12.11.16 Berlin "Mit industriefreundlichem Gruß..." Von Beate Kranz Kungelte das Kraftfahrt-Bundesamt mit den Autoherstellern? Interne E-Mails legen das nahe Berlin. Eigentlich sollte die Untersuchungskommission "Volkswagen" für eine unabhängige Aufklärung der Dieselaffäre sorgen. Als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das Gremium im September 2015 kurz nach Bekanntwerden des Abgasskandals einsetzte, gehörte es zu den Zielen, den Sachverhalt der Vorwürfe aus den USA zu analysieren und die von VW angebotenen Abhilfemaßnahmen zu bewerten. Nach 53 Sitzungen legte das Gremium dann im April einen 128-seitigen Bericht vor. Doch an der Unabhängigkeit kommen nun erhebliche Zweifel auf. An dem Wortlaut des Untersuchungsberichts haben offenbar die Autohersteller direkt mitgewirkt – und zwar oft bis in einzelne Formulierungen hinein. Zwischen KraftfahrtBundesamt (KBA), Bundesverkehrsministerium und Konzernen bestand ein reger schriftlicher Austausch, wie interne Mailwechsel aus der Untersuchungskommission zeigen, die dieser Redaktion vorliegen. Die Mails deuten darauf hin, dass mit den Herstellern vor der Veröffentlichung konkrete Absprachen vereinbart wurden. So heißt es in einem Mailwechsel zwischen Mitarbeitern des Kraftfahrt-Bundesamts und dem Verkehrsministerium: "(...) ich habe unseren Bericht jetzt als Rohfassung für den Untersuchungs-KOM Bericht umgestellt (...) Der Porsche-Text ist darin mit dem Hersteller abgestimmt. Bei Deinem Satz würde ich das 'jedoch' lieber möglichst umgehen, weil die Hersteller an der Stelle sehr empfindlich sind." In einer weiteren Notiz vom Januar schreibt ein Mitarbeiter: "Es werde mit den Herstellern zuvor konkret besprochen, was veröffentlicht werde." Volkswagen schreibt unterdessen an das KBA: "Sehr geehrte Herren, wie in der heutigen Telefonkonferenz vereinbart, erhalten Sie anbei den diskutierten Stand des Wirksamkeitsnachweis in der Thermofenster Diskussion. Es wäre Klasse, wenn Sie uns bis morgen Mittag 12 Uhr eine Rückmeldung geben könnten, damit wir diesen Stand ggfs. bereits als „abgestimmten Vorschlag“ an die Odenwald-Untersuchungskommission versenden können." Odenwald-Kommission, weil Staatssekretär Michael Odenwald das Gremium leitet. In den Unterlagen taucht auch eine Mail von KBA-Präsident Ekhard Zinke auf. Er schreibt an Mitarbeiter, er halte die Ausführungen von Opel "insbesondere im techn. Teil im Grunde nach für nachvollziehbar" und unterschreibt die Mail: "Mit industriefreundlichem Gruß." Dobrindt, dem das KBA unterstellt ist, wollte sich nicht zu den Mailwechseln äußern. Ein Ministeriumssprecher sagte: "Mit den Herstellern wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert. Ein solches Prozedere ist international üblich und notwendig." Die Meinungsbildung sei unabhängig erfolgt und für 2,4 Millionen VW-Autos ein verpflichtender Rückruf festgelegt worden. Auch VW sieht kein Fehlverhalten, sagte ein Sprecher: "Die beteiligten Marken haben konkrete Lösungen erarbeitet und dem KBA zur Überprüfung und Freigabe vorgestellt." Auch der Autoindustrieverband hält das Vorgehen "für völlig üblich". Umweltverbände und Oppositionspolitiker kritisieren den Vorgang scharf. Der Verkehrsclub Deutschland spricht von einem "Skandal" und sieht seinen seit Langem gehegten "Verdacht der Mauschelei" zwischen KBA und Herstellern Das Kraftfahrbundesamt dadurch bestätigt. "Sich von der Industrie die Berichte für eine verfügt über so gut wie unabhängige Untersuchungskommission diktieren zu lassen, Kompetenz bei untergräbt demokratische Instanzen", sagt Jens Hilgenberg, Abgasmessungen Verkehrsexperte des Bunds für Umwelt und Naturschutz. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht von "Kumpanei" und einem "Versagen" staatlicher Kontrollgremien. Die Konsequenz könne nur sein, dass eine unabhängige Kommission das Ganze noch einmal aufrolle. "Kungelwirtschaft wie in einer Bananenrepublik" Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht das Problem im KBA und fordert die Absetzung des Präsidenten Ekhard Zinke. "Verkehrsminister Dobrindt muss den Behördenchef heute noch beurlauben", sagt der Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen dieser Zeitung. "In der Behörde scheint eine Kungelwirtschaft zu herrschen wie in einer Bananenrepublik." Der KBA-Präsident schädige mit seinem Verhalten die gesamte deutsche Autoindustrie. "Kein Mensch der Welt vertraut doch deutschen Autobauern, wenn so in Zeiten von Dieselgate, deutlich zu hohen Treibstoffverbrauchs und laxen Politikern Autos verkauft werden, deren Standards von solchen Behörden geprüft werden." Dudenhöffer plädiert dafür, das KBA dem Umweltministerium zu unterstellen, das Gesundheits- und Umweltbelastungen in den Vordergrund stelle: "Das Umweltministerium sollte prüfen können, inwieweit Produkte wie Kraftfahrzeuge dem Umweltschutz genügen." Schließlich war es auch in den USA die Umweltbehörde EPA, die den Abgasskandal ans Licht brachte.
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