob Stiftungen nur operativ oder auch fördernd tätig sind, reicht als Kriterium natürlich nicht aus, um zu beurteilen, inwiefern Stiftungen zur Pluralität beitragen. So hebt Adloff hervor, dass auch fördernde Aktivitäten einen operativen Charakter haben, da entschieden wird, was oder wer gefördert wird (vgl. Adloff 2010, S. 390). Für operative Stiftungen gilt dennoch festzuhalten, dass sie ausschließlich Projekte fördern, die sie selbst konzipieren, und somit eine starke Steuerung vornehmen. 78 In unserem Datensatz waren rund 28 Prozent der Stiftungen ausschließlich operativ tätig – fast ein Drittel also. Rund 21 Prozent der Stiftungen sind dagegen ausschließlich fördernd und rund 36 Prozent Stiftungen operativ und fördernd tätig; bei 15 Prozent konnten keine (eindeutigen) Angaben gefunden werden. Teilnahme an Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) wurde 2010 von Transparency International angestoßen, weil es keine „(e)inheitliche[n] Veröffentlichungspflichten für gemeinnützige Organisationen (…) in Deutschland”161 gibt. Nach Meinung der Initiatoren soll eine Einrichtung, die „für das Gemeinwohl tätig wird, (…) der Gemeinschaft dennoch sagen, welche Ziele die Organisation genau anstrebt, woher die Mittel stammen, wie sie verwendet werden und wer die Entscheidungsträger sind.” (Ebd.) Aktuell (Oktober 2016) haben 786 Organisationen die Initiative unterschrieben, womit sich erst ein Bruchteil der gemeinnützigen Organisationen in Deutschland angeschlossen hat.162 Der Mangel an Transparenz ist also eher die Regel als eine Ausnahme. Da unternehmensnahe Stiftungen oft kapitalstark sind und bei diesen Organisationen partikulare und gemeinnützige Interessen häufig eng beieinander liegen oder zusammenhängen, halten wir die Beachtung der ITZKriterien aber gerade bei diesen Stiftungen für ein wichtiges Kriterium, um den gemeinnützigen Charakter der Arbeit zu beurteilen. Wenn es um öffentliches Wohl geht, dann sollten unternehmensnahe Stiftungen nichts zu verbergen haben. Insgesamt 54 und damit rund 88 Prozent der untersuchten Stiftungen haben die ITZ nicht unterzeichnet. Auch gibt es Stiftungen, die angeben, die ITZ unterzeichnet zu haben, aber nicht von der ITZ-Datenbank angezeigt werden (HanielStiftung). Die Körber Stiftung wird zwar in der ITZ-Datenbank angezeigt, erfüllt die Kriterien aber im Vergleich zu anderen Stiftungen in unserem Sample eher nachlässig: Sie veröffentlicht beispielsweise keinen Jahresbericht (sie versteht ihre Homepage als Bericht über ihre Tätigkeiten) und auch nicht den Bescheid des Finanzamts über die Gemeinnützigkeit. Dies verweist auf einen Mangel der ITZ: Die Teilnahme einer Stiftung bedeutet, dass diese die ITZ-Kriterien bei der Unterzeichnung erfüllt – da jedoch die Initiative zu wenig Mittel hat, überprüft sie nicht kontinuierlich ihre Mitglieder auf die kontinuierliche Einhaltung der Kriterien. Das kann dazu führen, dass selbst die Stiftungen, die mitmachen, nicht allen Anforderungen der ITZ gerecht werden. Zu den Stiftungen, die die ITZ unterzeichnet haben, gehören (neben der Haniel Stiftung und der Körber Stiftung): die Deutsche Telekom Stiftung, die Siemens Stiftung, die Klaus Tschira Stiftung, die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung und die Deutsche Wildtier Stiftung. Es kann vorkommen, dass weitere unternehmensnahe Stiftungen diese Transparenz-Standards erfüllen oder sogar über diese hinausgehen, aber – aus welchen 161 Transparency International Deutschland, 22.01.2016 162 Vergleiche zum Umfang des „dritten Sektors“: Priller/Zimmer, 06.07.2016 79 Gründen auch immer – nicht an der ITZ teilnehmen. Umgekehrt kann vermutet werden, dass viele Stiftungen, die die ITZ nicht unterzeichnet haben, unter den Minimalanforderungen der ITZ liegen, da Stiftungen eher für ihre Verschwiegenheit als für ihre hohe Transparenz bekannt sind. Einige ITZ-Standards haben wir nachfolgend deshalb genauer analysiert. Satzungen Satzungen geben Auskunft über den Stiftungszweck, über den Umgang mit dem Stiftungsvermögen, über die Zusammensetzung und Aufgaben der Stiftungsorgane. Sie sind relevant, um Kenntnisse über die institutionelle Struktur einer Stiftung zu gewinnen. Dennoch gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, dass Stiftungen ihre Satzung veröffentlichen müssen.163 Nur rund 36 Prozent der untersuchten unternehmensnahen Stiftungen veröffentlichen ihre Satzung, also gerade einmal gut ein Drittel der Stiftungen im Sample. Mit der Größe bzw. den Ressourcen der Stiftungen hat das offenbar nichts zu tun: So veröffentlicht die Körber Stiftung ihre Satzung, die Robert Bosch Stiftung dagegen nicht. Auch gibt es Stiftungen, die nur Auszüge veröffentlichen, so zum Beispiel die Aventis Foundation; dies haben wir als „Nicht-Veröffentlichung“ eingeordnet. Tätigkeitsberichte Tätigkeitsberichte (oder Jahresberichte) geben einen Überblick über die Verwendung der Mittel, idealerweise unter Angabe der aufgewandten Summen. Bei den unternehmensnahen Stiftungen unseres Samples unterscheiden sich die Tätigkeitsberichte in Bezug auf Inhalte und Erscheinungsrhythmus stark. In umfangreicheren Berichten findet sich meist ein Überblick über die durchgeführten Programme und Stiftungsschwerpunkte, ein Organigramm und Angaben zu Mittelherkunft und -verwendung. Manche Stiftungen geben alle ein bis zwei Jahre einen Bericht heraus, andere lassen keine Regelmäßigkeit erkennen. So haben manche Stiftungen trotz langjährigem Bestehen bisher nur einen Tätigkeitsbericht publiziert (z.B. die Freudenberg Stiftung). Insgesamt geben rund die Hälfte der Stiftungen unseres Samples keinen Bericht heraus. Von den 30 Stiftungen unseres Samples (49 Prozent), die einen Bericht veröffentlichen, tun dies 9 Stiftungen nur unregelmäßig. Lediglich gut ein Drittel (34 Prozent) der Stiftungen unseres Samples erfüllen die Anforderung, mindestens einmal im Jahr regelmäßig über ihre Förderaktivitäten zu informieren. Der größte Mangel an Transparenz herrscht bei Stiftungen, die keinen Tätigkeitsbericht publizieren und über die auch sonst kaum etwas herausgefunden werden kann: Darunter die Bertelsmann Wissenschaftsstiftung, auf deren Homepage-Link wir über einen Zeitraum von 15 Monaten (August 2015 bis Oktober 163 Auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) kann man aber bei den zuständigen Stiftungsaufsichten Satzungen anfragen. Allerdings sind zahlreiche Stiftungen vom IFG ausgenommen. 80 2016) die Angabe fanden, dass die Seite nicht verfügbar ist, aber es „in Kürze“164 sein soll. Ihre Stifterin, die Bertelsmann AG, konnten wir nicht durch Internetrecherchen, sondern nur mit dem Stiftungsverzeichnis des BDS ermitteln. Stiftungsvermögen, Mittelherkunft und Mittelverwendung Geprüft werden kann, ob die Stiftungen auf ihrer Homepage oder in ihrem Jahresbericht (sofern vorhanden) Angaben zu Stiftungsvermögen, Mittelherkunft und verwendung machen. In der Stiftungsdatenbank des Maecenata Instituts finden sich auch Angaben zu Vermögen und jährlichen Ausgaben der Stiftungen. Jedoch sind diese nicht für jede/n zugänglich, oftmals veraltet und obendrein beruhen sie auf unterschiedlichen Jahresangaben; sie sind deshalb oft nicht vergleichbar. Im Folgenden haben wir erhoben, welche Stiftungen auf ihrer Stiftungshomepage oder im Jahresbericht Angaben machen und welche nicht. Abbildung 18: Angaben zum Stiftungsvermögen, Mittelherkunft und Mittelverwendung 40 35 33 54% 35 33 57% 54% 30 25 23 38% 20 19 33% 20 31% 15 7 10 5 3 5% 2 2 3% 3% 4 7% 12% 2 3% 0 Stiftungsvermögen Mittelherkunft Aufschlüsselung aktueller/vergangener Werte Lediglich (grobe) Summe genannt Mittelverwendung Aufschlüsselung aktueller Werte Keine Angabe Quelle: Eigene Recherche, Stiftungssample (Eigendarstellung) 164 Vgl. Bertelsmann Wissenschaftsstiftung, 29.10.2015 81 Stiftungsvermögen Die Angabe des Stiftungsvermögens ist prinzipiell schlecht vergleichbar, da es auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen beruht. Unternehmensbeteiligungsstiftungen geben ihr Stiftungsvermögen z.B. manchmal basierend auf dem Buchwert, manchmal basierend auf dem Verkehrswert an. Indem der Buchwert und nicht der Verkehrswert angegeben wird, wird das Vermögen ‚klein gerechnet‘. Dies kann dazu dienen, geringe Ausschüttungen des Unternehmens an die Stiftung zu kaschieren. Auf wen das zutrifft, konnten wir im Rahmen dieser Studie nicht umfassend recherchieren. Bei den Unternehmer/innen-Stiftung ist (wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt) zudem in der Regel nicht ersichtlich, wie sich das Privatvermögen zusammensetzt – zum Beispiel, ob Aktien und Unternehmensbeteiligungen enthalten sind. Beispiele hierfür wären neben der Stiftung Mercator die ZEITStiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Insgesamt 33 Stiftungen und damit mehr als die Hälfte (rund 54 Prozent) der Organisationen in unserem Sample machen gar keine Angaben zu ihrem Stiftungsvermögen (s. Abb. 18). Die Stiftungen wiederum, die Angaben zu ihrem Stiftungsvermögen machen, tun dies auf sehr unterschiedliche Weise: z.T. schlüsseln sie es auf, z.T. nicht. Diese Unterschiede (bei Umfang und Differenziertheit der Angaben zum Stiftungsvermögen) haben wir nicht erhoben, sondern wir weisen lediglich auf ihr Bestehen hin. Mittelherkunft 35 der Stiftungen (rund 57 Prozent) machen gar keine Angaben zur Mittelherkunft. Bei den Stiftungen, bei denen wir Angaben finden konnten, sind die Angaben zur Mittelherkunft überwiegend als ungenau zu bewerten: Gibt eine Stiftung zum Beispiel an, dass die Mittel von einem Unternehmen stammen, so ist – da es sich bei den Stiftern in unserer Studie nicht selten um Großkonzerne handelt – nicht bekannt, aus welchen Tochterfirmen die Mittel stammen. Auch werden oft Immobilien und „weitere Unternehmensbeteiligungen“ ohne nähere Angaben genannt. Mittelverwendung Wir haben erhoben, bei welchen Stiftungen sich Angaben zur Mittelverwendung finden lassen (auf der Homepage oder im Tätigkeitsbericht). Auch hier haben wir bei mehr als der Hälfte der Stiftungen (rund 54 Prozent) unseres Samples keine Angaben zur Mittelverwendung gefunden, wie etwa Angaben über Aufwendungen für bestimmte Programme. Die Stiftungen, die Angaben machen, unterscheiden sich im Umfang ihrer Angaben erheblich. Bei der Angabe der Mittelverwendung wären Angaben zu Personalkosten, zu Honoraren für Mitglieder der Stiftungsorgane, zu den finanziellen Ausgaben je größerer Programmlinie und Förderschwerpunkten wünschenswert. Letzteres ist relevant, da hier zum Beispiel ersichtlich 82 werden kann, in welchem Maße eine Stiftung operativ und fördernd tätig ist und für welche Stiftungszwecke sie überwiegend aktiv ist. Angaben zu Funktionsträgern/innen Die ITZ-Richtlinien verlangen lediglich, dass die Personen aus Vorstand und Kuratorium genannt werden (nicht aber deren Berufe und Funktionen). Dieser Forderung kommt die große Mehrheit der von uns untersuchten Stiftungen nach. Es gibt nur vereinzelte Ausnahmen: Zum Beispiel benennt die finanzstarke und im Bereich Forschungsförderung und Politikberatung sehr aktive Stiftung Mercator nicht die Mitglieder der Gesellschaftsversammlung, die das zentrale Entscheidungsorgan der Stiftung ist.165 Für die RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft weist das BDS-Stiftungsverzeichnis auf die Existenz einer Gesellschafterversammlung hin – auf der Stiftungshomepage lassen sich jedoch keine Informationen über diese Gesellschafterversammlung finden. Ob es noch mehr Stiftungen gibt, die Organe haben, die nicht auf der Homepage ausgewiesen sind, konnten wir nicht überprüfen. Die Hasso-Plattner-Förderstiftung oder die Bertelsmann Wissenschaftsstiftung benennen gar keine Stiftungsorgane, folglich auch nicht deren Mitglieder. Bei einigen Stiftungen muss man die Homepages genauestens durchforsten und wird u.a. erst im Impressum fündig (welches eigentlich zur Identifikation der presserechtlichen Verantwortung der Webseite dient); dies ist z.B. bei der SRH Holding der Fall. Wie bereits erwähnt, wird von der ITZ nicht gefordert, dass die Berufe und Funktionen der Gremienmitglieder angegeben werden sollen. Viele Stiftungen geben dies jedoch an, was sehr zu begrüßen ist. Daneben gibt es zahlreiche Stiftungen, die unvollständige Angaben machen, also z.B. von einigen Kuratoriumsmitgliedern Funktionen und beruflichen Hintergrund benennen, von anderen nicht. Wir halten diese Angaben für wichtig, da sie zum Beispiel Auskunft darüber geben können, welche Mitglieder der Stiftungsgremien auch in Unternehmen, Verbänden, Parteien usw. tätig sind. Ein Beispiel: Die Robert Bosch Stiftung gibt die Berufe ihrer Gremienmitglieder nicht an. Durch eine Recherche wird ersichtlich, dass in der Gesellschafterversammlung der Stiftung, welche zugleich auch als Kuratorium dient, Christoph Bosch Mitglied ist, der auch Mitglied im Aufsichtsrat der Bosch AG ist. Gesellschaftsrechtliche Verbundenheit Eine weitere ITZ-Forderung ist die Angabe der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit, mithin Angaben zur „(g)esellschaftsrechtliche[n] Verbundenheit mit Dritten, z.B. Mutter- oder Tochtergesellschaft, Förderverein, ausgegliederter Wirtschaftsbetrieb, Partnerorganisation“ (vgl. Initiative Transparente Zivilgesellschaft, 165 Die Stiftung beschreibt sich „(a)ls eine führende Stiftung in Deutschland” (Stiftung Mercator, Unsere Stiftung, 22.01.2016); eine Angabe der Mitglieder der Gesellschafterversammlung scheint u.E. dringend geboten. 83 22.01.2016). Im Rahmen dieser Analyse haben wir auf die (eigentlich relevante) Erhebung von Angaben zur gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit verzichtet, weil überprüft werden müsste, ob diese Angaben vollständig wären. Eine solche Überprüfung, die mit vertiefter Recherchearbeit verbunden ist, konnte im Rahmen dieser Explorationsstudie nicht geleistet werden. Wir halten aber die Angabe der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit für ein sehr zentrales Transparenzkriterium, da es über Verbindungen zu Unternehmen, weiteren Stiftungen und Organisationen Auskunft gibt (bzw. umfänglich Auskunft geben müsste). 3.2.3.2 Zwischenfazit: Intransparenz ist vorherrschend Bei unserer Untersuchung hat sich herausgestellt, dass manche Kriterien – wie die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit – schwer zu überprüfen, andere Daten wiederum schwer vergleichbar sind (wie das Stiftungsvermögen). Nur sehr wenige Stiftungen (12 Prozent) haben die ITZ unterzeichnet. Die Untersuchung zeigt zudem, dass viele wichtige ITZ-Kriterien (unabhängig von der Unterzeichnung der Initiative) nur sehr nachlässig erfüllt werden. So veröffentlichen nur 40 Prozent der als gemeinnützig anerkannten Stiftungen unseres Samples ihre Satzungen und nur rund 34 Prozent geben einen regelmäßig erscheinenden Tätigkeitsbericht heraus. Darüber hinaus machen mehr als die Hälfte der Stiftungen gar keine Angaben zum Stiftungsvermögen, der Mittelherkunft sowie der Mittelverwendung. Es bestehen große Transparenzlücken bei dem überwiegenden Teil der untersuchten unternehmensnahen Stiftungen. In einzelnen Fällen geht dies so weit, dass noch nicht mal eine Adresse oder die Mitglieder der Stiftungsorgane genannt werden. Gleichzeitig gibt es einige Stiftungen – hier sind die sieben Stiftungen, die die ITZ unterzeichnet haben, hervorzuheben – die sich ernsthaft um Transparenz bemühen. Durch die Verwendung der Kriterien der ITZ als Analyseraster haben wir auch einen ersten Eindruck von der Zweckmäßigkeit dieser Kriterien erhalten. Die Kriterien der ITZ sind ein guter Anfang, um die Transparenz von Stiftungen erheblich zu erweitern: Wenn die vollständige Satzung, ein regelmäßiger Tätigkeitsbericht, Angaben zur gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit, zu Stiftungsvermögen, Mittelverwendung und –herkunft veröffentlicht werden, weiß man offenkundig mehr über eine Stiftung, als wenn dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig sind die Kriterien der ITZ u.E. als Mindeststandards zu bezeichnen, über die in einem Gesetz zur Verbesserung der Transparenz von gemeinnützigen Stiftungen hinausgegangen und welche für gemeinnützige Stiftungen konkretisiert werden sollten. So werden von der Initiative Transparente Zivilgesellschaft z.B. keine Vorgaben gemacht, wie der Tätigkeitsbericht inhaltlich aussehen soll oder in welcher Form Angaben über das Stiftungsvermögen und die Mittelverwendung/-herkunft zu leisten sind. 84 4. Fazit: Unternehmensnahe Stiftungen - Unterschätzter Einfluss und Zweifel am ausschließlich gemeinnützigen Charakter Unternehmensnahe Stiftungen bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Eigennutz. Bereits der Forschungsstand macht deutlich, dass Stiftungen neben gemeinnützigen auch partikulare Interessen verfolgen bzw. dass die gemeinnützigen Arbeiten durchaus auch Eigeninteressen dienen (können), dass sie als elitäre Institutionen gelten und der deutsche Gesetzgeber sie nicht zu Transparenz verpflichtet. Aus politikwissenschaftlicher Sicht ist dies als problematisch einzuordnen, da gerade als gemeinnützig anerkannte Stiftungen aufgrund ihrer steuerlichen Begünstigung und ihrem Wirken in öffentlichen Bereichen belastbar gemeinwohlorientiert und in maximalem Maße unternehmensfern, demokratisch (im Sinne von Kontrollmöglichkeiten) strukturiert und hinreichend transparent sein sollten. Diesbezüglich bestehen große Zweifel. Es gibt jedoch bislang kaum empirische Untersuchungen über die Aktivitäten unternehmensnaher Stiftungen. Im Rahmen unserer Analyse wurde deshalb eine Stichprobe von insgesamt 78 unternehmensnahen Stiftungen zusammengestellt, um verschiedene Stiftungstypen näher zu betrachten. Ein Sample mit 61 „klassischen“ unternehmensnahen Stiftungen166 wurde hinsichtlich der drei Merkmale genauer analysiert, die einen ausschließlich gemeinnützigen Charakter infrage stellen: eine elitäre Ausrichtung, eine Überschneidung der Arbeit der Stiftungen mit den Interessen der verbundenen Unternehmen und Intransparenz. Dazu wurden Stiftungsgremien, Tätigkeiten im Wissenschaftsbereich und die Einhaltung von Transparenzstandards näher betrachet. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Studie kann zum einen gesagt werden, dass der Einfluss unternehmensnaher Stiftungen bisher unterschätzt wird. Denn viele Stiftungen werden nicht in den bestehenden Kategorien unternehmensnaher Stiftungstypen erfasst – sie werden also überhaupt nicht als ‚unternehmensnah‘ eingeordnet, obwohl ihr(e) Stifter, Mittelherkunft und –verwendung auf dezidierte Unternehmensnähe verweist. Auch wird deutlich, dass sich bei dem Typ der „Unternehmer/innen-Stiftung“, bei der das Stiftungsvermögen aus dem Privatvermögen eines/r Unternehmers/in oder einer Unternehmensfamilie stammt, die Verbindung zum Unternehmen (z.B. über Aktien) unterschiedlich gestaltet und wenig transparent ist. Dadurch bleiben partikulare Interessen im Dunkeln. Durch die fehlende Forschung werden aktuell viele Stiftungen (oftmals gerade auch die Unternehmer/innen-Stiftungen) einfach als ‚private Stiftungen‘ eingeordnet und somit nicht als ‚unternehmensnah‘ identifiziert. Die Zweifel an dem ausschließlich gemeinnützigen Charakter unternehmensnaher Stiftungen finden im Rahmen der Analyse der Stiftungen unserer Stichprobe weitere Nahrung: Erstens: Die führenden Kräfte der Stiftungen bilden eine 166 Als „klassische“ unternehmensnahe Stiftungen wurden in dieser Studie die folgenden Typen verstanden: Unternehmensträgerstiftungen, Unternehmensbeteiligungsstiftungen, Unternehmensstiftungen, Unternehmer/innen-Stiftungen (vgl. Kapitel 3.1). 85 höchst elitäre Klasse, die häufig eng mit verbundenen und/oder weiteren Unternehmen verflochten ist. Es lassen sich zahlreiche Personalunionen zwischen höchsten Stiftungs- und Unternehmensgremien finden (bei 22 Stiftungen); insgesamt weisen zudem 225 von 536 Gremienmitgliedern (42 Prozent) eine aktuelle oder ehemalige Verbindung zu einem Unternehmen auf. Etwa die Hälfte der Gremienmitglieder hat einen Doktortitel, 80 Prozent sind Männer. In Verbindung mit führenden Kräften der privaten Wirtschaft bestimmen sie als überwiegend männliche Akademiker über die Verwendung von Mitteln, die der Allgemeinheit dienen sollen und werden dabei zudem kaum kontrolliert. Zweitens werden Überschneidungen von Stiftungs- und Unternehmenstätigkeit bei mehr als 40 Prozen der Stiftungen schon mit wenig Recherchearbeit (z.B. anhand der Stiftungsschwerpunkte) ersichtlich. Wie umfangreich diese Überschneidungen sind, konnten wir in dieser Untersuchung nicht erheben, hier bedarf es vertiefter Forschung. Ebenfalls mehr als 40 Prozent der Stiftungen verbinden wissenschaftliche Aktivitäten mit Formen der Politikberatung, einige leisten dezidierte politische Arbeit, über deren Charakter durchaus gestritten werden kann. Dabei wird am Beispiel der Unterstützung für die Finanztransaktionssteuer durch die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung deutlich, dass offenbar zumindest mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn unternehmensnahe Stiftungen oder Aktionsbündnisse wie Attac als gemeinnützige Organisationen dieselben Ziele verfolgen, letzterer dann aber deshalb die Gemeinnützigkeit abgesprochen wird.167 Drittens untermauert die Überprüfung der Einhaltung freiwilliger Transparenzstandards die These hoher Intransparenz, auch wenn es große Unterschiede zwischen den Stiftungen gibt. Lediglich ein Drittel der Stiftungen in unserem Sample veröffentlicht zum Beispiel eine Satzung. Für eine höhere Glaubwürdigkeit der gemeinnützigen Ausrichtung unternehmensnaher Stiftungen wäre also noch sehr viel zu leisten: demokratischere Strukturen, Unternehmensferne und Transparenz. In Anbetracht der Personalunionen von Unternehmen und Stiftungen und der Nähe der Stiftungstätigkeiten zu den Geschäftsfeldern der Unternehmen kann die apriori-These, dass Stiftungen weit weg von Unternehmensinteressen arbeiten, nur sehr schwer aufrechterhalten werden.168 Der Verdacht ist groß, dass Stiftungen mehr mit Partikularinteressen zu tun haben, als es der Status der Arbeit im allgemeinen Interesse (gemeinnützig) nahelegt. Und die hier betrachtete Stichprobe legt nahe, dass dies unabhängig davon gesagt werden kann, um welche unternehmensnahe Stiftungskonstruktion es sich handelt. Den Zweifeln am ausschließlich gemeinnützigen Charakter vieler unternehmensnaher Stiftungen gilt es u.E. in einer umfassenderen Forschung nachzugehen. Es muss genauer untersucht werden, ob und in welcher Form elitäre Interessen und Firmeninteressen grosso modo den gemeinnützigen Charakter der Stif167 Wie weiter oben bereits erläutert, wurde Attac (kurz vor Erscheinen dieses Diskussionspapiers) die Gemeinnützigkeit wieder zuerkannt. 168 Wobei gerade bei dem Stiftungstypen der Unternehmensstiftungen sowieso davon ausgegangen wird, dass sie „geschäftliche Interessen“ des Unternehmens „auf eine zurechenbare Weise fördern“ (Ultsch 2011, S. 2). 86 tungsarbeit insgesamt und die vorbildliche Arbeit einzelner Stiftungen beschränken. Zumindest muss für eine hinreichende Informationsgrundlage gesorgt werden, damit die Arbeit der Stiftungen untersucht werden kann. Damit könnte dann möglicherweise auch die Spreu vom Weizen getrennt werden. Ohne verpflichtende und verbindliche Angaben der Stiftungen kann dies unterdessen nicht gelingen. Weder kritischen Journalistinnen und Journalisten, noch der wissenschaftlichen Forschung ist es zudem zuzumuten, dass im Zeitalter der Digitalisierung und vermeintlich umfassender Information derartig im Nebel herumgestochert werden muss, wenn es darum geht, Informationen über gemeinnützige Stiftungen einzuholen. Wenn gemeinnützige Organisationen allgemeinpolitische Ziele verfolgen, kann dies zur Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus führen, wie 2014 bei der globalisierungskritischen NGO Attac in Deutschland geschehen. Dieser Fall verweist u.E. nicht darauf, dass auch unternehmensnahen Stiftungen die Gemeinnützigkeit aberkannt werden sollte, sondern auf die dringend notwendige Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Diese sollte mit einer Stiftungsreform verbunden sein, die nicht wie bisher vor allem die verstärkte steuerliche Begünstigung zur Folge hat, sondern als allererste und oberste Priorität die Einführung gesetzlich verpflichtender Transparenzstandards; diese sind längst überfällig. Ein öffentliches Stiftungsregister und die Minimalstandards der Initiative Transparente Zivilgesellschaft - als verpflichtende und einheitliche Angaben zu Vermögen, Mittelverwendung/-herkunft und zur gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit – sind als absolute Mindestanforderung zu begreifen. Eine weitere Diskussion sollte es um die Ausdehnung des Informationsfreiheitsgesetzes auf Stiftungen geben, da sie zunehmend öffentliche Belange beeinflussen. Das Gesetz gewährt Bürgern/innen das Recht auf Akteneinsicht in Bundesbehörden – warum sollte das Gesetz nicht auch für das Stiftungswesen gelten, das über Steuervergünstigungen steuerlich subventioniert ist? Es gäbe den Stiftungen die Chance, die angezweifelte Gemeinnützigkeit unter Beweis zu stellen – fühlen sich doch nicht wenige von ihnen einem demokratischen Gemeinwesen verpflichtet und möchten genau dieses in ihren Stiftungstätigkeiten fördern. Reformen sollten aber nicht nur auf mehr Transparenz zielen: Einige unternehmensnahe Stiftungen sind Hauptanteilseigner von Unternehmen – in den USA ist das beispielsweise verboten; und obwohl das deutsche Recht hier großzügiger als das amerikanische ist, gibt es für diese Stiftungen noch nicht einmal eine Mindestausschüttungsquote. Auch dies wird in den USA gesetzlich geregelt; Deutschland hinkt den USA weit hinterher. Viele Stiftungen geben jährlich zwei bis dreistellige Millionenbeträge aus und verfügen z.T. über ein milliardenschweres Stiftungsvermögen. Zu diesem gehört ein Steueraufkommen, dass sich die Unternehmen und Unternehmer/innen als Stifter/innen sparen und das dem öffentlichen Haushalt somit entgeht – die Stiftungen „[verfügen] privat über Steuergelder“.169 Werden die Stiftungen mit ihrer Arbeit wirklich den Aufgaben gerecht, für die sie so viele Vorschub-Lorbeeren 169 Adloff 2010, S. 415. Das vollständige Zitat von Adloff lautet: „Stellt man die durch den Steuervorteil gewährten entgangenen Steuergelder hierbei ebenfalls in Rechnung, kann man die These vertreten, dass Stiftungen privat über Steuergelder verfügen.“ (Ebd.) 87 einheimsen? Tragen sie tatsächlich zur Bearbeitung großer gesellschaftlicher Probleme bei, die etwa in der wachsenden sozialen Ungleichheit in der EU sowie derzeit anhand der dramatischen Flüchtlingsbewegung erkennbar werden? In der Politik entscheiden Wahlen über die Programme und die Bewertung der Verwendung der Steuermittel. In der Wirtschaft entscheiden Geldgeber und Anteilseigner über den effizienten und gewinnbringenden Einsatz der Mittel. Wer entscheidet über den Einsatz der Stiftungen? Und warum wird so viel Schatten oder Halbschatten gewährt bei dieser Arbeit? Die Stiftungen bzw. die gesellschaftlichen Eliten in den Stiftungen entscheiden, was mit dem dort vorgehaltenen „privaten“ Kapital in öffentlichen Bereichen wie der Wissenschaft, Bildung, Kultur und dem Sozialem geschieht. Dies führt u.E. zu einer politischen Frage, die in der breiteren Öffentlichkeit grundsätzlicher diskutiert werden sollte: Wollen wir überhaupt private Stiftungen und damit eine „wohlhabende Elite (…), die steuerfreie Dollars verwendet, um ihre Vision des öffentlichen Wohls geschehen zu lassen?“ (Prewitt 2011, S. 281), wie Prewitt es für das US-Stiftungswesen ausdrückt. Diese (offensichtlich rhetorisch gemeinte) Frage mit ja zu beantworten, fiele deutlich leichter, wenn mit der Umsetzung der genannten Reformvorschläge für ein gemeinnützigeres Stiftungswesen ein erster ernsthafter Schritt hin zu mehr Öffentlichkeit und Verantwortung im Stiftungssektor unternommen würde. 88 Anhang: Tabellen Tabelle 11: Vertreter aus dem höheren Management mit Sitz in der dazugehörigen Stiftung Stiftungen Personen Stiftungsgremium Funktion im Unternehmen Allianz Umweltstiftung Dr. Werner Zedelius Kuratorium (Stellv. Vorsitzender) Mitglied des Vorstands der Allianz SE Allianz Umweltstiftung Dr. Klaus Wehmeier Kuratorium (Vorsitzender) Mitglied des Aufsichtsrats der Körber AG Bertelsmann Stiftung Stiftung Deutsche SchlaganfallHilfe Liz Mohn Vorstand (Stellv. Vorsitzende) & Kuratorium Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der Bertelsmann SE & Co.KGaA Bertelsmann Stiftung Dr. Wulf H. Bernotat Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der Bertelsmann SE & Co.KGaA Bertelsmann Stiftung Christoph Mohn Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der Bertelsmann SE & Co.KGaA BMW Stiftung Herbert Quandt Dr. Friedrich Eichiner Kuratorium Mitglied des Vorstandes der BMW AG BMW Stiftung Herbert Quandt Stefan Quandt Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der BMW AG BMW Stiftung Herbert Quandt Dr. Norbert Reithofer Kuratorium Vorsitzender des Aufsichtsrats der BMW AG 89 Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung Prof. Dr. Dr. Andreas Barner Vorstand (Vorsitzender) & Kuratorium Vorsitzender der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim Carl-ZeissStiftung Dr. Hermann Gerlinger Vorstandsbeirat Mitglied des Konzernvorstands der Carl Zeiss AG Carl-ZeissStiftung Dr. Matthias Metz Vorstandsbeirat Mitglied des Vorstands der Carl Zeiss AG Carl-ZeissStiftung Dr. Ludwin Monz Vorstandsbeirat Mitglied des Konzernvorstands der Carl Zeiss AG Carl-ZeissStiftung Thomas Spitzenpfeil Vorstandsbeirat Mitglied des Konzernvorstands der Carl Zeiss AG Carl-ZeissStiftung Dr. Michael Kaschke Vorstandsbeirat Vorstandsvorsitzender Carl Zeiss AG Daimler und Benz Stiftung Wilfried Porth Stiftungsrat Vorstandsmitglied der Daimler AG Daimler und Benz Stiftung Prof. Dr. Thomas Weber Stiftungsrat (Vorsitzender) Vorstandsmitglied der Daimler AG Deutsche Telekom Stiftung Timotheus Hoettges Kuratorium (Vorsitzender) Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom AG Deutsche Telekom Stiftung Christian P. Illek Kuratorium Vorstand Personal Deutsche Telekom AG Deutsche Telekom Stiftung Claudia Nemat Kuratorium Mitglied des Vorstandes der Deutschen Telekom AG 90 Deutsche Telekom Stiftung Reinhard Clemens Kuratorium Geschäftsführer der T-Systems Deutsche Telekom Stiftung Thomas Dannenfeldt Vorstand (Vorsitzender) & Kuratorium Vorstandsmitglied Finanzen Deutsche Telekom AG Deutsche Telekom Stiftung Niek Jan van Damme Kuratorium Sprecher der Geschäftsführung der Telekom Deutschland GmbH Deutsche Telekom Stiftung Wolfgang Kopf Kuratorium Leiter Politik und Regulierung Deutsche Telekom AG Deutsche Telekom Stiftung Thomas Kremer Kuratorium Vorstandsmitglied Datenschutz, Recht und Compliance Deutsche Telekom AG Dräger-Stiftung Stefan Dräger Vorstand (Vorsitzender) Vorstandsvorsitzender der Drägerwerke AG Dräger-Stiftung Claudia Dräger Vorstand (Vorsitzende) Leiterin des Corporate Office der Drägerwerke AG Eberhard von Kuenheim Stiftung Dr.-Ing. Klaus Draeger Kuratorium (Stellv. Vorsitzender) Vorstandsmitglied der BMW AG Else KrönerFreseniusStiftung Dr. Karl Schneider Stiftungsrat (Stellv. Vorsitzender) Aufsichtsrat Mitglied der Fresenius Management SE Stiftungsrat (Vorsitzender) Stellvertretender Aufsichtsratchef von Fresenius und der Fresenius Medical Care (FMC) Else KrönerFreseniusStiftung Dr. Dieter Schenk 91 Freudenberg Stiftung GmbH, Dr. Mohsen Sohi Mitglied der Gesellschafterversammlung Sprecher des Vorstands der Freudenberg SE Friede Springer Stiftung Dr. h.c. Friede Springer Vorstand (Vorsitzende) & Kuratorium Stellv. Aufsichtsratsvorsitzende der Axel Springer SE Gerda Henkel Stiftung Prof. Dr. Ulrich Lehner Kuratorium Mitglied des Gesellschafterausschusses der Henkel AG & Co. KGaA Haniel Stiftung Franz M. Haniel Kuratorium (Vorsitzender) Aufsichtsratsvorsitzender der Franz Haniel & Cie. GmbH Haniel Stiftung Stephan Gemkow Kuratorium Aufsichtsratsvorsitzender der Franz Haniel & Cie. GmbH Haniel Stiftung Dr. Nathalie von Siemens Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der Siemens AG Körber-Stiftung Dr. Werner Redeker Stiftungsrat & Kuratorium Aufsichtsratsvorsitzender der Körber AG Körber-Stiftung Christian Wriedt Kuratorium (Vorsitzender) Mitglied des Aufsichtsrats Körber-Stiftung Richard Bauer Kuratorium Aufsichtsratsmitglied der Körber AG Körber-Stiftung Stephan Seifert Kuratorium Aufsichtsratsmitglied der Körber AG 92 L’Oréal-Stiftung Laurent Attal Vorstand Vorsitzender und Executive Vice-President Forschung & Innovation von L’Oréal L’Oréal-Stiftung Jean-Paul Agon Vorstand (Vorsitzender) Konzernvorsitzender der L’Oréal S.A. Robert Bosch Stiftung GmbH Matthias Georg Madelung Kuratorium Mitglied des Aufsichtsrats der Bosch-Gruppe RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Peter Terium Stiftungsrat Vorstandsvorsitzender der RWE AG RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Dr. Frank Weigand Kuratorium Kaufmännischer Geschäftsführer der RWE Generation SE RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Dr. Arndt Neuhaus Stiftungsrat Vorstandsvorsitzender der RWE Deutschland AG RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Dr. Filip Thon Kuratorium Vorstandsvorsitzender der RWE Polska SA Siemens Stiftung Janina Kugel Kuratorium Mitglied des Vorstands der Siemens AG SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn Artur Grzesiek Vorstand (Vorsitzender) Vorstandsvorsitzender der Sparkasse KölnBonn Software AGStiftung Markus Ziener Vorstand Mitglied des Aufsichtsrats der Software AG 93 Tabelle 12: Überschneidung der Wissenschaftsförderung von Stiftungen und der Geschäftsfelder der verbundenen Unternehmen; Politikberatung durch Stiftungen Stiftung Überschneidung Politikberatung Alfred Toepfer Stiftung F.V.S Keine Überschneidung Keine Politikberatung ersichtlich Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Keine Überschneidung Keine Politikberatung ersichtlich Allianz Umweltstiftung Das Projekt „vorsorgender Hochwasserschutz an der Elbe“ weist die Möglichkeit einer Überschneidung mit dem Versicherungsgeschäft der Allianz SE auf,170 die wiederum die Allianz Umweltstiftung gegründet hat. Organisation von Veranstaltungsreihen, z.B. Benediktbeurer Gespräche. Hierbei treffen sich „Naturwissenschaftler und Politiker, Manager aus Wirtschaft und Kultur, Vertreter von Umweltverbänden und Presse zum Gedankenaustausch“.171 AltenheimStiftung der Stadtsparkasse Duisburg K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Auerbach Stiftung Die Stiftung wurde von Tjark Auerbach, einem Gesellschafter des ITUnternehmens AVIRA, gegründet. Die Stiftung bezieht 5 Prozent aus jedem verkauften AVIRA-OnlineProdukt172 und der Umfang eines Teils ihres Budgets hängt damit unmittelbar vom Umsatz des Unternehmens ab. Die Auerbach Stiftung hat u.a. zwei Stiftungsprofessuren für die Bereiche IT-Sicherheit und Datensicherheit eingerichtet.173 Keine Politikberatung ersichtlich 170 Allianz Umweltstiftung, Vorsorgender Hochwasserschutz an der Elbe, 25.05.2016 171 Allianz Umweltstiftung, Benediktbeurer Gespräche, 25.05.2016 172 „Von den Produkten für Privatanwender, die über den Onlineshop der Avira verkauft werden, fließen jeweils fünf Euro in Stiftungsprojekte.“ (Auerbach Stiftung, Die Stiftung, 28.10.2015) 173 Auerbach Stiftung, Stiftungsprofessuren, 25.05.2016 94 Die Stiftung „wurde 1996 von der Hoechst Aktiengesellschaft als Hoechst Foundation gegründet“.174 Die Hoechst Aktiengesellschaft fusionierte 1999 mit einem anderen Unternehmen zu Aventis S.A., Aventis wiederum fusionierte 2004 zu Aventis-Sanofi. Bis heute führt der Pharmakonzern SANOFI die Aventis Foundation als ein Projekt im Bereich Unternehmensverantwortung.175 Die Aventis Foundation fördert u.a. Stiftungsprofessuren im Bereich Chemie und Biologie.176 Keine Politikberatung ersichtlich Bertelsmann Stiftung Die Bertelsmann Stiftung ist Hauptanteilseigner der Bertelsmann AG.Bertelsmann ist ein „Fachverlag für Bildung, Beruf und Sozialforschung“; die Stiftung ist stark im Bildungsbereich sowie auch in den Sozialwissenschaften aktiv. Aktuell wird besonders die gleichzeitige Ausrichtung von Verlag und Stiftung im Bereich Digitalisierung/digitale Bildung diskutiert (vgl. der Freitag). Zahlreiche Veranstaltungsformate, in denen Vertreter/innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengebracht werden. Zahlreiche Publikationen und Forschungsprojekte zu gesellschaftlichtspolitischen Themen; Fragen in der Governance-Debatte werden ebenfalls durch die (Bertelsmann) Stiftung bearbeitet und gleichzeitig vom (Bertelsmann) Verlag publiziert.177 Bildung & Handwerk, Stiftung Die Stiftung ist eine Unternehmensträger Stiftung, d.h. Stiftungs- und Unternehmenszweck fallen zusammen. Keine Politikberatung ersichtlich Aventis Foundation 174 175 176 177 Aventis Foundation, Die Aventis Foundation, 29.06.2016 Sanofi, Unternehmensverantwortung CSR, 14.01.2016 Aventis Foundation, Stiftungsprofessur, 25.05.2016 Vergleiche die Publikationen der Bertelsmann Stiftung zur Governance-Debatte: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/to-the-man-with-ahammer/, 14.01.2016 95 BMW Stiftung Herbert Quandt Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung schreibt in ihrem Eintrag im Stiftungsverzeichnis des BDS: „(…) die gezielte Förderung eines internationalen und gemeinwohlorientierten Dialogs zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft [ist] die erste Aufgabe der BMW Stiftung Herbert Quandt. Indem wir ein jährlich wechselndes Thema zu handlungsrelevanten Fragen der Globalisierung setzen, fördern wir den Meinungsaustausch, stärken tragfähige persönliche Netzwerke und zeigen konkrete Möglichkeiten auf, sich mit den von ihnen geführten Unternehmen oder Organisationen sowie individuell an der verantwortungsbewussten Entwicklung der Gesellschaft zu beteiligen.“178 Entsprechend dieses Selbstverständnisses führt sie zahlreiche Veranstaltungsformate mit Politiker/innen durch, gibt Policy Papers heraus und lobbyiert bestimmte politische Anliegen. Zum Beispiel will sie „die Akzeptanz von Sozialunternehmern erhöhen und sie durch die Vernetzung mit Unternehmen, privaten Investoren, Staat und Verwaltung fördern.“179 178 BDS 2014, S.392 179 BMW Stiftung Herbert Quandt, Was wir tun – Themenfeld Social Entrepreneurship, 22.01.2016 96 Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung Die Stiftung wurde 1983 von den Holdinggesellschaften des Unternehmensverbandes Boehringer Ingelheim gegründet.180 Der Hauptschwerpunkt der Stiftung liegt in der „Förderung biomedizinischer Grundlagenforschung“181; sie ist damit im selben Geschäftsfeld wie der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim tätig. Keine Politikberatung ersichtlich Carlo und Karin Giersch-Stiftung an der TU Darmstadt Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Carl-ZeissStiftung Die Stiftung ist die Eigentümerin der Carl Zeiss AG und der Schott AG. Unter anderem fördert die Stiftung in Kooperation mit dem OptikUnternehmen Carl Zeiss AG und dem Technologiekonzern Schott AG Stiftungsprofessuren in Physik und Chemie.182 Das wissenschaftliche Nachwuchsförderprogramm 2016 fokussiert die Schwerpunkte „Mathematik, Informatik, Big Data/Digitalisierung, Geowissenschaften und Physik“.183 Keine Politikberatung ersichtlich 180 181 182 183 Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung, 29.06.2016 Dies., Unser Leitbild, 22.01.2016 Carl Zeiss Stiftung, Geförderte Stiftungsprofessuren, 29.06.2016 Ebd. 97 Daimler und Benz Stiftung Die Stiftung wurde 1986 von der Daimler Benz AG gegründet. Sie förderte u.a. ein Forschungsprojekt zum Thema des autonomen Fahrens184 sowie eine Tagung zur Roboterethik.185 Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) Keine Überschneidungen ersichtlich. 184 185 186 187 188 189 98 Zum Beispiel die Veranstaltungsreihe „Berliner Kolloquium, bei dem sich jährlich "Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“ treffen: „Die Themenkomplexe werden von der Stiftung vorgegeben. Sie reichen von aktuellen Fragestellungen der Mensch-MaschineSchnittstelle, der Molekularmedizin, der Neuro- und Kulturwissenschaften über die Psychologie, Ökologie, Urbanistik und Informatik bis hin zu Kommunikationsund Managemententwicklungen.“ 186 Die Stiftung weist einen Schwerpunkt in der politischen Arbeit auf.187 Sie nimmt an Gesprächsrunden zur Entwicklungszusammenarbeit teil,188 erstellt Positionspapiere und stellt konkrete Forderungsmaßnahmen an die Politik.189 Daimler und Benz Stiftung, Autonomes Fahren im Straßenverkehr der Zukunft, 14.01.2016 Dies., Roboterethik, 14.01.2016 Dies., Berliner Kolloquium, 25.05.2016 Vgl. Stiftung Weltbevölkerung, Auf einen Blick, 18.01.2016 Dies., Themenschwerpunkt Gesundheit, 25.05.2016 Dies., Mitteilung, 25.05.2016 Deutsche Telekom Stiftung Deutsche Wildtier Stiftung Dieter Schwarz Stiftung 190 191 192 193 194 195 196 197 198 Die Stiftung wurde von der Deutschen Telekom AG gegründet. Sie fördert MINT-Fachdidaktik und MINT-Fachwissenschaften190 sowie Forschungsprojekte zur digitalen Bildung u.a.191 Die Stiftung hält 40 Prozent Anteile an der Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen GmbH, die u.a. Wildfleisch verkauft; der Stiftungsvorstand wird durch den Geschäftsführer der Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen gehalten. Auf der Stiftungshomepage befindet sich ein „ShopBereich“ mit einem Link zur Gourmet Manufaktur.195 Die Stiftungsaktivitäten im Bereich Wissenschaft umfassen zum Beispiel die Vergabe des Forschungspreises, „der intensive Forschungsvorhaben rund um die heimische Tierwelt ermöglicht“.196 Die Stiftung hält 99,9 Anteile an den Unternehmen Lidl und Kaufland. Sie fördert u.a. einen Studiengang in Heilbronn (DHBW) zum Konsumgüterhandel.198 Veröffentlichung eines Positionspapiers; Ausrichtung bildungspolitischer Symposien,192 mehrere politische Initiativen im Bereich MINTBildung.193 Darunter findet sich auch die Förderung des Vereins „MINT Zukunft schaffen“, der vom BDA und BDI gegründet wurde, und darauf abzielt, dem „MINTFachkräftemangel hierzulande entgegenzuwirken“.194 Die Stiftung hat zum Beispiel die Studie „Energiewende und Naturschutz – Windenergie im Lebensraum Wald“ erstellen lassen und darin auch „Forderungen zu Energiegewinnung im Wald“197 veröffentlicht. Keine Politikberatung ersichtlich Deutsche Telekom Stiftung, Bildungsinnovationen, 29.06.2016 Dies., Schule digital, 29.06.2016 Dies., Pressemitteilung, 25.05.2016 Dies., MINT-Initiativen, 29.06.2016 Ebd. Deutsche Wildtier Stiftung, Naturschutzprodukte der Deutschen Wildtier Stiftung, 15.01.2016 Dies., Forschungspreis, 25.06.2016 Dies. (Hrsg.), Energiewende und Naturschutz, 29.06.2016 DHBW Heilbronn, Studiengang Konsumgüterhandel, 25.05.2016 99 Dietmar Hopp Stiftung Dräger-Stiftung Der StiftungsgründerDietmar Hopp ist Unternehmer und gehört zu den Mitgründern des Softwareherstellers SAP. Die Dietmar Hopp Stiftung hält 28,8 Prozent Aktienanteile an der SAP-AG.199 Hopp besitzt zudem das Software-Unternehmen im Gesundheitswesen, InterComponentWare AG, und das Bioinformatikunternehmen Molecular Health. Zu den Schwerpunkten der Stiftung gehört die Förderung medizinischer Forschung: „Die Bandbreite umfasst die Unterstützung von Präventionsprogrammen, Studien zur Erforschung von Krankheitsursachen und Prüfung neuer Therapieformen sowie die Finanzierung innovativer Geräte für eine exzellente technische Ausstattung medizinischer Einrichtungen.“200 201 Die Stiftung „hält 23,15 Prozent der Aktienanteile der Drägerwerk AG & Co. KGaA“, 202 die u.a. im Bereich Medizintechnik tätig ist. Zu den Förderbereichen der Stiftung gehört u.a. Medizin.203 Keine Politikberatung ersichtlich Publikationen und Veranstaltungen zu Themen wie „Good Governance“ und ordnungspolitischen Fragestellungen sowie zum Keynesianismus.204 Eberhard von Kuenheim Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Else KrönerFreseniusStiftung Die Stiftung ist zu 27 Prozent Anteilseigner bei dem Gesundheitskonzern Fresenius; sie „widmet sich der Förderung medizinischer Forschung und unterstützt medizinischhumanitäre Projekte" und vergibt Preise in der medizinischen Forschung.205 Keine Politikberatung ersichtlich 199 200 201 202 203 204 205 100 Vgl. Eulerich/Welge 2011, S. 56 Dietmar Hopp Stiftung, Medizin, 29.06.2016 Tagesspiegel, Molecular Health, 25.05.2016 Eulerich/Welge 2011, S. 48 Dräger-Stiftung, Allgemeine Zielsetzungen, 29.06.2016 Dies., Konferenzen, 25.05.2016 Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Über die Stiftung, 25.05.2016 Freudenberg Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung fördert u.a. den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR),206 der als eine Institution für Politikberatung gegründet wurde.207 Außerdem fördert die Stiftung die Weinheimer Initiative, die ein bundesweiter Zusammenschluss von Städten und Landkreisen ist, „der sich für die Gestaltung gelingender Übergänge für alle jungen Menschen von der Schule in die Arbeitswelt einsetzt.“208 Friede Springer Stiftung K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Fritz Thyssen Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung fördert u.a. das Programm „THESEUS“, das mittlerweile „zu einem wichtigen Netzwerk der gemeinsamen Reflektion von Wissenschaft und Politik über europäische Herausforderungen geworden [ist].“ Zu den Teilenehmenden gehören „Wissenschaftler, Experten, Politiker, Beamte und Nachwuchsforscher.“209 Fürst Donnersmarck-Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich G. u. L. Powalla Bunny's Stiftung K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar.) 206 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, 29.06.2016 207 Ebd. 208 Freudenberg Stiftung, "Weinheimer Initiative" - Lokale Verantwortung für Bildung und Ausbildung, 29.06.2016 209 Fritz Thyssen Stiftung, Sonderprogramm Theseus, 25.05.2016 101 Gemeinnützige Hertie-Stiftung Kein Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung fördert u.a. gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (und anderen Partnern) das Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM). Mit dem BIM werde „ein systematischer Forschungstransfer in den öffentlichen Raum angestrebt, der von der kritischen Begleitung politischer Debatten über öffentlichkeitsorientierte Veranstaltungen bis hin zu medialen Interventionen reicht.“210 Georg Ludwig Rexroth-Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Gerda Henkel Stiftung Haniel Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Hasso Plattner Förderstiftung K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Heidehof Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Veranstaltungen aus der Reihe „Haniel Circle“ und „Haniel Lecture“ „beleuchten stets aktuelle Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, wobei unterschiedliche berufliche und nationale Perspektiven der Referenten zu einer intensiven Auseinandersetzung beitragen.“211 K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Keine Politikberatung ersichtlich 210 Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, Über uns, 29.06.2016 211 Haniel-Stiftung, Über die Stiftung, 25.05.2016 102 Herbert QuandtStiftung Keine Überschneidungen ersichtlich In der Veranstaltungsreihe „Gedanken zur Zukunft Schwerin“ widmen sich „Gäste“ aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft“ in „nicht öffentlichen Hintergrundgespräche[n] (…) aktuellen gesellschaftlichen Fragen und entwerfen Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft.“212Bei den „SinclairHaus-Gesprächen“ führt die Stiftung „internationale Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Religion zum Austausch über grundlegende Fragen der Gegenwart zusammen.“ Dieses Format findet ebenfalls „in einem geschlossenen Kreis“213 statt. Hermann Reemtsma Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Jacobs Foundation Keine Überschneidungen ersichtlich Agendasetting wird als Stiftungsziel im Jahresbericht genannt.214 Joachim Herz Stiftung 212 213 214 215 Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung fördert das MINT Forum und will „(d)urch die Vernetzung von Akteuren, die Ausrichtung von Konferenzen, Thementagen oder Wettbewerben (…) die Bedeutung exzellenter MINTBildung in das Bewusstsein von Eltern, Schülern, Lehrern und Entscheidungsträgern [rücken]“.215 Herbert Quandt Stiftung, Gedanken zur Zukunft Schwerin, 29.06.2016 Dies., Sinclair-Haus-Gespräche, 29.06.2016 Jacobs Foundation, Jahresbericht 2014, 29.06.2016 Joachim Herz Stiftung, Wer wir sind, 29.06.2016 103 Klaus Tschira Stiftung Die Stiftung wurde von Klaus Tschira gegründet, der das SoftwareUnternehmen SAP mitgegründet hat; die Stiftung hält 5 Prozent Anteile am Unternehmen SAP.216 Die Stiftung „konzentriert ihre Förderung der Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik“.217 Die Stiftung fördert u.a. auch das Heidelberg Laureate Forum, in dessen Rahmen „aktuelle wissenschaftliche Fragen” in den Bereichen Mathematik und Informatik diskutiert werden.218 Keine Politikberatung ersichtlich Koenig & BauerStiftung zur Förderung des kulturellen Lebens in Würzburg K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar.) K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Keine Überschneidungen ersichtlich In unterschiedlichen Formaten diskutieren Experten und Politiker aktuelle, außenpolitische Themen (u.a. Bergedorfer Gesprächskreis,219 Körber Policy Game,220 Berliner Forum Außenpolitik,221 Körber-Netzwerk Außenpolitik,222 Politische Frühstücke, 223 Politische Mittage224). Körber-Stiftung 216 217 218 219 220 221 222 223 224 104 finanzen.net, Tschira-Stiftung senkt Anteil an Softwarekonzern SAP, 29.06.2016 Klaus Tschira Stiftung, Aktivitäten, 29.06.2016 Dies., Operative Projekte, 25.05.2016 Körber Stiftung, Bergedorfer Gesprächskreis, 20.01.2016 Dies., Körber Policy Games, 25.05.2016 Dies., Berliner Forum Außenpolitik, 20.01.2016 Dies., Körber Netzwerk Außenpolitik, 29.06.2016 Dies., Politische Frühstücke, 29.06.2016 Dies., Politische Mittage, 20.01.2016 L’Oréal-Stiftung Die Stiftung wurde vom Kosmetikkonzern L’Oréal gegründet; sie „unterstützt Menschen dabei, durch Aufwertung ihres Aussehens die physische, psychische oder soziale Wiedereingliederung zu erreichen. Sie unterstützt außerdem Menschen, die eine Ausbildung im Schönheitsbereich anstreben.“225 Die Stiftung führt aus: „Wir bevorzugen Projekte aus unseren Fachgebieten, die (…)in Einklang mit den Werten des Konzerns oder der Stiftung stehen.“226 Bei der Projektauswahl „achtet die Stiftung auch darauf, ob (…) das Projekt Auswirkungen auf die L'OréalMitarbeiter hat.“227 Keine Politikberatung ersichtlich McDonald's Kinderhilfe Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Museumsstiftung Post und Telekommunikation Die Stiftung wird finanziell getragen von der „(f)inanziell getragen (…) von der Deutschen Post AG und der Deutschen Telekom AG“. Ihr „Zweck ist die Sammlung, Bewahrung, Erschließung und Vermittlung der gesamten Entwicklung der Nachrichtenübermittlung in den Bereichen Post und Telekommunikation“.228 Keine Politikberatung ersichtlich Possehl-Stiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich 225 226 227 228 L'Oréal-Stiftung, Programme der Stiftung, 29.06.2016 Ebd. Ebd. Museumsstiftung Post und Telekommunikation, 25.05.2016 105 Robert Bosch Stiftung GmbH Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung fördert zahlreiche Veranstaltungsformate, in deren Rahmen ein Austausch zwischen Politiker/innen, Wissenschaftler/innen und Experten/innen stattfinden soll: z.B. Berliner Wissenschaftsgespräche,229 Berliner Demographiegespräche230, Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik,231 Euroscience Open Forum,232 Transatlantic Academy,233 EU Integration, Migration Strategy Group on Global Competitiveness (MSG).234 Die Stiftung beauftragt wissenschaftliche Studien zu gesellschaftlichen Debatten wie etwa Migration und Teilhabe, Asyl-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Familien-, Bildungs-, und Kulturpolitik, International Relations, Good Governance und dem demographischen Wandel.235 Rut- und KlausBahlsen-Stiftung Klaus und Rut Bahlsen haben ihr Erbe in die Stiftung eingebracht.236 Inwiefern Bezüge zur Bahlsen AG bestehen, die heute von ihrem Neffen Werner Michael Bahlsen geleitet wird, ist nicht bekannt. Ein Stiftungsschwerpunkt liegt auf Ökologischem Landbau und Gesunder Ernährung,237 in dessen Rahmen auch Forschungsprojekte durchgeführt werden.238 Keine Politikberatung ersichtlich 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 106 Robert Bosch Stiftung, Berliner Wissenschaftsgespräche, 29.06.2016 Dies., Berliner Demographiegespräche, 29.06.2016 Dies., Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, 29.06.2016 Dies., ESOF, 29.06.2016 Dies., Transatlantic Academy, 19.01.2016 Dies., Migration Strategy Group, 29.06.2016 Vergleiche dazu die Publikationsdatenbank auf der Seite der Robert Bosch Stiftung, 29.06.2016 Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung, Stifter, 29.06.2016 Dies., Aufgaben, 29.06.2016 Dies., Projekte der Stiftung, 25.05.2016 RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft Die Stiftung wurde von dem Energiekonzern RWE AG gegründet und fördert u.a. Forschungsprojekte rund um das Thema Energie.239 Ein Forschungsprojekt zielt auf die Untersuchung von Nutzerinnovationen für den Energiemarkt.240 Auch hat die Stiftung eine Studie „zur Energiebildung an deutschen Schulen“ beauftragt.241 Die Stiftung beschreibt ihr Selbstverständnis wie folgt (Auszug): „Wir wollen Diskussionen anstiften und Prozesse initiieren, etwa anhand aktueller Studienergebnisse (…). Die Transformationsprozesse rund um das Themenfeld „Energie und Gesellschaft“ sind von zahlreichen Interessenkonflikten gekennzeichnet, die wir nicht lösen können. Wir verstehen es aber als unsere Aufgabe, sie zu thematisieren und die unterschiedlichen Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen.“242 Schader-Stiftung K.A. (Keine Angaben zur Zusammensetzung des Stiftungsvermögens) Die Stiftung möchte „den Praxisbezug der Gesellschaftswissenschaften und deren Dialog mit der Praxis stärken. (…) Praxis kann die Anwendung in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kommunen, dem Dritten Sektor und der angewandten Wissenschaft sein.“243 SchwarzkopfStiftung Junges Europa Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich 239 240 241 242 243 RWE Stiftung für Energie und Gesellschaft, Projekte der Stiftung, 25.05.2016 Dies., Projekte, 14.01.2016 Dies., Studie: Energiebildung an deutschen Schulen, 25.05.2016 Dies., Über die Stiftung, 18.01.2016 Schader Stiftung, Förderung, 29.06.2016 107 Die Stiftung wurde von dem Technologiekonzern Siemens AG gegründet und setzt sich für eine „nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ein. (…) In unserer internationalen Projektarbeit unterstützen wir deshalb Menschen darin, diesen Herausforderungen unserer Zeit eigeninitiativ und verantwortungsvoll zu begegnen. Hierfür entwickeln wir mit Partnern Lösungsansätze und Programme und setzen diese gemeinsam um. Eine zentrale Rolle spielen dabei technologische und soziale Innovationen.“244 Die Stiftung hat so z.B. eine Studie zur frühkindlichen Sprachförderung herausgegeben und eine Lernsoftware zur Sprachförderung entwickelt.245 Die Siemens Stiftung hat u.a. ein Grundsatzpapier zur MINT-Bildung mitherausgegeben.246 Die Stiftung betreibt zudem umfangreiche Förderungen im Bereich Social Entrepreneurship. Das von der Stiftung geförderte IRENE I SEE ist ein internationales Forschungsnetzwerkund „erforscht die Wirkungsformen von Sozialunternehmen und erarbeitet praktische Handlungsempfehlungen.“247 SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung richtet einmal im Jahr eine Konferenz zum Arbeitsmarkt im Bereich Medien und Kultur aus. Die Konferenz ist eine „Diskussions-Plattform für Medienund Kulturschaffende, Unternehmen der Kultur- und Medienwirtschaft, Multiplikator/innen aus Wissenschaft und öffentlichen Einrichtungen“.248 Software AGStiftung Keine Überschneidungen ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Siemens Stiftung SRH Holding <Stiftung Rehabilitation Heidelberg Stiftung Deutsche SchlaganfallHilfe 244 245 246 247 248 108 Die Stiftung ist eine Unternehmensträger Stiftung, d.h. Stiftungs- und Unternehmenszweck fallen zusammen. Keine Überschneidungen ersichtlich Siemens Stiftung, Mission, 29.06.2016 Dies., KIKUS digtial, 29.06.2016 Dies., Publikationen Grundsatzpaper MINT-Bildung, 25.05.2016 Dies., Forschungsnetzwerk IRENE I SEE, 22.01.2016 SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn, 25.05.2016 Keine Politikberatung ersichtlich Keine Politikberatung ersichtlich Stiftung Evangelisches Krankenund Versorgungshaus zu Mühlheim an der Ruhr Die Stiftung ist eine Unternehmensträger Stiftung, d.h. Stiftungs- und Unternehmenszweck fallen zusammen. Stiftung Mercator Keine Überschneidungen ersichtlich Stiftung van Meeteren K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar) Keine Politikberatung ersichtlich Die Stiftung hat einen Schwerpunkt in der Politikberatung: Dies berührt zum einen ihr grundsätzliches Verständnis, in dem sie sich als Einrichtung sieht, die „die Phantasie aller anregt, die in Politik und Gesellschaft besondere Verantwortung tragen“.249 Zudem lässt sie aktuell eine „Umfrage zur Nutzung von wissenschaftlicher Politikberatung“ durchführen. 250 Schließlich richtet sie sich mit zahlreichen Studien251 und wissenschaftsnahen Veranstaltungsformaten an Politiker/innen (z.B. „Rethink: Europe“, Mercator Lecture, Mercator Salon, Neujahrsempfang)252 und hat Forschungsinstitute zur Erforschung des Klimawandels oder zur China-Forschung gegründet, die auch als Think-Tanks fungieren.253 K.A. (Kaum Angaben über die Stiftungsaktivitäten erkennbar.) 249 Stiftung Mercator, Unser Leitbild, 29.06.2016 250 Dies. Jahresbericht 2014, S. 15 251 Über die Studien kann man sich hier einen Überblick verschaffen: Stiftung Mercator, Publikationen, 25.05.2016 252 Dies., RETHINK: EUROPE, 29.06.2016; dies., Mercator Lecture, 29.06.2016; dies., Mercator Salon, 29.06.2016; dies., Neujahrsempfang der Stiftung Mercator, 29.06.2016 253 Vgl. MERICS, Das Mercator Institute for China Studies, 18.01.2016; Stiftung Mercator, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, 29.06.2016 109 Vodafone Stiftung Die Stiftung wird „(g)etragen (…) vom deutschen Telekommunikationsanbieter Vodafone sowie von Mitteln der Vodafone Foundation“.254 Die Stiftung fördert u.a. das Forum für Soziale Innovationen, das 2015 zum Thema „Digitaler Wandel“ tagte.255 Die Stiftung versteht sich als „Think-Tank“ und möchte Wissen u.a. als „Politikempfehlungen“ aufbereiten.256 Die Stiftung gibt die Schriftenreihe „Transmission“ heraus: „In unserer Schriftenreihe ‚Transmission‘ greifen wir drängende gesellschaftliche Probleme auf. Hierfür bitten wir renommierte Wissenschaftler und erfahrene Praktiker aus dem jeweiligen Bereich ihre Ideen in Form von möglichst anwendungsorientierten Lösungsvorschlägen zu erläutern. Diese Sammelbände versenden wir an die relevanten Entscheidungsträger in Parlamenten, Parteien und Administrationen in Bund, Ländern und Kommunen.“257 Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung Laut Wikipedia hinterließen Wilhelm und Else Heraeus ihre „Anteile an dem Technologie-Konzern Heraeus (…) der Stiftung“.258 Die Heraeus Holding GmbH ist „ein Technologiekonzern mit den Schwerpunkten Edelund Sondermetalle, Medizintechnik, Quarzglas, Sensoren und Speziallichtquellen“.259 Die Stiftung fördert „Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Naturwissenschaften“;260 dabei hat sie einen Schwerpunkt im Bereich Physik. Keine Politikberatung ersichtlich 254 255 256 257 258 259 260 110 Vodafone Stiftung, Stiftung, 29.06.2016 Dies., Forum für Soziale Innovationen 2015, 25.05.2016 Dies., Ideen fördern, 29.06.2016 Dies., Schriftenreihe Transmission, 29.06.2016 Wikipedia, Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung, 29.06.2016 Wikipedia, Heraeus (Unternehmen), 18.01.2016 Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung, Stiftungszweck, 29.06.2016 Wüstenrot Stiftung Die Wüstenrot Stiftung ist als Unternehmensbeteiligungsstiftung „über die Wüstenrot Holding AG mit 66 Prozent an der Wüstenrot & Württembergische AG beteiligt“, die im Bereich Versicherungen und Bausparkasse aktiv ist. Die Stiftung betreibt Forschung „in den Bereichen Baukultur, Wohnen und Stadtentwicklung sowie die Erforschung der Chancen und Gefahren des demografischen Wandels in Bezug auf verschiedene Altersgruppen und deren Wohn-, Arbeits- und Freizeitverhältnisse in den Städten und im ländlichen Raum“.261 ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Keine Überschneidungen ersichtlich Die Stiftung hat z.B. die Studie „Fokus Innenstadt“ beauftragt: „Im Mittelpunkt dieser Studie standen die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen, denen Mittelstädte in BadenWürttemberg aktuell und in den kommenden Jahren gegenüber stehen. Zugleich wurde eine Bilanz der Effekte aus den zentralen Programmen und Maßnahmen der Stadterneuerung erstellt und die wichtigsten Konzepte für die kommunale Steuerung der zukünftigen Entwicklung erarbeitet.“262 Zahlreiche Veranstaltungsformate bringen Wissenschaftler/innen und Politiker/innen in den Austausch (ZEIT Forum Wissenschaft, Schlagabtausch zur Demografie, Zur Zukunft des Friedens in Europa);263 in der von der Stiftung geförderten Bucerius Summer School on Global Governance kommen junge Führungskräfte aus Politik, Medien und Wirtschaft zusammen.264 261 Wüstenrot Stiftung, Über die Stiftung, 14.01.2016 262 Dies., Zukunft Innenstadt, 29.06.2016 263 ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius; ZEIT Forum Wissenschaft, 29.06.2016; dies., Schlagabtausch zur Demografie, 29.06.2016; dies., Zur Zukunft des Friedens in Europa, 29.06.2016 264 Dies., Bucerius Summer School on Global Governance, 25.05.2016 111 Literatur Adloff, Frank, Philanthropisches Handeln. 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Blanck Organisationsformen schulischer Integration und Inklusion Eine vergleichende Betrachtung der 16 Bundesländer SP I 2014-501 Projektgruppe: Nationales Bildungspanel: Berufsbildung und lebenslanges Lernen Annika Grieb, Cornelia Gresch, Reinhard Pollak Ehemalige Schülerinnen und Schüler von Förderschulen und Menschen mit Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt Erste Auswertungen und Analysepotenziale der Erwachsenenkohorte des Nationalen Bildungspanels All discussion papers are downloadable: https://www.wzb.eu/de/publikationen/discussion-papers/bildung-und-arbeit SP I 2014-504
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