Illumanati - Leif Inselmann

Leif Inselmann
Illumanati
Oder: Wie man eine Verschwörungstheorie fundiert.
Der Stuhl knarzte und wackelte bedenklich, als Detective Doug Howland seinen voluminösen Körper
in diesen fallen ließ. Und wieder einmal machten sich seine andauernden Rückenschmerzen
bemerkbar – er hasste es einfach.
„David Hucks?“, fragte er unmotiviert.
„Ja“, erwiderte sein Gegenüber kaum freundlicher.
Howland versuchte, eine angenehme Sitzposition einzunehmen – erfolglos – und musterte den
jungen Mann vor sich. Mager, ungekämmte Haare, Augenringe – und doch ein Blick, der wie ein Laser
alles und jeden abzutasten schien.
„Dann erzählen Sie mir einmal, weshalb Sie diese Seekühe mit einem Motorboot angegriffen haben.“
„Das habe ich doch schon dem anderen Regimelakaien erzählt!“, fuhr Hucks ihn an. „Wollen Sie mich
hier so lange weichkochen, bis ich sonst was gestehe? Ist das hier Guantanamo oder was?“
„Mir sind die groben Informationen über die … Motivation Ihres Verbrechens bekannt, doch ich
würde die Einzelheiten sehr gerne noch aus Ihrem Mund hören.“ Howland bemühte sich freundlich
zu bleiben, doch wenn sein Gegenüber sich nicht bald kooperativer zeigte, dann könnte es in der Tat
ungemütlich werden. Seine Laune war mäßig heute, um es freundlich auszudrücken. „Also: Erläutern
Sie, weshalb Sie am gestrigen Tag, den neunten Oktober 2016, mit einem Motorboot eine Gruppe
Seekühe im Everglades-Nationalpark attackiert haben.“
„Es war Notwehr.“
Howland merkte es jetzt schon: Das Verhör würde sich lange hinziehen.
„Notwehr?“
„Ja.“
„Sie fühlten sich also durch besagte Seekühe bedroht?“
„Das ist korrekt.“
„Verwechselten Sie die Tiere mit Krokodilen oder Alligatoren?“
„Das tat ich nicht.“
„Ihnen dürfte wohl bekannt sein, dass Seekühe reine Pflanzenfresser sind und als sehr friedfertige
Tiere gelten.“
„Das stimmt nicht ganz, Detective. Es ist allgemein nachgewiesen, dass sie mitunter auch Fische
verzehren. Dies ist von Exemplaren in Gefangenschaft belegt, aber auch zahlreiche Fischer berichten
davon, dass sie Fische aus deren Netzen stehlen. Sie sehen, ich kenne mich sehr gut mit diesen
Wesen aus. Bekanntlich besteht die Ordnung der Seekühe aus zwei Familien. Die einzige rezente Art
der Gabelschwanzseekühe, so genannt wegen ihrer Schwanzflosse, die der eines Wales entspricht, ist
der Dugong. Die andere Familie sind die Rundschwanzseekühe oder Manatis, aufgeteilt in die Arten
Karibischer, Afrikanischer und Amazonas-Manati. Bis in historische Zeit existierte unter den
Gabelschwanzseekühen noch eine weitere Art, die Stellersche Seekuh. Sie wurde innerhalb von 27
Jahren nach ihrer Entdeckung 1741 vom Menschen ausgerottet. Wussten Sie eigentlich, dass Jules
Verne den Dugong – eine Art der Seekühe – in seinen Romanen 20.000 Meilen unter dem Meer und
Die geheimnisvolle Insel als sehr aggressives Tier beschrieb?“
„Ich glaube nicht, dass dichterische Fiktion hier irgendeine Relevanz hat.“
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„Sie glauben viel zu viel, Detective.“
„Was bitte soll das nun wieder bedeuten?“
„Sie glauben all das, was in der Zeitung steht. All die Lügen, die die korrupten Politiker Ihnen
auftischen. Sie sehen nicht das Ganze, das, was dahinter steht.“
„Was bitte hat das mit den Seekühen zu tun, die Sie in mörderischer Absicht mit einem Motorboot
attackierten?“
„Alles, Detective, alles.“ Nach einem raschen Blick in alle Richtungen beugte sich Hucks vor. „Sie sind
unter uns“, flüsterte er.
Howland ging nicht im Geringsten auf den geheimnistuerischen Tonfall ein. „Was genau meinen Sie?
Wer ist unter uns?“
„Wieso fragen Sie nicht, weshalb ich dort draußen in den Everglades war? Wieso ich mich genötigt
sah, jene Manatis mit dem Boot zu überfahren? Wieso fragen Sie nicht, wer für den Einsturz des
World Trade Centers verantwortlich war? Wer Kennedy erschossen, den Zweiten Weltkrieg ausgelöst
und die Mondlandung inszeniert hat?“
Missgelaunt atmete Howland ein, dann zog er seine Dienstmarke hervor. „Sehen Sie, was das hier
ist? Das heißt, dass ich die Fragen stelle. Dafür nämlich bezahlt mich der Staat.“ Er wartete kurz auf
eine Reaktion, doch eine solche kam nicht von Hucks. „Nun: Was zum Teufel deuten Sie hier die
ganze Zeit an?“
„All diese Fragen haben eine Antwort: Die Seekühe. Nicht ich war der Aggressor gestern in den
Sümpfen. Es war die einzige Möglichkeit, zu entkommen.“
„Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“
„Diese ach so friedfertigen Tiere sind nicht das, was sie vorgeben zu sein. Ich will nicht sagen, sie sind
bösartig. Vielmehr sind sie genau wie wir Menschen. Und auch wir haben schließlich immer darauf
geachtet, ja die Oberhand über diesen Planeten zu behalten. Wie heißt es noch in der Bibel: Seid
fruchtbar und mehret euch und machet euch die Erde untertan? Nun, Detective: Wir sind nicht die
einzigen, die diesen Ratschlag befolgt haben.“
Einen Moment sagte Howland gar nichts, dann räusperte er sich. „Wollen Sie mir nun allen Ernstes
erzählen, Seekühe, ausgerechnet Seekühe, seien eine Gefahr für die Menschheit?“
„Ich sage nicht weniger, als dass diese sogenannten Tiere bereits seit Jahrtausenden daran arbeiten,
unsere Spezies zu unterwandern und zu beherrschen. Sie sind die … Illumanati.“ Hucks legte eine
kurze Pause ein. „Verstehen Sie? Illuminati, aber die Seekühe sind ja die Manatis … außer die
Dugongs natürlich … also…“
„Ich verstehe schon. Ein wundervolles Wortspiel.“
„Das dachte ich zuerst auch. Aber wissen Sie, ich forsche schon seit Jahren in dieser Angelegenheit.
Und da hat sich so einiges herausgestellt. Der historische Illuminatenorden wurde bekanntlich 1776
von Adam Weishaupt gegründet und, zumindest offiziell, 1785 aufgelöst. Tatsächlich jedoch
entdeckte ich einige Dokumente, in denen der Name Illuminati bereits vor 1776 auftaucht.
Weishaupt hat den Orden nicht erfunden … er hat ihm nur einen halböffentlichen, politischen Arm
verliehen. Vielleicht gerade deshalb, um durch die unvermeidliche Auflösung des Ordens einige Jahre
später sämtliche Theorien über dessen geheime Aktivitäten zu zerstreuen – oder zumindest
unglaubwürdig zu machen. Bis heute schreibt man den Glauben an ein Weiterleben des Ordens nur
den verrückten Verschwörungstheoretikern zu … ein genialer Schachzug der eigentlichen
Drahtzieher.“
„Und was hat das jetzt mit den Seekühen zu tun?“
„Ich sagte ja schon, dass man den Namen des Geheimbundes schon in früherer Zeit findet, auf
gewissen Briefen nämlich, die eigentlich nie hätten öffentlich werden dürfen. Die gemeine
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Lehrmeinung leitet das Wort Illuminati vom lateinischen illuminatus, also erleuchtet, ab. Doch meine
Nachforschungen legen einen ganz anderen Ursprung nahe.“
„Und der wäre?“ Mittlerweile war Howlands Interesse geweckt. Nicht, weil er Hucks ernst nahm,
sondern weil es ihm sehr unterhaltsam erschien.
„Die frühesten Dokumente belegen die Form Ilu Manati, wovon sich der spätere Name ableiten
dürfte. Hier sehen sie schon die besagte Seekuhart im Namen. Doch auch der zweite Wortbestandteil
ist interessant.“
„Ach ja?“
„Ilu ist das akkadische Wort für Gott. Die akkadische Sprache wurde bekanntlich von den Babyloniern
und Assyrern gesprochen, die im antiken Mesopotamien siedelten. Sie stehen in direkter Tradition
der Sumerer, der ältesten bekannten Hochkultur der Welt. Übrigens eine Kultur, die samt Sprache
und Schrift praktisch aus dem Nichts auftauchte. Keine Sprache ist mit dem Sumerischen verwandt,
wussten Sie das? Von Ilu stammen übrigens auch die Worte El und Elohim ab, beides Bezeichnungen
für den jüdisch-christlichen Gott im Alten Testament. Wobei, ist es denn nur ein Gott? Elohim ist
tatsächlich eine Pluralform, es sind also tatsächlich mehrere gemeint – auch wenn all die
beschränkten Christen das bis heute als Pluralis majestatis oder so etwas abtun, unwissend, dass es
einen solchen in der hebräischen Sprache überhaupt nicht gibt.“
„Und die Manatis?“
„Ja, genau, die Manatis… Ich schweife immer so leicht ab. Es sind so viele Informationen – und alles
hängt mit allem zusammen… Sie müssen das Gesamtbild sehen – das ist gar nicht so leicht in eine
Reihenfolge von Worten zu fassen. Die Seekühe also. Ich sehe, dass Sie noch nicht überzeugt sind.
Wieso sollten Sie auch? Sie haben ja kaum einen Bruchteil der Beweisführung gesehen. Es wird sie
erstaunen zu hören, dass tatsächlich Seekühe die großen Götter waren, die unsere Vorfahren
verehrten. Nicht irgendwelche grauen Aliens, auch keine humanoiden Reptilienwesen – Seekühe
waren es!“
„Jaaa…?“, forderte Howland ihn auf fortzufahren.
„Natürlich steht in den Mythen nirgendwo direkt etwas von Seekühen. Kein Wunder, schließlich
haben Sie all diese Mythen ja auch über Jahrtausende hinweg immer weiter verfälscht, je nachdem,
wie es ihnen nützte. Aber tatsächlich ist in diversen dieser sogenannten Mythen die Rede von
göttlichen Wesen, die aus dem Wasser kommen – nicht aus dem Himmel, nicht aus der Erde, nein,
aus dem Wasser! Der hellenistische Geschichtsschreiber Berossos, der im vierten bis dritten
Jahrhundert vor Christus in Babylon lebte, berichtet in seiner Weltgeschichte von einem Wesen
namens Oannes, das in der Zeit kurz nach der Sintflut dem Meer entstieg und die Menschen
grundlegende Aspekte der Kultur lehrte – allen voran natürlich die Religion, gemacht, um unsere
Rasse für immer in geistiger Knechtschaft zu halten! Oannes wird beschrieben als ein Mischwesen
mit dem Oberkörper eines Menschen und dem Unterkörper eines Fisches. Klingt das nicht ziemlich
nach einer Seekuh?“
„Ehrlich gesagt nicht, Mr. Hucks. Ich wage zu behaupten, dass selbst die alten Babylonier das Gesicht
eines Menschen von dem einer Seekuh unterscheiden konnten.“
„Behaupten Sie! Ihnen ist nicht zufällig die in der sogenannten seriösen Wissenschaft durchaus
etablierte Theorie von der Entstehung des Meerjungfrauen-Mythos geläufig? Die Europäer, die zu
Kolumbus‘ Zeiten nach Amerika segelten – übrigens nicht die ersten, nur so nebenbei erwähnt –
trafen dort auch auf Seekühe. Und aus vielerlei Quellen ist uns überliefert, dass man diese aus einiger
Entfernung sehr leicht für Menschen – beziehungsweise Meerjungfrauen – halten konnte. Das liegt
an dem Gesicht mit den frontalen Augen und den brustständigen Zitzen, zumal die Viecher in der Tat
oft ziemlich senkrecht im Wasser schwimmen, genau wie badende Menschen. Dazu kommt der
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Flossenschwanz, fertig ist die Meerjungfrau!“
„Aber kannten die da in Babylonien überhaupt Seekühe? Die leben doch in Amerika – und in Afrika
mitunter.“
„Sowie zum Teil im Roten Meer und im Indischen Ozean. Ja, in der Tat nicht im Gebiet der alten
Babylonier. Aber widerlegt das meine These? Nein, es bestätigt sie sogar! Hätte es dort Seekühe
gegeben, so hätten die Leute diese gekannt, sie also auf keinen Fall für eine Gottheit gehalten! Aber
ich bin noch lange nicht am Ende…“
„Hätte mich auch gewundert.“
„Kennen Sie den wissenschaftlichen Namen für die Seekühe? Sirenia. Wie die Sirenen aus der
griechischen Mythologie, nach denen sie schließlich benannt sind. Fällt es Ihnen auf? Die Sirenen
waren berühmt dafür, Seeleute mit ihrem magischen Gesang in ihren Bann zu ziehen und ins
Verderben zu locken. Vielleicht nur eine bildliche Umschreibung für Propaganda, mit der man die
Massen kontrolliert? Genau das, was alle Medien, alle Politiker praktizieren. Zweifellos waren die
Sirenen in der Odyssee nur eine Metapher für die Ordnung der Sirenia, die Seekühe, die seit jeher die
Welt beherrschen. Aber denken Sie, die Sirenen, Meerjungfrauen und Berossos‘ Oannes seien die
einzigen solchen Wesen? Nein! Oannes etwa geht auf die Abgal zurück, in der sumerischen
Mythologie eine Rasse von Wesen, halb Mensch, halb Fisch. Auch diese gelten als sogenannte
Kulturbringer, weil sie etwa die Religion begründeten. All die früheren sumerischen Könige hätten
solche Abgal oder akkadisch Abkallu als Berater gehabt – schon wieder ein Hinweis auf jene
geheimnisvolle Schattenregierung, die die Geschicke der Menschheit aus dem Verborgenen lenkt!“
„Aber ist ein fischartiges Mischwesen nicht etwas ganz anderes als eine Seekuh?“
„Mitnichten! Die Menschen sehen stets genau das, was sie zu sehen erwarten. Sie kannten keine
Seekühe, also machten sie aus diesen halbaquatischen Wesen eben Fische. Darüber hinaus – wie
bitte sollen Fischwesen denn an Land überleben? Fische atmen durch Kiemen. Sie könnten kein so
amphibisches Leben führen wie etwa Seekühe, die schließlich genau wie wir Lungenatmer sind.“
„Einmal die Tatsache außer Acht gelassen, dass Seekühe sich mangels Beinen wohl kaum an Land
bewegen können.“
„Da offenbart sich mal wieder Ihr mangelhaftes Wissen über die Biologie!“, spottete Hucks. „Sagt
Ihnen Pezosiren etwas? Nein? Natürlich nicht, wird von der Populärwissenschaft ja auch gerne unter
den Tisch gekehrt. Pezosiren ist eine prähistorische Seekuh-Art, von den sogenannten
Wissenschaftlern für eine Übergangsform zwischen Land- und Wassertieren gehalten. Der Körper
gleicht unseren modernen Seekühen, doch besitzt Pezosiren noch voll funktionstüchtige Beine. Die
Propagandisten der Schulwissenschaft wollen uns erzählen, das sei ein Zwischenschritt zu einer
aquatischen Lebensweise. Dafür gibt es aber keinerlei Belege. Ist es nicht ebenso möglich, dass wir
hier eine Übergangsform hin zu Landtieren vor uns haben?“
„Ich denke, die Verwandtschaft der Seekühe dürfte schon hinreichend belegt sein.“
„Denke, dürfte – ja wissen Sie denn irgendetwas Explizites? Natürlich nicht! Weil diese Belege nicht
existieren. Die Schulwissenschaft behauptet, Elefanten und Schliefer – solche kleinen, rattenartigen
Viecher – seien die nächsten Verwandten der Seekühe. Haben Sie sich diese Tiere einmal angesehen
und verglichen? Wo bitte sind die Gemeinsamkeiten? Wie können die denken, dass man denen das
abkauft? Die Unterschiede sind doch derartig offensichtlich – eine nähere Verwandtschaft ist da an
den Haaren herbeigezogen. Aber sie behaupten das halt und die Menschen glauben ihnen. Weil die
meisten Leute viel zu sehr mit hirnlosem Konsum beschäftigt sind oder mit irgendwelchen Konflikten,
die Sie inszeniert haben, oder allgemein viel zu geistig beschränkt durch Religion und Ideologie, um
irgendetwas zu hinterfragen. So blind sind all diese Schafe, das hirnlose Wahlvieh, dass sie selbst das
Offensichtliche nicht erkennen.“
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„Und das Offensichtliche wäre?“
„Dass die westliche Welt mehr und mehr zu einem totalitären Regime ausgebaut wird. Wir werden
ständig überwacht, die Regierung weiß alles über uns. Demokratie wird immer mehr abgebaut –
wenn es sie überhaupt jemals gegeben hat, schließlich kontrolliert man sowohl die Wahlen als auch
die Meinungen der Wähler. Sie verursachen Kriege und züchten künstlich diverse Krankheitserreger,
von HIV bis zu multiresistenten Keimen, um die Bevölkerung zu dezimieren. Es leben viel zu viele
Menschen auf der Erde, als dass man sie hinreichend kontrollieren könnte – daher bewusste
Dezimierung, massenhafte Abtreibung und natürlich ein Wirtschaftssystem, das Kinder zu einem
Karrierehindernis macht. Das alles ist übrigens auch nichts Neues. Bekannt ist eine westsemitische
Gottheit aus dem antiken Syrien, deren Name Atargatis lautet. Eine maßgebliche Praxis in deren Kult
war – vielleicht ahnen Sie es – rituelle Kastration. Auch hier eine eindeutige Maßnahme zur
Eindämmung der Bevölkerung. Und raten Sie mal, wie man Atargatis bildlich darstellte.“
„Als Seekuh?“
„Genau richtig! Als weibliche Gottheit mit Fischleib. So interpretiert man die alten Darstellungen
zumindest in der blinden Schulwissenschaft. Tatsächlich kann man, wenn man sich die Darstellungen,
etwa auf antiken Münzen, unvoreingenommen ansieht, genauso gut eine Gabelschwanzseekuh darin
erkennen – langer, zylindrischer Körper; eine gespaltene Schwanzflosse; Vordergliedmaßen, ein
entfernt menschenähnlicher Kopf. Und noch etwas Erstaunliches: Die Anhänger der Atargatis waren
klassischerweise tätowiert, um ihre Zugehörigkeit zu zeigen. Erinnert Sie das nicht auch an das Mal
des Tieres in der Offenbarung des Johannes, dort als Zeichen des totalitären Überwachungsstaates
des Antichristen? War der Atargatis-Kult womöglich eine Art Prototyp für die Neue Weltordnung, die
die Seekühe später für die ganze Welt anstreben sollten?“
„Das wage ich doch wirklich zu bezweifeln.“
„Weil sie blind sind! Ihr ganzes Leben indoktriniert von den Lügen der herrschenden Kaste, hinter der
doch letztlich nur die Seekühe stehen, die Manatis und Dugongs. Sie können menschliche Gestalt
annehmen und sind dann nicht mehr von unsereins zu unterscheiden – zumindest einige von ihnen
und für eine gewisse Zeit. Auch hier kann ich nur auf die Mythologie hinweisen. Die Griechen
kannten das Volk der sogenannten Telchinen. Diese werden nicht nur als brillante Handwerker
beschrieben – ein weiteres Indiz dafür, dass Sie uns seit jeher technologisch weit voraus waren. Nein,
überdies sind sie auch in der Lage, ihre Gestalt zu verändern und sich somit etwa als Menschen
auszugeben. Ihr tatsächliches Aussehen beschrieb man als fischartig, mit delfinartigen Flossen statt
Armen und hundeartigen Köpfen. Klingt das nicht schon wieder arg nach Seekühen? Aber das ist
noch nicht alles. Auch das Wetter konnten die Telchinen manipulieren, also etwa jederzeit Regen
oder Schnee herbeirufen. Und wie machten sie das? Chemtrails! Längst gibt es zahlreiche Beweise
dafür, dass diese sogenannten Kondensstreifen von Flugzeugen tatsächlich Chemikalien sind, die, in
der Atmosphäre verbreitet, das Wetter beeinflussen. Gleichsam nutzbar, um toxische Substanzen zu
verteilen, womit wir wieder bei der Bevölkerungsdezimierung wären. Aber denken Sie, Abgal,
Atargatis und Telchinen seien die einzigen mythischen Wesen, die meine Theorie untermauern?“
„Nicht wirklich“, erwiderte Howland sarkastisch.
„Natürlich nicht!“ Hucks‘ Augen strahlten mittlerweile etwas Wahnhaftes aus. „Aus den Legenden
des afrikanischen Stammes der Dogon sind die sogenannten Nommos bekannt. Genau wie die
sumerischen Abgal – wo laut offizieller Wissenschaft ja kein Zusammenhang besteht – gelten sie als
Kulturbringer, die maßgeblich die menschliche Zivilisation formten. Und was sie die Menschen alles
lehrten! Die Dogon besaßen genaues Wissen über den fernen Stern Sirius B, noch lange bevor die
westliche Wissenschaft diesen Stand erreichte. Bezeichnenderweise kamen die Nommos aus dem
Wasser und waren zum Überleben auf dieses angewiesen. Und googeln Sie doch einmal Nommo!
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Dann werden Sie feststellen, dass die archetypischen Zeichnungen dieser Wesen fast genau wie
Seekühe aussehen. Wie kann man bei dieser Fülle von Beweisen noch Zweifel haben?“
Howland enthielt sich einer Antwort. Er war gespannt, wie es weiterging.
„Wollen Sie vielleicht wissen, weshalb es in heutiger Zeit zunehmend immer mehr Veganer gibt?“,
fragte Hucks provokativ.
„Dann schießen Sie mal los“, erwiderte der Detective.
„Sie sind dafür verantwortlich. Durch die Medien, die sie ja allesamt kontrollieren, verbreiten sie
unterschwellig solche Überzeugungen. Gab es vor hundert Jahren vielleicht Veganer? Nein, nicht
dass ich wüsste. Und wieso wollen Sie diese Ideologie verbreiten? Sie rechnen in baldiger Zeit mit
einem offenen Konflikt, möglicherweise einem Krieg. Vielleicht gelingt es Sehenden wie mir, die
Menschen zum Aufwachen zu bewegen. Oder Sie offenbaren sich schließlich selbst, wenn sie
sämtliche Macht an sich gerissen haben – dann, nach dem Dritten Weltkrieg und zahlreichen Plagen,
die die Menschheit so zu Grunde gerichtet haben, dass sie sich nach einer starken Führung sehnt.
Jedenfalls wollen die Seekühe in einem solchen Konflikt auf keinen Fall unterlegen sein. Wissen Sie,
dass die Knochen von Seekühen nicht hohl sind, also kein Mark enthalten? Das macht sie so porös
wie Porzellan, ein beträchtlicher Nachteil. Doch durch den sich ausbreitenden Veganismus wollen sie
uns auf ihr Niveau herabentwickeln und uns so unseres biologischen Vorteils berauben. Vegane
Ernährung führt durch Mangel an Calcium zu Osteoporose und somit, das belegt eine seriöse Studie,
zu einer um dreißig Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit für Knochenbrüche. Sie wollen, dass unsere
Knochen genauso zerbrechlich werden wie ihre, weil sie uns um diesen naturgegebenen Vorteil
beneiden. Ganz abgesehen von den übrigen gesundheitlichen Folgen solch artfremder Ernährung,
allesamt einkalkuliert in dem Plan zur Unterdrückung der Menschheit. Ihr langfristiges Ziel ist es,
jegliche Nutztierhaltung zu verbieten. Das macht uns schwach, wir degenerieren durch Mangel an
tierischer Nahrung. Aber Sie haben kein Problem damit, Sie sind schließlich nicht darauf
angewiesen…“
„Das ist ja wirklich sehr interessant.“
„Sie glauben mir immer noch nicht, habe ich Recht?“
„Ja, zum ersten Mal heute.“
„Tatsächlich bin ich mit meinen Ausführungen aber noch lange nicht am Ende. Ich könnte noch ewig
mythologische Wasserwesen aufzählen, doch interessant ist auch die mit den Seekühen verbundene
Symbolik. in historischer Zeit gab es drei Gattungen – Manati, Dugong und Stellersche Seekuh. Drei –
genau wie die christliche Dreifaltigkeit, die drei monotheistischen Religionen … ein Zufall? Ein Zufall,
dass sowohl die Juden als auch die Stellersche Seekuh einem Holocaust zum Opfer fielen?“
„Wahrscheinlich“, erwiderte Detective Howland. „Zumal die Juden es überstanden haben, diese
Seekuh aber nicht.“
„Denken Sie? Tatsächlich bin ich überzeugt, dass das vollständige Aussterben der Stellerschen Seekuh
ein Irrtum, wenn nicht gar eine Lüge ist. Die gegebenen Fakten legen nahe, dass eine zweite
Population dieser Tiere existierte und wahrscheinlich noch immer existiert.“
„Da bin ich jetzt einmal gespannt.“
„Beheimatet war die Stellersche Seekuh bekanntlich auf der Beringinsel im Nordpazifik, 176
Kilometer östlich von Kamtschatka. Eine ziemlich kalte Zone also – logisch nur, dass weitere
Populationen ebenfalls in einer solchen beheimatet sein dürften. Man mag denken, ein so großes
Wesen wie die Stellersche Seekuh, die ja immerhin bis zu acht Meter lang wurde, könne kaum
irgendwo unentdeckt bleiben. Doch tatsächlich – es gibt Sichtungen ganz ähnlicher Wesen, und zwar
aus der Antarktis! Es existieren zahlreiche Berichte über eine Kreatur, die man, abgeleitet aus dem
Japanischen, Ningen nennt. Wie besagte Seekuh ist diese ziemlich groß und hat einen langen Körper
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mit Schwanzflosse, wobei der vordere Teil, insbesondere die scheinbaren Arme, oft als
menschenähnlich beschrieben wird. Ningen sind zwar in allen Versionen vollkommen weiß, doch eine
solche Färbung kann man leicht als geringe Variation zwischen zwei Populationen erklären. Und ist es
ein Zufall, dass ebenfalls in der Antarktis mit großer Häufigkeit UFOs gesichtet werden? Dass die
Nazis dort eine geheime Festung in der Region Neuschwabenland errichteten, die die Alliierten nach
dem Zweiten Weltkrieg vergeblich zu erobern versuchten? Dass manche Berge dort auffällig wie
riesige Pyramiden aussehen, vollkommen symmetrisch und nach den Himmelsrichtungen
ausgerichtet wie ihre Äquivalente in Ägypten und Mittelamerika? Ich bin überzeugt, dass die
Antarktis, der bisher am wenigsten erforschte Kontinent, ein maßgeblicher Stützpunkt jener Seekühe
ist, die im Geheimen die Herrschaft über die Menschheit anstreben und dieses Ziel schon fast
erreicht haben. Gut möglich, dass es sich bei den weißen Riesenseekühen, die die Japaner Ningen
nennen, um eine Art Herrscherelite der Seekühe handelt. Aber keinesfalls ist die Antarktis ihr einziger
Stützpunkt. Ganz besonders aktiv sind sie hier in Florida. Überall an der Karibikküste der Vereinigten
Staaten sind sogenannte Schutzgebiete eingerichtet worden, wo Motorbootverkehr verboten ist.
Offiziell, weil die Viecher immer wieder durch die Schrauben verletzt werden. Oder verbergen sie
dort vielmehr etwas, was der normale Mensch nicht zu Gesicht bekommen soll? Wenn Sie wüssten,
was ich dort gestern gesehen habe, bevor ich entkommen konnte und Ihre Kameraden mich
festnahmen…“
„Was, soweit mein Urteil, eindeutig zu Recht geschah.“
„Weil Sie es einfach nicht verstehen wollen! Nicht ich bin es, der sie oder irgendwen gefährdet. Sie
sind es, die Manatis und Dugongs! Ich kann ja nicht einmal auf einen fairen Prozess hoffen, wo sie
doch alle Instanzen dieses Staates kontrollieren. Sie sitzen in der Politik, der Wirtschaft, dem
Bankwesen … überall. Nehmen wir nur die Bankiersfamilie Rothschild, die mit ihrem Kapital
bekanntlich die halbe westliche Hemisphäre regiert. Die schon zu Napoleons Zeiten zu
unermesslichem Reichtum gekommen ist und seitdem fast alle Staaten durch Überschuldung in ihre
Fänge gezwungen hat. Die im Zweiten Weltkrieg alle Seiten gleichsam kontrollierte. Deren Mitglieder
sich öffentlich als Juden ausgeben, um sich gegen jedwede Kritik zu immunisieren – und das, obwohl
sie selbst den Juden den größten Schaden zugefügt haben! Ist Ihnen bekannt, dass sich der Name der
Familie von dem früheren Runthschild, also rundes Schild, herleitet? Wenn das nicht wieder ein
Hinweis auf die Rundschwanzseekühe ist! Seit Jahrtausenden schon unterwandern diese Kreaturen
unsere Spezies. Ja mehr noch, sie züchten systematisch Mischlinge aus Mensch und Seekuh, die sich
umso besser zwischen uns verbergen können.“
„Was Sie nicht sagen. Aber ich denke, ich habe mittlerweile genug gehört.“
„Die Liste der Belege ist endlos! Die zweite Generation der Abgal, Genesis 6, der MeerjungfrauEffekt…“
Mit einem lauten „Schhht!“ unterbrach Howland den Redeschwall.
„Was Sie mir hier erzählten, ist ja in der Tat recht unterhaltsam. Doch ich muss nun einmal diesen Fall
zu Ende bringen und wenn möglich noch zu menschenwürdiger Zeit nach Hause kommen. So
erstaunlich das mit den Seekühen auch alles klingt – es ist doch vielmehr so, dass Sie damit von
etwas ganz anderem ablenken wollen.“
„Ach ja?“
„Wir haben die zerstückelten Leichenteile dort draußen in den Everglades gefunden, Mr. Hucks.“
„Wie … was … welche Leichenteile?“
„Die von den vier Menschen, die Sie in Ihrem Wahnsinn ermordet haben. Die Sie dort wahrscheinlich
an die Krokodile verfüttern und so verschwinden lassen wollten. Wobei die armen Manatis nichts als
Kollateralschaden bei Ihrer überhasteten Flucht darstellten.“
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„Waaas? Das denken Sie sich aus, das…“ Hucks‘ Augen weiteten sich. „Sie gehören zu Ihnen. Sie
haben bemerkt, dass ich die Wahrheit herausgefunden habe und jetzt wollen Sie mich mundtot
machen, indem Sie mir Morde in die Schuhe schieben…“
Schwerfällig stand Howland auf und machte einen Schritt Richtung Tür, wobei er dem Verhörten
noch einen Blick zuwarf. „An Ihrer Stelle würde ich die Geschichte mit den Seekühen vor Gericht
nicht erwähnen. Ein Serienmörder und Verschwörungstheoretiker macht einen noch schlechteren
Eindruck.“
Den jetzt hysterisch fluchenden Mann im Verhörraum zurücklassend, schlug Howland die Tür hinter
sich zu. Als er sich nun nach der langen Zeit des Sitzens streckte, schossen ihm wieder die
Rückenschmerzen durch den Körper. Sein Leib war einfach nicht für diesen aufrechten Gang
gemacht. Er musste schleunigst wieder zurück ins Wasser.
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