Standing Ovations für eine Spitzenleistung

 VdM
November 2016 nmz 11/16 Seite 26
Standing Ovations für eine Spitzenleistung
Deutsche Streicherphilharmonie gastierte im Rahmen von Young Euro Classic im Konzerthaus Berlin
Verband deutscher Musikschulen e.V.
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Telefon 0228/957 06-0,
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Redaktion:
nmz, Matthias Pannes
Ausbau der
Kindertagesbetreuung
Der VdM fordert staatliche
Förderung musikalischer
Bildung in Kindertagesstätten
32,7 Prozent der unter dreijährigen
Kinder wurden am Stichtag 1. März
2016 in Kindertageseinrichtungen oder
in öffentlicher Kindertagespflege betreut, wie das Statistische Bundesamt
bekannt gegeben hat. Zehn Jahre zuvor, im März 2006, lag die Betreuungsquote noch bei 13,6 Prozent.
Immer mehr Eltern von Kindern unter drei Jahren möchten einen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Außerdem
werden wieder mehr Kinder geboren.
Zudem gilt es, Kinder mit Fluchterfahrung so schnell wie möglich in die Kindertagesbetreuung zu integrieren. Deshalb sieht die Bundesregierung für die
kommenden Jahre deutlich mehr Mittel für die Kindertagesbetreuung vor,
wie das Bundesfamilienministerium am
28. September 2016 mitgeteilt hat. Geplant sei dazu ein viertes Investitionsprogramm, mit dem den Ländern mehr
als 1,1 Milliarden Euro in den Jahren
2017 bis 2020 zum weiteren Ausbau des
Platzangebots zur Verfügung gestellt
werden sollen. Mit 550 Millionen Euro
aus dem dritten Investitionsprogramm
hat der Bund bereits den quantitativen
Ausbau der Kindertagesbetreuung unterstützt. Zudem erhalten die Länder
die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes frei werdenden Mittel von rund
2 Milliarden Euro bis 2018 für Zwecke
der Kinderbetreuung, so das Bundesfamilienministerium. Daneben sei aber
auch die Weiterentwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung notwendig, wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig betont: „Für wirklich
flächendeckend hohe Qualität der Betreuung brauchen wir weitere Anstrengungen. Wir brauchen in Politik und Gesellschaft ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass mit frühkindlicher Bildung die
entscheidenden Weichen für Chancenund Bildungsgleichheit für alle Kinder
gestellt werden. Eltern haben eine eindeutige Position dazu: Rund 88 Prozent
halten eine Verbesserung der Qualität in
der Kindertagesbetreuung für wichtig.
Für die Politik ist das ein klarer Auftrag“, so Schwesig.
Der VdM hat auf diese Zahlen und
Pläne in einer Pressemeldung reagiert.
Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Musikschulen, fordert: „Fülle statt Hülle! Qualität statt Verwahrung! Ganzheitlichkeit
statt Kopflastigkeit! Kindertagesstätten
müssen ganzheitliche Erfahrungen im
frühen Kindesalter ermöglich­en. Das
Ziel von Chancen- und Bildungsgleichheit in der frühkindlichen Bildung haben sich auch die öffentlichen Musikschulen im Verband deutscher Musikschulen auf die Fahnen geschrieben.
Die Qualität der Bildungsangebote ist
dabei entscheidend für die Entwicklung und Integration der Kinder und damit auch für ihren späteren schulischen
und beruflichen Erfolg. Mit ihren hochwertigen Bildungsangeboten bereits ab
dem frühen Kindesalter ermöglichen
die öffentlichen Musikschulen das Singen und Musizieren der Kinder in den
Kitas, bei dem neben Empfindungsund Ausdrucksfähigkeit, Motorik und
Sozialverhalten ebenso Spracherwerb
und Sprachentwicklung gefördert werden. Wir setzen uns daher dafür ein,
dass alle Kinder den Zugang zu musikalischer Bildung bekommen und dies
in Kindertageseinrichtungen staatlich
gefördert wird.“
Auch, wenn das jüngste Bundesauswahlorchester in diesem Sommer bereits zum dritten Mal bei Young Euro
Classic, dem international bedeutenden Festival der weltbesten Jugend-orchester in Berlin, mitwirken
durfte, so war es doch für viele Musikerinnen und Musiker der Deutschen
Streicherphilharmonie das erste Mal.
Denn naturgemäß erneuert sich das
Spitzenensemble der Musikschulen
regelmäßig. Aber auch Chefdirigent
Wolfgang Hent­r ich erlebte die eindrucksvolle Festivalatmosphäre im Konzerthaus Berlin erstmalig mit „seinem“
Orchester – auch hier übrigens das Ensemble mit den jüngsten Mitgliedern.
2013 war es noch Michael Sanderling,
der im Rahmen von Young Euro Classic eines seiner letzten Konzerte mit
den 11- bis 19-jährigen Musikern präsentierte, bevor er den Dirigierstab an
Hentrich weitergab.
W
ährend das Team von Deutschlandradio Kultur, das dieses
Konzert am 1. September in
Berlin aufzeichnete und wenige
Tage später im Rundfunk sendete, wenig überrascht war angesichts der professionellen Qualität, die sich ihm dort
bot – den Sender und die Deutsche
Streicherphilharmonie verbindet eine
langjährige Kooperation –, zeigten sich
die Experten von EuroArts beeindruckt. In Kooperation mit Arte produzierten EuroArts und ZDF an diesem
Abend einen Livestream des Konzertes,
der anschließend 30 Tage lang in ihrer
Mediathek abrufbar war. Für das kommende Jahr ist darüber hinaus eine
90-minütige Fernsehsendung mit Ausschnitten verschiedener Konzerte im
Rahmen des diesjährigen Festivals geplant.
Der homogene Streicherklang des
jungen Spitzenorchesters ist vor allem
der kontinuierlichen und überaus enga-
gierten Arbeit des langjährigen Dozententeams zu verdanken, allesamt Mitglieder des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin: Bodo Przesdzing (1. Geigen), Karin Kynast (2. Geigen), Claudia
Beyer (Bratschen), Volkmar Weiche
(Celli) und Axel Buschmann (Kontrabässe). In Berlin wurde das Ergebnis
dieser Arbeit mit Wolfgang Amadeus
Mozarts Divertimento KV 138, Gustav
Mahlers „Adagietto“ aus seiner 5. Sinfonie, Henri Casadesus’ Bratschenkonzert c-Moll (mit einer herausragenden
Yura Lee als Solistin) und Josef Suks
Streicherserenade op. 6 präsentiert. Beendet wurde das Programm mit dem 3.
Satz aus Antonio Vivaldis „Sommer“:
Wolfgang Hentrich verließ die Bühne
und legte die Führung des Orchesters
in die Hände der jungen Konzertmeisterin Eliane Menzel. Das Publikum belohnte diese effektvolle Inszenierung
mit Standing Ovations.
Dass die Deutsche Streicherphilharmonie eine Wiege des engagierten und qualifizierten BerufsmusikerNachwuchses für Spitzenorchester und
Solistenkarrieren ist, stellten die jungen Musikerinnen und Musiker auch
am Tag nach dem YEC-Konzert unter
Beweis: Marek Janowski, ehemaliger
Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, beschenkte das Orchester erneut mit einer Probe unter
seiner Führung. Hochkonzentriert erlebte der Streichernachwuchs eine
intensive Stunde Feinschliff an Suks
Streicherserenade, der beim Konzert
im Kloster Chorin am nächsten Tag zu
hören und zu sehen war. Die 15-jährige
Fiona Buhr spricht auch für ihre „Mitstreiter“, wenn sie die musikalische
und menschliche Begegnung mit Janowski beschreibt: „Ich habe zuerst befürchtet, dass er sehr streng ist. Aber
jetzt freue ich mich, wenn wir mit ihm
proben. Wenn er vorn steht und dirigiert, vergisst man, dass er eine be-
Eliane Menzel: Konzertmeisterin mit „Sonderaufgaben“. Foto: Kai Bienert
rühmte Persönlichkeit ist. Es ist einfach eine Person, die die Musik genauso liebt, wie die DSP es tut.“ Als Fiona
das sagte, war sie noch Mitglied der 2.
Geigen. Inzwischen ist sie für das Frühstudium an der Young Academy Ros­
tock in der Klasse von Claudia Beyer
zugelassen. Im November wird sie dann
bei den Jahresabschlusskonzerten der
DSP in Limburg (6.11. in der Stadthalle)
und Halle (12.11. in der Händel Halle im
Rahmen des Finales der enviaM Regionalwettbewerbe) zum ersten Mal in
der Bratschengruppe mitspielen. Über
den Wechsel des Instruments staunt in
der DSP übrigens keiner: Gelegentlich
entpuppt sich eine hervorragende erste
Geigerin auch als hervorragende Kontrabassistin.
„„ Brigitte Baldes
Neues, Unbekanntes oder Ungehörtes
VdM vergab erneut Sonderpreise für WESPE-Preisträger
„Mit WESPE setzt ‚Jugend musiziert‘
neue Initiativen und Schwerpunkte.
Mehr als im Bundeswettbewerb ‚Jugend musiziert‘ geht es darum, das instrumentale Können in den Dienst der
Musik zu stellen und sich noch nicht
aufgeführten, weniger bekannten
oder besonders schwierig zu interpretierenden Werken zu widmen.“
So heißt es in der Beschreibung des
„Wochenendes der Sonderpreise“. Bundespreisträgerinnen und -preisträger
sind hier aufgefordert, „sich forschend
und neugierig auf Pfade abseits des
bekannten Repertoires zu begeben“,
erklärt Reinhart von Gutzeit in seinem
Grußwort. Gab es den „Klassikwettbewerb“ schon seit vielen Jahren, so
hat der Deutsche Musikrat die Ergänzung zum Bundeswettbewerb mit Wertungen, die Ungewöhnliches, bisher
Ungehörtes oder Unbekanntes hervorlocken sollen, vor einigen Jahren ins
Leben gerufen. Erstmals fanden in diesem Jahr alle Wertungen an einem Ort
statt, in Münster, wo der Klassikpreis
traditionell zu Hause ist. Nun luden
die Westfälische Musikschule und weitere Häuser auch zu den Wertungen in
den neueren Kategorien ein.
Der Verband deutscher Musikschulen,
„geborener“ Partner von „Jugend musiziert“, unterstützt WESPE seit Anbeginn durch die Stiftung einiger Sonderpreise. So vergibt der VdM in der Kategorie „Beste Interpretation eines eigenen Werkes“ gemeinsam mit der GVL
(Gesellschaft zur Verwertung von Leis­
tungsschutzrechten) Sonderpreise an
„Jumu“-Teilnehmer, die selbst komponierte Stücke präsentieren. Über Preise in dieser Sparte durften sich 2016
Manuel Lipstein (Violoncello) mit seinen „Vier Stücken“, Marius Staible (Akkordeon) mit „Unplugged“, Rebecca
Falk (Violoncello) mit ihren „Ersten
Eindrücken“ von einer Albanien-Reise
sowie Leo Heidweiler (Horn) und Johannes Bettac (Klavier) mit ihrer „Sonata Novantiqua“ freuen. Ebenfalls mit
Unterstützung des VdM erhielt die Cellistin Rebecca Falk auch in der Kategorie „Beste Interpretation eines zeitgenössischen Werkes“ einen Sonderpreis.
Mit besonderer Spannung erwartet
wurden die Beiträge in der neuen Kategorie „Jumu open“. Diese Kategorie,
so heißt es im Programmheft, „ist offen für Musik aus Genres, die bisher
für ‚Jugend musiziert‘ eher unüblich
waren, die aus einer anderen als der
Preisträger der Kategorie „Jumu open“. Foto: Andreas Denhoff
‚klassischen‘ (auch klassisch-zeitgenössischen) Tonsprache kommen. Bei
‚Jumu open‘ erklingt Musik, die nicht
auskomponiert, sondern improvisiert
ist, die sich in keine der üblichen stilistischen Kategorien und in keine Schublade einordnen lässt und sich mit anderen künstlerischen Sparten verbindet.“ Kurz: Die jungen Musiker können
hier experimentieren, Neues schaffen
und kombinieren, ohne dass ein Wettbewerbs-Reglement sie einengt. In die-
ser neuen Kategorie vergab der VdM gemeinsam mit der neuen musikzeitung
Sonderpreise an den Akkordeonisten
Julius Schepansky, der mit „Tuokio“
über ein finnisches Werk improvisierte, sowie an Melissa Heitzler, Eva-Anne Kirst und Leonie Stöck. Die drei jungen Sängerinnen präsentierten sich mit
einem „Modern Jazz Medley“. Was diese Kategorie in den kommenden Jahren
noch zu Tage fördert, darauf darf man
gespannt sein.
Medienpreis LEOPOLD – Gute Musik für Kinder
Elfte Ausschreibung des Medienpreises des VdM
Es ist wieder so weit: Zum elften Mal
schreibt der Verband Deutscher Musikschulen (VdM) den Medienpreis LEOPOLD aus. Im CD- und Musikaliengeschäft sowie im Internet hat sich der
LEOPOLD schon lange etabliert, dient
unter anderem als Gütesiegel und erleichtert Eltern, Lehrern und Pädagogen die Auswahl im Bereich der Kinderhörmedien. Seit über 20 Jahren
kürt der VdM nun schon „gute Musik
für Kinder“. Produzenten, Verlage und
Tonträgerhersteller können sich mit
ihren Musikproduktionen für Kinder
bewerben. Neu ist: Auch musikbezogene deutschsprachige Online-Formate wie zum Beispiel Internetportale für Kinder, einzelne Seiten oder
Teilbereiche von Webseiten, natürlich
auch Apps können eingereicht werden.
Eine Experten- und eine Kinderjury
entscheiden dann im kommenden Jahr,
welche Produktionen den begehrten
LEOPOLD erhalten, welche auf der
Empfehlungsliste stehen und welcher
Tonträger mit dem „Poldi“ ausgezeichnet wird. Der Medienpreis LEOPOLD
ist auf der Suche nach Qualität, um
Kindern gute und anspruchsvolle Musik zur Verfügung zu stellen, Käufern
Empfehlungen zu geben, Produzenten
zu inspirieren und in ihrem Bestreben
nach guten Produkten zu unterstützen.
Denn: Hörmedien aller Art spielen eine
wichtige Rolle für Kinder und Jugendliche. Der LEOPOLD ist daher ein Instrument, um den Hörenden und ihrer
Umgebung im großen Markt der Pro-
duktionen für diese Altersgruppe eine
Orientierung zu ermöglichen.
Was genau wird gesucht? Zum Beispiel traditionelle oder neue Kinderlieder, Rock- und Popmusik jenseits
des Mainstreams, musikalische Wege
zum gegenseitigen Verständnis unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten, Musiktheaterproduktionen für
Kinder, musikalische Erzählungen und
und und. Kurz: Alles, was künstlerisch
und technisch qualitätvoll auf originelle
Weise in Kindern Freude an Musik wecken und ihre Fantasie beflügeln kann.
Zugelassen sind neben den Online-Angeboten CD, DVD, CD-/DVD-ROM –
gerne auch in Verbindung mit Büchern
und Noten. Die eingesandten Produktionen müssen in der Zeit vom 1. Janu-
ar 2013 bis 31. Januar 2017 erschienen
und über den Handel beziehungsweise
andere Verkaufswege zu beziehen sein.
Die Online-Angebote sollen im Zeitraum
der Ausschreibung zugänglich sein und
sich bis zur Preisverleihung nicht sub­
stanziell ändern. Einsendeschluss ist
der 31. Januar 2017. Die Preisverleihung für den LEOPOLD 2017/2018 ist
geplant für den 29. September 2017 im
WDR Funkhaus Köln. Unterstützt wird
der LEOPOLD vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend sowie von den Partnern WDR 3
Kulturradio und Initiative Hören.
Weitere Informationen zur Ausschreibung und zur Anmeldung finden sich
auf der Webseite des VdM
(www.medienpreis-leopold.de).
VdM
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Musikschule digital
Tagung des Landesverbands der Musikschulen Rheinland-Pfalz
Donnerstag morgen in Regensburg,
Speyer, Ludwigshafen, Sardinien: Telefoninterview mit den federführend
Beteiligten an der Tagung des Landesverbands der Musikschulen in Rheinland-Pfalz im September 2016. Mag
die Telefonkonferenz inzwischen schon
„old-fashioned“ sein, so war es das
Thema der Tagung keinesfalls: „Musikschule digital“ lautete ein zentrales
Anliegen des Landestreffens. Dazu gibt
es viele Ideen – und noch einiges zu
tun. Die nmz sprach mit Christoph Utz,
Leiter der Musikschule des Rhein-PfalzKreises und Vorsitzender des Verbands,
sowie den Dozenten der Tagung, Bernhard Sperrfechter (Leiter der Musikschule Speyer) und Florian AlexandruZorn (Mitglied des Fachausschusses „Digitale Bildung“ der Bundesregierung).
neue musikzeitung: Wie sind Sie das
Thema „Musikschule digital“ angegangen? Was wurde auf der Tagung besprochen?
Christoph Utz: In fast allen Fällen
verfügen Musikschulen mittlerweile
über einen eigenen Internetauftritt.
Aber noch nicht alle begreifen vollständig, welche Möglichkeiten das
Internet darüber hinaus bietet, zum
Beispiel im Bereich der Verwaltungsorganisation, beim Kontakt zwischen
den Schülern untereinander oder dem
Kontakt zwischen Lehrern und Eltern,
auch im Bereich des ergänzenden Unterrichts, also dem Einsatz digitaler
Möglichkeiten in der Unterrichtspraxis. Es geht nicht darum, den Kontakt
zwischen Lehrer und Schüler digital
zu ersetzen, sondern geschickte Ergänzungsmöglichkeiten zu erkennen
und diese weiterzuentwickeln.
Bernhard Sperrfechter: Wir haben
uns auf drei Fragestellungen bezogen:
auf das Thema Infrastruktur, auf methodische Hilfen zum Beispiel in Form
von Apps und auf die Erweiterung des
Unterrichts. Die einfache Frage lautet:
Wie interaktiv ist der Internetauftritt
einer Musikschule und welche Kontaktmöglichkeiten bestehen über die
reine Information hinaus?
nmz: Wenn man sich Internetseiten
von Musikschulen anschaut, sind diese in ihrer Qualität recht unterschiedlich.
Utz: Diese Unterschiede sind uns natürlich auch aufgefallen. Wir hatten
zunächst die Zielsetzung, das Thema
auf den Stand zu bringen. Wenn man
einen solchen Stand hat, kann man
diesen analysieren und kann dann
Handlungsempfehlungen geben: Wo
stehen wir im Landesverband und wo
könnte man hingehen?
nmz: Welche Handlungsempfehlungen
sind da entstanden?
Florian Alexandru-Zorn: Im Vorfeld
der Tagung haben wir eine Umfrage an
alle Musikschulen im Landesverband
geschickt. 38 der 42 Musikschulen
haben darauf geantwortet. Dadurch
hatten wir während der Tagung einen
aktuellen Stand darüber, wie die Infrastruktur an unseren Musikschulen
aufgebaut ist. Das beginnt bei nicht
vorhandenen Internet- und WLANZugängen für Lehrer oder auch bei
der Frage der Zuständigkeit für diese
Probleme. Es wurde klar, dass Handlungsbedarf besteht.
Über die klassische Homepage hinaus sollte der Internetauftritt in die
Bahn eines so genannten Learning Management System (LMS) gelenkt werden. Dabei setzt man online eine Plattform auf, die zunächst die Infrastruktur
der Verwaltung erleichtert, die daneben die Möglichkeit bietet, den Kontakt zum Schüler zu halten und Inhalte
für ihn zu hinterlegen. Im Falle eines
Unterrichtsausfalls ist dadurch zum
Beispiel für jeden Ersatzlehrer klar ersichtlich, was genau zuletzt gemacht
wurde, auf welchem Stand der Schüler
steht und wo er mit ihm weiterarbeiten
kann. Solche Strukturen gibt es schon,
die sich sehr einfach in das eigene System integrieren lassen.
nmz: Es geht also auf der einen Seite
um Kommunikation nach außen, aber
auch um eine Art Intranet für den internen Austausch?
Zorn: Ganz genau.
nmz: Inwieweit unterstützt der Verband die Umsetzung der vorhandenen
Ideen?
Utz: Der Verband wird auf seiner Mitgliederversammlung Anfang November die Handlungsempfehlungen vorstellen. Anschließend wird es sicherlich Fortbildungen für Schulleiter und
Lehrer zu diesem Thema geben. Es
Dozent Bernhard Sperrfechter auf der Tagung des Landesverbands RheinlandPfalz. Foto: Martin Geiger
gibt ja bereits schon viele Lehrkräfte,
die mit dem Internet arbeiten, insbesondere im Jazz- und Popularmusikbereich.
nmz: Ist der Landesverband damit
Vorreiter im VdM oder gibt es anderswo ähnliche Überlegungen?
Utz: Was genau diese Thematik angeht, sind wir Vorreiter. Der VdM selbst
macht sehr viel im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, aber dass das in den
pädagogischen Bereich hineinreicht,
ist ein neuer Aspekt den wir jetzt mit
einbringen.
nmz: Wie reagieren die Musikschulen und Lehrkräfte darauf? Herrscht
große Offenheit oder gibt es Ängste
vor den Kosten oder auch den technischen Implikationen?
Utz: Die Kosten selbst sind nicht das
große Thema. Die Frage ist eher, wie
man das logistisch löst. Bestimmt
herrscht auch eine Angst davor, dass
digitaler Unterricht den normalen Unterricht ersetzen könnte. Dieses Problem sehen wir nicht. Es geht uns
eher darum, die neuen Möglichkeiten
zu nutzen und den Schülerkontakt zu
intensivieren. Die Schüler sind ja ständig medial unterwegs und wir hoffen,
sie auf diesem Weg auch für den Unterricht zu erreichen. Angedacht sind
auch Übehilfen, Klangbeispiele, Lernhilfen und Lernprogramme in Form
von Apps.
Sperrfechter: Die Apps sollen den
Unterricht „haltbarer“ machen. Technisch ist es mittlerweile möglich, das,
was der Lehrer im Unterricht vormacht zu filmen und mit nach Hause
zu nehmen. Außerdem geht es darum,
das Bewusstsein der Lehrer für gute
und schlechte Apps zu schärfen.
Wir sind mit diesen Ideen natürlich
erst am Anfang und sehen nun Richtungen, die ausgearbeitet werden kön-
nen und die wir auch ausarbeiten werden. Wir hatten lebhafte und sehr konstruktive Diskussionen mit viel Interesse und daher bin ich gespannt auf die
Zukunft.
Utz: Ein großer Punkt ist auch, dass
wir dadurch in der Lehrerfortbildung
eine große Chance sehen. Gerade Lehrer, die sich nicht regelmäßig fortbilden können, können über den Austausch von Informationen online immer auf dem neusten Stand sein. Es
gilt auch, die Musikschulen untereinander zu vernetzen.
nmz: Das betrifft ja nicht nur Rheinland-Pfalz. Müsste nicht zusammen
mit den anderen Landesverbänden etwas entwickelt werden?
Utz: Wir wollen keine Alleingänge,
aber wenn wir diejenigen sind, die
das etwas antippen, dann tun wir das
gern. Auf Bundesebene kann jetzt
durchaus weiteres Interesse entstehen. Wir haben einen Anfang gemacht.
nmz: Noch einmal zurück zu den Webseiten der Musikschulen. Es gibt dort
einige Webseiten, die nur Unterseiten
des Trägers, also der Kommune, sind.
Wie geht diese mit den Ideen um? Wird
sie in die Entwicklung mit einbezogen?
Utz: Es ist der nächste Schritt, dass
die Schulleiter mit ihrer Verwaltung
klären, welche Möglichkeiten es gibt.
In meiner eigenen Kommune wurde
festgestellt, dass es vier Themengebiete gibt, die häufig und gerne auf der
Webseite der Kommune geklickt werden: Die Zulassungsstelle für PKWs,
die Volkshochschule, die Freizeitangebote und die Musikschule. Da entsteht
natürlich die Frage, wie die Musikschulen ihre Präsenz auf den kommunalen
Seiten erhöhen können. Es geht also
um Öffentlichkeitsarbeit in Kooperation mit der Kommune.
Wichtig ist: Es geht nicht darum, ab
morgen alles anders zu machen. Wir
wollen auf der Basis dessen, was es
schon gibt aufbauen und durch die Digitalisierung sinnvoll ergänzen und erweitern, geleitet von der Frage: Wie
kann Musikschule zukunftsfähig bleiben? Das muss gemeinsam entwickelt werden, mit Menschen aus unterschiedlichen Generationen. Das
braucht eine gewisse Zeit. ¢
Konzerte und viel Begegnung
Reise des Westfälischen Jugendkammerorchesters nach Indien
Spätestens nachdem das erste Orchestermitglied des westfälischen Jugendkammerorchesters die Vorberichterstattung über das geplante Konzert
in Chennai auf der Internetseite der
Deutschen Botschaft in Indien entdeckt
hatte, war allen klar, dass das Ensemble als Kulturbotschafter unterwegs
sein werde und welche Verantwortung
damit verbunden war. Diese aber wurde mit Freude und Begeisterung angenommen.
Die erste Station der Reise war die
10 Millionen Metropole Chennai (früher Madras) im Südosten Indiens. Der
Chor der „Madras Music Association“ (MMA), Partner der Westfalen in
Chennai und nach eigener Darstellung
„älteste Institution westlicher Musik
östlich von Suez“ hatte sein Te Deum
von Mozart für die gemeinsame Aufführung perfekt präpariert. Der Chor
war gerade noch im Sommer in Wien
zu Gast gewesen, wo er im Musikvereinssaal an einer Aufführung von Verdis Requiem beteiligt war. Ulrich Rademacher hatte keine Mühe, in einer
einzigen Probe Chor und Kammerorchester für eine klangschöne und
spannende musikalische Aussage zu
vereinen. Chorleiter Augustine Paul
hatte zudem zwei bekannte indische
Volkslieder für das westfälische Ensemble arrangiert. Die kamen beim indischen Publikum genauso gut an, wie
Pachelbels berühmter Canon, für den
sich die jungen Streicher der MMA zu
den Westfalen gesellten. Mehr als nur
eine Pflichtübung waren die beiden
Nationalhymnen zu Beginn des Konzertes: Die westfälischen Streicher begleiteten die indische Hymne, der indische Chor sang die deutsche. Übrigens ansteckend schön. Zum Schluss
sangen alle Chorsänger und Instru-
mentalisten gemeinsam „Thank you
for the Music“ von ABBA. Große Show!
Die deutsche Politik war bestens vertreten durch den deutschen Generalkonsul, seinen Stellvertreter (er sprach
vom musikalischen Höhepunkt deutscher Kulturpräsenz des Jahres) und
den Leiter des Goethe-Institutes. Die
Betreuung und Koordination des Chennai-Besuches war mit dem Rotaryclub
Chennai Ambattur in besten Händen.
Er warb anlässlich des Konzertes wirkungsvoll und erfolgreich um (Groß-)
Spenden für zwei ambitionierte Ausbildungsprojekte für Kinder mittelloser
Familien.
Murali Krishnan, ein prominenter
indischer Perkussionist und Improvisations-Musiker, gab zum Abschluss
einen Workshop für die Westfalen:
Er erklärte und präsentierte virtuos, anschaulich und ansteckend 2er,
3er, 4er und 5er-Takt samt allen möglichen Kombinationen daraus, egal, ob
ein 16er aus 4x4 oder 2x5+1x6 oder
einer anderen Zusammensetzung besteht. Dazu gab es Übungen, mehrere
Kombinationen parallel durchzuhalten.
Jazzer mögen darüber lachen, aber für
die „Klassiker“ des WJKO war es eine
spannende und anregende Herausforderung.
Im Frühjahr 2015 hatte den Deutschen Musikrat eine Anfrage erreicht,
die „Kala Akademie“ für Musik, Tanz
und bildende Kunst im kleinsten und
jüngsten indischen Bundesstaat Goa
beim Aufbau eines musikpädagogischen Studienganges zu unterstützen
und für einige Musikschulinitiativen
um private und öffentliche Unterstützung zu werben. Über das Präsidiumsmitglied Ulrich Rademacher, gleichzeitig Bundesvorsitzender des Verbandes
Deutscher Musikschulen, wurde diese Idee weitergesponnen und sie ge-
Ulrich Rademacher, Augustine Paul, Chorleiter der Madras Music Association,
und Tor Song Tan, Leiter des Westfälischen Jugendkammerorchsters. Foto: VdM
wann Gestalt. Kinder und Jugendliche,
die sich mit „westlicher“ klassischer
Musik befassen, sollten durch das leidenschaftliche und mitreißende Spiel
Gleichaltriger zum konsequenten Üben
und zum Ensemblespiel motiviert werden. Als ideales Ensemble dafür empfahl sich das „Westfälische Jugendkammerorchester unter Leitung von
Tor Song Tan, das sich gerade (wieder
einmal) im Deutschen Orchesterwettbewerb an die Spitze gespielt hatte.
Partner in Goa waren konsequenterweise außer dem Auswärtigen Amt und
dem Goethe Institut die „Kala Akademie“ und die „Indo-German Educational and Cultural Society“. Beeindruckt
waren die Münsteraner von dem mo-
dernen partizipativen Ansatz der Partner in Goa: Wo immer möglich, wurden die Kinder und Jugendlichen in
die Planung und Präsentation einbezogen. So wurden zum Beispiel alle mit
ihren selbstverfassten Lebensläufen,
mit ihren außermusikalischen Leidenschaften und Zukunftsplänen von einer jugendlichen Inderin mit einer eigens gestalteten PowerPoint-Präsentation vorgestellt. Der Erfolg gab diesen Bemühungen Recht. Das Orchester
spielte sein Galakonzert vor einem mit
über 1.000 meist jugendlichen Besuchern gefüllten Saal.
Noch eine deutsch-indische Begegnung: Naresh Madgaonkar, ein indischer Virtuose auf dem Santoor,
einem knapp 100-saitigen Hackbrettähnlichen Instrument, probierte und
spielte zum Abschluss mit den Gästen
eine Welt-Premiere: Vivaldis Mandolinen-Konzert in C-Dur. Klanglich ungewohnt, aber sehr reizvoll, übrigens Ton
für Ton nach Gehör auswendig gelernt.
Alle Achtung!
Und – vielleicht weniger repräsentativ, aber pädagogisch noch interessanter: Ein Auftritt in einem Missionszentrum auf dem Lande, das in
den Dörfern der Umgebung vier Musikschulen eingerichtet hat, in denen
auch westliche Streichinstrumente
unterrichtet werden. In der prall gefüllten Aula des Zentrums in Pilar im
Staate Goa wurde nach der Präsentation der Jugendlichen und den Beiträgen des Orchesters auch gemeinsam
gesungen. Die 25 Kinder, die ihre Geige mitgebracht hatten, spielten dabei
begeistert mit. Sollte es einen weiteren
Besuch geben, könnte der Schwierigkeitsgrad dieser Interaktion nach einhelliger Einschätzung der Münsteraner
jedenfalls nach oben korrigiert werden.
Für den Leiter der Station Father Peter
und die anwesenden lokalen Streicherkolleginnen und -kollegen war der Besuch eine große Bestätigung ihrer Bemühung um die Musikschularbeit auf
dem Lande.
Neue Musikschule
Der Bundesvorstand des Verbands
deutscher Musikschulen hat auf
seiner Sitzung am 23. September
2016 die Kreismusikschule Saarlouis (VdM-Landesverband Saar)
als neue Mitgliedschule in den
VdM aufgenommen.