Lübecker Nachrichten 12.07.2015 St. Lorenz Nord Eine Müllabfuhr für die Meere Die „MS Seekuh“ wird ein besonderer Katamaran. Gestern wurde ihr Kiel gelegt. Till Schulze-Hagenest (v. l.), Dirk Lindenau und Günther Bonin neben dem SteuerbordRumpf des Katamarans. © Luisa Jacobsen St. Lorenz Nord. Noch ist es nur ein schmächtiges Gerippe aus Aluminium, das da mittig in der Werfthalle der Lübeck Yacht Trave Schiff GmbH auf dem ehemaligen LMG-Gelände steht. Werden soll es nach der Vision von Projektleiter Dirk Lindenau (62) einmal ein Meilenstein auf dem Gebiet des maritimen Umweltschutzes. Der Bau des Katamarans „MS Seekuh“ ist ein Projekt des gemeinnützigen Münchener Vereins „One Earth — One Ocean“, das die Lübecker Werft zusammen mit dem Kieler Ingenieur Lindenau realisieren wird. Auftraggeber, Werft und Projektleiter begingen gestern Mittag feierlich die Kiellegung der „Seekuh“, deren Aufgabe nach Fertigstellung keine geringere sein soll, als die Meere vom ewigen Müll zu befreien. „Jede Stunde gelangen über 1100 Tonnen Plastik in die Ozeane, auf das Jahr umgerechnet macht das etwa eine Million Tonnen Plastikmüll“, rechnete Lindenau (62) den Gästen der Zeremonie vor. Seit 2009 befasst sich der Kieler mit der Entwicklung von maritimen Umweltsystemen und ist auf diesem Weg mit „One Earth — One Ocean“ in Kontakt gekommen. Vereinsgründer Günther Bonin (59) hofft, dass der Prototyp in seiner Aufgabe so erfolgreich sein wird, dass künftig eine ganze Flotte von motorisierten „Seekühen“ gebaut werden kann. Das käme natürlich auch dem Geschäftsführer der Werft, Till SchulzeHagenest (39), entgegen. Etwa 250000 Euro wird der Bau einer „Seekuh“ kosten. „Wir sind sehr froh über diesen innovativen Auftrag“, so SchulzeHagenest gestern. Der nächste Schritt sei der Bau der beiden AluminiumRümpfe des Katamarans, gefolgt von den Verbindungselementen, den sogenannten Traversen, erklärte der Schiffsbauingenieur. Sobald das geschafft sei, gehe es an die eigentliche Besonderheit des Schiffes: Zwischen den je zwölf Meter langen Rümpfen soll eine flexible Netzkonstruktion verbaut werden, die während der Fahrt Plastikmüll, Öl und Chemikalien aus dem Wasser sieben kann. „Die Netze sollen von 60 Zentimeter bis fünf Meter tief ins Wasser reichen können“, sagte Projektleiter Lindenau. Die „Seekuh“ sei damit vor allem für das Müllfischen in Binnengewässern und flachen Küstengewässern geeignet. Die Aufnahmekapazität der Netze veranschlagt der Ingenieur bei etwa 200 Kilo Plastikabfall pro Fahrt. Der soll anschließend in Container verladen und recycled werden. „Die ersten internationalen Einsätze des Prototyps sind bereits geplant“, so Günther Bonin. Der Katamaran soll die Küsten vor Kapstadt und Rio sowie das Niger-Delta säubern. Damit das Schiff überhaupt an so entfernte Ziele gelangt, muss das Team von Till Schulze-Hagenest beim Bau eine besondere Herausforderung meistern. „Die ,Seekuh‘ ist komplett modularisiert, das heißt sie kann in acht Einzelteile zerlegt und wieder zusammengebaut werden“, erklärt Lindenau. Die Fertigstellung plant Schulze-Hagenest für den Frühling 2016. Bevor sie dann durch internationale Gewässer schippert, soll die „Seekuh“ im Lübecker Hafen und der Ostsee auf Probefahrt gehen. lj
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