Jahresbericht 2015 / 2016

Jahresbericht
2015 / 2016
Impressum
Herausgegeben von:
Diakonisches Werk Wür ttemberg
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Heilbronner Straße 180
70191 Stuttgar t
Telefon: 0711 1656 - 0
Telefax: 0711 1656 - 277
E-Mail: info@diakonie-wuer ttemberg.de
Redaktion: Andrea Schlepper
Grafisches Konzept und Design:
Quar tier Stuttgar t GmbH & Co. KG
Druck: Grafische Werkstätte und ­
Diakonie-Verlag Bruderhaus
Gedruckt auf Umweltpapier aus 100% Altpapier,
ausgezeichnet mit dem Blauen Engel,
der EU-Blume und einer FSC-Zer tifizierung
Jahresbericht 2015 / 2016
Diakonisches Werk Württemberg
Landesgeschäftsstelle
Vorgelegt zur Mitgliederversammlung
am 10. November 2016
Inhalt
Vorwort
des Vorstands
6
Der Vorstand zu den Herausforderungen
des Diakonischen Werks Wür ttemberg
Der Weg ist das Ziel …
8
Kirchliches Arbeitsrecht
Inklusion
Alles, was Recht ist
Inklusion – vom Projekt
zum landeskirchlichen
Aktionsplan
22
Schwerpunkt Flucht und Integration
Integration in die
­Gesellschaft braucht
die Gesellschaft
26
Strategische Verbandsentwicklung
Auf dem Weg,
Diakonie Württemberg
14
Personalmanagement
„Wir brauchen
öffentlich geförderte
­Beschäftigung!“
30
18
Für weiterhin
gute Pflege
Nachwuchsgewinnung
Heute auf der
Schulbank –
morgen in der
Diakonie
Pua-Fachstelle –
Eine kritische Stimme
Theologie, Bildung und Ethik
Mit schwierigen
­Situationen besser
fertig werden
38
Pflege
32
Pränataldiagnostik,
Reproduktionsmedizin, Pua
36
Arbeitsmarktpolitik
Zur rechten Zeit
am rechten Ort
34
Evangelisches Schulwerk
Baden und Wür ttemberg
Bildung kommt gut an
40
20
„Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde
werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch
ernten, wenn wir nicht nachlassen.“
Galater 6,9
4
12
Die Arbeit der Diakonie
kommt gut an. Weil wir denen
helfen, die Hilfe benötigen.
26
Integration in die
Gesellschaft braucht
die Gesellschaft
40
Bildung kommt gut an
5
Jahresbericht 2015 /2016
Dr. Robert Bachert
Eva-Maria Armbruster
Dieter Kaufmann
6
Vorwor t des Vorstands
Liebe Mitglieder im
Diakonischen Werk Württemberg,
liebe Freundinnen und Freunde
der württembergischen Diakonie,
wer Hilfe braucht, soll Hilfe bekommen – das ist Diakonie. Darauf sollen Menschen
in schwierigen Situationen oder Notlagen vertrauen können. Ganz im Sinne der Jahreslosung 2016 Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
(Jesaja 66,13).
Im vorliegenden Jahresbericht fassen wir unser Handeln unter dem Motto Kommt gut
an, zusammen. Gut ankommen soll das Kind im Leben, der Gestrauchelte wieder in der
Gesellschaft, der Verzweifelte in der Zuversicht, der Pflegebedürftige in guten Händen,
der Ausgebeutete in fairen Bedingungen, der Rückkehrer in Sicherheit, der Flüchtende
in Schutz und Heimat, unsere Auszubildenden und Mitarbeitenden in der Diakonie,
unsere Forderungen bei Entscheidungsträgern, unser Wirken in der Gesellschaft.
Damit ein solches Ankommen gelingt, verstehen wir unter diakonischer Arbeit Zuwendung, Ansprache, Kümmern, Hilfe zur Selbsthilfe. Unterstützung, wo es nötig ist, und
Selbstständigkeit, wo immer es möglich ist. Diakonische Arbeit ist unbequem, weil sie
auch die Schattenseiten unserer Gesellschaft ans Tageslicht bringt und das Augenmerk
auf Mängel und Schwachstellen richtet. Immer mit dem Ziel, diese zu überwinden.
Unser Wunsch ist, dass alle Menschen gut ankommen, wohin auch immer sie unterwegs sind. In besonderer Weise haben wir uns 2015/2016 für Pflege, Inklusion, Arbeitsmarktpolitik, Schule und Bildung, junge Menschen, die Debatte zur Pränataldiagnostik,
Schwangerschaftsberatung, ethische Fragestellungen sowie die Integration der Menschen, die bei uns Schutz suchen, eingesetzt. Von großer Bedeutung waren auch die
Themen strategische Verbandsentwicklung und kirchliches Arbeitsrecht.
Gut ankommen ist ein gemeinsamer Weg, auf den sich viele Akteure miteinander machen. Und dann ein gemeinsames gutes Ankommen im Leben.
Oberkirchenrat
Dieter Kaufmann
Vorstandsvorsitzender
Eva-Maria Armbruster
Stellvertreterin des
Vorstandsvorsitzenden
Dr. Robert Bachert
Finanzvorstand
7
Jahresbericht 2015 /2016
Der Vorstand zu den Herausforderungen des Diakonischen Werks Wür ttemberg
Der Weg ist das Ziel…
Der Vorstand zu den Herausforderungen
des Diakonischen Werks Württemberg
E
ine gute Gesellschaft für uns alle zu gestalten – das ist unser gemeinsames Ziel. Der
Weg dorthin ist weder geradlinig noch eben.
Er kennt im Gegenteil alle Widrigkeiten des
­L ebens – und auch alle nur erdenkliche Freude und
Glück. Die Widrigkeiten meistern, dabei auch unkonventionelle Wege beschreiten, Lösungen finden, Impulse geben, Mut machen, bewusst machen, aufrütteln,
unterstützen, Hilfe zur Selbsthilfe geben, Hilfen für
die Helfer anbieten – diakonische Arbeit ist vielfältig
und nicht immer einfach. Vor allem aber ist sie eine
lohnenswerte Arbeit. Denn sie beschert uns viele Begegnungen und Erfahrungen, die uns stärken und bereichern. Sie ist eine Arbeit, die gut ankommt.
Strategische Weiterentwicklung 2020
Im letzten Jahr haben wir eine Mitgliederbefragung
durchgeführt. Wir wollten den Status quo der Zufriedenheit der Mitglieder mit ihrem Verband ermitteln.
Und wir wollen mit unseren Mitgliedern gemeinsam die
verbandlichen Herausforderungen der nächsten Jahre
eruieren, die sich an den spezifischen Erwartungen und
Herausforderungen der Mitglieder orientieren und in
die strategischen Verbandsziele einfließen. Der Handlungsbedarf ist konkretisiert; seit Anfang 2016 sind wir
in der Umsetzungsphase. Diese wird aufgabenbezogen
bis 2018 laufen.
Parallel setzen wir die strategischen Entscheidungen
der Vorjahre um. Die Landesgeschäftsstelle hatte im
letzten Jahr die von der Mitgliederversammlung 2010
beschlossene Selbstverpflichtung vorzeitig erfüllt, bis
2020 mindestens 40 Prozent Frauen in allen Führungsebenen zu erreichen. Die Selbstverpflichtung gilt für
die Diakonie in Württemberg. Im Sommer 2016 hat der
Verband dazu eine Abfrage durchgeführt.
8
Personal finden und binden
Den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft spüren
diakonische Einrichtungen bereits seit einigen Jahren.
Insbesondere in der Hauswirtschaft und im Gesundheits- und Pflegebereich bleiben vakante Positionen
mangels Bewerbern zunehmend unbesetzt. Die Situation wird sich verschärfen, weil sich die Zahl der
Pflegebedürftigen laut Statistischem Landesamt in
Baden-Württemberg von 2013 bis 2050 fast verdoppeln wird, von rund 300.000 Pflegebedürftigen auf
rund 580.000. Diametral zu diesem Trend verläuft die
Kurve der Fachkräfte. Ihre Anzahl wird erheblich sinken, weil die Generation der Babybommer, die heute
pflegt, sukzessive in den Ruhestand gehen wird – und
die Ausbildungszahlen nicht mithalten. Der Pflegeberuf
ist anspruchsvoll. Laut Umfrage können sich 56 Prozent der Beschäftigten in diakonischen Pflegeheimen
nicht vorstellen, ihren Beruf bis zum Rentenalter auszuüben; 10 Prozent sind unsicher. Experten prognostizieren eine Lücke von rund 150.000 Beschäftigten in
Pflegeberufen bis 2025. Das entspricht etwa 112.000
Vollzeitstellen.
Es besteht dringender Handlungsbedarf: Wir müssen Berufe der Sozialwirtschaft attraktiver machen.
Dazu gehören eine gute Ausbildung, gute Rahmenbedingungen, gute Arbeitsbedingungen vor Ort, eine
angemessene Entlohnung, berufliche Perspektiven.
Es gilt, junge Menschen bereits vor der beruflichen
Orientierungsphase für soziale Themen und Diakonie
zu interessieren. Es gilt, Menschen, die eine Perspektive suchen, eine berufliche Perspektive in der sozialen
Arbeit zu geben.
Wir als Verband bearbeiten diese Aufgaben kontinuierlich auf mehreren Ebenen. Unsere Expertise stellen
wir der Politik und anderen Entscheidungsträgern zur
Verfügung. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
entwickeln Konzepte und zeigen in der Praxis, wie
ein Lösungsweg aussehen kann und dass er funktioniert. Dies findet in enger Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern statt. Diese informieren und begleiten
wir hinsichtlich gesetzlicher Regelungen und deren
Umsetzung wie derzeit beispielsweise die Landespersonalverordnung. Sie ist am 1. Februar 2016 in Kraft
getreten.
Eine breit angelegte Kommunikationsarbeit begleitet
unsere Aktivitäten und fördert die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion.
k Bündnis für Tariftreue und Tarifstandards
Gute Arbeit verdient gutes Geld und ein gutes Umfeld. Für gute Arbeitsbedingungen und faire Vergütung
macht sich das Diakonische Werk stark – auf internationaler Ebene als Landesstelle Brot für die Welt bei
der Bekämpfung von Fluchtursachen; national unter
anderem als Partner im „Bündnis für Tariftreue und
Tarifstandards für die Sozialwirtschaft in Baden-Württemberg“. Dieses haben wir mit der Caritas und Verdi
in Baden-Württemberg geschlossen. Im Juli 2016 ist
das Deutsche Rote Kreuz unserer Einladung gefolgt
und dem Bündnis beigetreten. Ein wichtiger Akteur,
mit dem die Bündnispartner gemeinsam für Qualität
und angemessene Bezahlung in der sozialen Arbeit
stehen. Deshalb fordern wir bei der Refinanzierung
von Leistungen die tariflichen Entgeltsteigerungen
zu berücksichtigen. In Vergabeverfahren sollte nicht
nur nach Kostengesichtspunkten, sondern auch nach
Qualität entschieden werden. Erfahrung und Kooperationskompetenz vor Ort sind wichtige Auswahlkriterien. Die Bündnispartner führen weitere Gespräche
mit strategisch wichtigen Akteuren hinsichtlich einer
Sozialpartnerschaft.
k Fachkräfte gewinnen
Das Thema Fachkräftegewinnung forcieren wir aus
verschiedenen Gründen.
ir wirken dem Fachkräftemangel entgegen.
W
U nter dem Fachkräftemangel leiden die Menschen,
die Hilfe benötigen.
U nter dem Fachkräftemangel leiden Mitarbeitende;
sie benötigen Entlastung.
U nter dem Fachkräftemangel leiden Mitglieder; sie
können ihre Häuser teilweise nicht voll belegen.
Unabhängige Erhebungen, beispielsweise des
Branchenmagazins Wohlfahrt Intern, belegen,
dass die Diakonie mit die höchsten Löhne in
der Sozialwirtschaft zahlt. Die Tariftreue ist mit
rund 94 Prozent ebenfalls sehr hoch.
Über das Welcome Center Sozialwirtschaft BadenWürttemberg und verschiedene Projekte unterstützen
wir diakonische Einrichtungen darin, Kontakt zu Fachkräften im Ausland zu erhalten und diese für eine Anstellung in den hiesigen Einrichtungen zu gewinnen.
k Nachwuchs für soziale Arbeit
Wir bieten Ausbildungs- und Erwerbschancen für Menschen, die eine Perspektive suchen. Gemeinsam mit
Trägern aus der Pflege führen wir etwa Pilotprojekte
in der Ausbildung in Pflegeberufen und in der Hauswirtschaft durch. Die Auszubildenden erwerben damit
den Schlüssel für eine gesicherte Existenz. Die Ausbildungsprojekte dienen als Best-Practice-Beispiele und
sind geeignet, landes- und bundesweit in die Fläche
zu gehen.
9
Jahresbericht 2015 /2016
Der Vorstand zu den Herausforderungen des Diakonischen Werks Wür ttemberg
Nachwuchsgewinnung ist eine strategische Aufgabe
und setzt auf eine breite Basis mit unterschiedlichen
Modulen und Methoden. Der Jugenddiakoniepreis –
MachMit!Award – würdigt soziales Engagement von
jungen Menschen, ebenso der Werkrealschulpreis und
der Ran-ans-Leben-Star. Über unsere Jugendmarke
„ran-ans-leben“ und unser Angebot für Freiwilligendienste sind wir nah dran an den Heranwachsenden.
Das Angebot haben wir für Flüchtlinge geöffnet.
Damit unsere Angebote für die jungen Menschen attraktiv bleiben, werden wir uns noch stärker mit internen und externen Kooperationspartnern vernetzen,
um deren Fachwissen und Unterstützungsangebote
nutzen zu können. Neben unseren Fachabteilungen
sind dies die Mitglieder der Diakonie, die Jugendarbeit
und Jugendverbände, Kirchengemeinden, Schulen,
die Agentur für Arbeit, Einrichtungen der politischen
Bildung und weitere.
Junge Menschen stehen für uns in vielfältiger Weise
im Mittelpunkt. Dazu gehört auch unser Einsatz für die
Bekämpfung von Kinderarmut, für Kinderrechte und
Ombudschaften, Bildung und inklusiven Unterricht,
schulische Vielfalt, für die Integration junger Flüchtlinge usw. Wir appellieren mit Nachdruck an die Politik!
k Arbeitgeberplus Fortbildung
Fachliche und persönliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind Faktoren, die zur Mitarbeiterzufriedenheit und damit zur Mitarbeiterbindung beitragen. Wir
bieten unseren Mitgliedern und ihren Mitarbeitenden
jährlich über 100 Fortbildungen zur Auswahl. Damit
Leitende und Mitarbeitende besser mit schwierigen
Situationen in der Altenhilfe umgehen können, gibt es
nun eine entsprechende Ethikberatung. Für Führungskräfte steht ab 2017 ein neues Konzept der Fortbildung
„Diakonie kompakt“ bereit.
10
Für den sozialen Frieden und die soziale
und wirtschaftliche Stabilität in unserem
Land ist es wichtig, dass wir als Solidargesellschaft die Benachteiligten stützen
und Teilhabe ermöglichen.
Integration
Integration beginnt unmittelbar bei der Ankunft der
Geflüchteten in unserem Land und ist ein lang andauernder Prozess für diejenigen, die bleiben. Deshalb
ist ressortübergreifendes Denken und Handeln unerlässlich. Vertrauen in die Beratung und Begleitung fördert nicht nur das Ankommen in unserer Gesellschaft.
Vertrauen stärkt auch die Akzeptanz für unsere Werte
und Normen. Hoheitliche Aufgaben müssen deshalb
transparent getrennt werden von der Verfahrens- und
Sozialberatung, die in die Verantwortung der zivilgesellschaftlichen Akteure wie etwa der freien Wohlfahrtspflege gehören.
Damit Flüchtlinge sich integrieren und selbstbestimmt
leben können, benötigen sie Zugang zu materiellen
und immateriellen Ressourcen wie Chancengerechtigkeit. Als Diakonie unterstützen wir die Kirchengemeinden, damit insbesondere auch die Christen unter den
Geflüchteten eine geistliche Heimat finden. Ungleichheit und Diskriminierung sind abzubauen. Zentrale Güter wie Bildung und Ausbildung, Wohnen, Gesundheit,
Arbeit, Kommunikation und Religionsfreiheit gehören
dazu. Ebenso Werte und die gesamtgesellschaftlichen
Dimensionen Gerechtigkeit, soziale Anerkennung,
Freiheit und der Respekt vor dem anderen. Die aktuelle Diskussion zur Integration von geflüchteten Menschen bedeutet in ihrem Kern zunächst die Frage nach
unseren Vorstellungen von Gesellschaft schlechthin
und wie wir die Vielfalt kultureller und religiöser Traditionen leben und gestalten wollen.
Dafür stehen wir. Wir erwarten sowohl von der Bundesals auch von der Landesregierung klare Bekenntnisse
– denen Taten folgen müssen – zur Integration von
anerkannten Flüchtlingen und zur uneingeschränkten
Integration junger Flüchtlinge.
Entwicklung am Arbeitsmarkt 2009 – 2015
300.000
284.853
237.151
226.918
222.130
133.621
127.830
64.385
62.904
225.000
143.382
58.252
2009
230.373
227.098
130.306
129.795
130.434
70.249
71.760
71.596
148.840
150.000
75.000
233.945
70.855
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Arbeitslose
SGB-II-Arbeitslose (Hartz IV)
Langzeitarbeitslose
Arbeitsmarktpolitik
Inklusion/Konversion
Ein inklusiver Arbeitsmarkt für alle Zielgruppen ist
unser Anliegen. Das beinhaltet Integrationsjobs, Arbeitschancen für Geringqualifizierte, für Flüchtlinge
und andere Gruppen mit einem Lebenslauf, der von der
Norm abweicht. Als ein drängendes Problem, das es zu
lösen gilt, sehen wir die sich trotz guter Wirtschaftslage
verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit. Sie führt zu Armut und unweigerlich zu Altersarmut. Diese wird in den
nächsten Jahren dramatisch steigen. Wir setzen uns
daher für öffentlich geförderte Beschäftigung ein, die
die öffentlich finanzierte Arbeitslosigkeit ersetzen soll.
Die Landesgeschäftsstelle macht sich auf politischer
Ebene für ein umfassendes Inklusionsverständnis
stark. Wir setzen uns dafür ein, dass die Landesregierung die inklusive Gestaltung des Sozialraums stärker
fördert und die Bedarfe von Menschen mit Behinderung – beispielsweise das Wunsch- und Wahlrecht –
stärker berücksichtigt. Wir begleiten den Umbau der
Strukturen der Behindertenhilfe und fordern Rahmenbedingungen mit ausreichenden Ressourcen. Wir
­m ahnen und fördern den öffentlichen Diskurs zu Themen wie Pränataldiagnostik unter ethischen versus
wirtschaftlichen Aspekten.
Pflege
Gesellschaftliche Fragestellungen wie etwa in der Pflege
– Was ist uns eine gute Pflege jetzt und in Zukunft wert?
Wie wollen wir gepflegt werden? – haben die Landtagsenquete zur Situation der pflegerischen Versorgung im
Land beschäftigt. Die Landesgeschäftsstelle hat die
Arbeit der Enquete-Kommission durch die Teilnahme an
Expertenhearings der Fraktionen und der Enquete-Kommission selbst unterstützt und den Landtagsabgeordneten wesentliche pflegepolitische Forderungen der
Diakonie vermittelt: bessere Finanzierungsbedingungen,
die Stärkung der Zusammenarbeit von Kommunen und
kirchlich-diakonischen Trägern vor Ort sowie bessere
Infomations- und Beratungsangebote vor Ort. Erfreulich
ist, dass sich die meisten unserer Botschaften im Bericht
der Enquete wiederfinden. Für die Umsetzung bietet die
Diakonie Württemberg ihre Expertise an.
Auf diakonisch-kirchlicher Ebene sorgt nach Abschluss
des Projekts „Auf dem Weg zu einer inklusionsorientierten Arbeit in der Diakonie Württemberg“ im Herbst
2015 der landeskirchliche Aktionsplan „Inklusion leben“ für Nachhaltigkeit: Im Vorgängerprojekt begonnene Themen und Entwicklungen wie beispielsweise
Barrierefreiheit und Beteiligung von Menschen mit
Behinderungen setzen Diakonie und Landeskirche
konsequent fort. Neben diakonischen Trägern gilt nun
ein besonderes Augenmerk den rund 1.500 evangelischen Kirchengemeinden in Württemberg sowie allen
kirchlichen Diensten und Werken.
Oktober 2016
Oberkirchenrat Dieter Kaufmann
Eva-Maria Armbruster
Dr. Robert Bachert
11
Die Arbeit der Diakonie
kommt gut an. Weil wir denen
helfen, die Hilfe benötigen.
Diakonische Arbeit würdigen
und unterstützen – das ist der
Kern der Woche der Diakonie.
Damit gute diakonische Arbeit
möglich ist, braucht es: engagierte Mit­arbeitende, gute
­Arbeitsbedingungen, Qualifi­
zierung, Rechtssicherheit, (Re-)
Finanzierung … Dafür setzen
wir uns ein.
Die Diakonie in Württemberg für 1.200 Einrichtungen,
40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 35.000 Ehrenamtliche und 200.000 Menschen in Not – jeden Tag!
Jahresbericht 2015 /2016
Strategische Verbandsentwicklung
Auf dem Weg,
Diakonie Württemberg
D
ie Diakonie Württemberg hat sich gemeinsam mit ihren Mitgliedern auf den Weg der
strategischen Verbandsentwicklung gemacht. Ihr Anliegen ist es, Mitglieder, Mitarbeitende und hilfesuchende Menschen auch in Zukunft
gut zu vertreten und zu bedienen. Dem zielgerichteten
Entwicklungsprozess liegen die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zugrunde. Diese hat das Diakonische
Werk im Frühjahr 2015 in Kooperation mit dem Institut
für Changemanagement und Innovation der Hochschule Esslingen (CMI) durchgeführt.
Das Ergebnis der Umfrage fasst die Vorstellungen der
Mitglieder zur zukünftigen strategisch-strukturellen
Ausrichtung des Diakonischen Werks Württemberg
in seiner Rolle als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege und zu seinen Angeboten und Leistungen
zusammen. Es ist maßgeblich für die zukünftige Ausrichtung der Arbeit der Landesgeschäftsstelle sowie
für die strategische Weiterentwicklung des Verbandes. Unterschiedliche Akteure – Resonanzgruppe,
Verbandsrat, Präsidium, Vorstand, Abteilungsleitende,
externe Partner – haben in einem umfassenden Beteiligungsprozess aus den Rückmeldungen Arbeitsfelder
mit konkreten Zielen und Handlungsempfehlungen
herausgearbeitet:
Martin Kaulitz
Abteilungsleiter Fonds- und
Risikomanagement
14
1. Kleine/große Mitglieder
2.Innovation
3. Kooperation und Wettbewerb
4.Dienstleistungskonzept
5. Bearbeitung von Querschnittsthemen
6.Vernetzung
7. Stärkung der Fachverbände als Akteure
8. Unterstützung der Diakonie im Landkreis
Maßnahmen, die wir bereits umsetzen
kInformationskonzept
kSanierung Herbert-Keller-Haus
kArbeitsrecht
Aus den Themenfeldern 1 bis 8 werden sich die strategischen Verbandsziele 2018 – 2023 ableiten; weitere
Themenfelder sind parallel in der Umsetzung.
1. Kleine/große Mitglieder
Es hat sich gezeigt, dass die Interessen von kleinen
und großen Mitgliedern inhaltlich weitgehend übereinstimmend sind. Unterschiede bestehen bei den
Erwartungen an die Rolle und Funktion des Verbandes.
In einem Strategieforum kleiner und großer Mitglieder
im Juli 2016 nahmen Mitgliedseinrichtungen mit umgerechnet mehr als 1.000 Vollzeitkräften, mit 200 bis
999 Vollzeitkräften, mit weniger als 200 Vollzeitkräften
und Kreisdiakonieverbände teil. Sie formulierten ihre
gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen und
Erwartungen an den Verband.
Die jeweils fünf wichtigsten Interessen großer und kleiner Mitglieder sollen im Kontext der Aufgaben des
Diakonischen Werks Württemberg nach § 1 der Satzung definiert und anerkannt sein. Sie sollen in ihren
Konsequenzen für den Verband als Diakonisches Werk
der Landeskirche mit seiner Anwaltschaftlichkeit, als
Dienstleister und als Spitzenverband erarbeitet sein
und in das Leistungsportfolio eingehen.
Gerade unsere kleinen und mittelgro­
Instrumente und Beratungsange­
ßen Mitglieder sind für eine schnelle
bote des Risikomanagements.
Hilfe in kritischen wirtschaftlichen
Chancen und Risiken neuer Ange-
Situa­tionen sehr dankbar. Die Beglei-
bote zu erkennen und zu bewerten,
tung bei I­ nvestitionsvorhaben und
ist die Aufgabe unserer Mitglieder.
­Sanierungen ist eine u
­ nserer Kern-
Die Risiken schnell zu analysieren
funktionen in der wirtschaftlichen
und in Maßnahmen umzusetzen, ist
­Beratung – und kann das Überleben
dann unser Job. Dabei halten wir
von Trägern sicherstellen.
es wie Albert Einstein: Probleme
In den Fachverbänden und in den
kann man niemals durch dieselbe
Aufsichtsgremien großer und kleine-
Denkweise lösen, durch die sie ent-
rer Träger informieren wir über die
standen sind.
Martin Kaulitz
15
Jahresbericht 2015 /2016
Strategische Verbandsentwicklung
In Zeiten von Informationsüberflutung und Spamming gewinnt die empfängerorientierte Kommunikation mit Stakeholdern an Bedeutung. Wer braucht wann was in welcher
Form? Unser Ziel ist es, unterschiedliche Gruppen mit der
für sie relevanten Information zu versorgen, mit ihnen im
Dialog zu bleiben und mit neuen Mitgliedern, Mitarbeitenden, Multiplikatoren, … ins Gespräch zu kommen.
Andrea Schlepper
2. Innovation
5. Bearbeitung von Querschnittsthemen
Ab 2017 soll regelmäßig ein- bis zweimal jährlich ein
Forum „Innovation und Strategie“ als Element der Vernetzungsstrukturen stattfinden.
Bis Jahresende 2016 definiert das Diakonische Werk
Württemberg drei bis fünf wesentliche fachlich-inhaltliche Querschnittsthemen für die Jahre 2018 bis 2023
und entwickelt die jeweils passenden Bearbeitungsformen – Permanentstruktur oder temporäre Struktur;
z.B. Strategieausschuss, Lenkungsausschuss. Doppelstrukturen sind zu vermeiden bzw. abzubauen.
3. Kooperation und Wettbewerb
Die Mitglieder wollen intensiver zusammenarbeiten.
Dazu ist eine Handreichung zu erarbeiten, die insbesondere in Wettbewerbssituationen unterstützen soll.
Entsprechende Strategien zur Konfliktbewältigung sind
exemplarisch für drei Szenarien aufzuzeigen.
4. Dienstleistungskonzept
Das Diakonische Werk Württemberg erstellt ein Dienstleistungskonzept, das den Dienstleistungsbegriff definiert und die verbandlichen Leistungen beschreibt,
die in den Mitgliedsbeiträgen inkludiert sind, sowie
die Dienstleistungen, die der Verband gegen Entgelt
erbringt, die Leistungen in Projekten und die internen
Dienstleistungen.
6. Vernetzung
Der Verband ermittelt die Erwartungen der Mitglieder
an Vernetzung und analysiert vorhandene und neue
Vernetzungsformate auf Attraktivität, Wirksamkeit und
Ressourcen. Er erarbeitet Empfehlungen für künftige
Vernetzungsformate.
7. Stärkung der Fachverbände als Akteure
Das Diakonische Werk entwickelt ein einheitliches Raster zur Evaluation der derzeitigen Fachverbandsarbeit.
Es ermittelt fachverbandsspezifisch und fachverbands­
übergreifend den Weiterentwicklungsbedarf und legt
einen Umsetzungsplan für 2018 vor.
8. Unterstützung der Diakonie im Landkreis
Andrea Schlepper
Abteilungsleiterin
Presse und Kommunikation
16
Das Diakonische Werk Württemberg entwickelt mit
der Diakonie im Landkreis ein Kriterienraster für die
Machbarkeit und Wirksamkeit regionaler Dienstleistungen, Kommunikationsformate etc. Es erfolgt eine
kontinuierliche Weiterentwicklung. Die Prüfung von
potenziellen Maßnahmen ist eine Querschnittsaufgabe
bei allen konzeptionellen Entwicklungen im Rahmen
der strategischen Ziele für die Jahre 2018 bis 2023.
Aus dem Sanierungsprojekt ergeben sich geänderte finanzielle
Rahmenbedingungen, die im Wirtschaftsplan 2017 berücksichtigt sind und sich auch in den nachfolgenden Wirtschaftsplänen
abbilden müssen. Das betrifft auch die Wirtschaftsgüter, die
wir als Konsequenz des Sanierungsprojektes neu schaffen. Ziel
ist es, das Diakonische Werk in jeder Phase der Sanierung und
darüber hinaus liquide zu halten.
© Fotolia – crevis
Manuela Wuttke
Maßnahmen, die wir bereits umsetzen
k Informationskonzept
Ein differenziertes Konzept soll den heterogenen Informationsbedürfnissen der Mitglieder Rechnung tragen und die unterschiedlichen Informationskanäle anlass- und empfängerbezogen nutzen. Der notwendige
Relaunch der bisherigen Plattformen Homepage/
Internet und Mitgliederbereich befindet sich in der
Umsetzung und bezieht im Sinne des Gesamtkommunikationskonzepts des Diakonischen Werks das
Intranet sowie verschiedene Social-Media- und Online-Kanäle ein.
k Sanierung Herbert-Keller-Haus
2017 startet die Sanierung der Landesgeschäftsstelle.
Die Finanzierung wurde im April 2016 mit dem Finanz­
ausschuss der Synode abgestimmt. Der Finanzausschuss hat beschlossen, die Gesamtsanierungskosten
von 15 Millionen Euro mit 7,7 Millionen Euro zu bezuschussen. Dieser Beschluss ist unter anderem mit der
Auflage verbunden, dass der Zuschuss gedeckelt ist.
k Arbeitsrecht
Die Kommission für Unternehmensfragen und Trägerpolitik einschließlich Tarifpolitik (KfU) benötigt eine
Geschäftsstellenleitung. Damit dieses kostenneutral
erfolgen kann, ist die Arbeitsstruktur des Justiziariats
des Diakonischen Werks anzupassen.
Manuela Wuttke
Abteilungsleiterin
Finanz- und Rechnungswesen
Andrea Schlepper
Abteilungsleiterin
Presse und Kommunikation
17
Jahresbericht 2015 /2016
Personalmanagement
Zur rechten Zeit
am rechten Ort
R
und 50 Roadshow-Aktionen der Diakonie
Württemberg und zahlreiche Messeauftritte
mit einem neuen Standkonzept, welches ein
Bewerbungspaket der Freiwilligendienste
und der sozialen Berufsfelder mit Beteiligungsmöglichkeiten für diakonische Träger und Einrichtungen
kombiniert, stehen beim Thema Nachwuchskräftegewinnung an vorderster Stelle. Neue Programme, die
Personen mit Fluchthintergrund Möglichkeiten eröffnen, sind in der Erprobungsphase. Zusätzlich gibt es
ein Sonderprogramm mit Flüchtlingsbezug, in welchem
Personen mit Asylberechtigung oder Asylbewerbung
aus unsicheren Herkunftsländern einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren können. Damit nicht genug.
Neben der Qualifizierung von Berufsbotschafterinnen
und Berufsbotschaftern für Mitgliedseinrichtungen will
der Verband lokale Re­cruiting Events und einen Bewerberpool entwickeln.
Fachkräfte aus dem Ausland
Das Themenfeld „Fachkräfte aus dem Ausland“ bearbeitet die Diakonie ebenfalls über das Projekt „vide
terra“ und das Welcome Center Sozialwirtschaft. Und
insgesamt 80 Auszubildende aus dem Kosovo haben
ihre Altenpflegeausbildung in diakonischen Einrichtungen begonnen.
Eine erfolgreiche Pflegeausbildung im Ausland ist nicht
automatisch mit einer Jobchance in Deutschland verbunden. Die „vide-terra“-Anerkennungsqualifizierung
für soziale Berufe bietet individuell abgestimmte Qualifizierungen für Pflegefachkräfte, die ihre Fachausbildung im Ausland erworben haben, die in Deutschland
nicht vollständig anerkannt wurde. An mehreren Standorten in Baden-Württemberg werden Qualifizierungsbedarfe analysiert und die notwendigen, individuellen
Bildungsschritte zur vollen Anerkennung geplant.
Das einzige auf die Sozialbranche spezialisierte Wel­
come Center im Land hat bislang über 400 Unternehmen der Sozialwirtschaft sowie 300 internationale
Fachkräfte beraten, begleitet und informiert. Unterstützung bieten die Fachleute bei der Anwerbung und
Einstellung von eingewanderten Kompetenzträgern
sowie dabei, Flüchtlinge für die Arbeit in der Sozialwirtschaft zu gewinnen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Sandra Eischer
Abteilungsleiterin Personalwesen, Organisation Lgst.
18
Mitarbeitende vereinbaren zunehmend berufliche mit
familiärer Verantwortung für ältere Angehörige. Das
Projekt „cum tempore“ entwickelt und vernetzt betriebliche und überbetriebliche Angebote für eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Leitungskräfte
werden in der Entwicklung und Implementierung von
familiengerechten Strukturen unterstützt, Mitarbeitende können auf konkrete Angebote zurückgreifen – es
erfolgt eine Ausweitung der regionalen Netzwerke.
Fachkräftemangel in der Pflege
Mit zwei Modellprojekten, die zur Nachahmung
geeignet sind, hält die Diakonie Württemberg dagegen: Das 2015 gestartete Modellprojekt zur legalen
Arbeitsmigration in der Altenpflege ist im September 2016 in die zweite Runde gegangen: Junge
Kosovaren kommen nach Deutschland und machen
eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft. Das neue
Ausbildungsprojekt richtet sich an Flüchtlinge, die
bereits in Deutschland sind und eine Ausbildung zur
Pflegefachkraft absolvieren möchten. Beiden Projekten gemein ist die intensive Vorbereitung der angehenden Auszubildenden und die enge Zusammen­
arbeit mit den teilnehmenden diakonischen Trägern.
Das beste Personal zur richtigen Zeit
Systematisches Personalmanagement
am richtigen Ort zur Verfügung zu
Das Diakonische Werk Württemberg hat in Anlehnung
an das Managementkonzept, die strategischen Ziele
und seine Satzung gemeinsam mit den Mitarbeitenden
Leitlinien für ein systematisches Personalmanagement
entwickelt. Sie sind von dem Gedanken getragen, dass
die Fachlichkeit, die Kompetenzen und die Gaben eines jeden Mitarbeitenden wesentlich zur Qualität diakonischer Arbeit und zur Erfüllung des diakonischen
Auftrags beitragen. Sie verfolgen das Ziel, die Mitarbeitenden gemäß ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu
fördern und zu begleiten. Damit gutes Personal kommt
– und bleibt!
haben – das klingt einfacher als es
ist. Für den Verband und seine Mitglieder ein extrem wichtiges Thema.
Im Personal­management steht das
Thema Personalgewinnung unter
verschiedenen Aspekten im Fokus.
Sandra Eischer
Sandra Eischer
Abteilungsleiterin Personalwesen,
Organisation Lgst.
19
Jahresbericht 2015 /2016
Nachwuchsgewinnung
Heute auf der Schulbank –
morgen in der Diakonie
H
eranwachsende sind engagiert, motiviert
und an traditionellen Wer ten orientier t.
Gleichzeitig sind sie sehr skeptisch bis
misstrauisch gegenüber etablierten Organisationen wie Parteien, Kirchen und Gewerkschaften.
Die jungen Menschen engagieren sich eher bei Umwelt- und Menschenrechtsinitiativen. Diese aktuellen
Trends hat das Diakonische Werk Württemberg im
Blick, wenn es darum geht, junge Menschen anzusprechen und für diakonische Aufgaben zu gewinnen.
Die Landesgeschäftsstelle hat ihr Bildungsprogramm
im Rahmen der Freiwilligendienste weiter entwickelt
und eine Reihe von neuen Angeboten und Aktivitäten
geschaffen. Sie hat ein attraktives pädagogisches
Begleitprogramm für all die Freiwilligen etabliert, die
abseits vom Schuljahresrhythmus ein- und aussteigen,
die so genannten Flexigruppen. Die Jugendmarke „ranans-leben“ mit eigener Homepage, eigenem Facebookund Twitter-Kanal spricht die Jugendlichen und jungen
Erwachsenen auf Augenhöhe an. Breit gefächerte Aktionen ergänzen das jugendspezifische Angebot: die
Diakonie-Roadshow mit ihrem auffälligen Info-Mobil für
soziale Berufe, Präsenztage auf Berufsinfomessen, die
Wolfgang Hinz-Rommel
Abteilungsleiter
Freiwilliges Engagement
20
Ausbildung von Botschafterinnen und Botschaftern für
Freiwilligendienste und soziale Berufe sowie konkrete
Engagementprojekte im Rahmen von FSJ, FÖJ und
Bundesfreiwilligendienst, der Jugenddiakoniepreis und
die Auszeichnung als Ran-ans-Leben-Star. Die Resonanz in den Medien ist sehr positiv und hoch.
Interessierte Freiwillige haben Möglichkeiten, sich für
gesellschaftspolitische Themen konkret und aktiv einzusetzen. In Frühjahr 2016 beispielsweise führten sie
eine öffentlichkeitswirksame Aktion unter dem Motto
„Wohnungslosen eine Stimme geben!“ auf dem Stuttgarter Schlossplatz durch.
Das Diakonische Werk entwickelt die Jugendkommunikation kontinuierlich und zielgerichtet weiter. Es
geht darum, Jugendliche für diakonische Themen zu
gewinnen, sie zu beteiligen und zu sozialem Tun zu
ermuntern. Die Diakonie ist ein attraktiver Anbieter sowohl für interessante berufliche Perspektiven als auch
für freiwilliges Engagement. Das gilt es zu vermitteln.
Im Zuge des Online-Relaunchs des Diakonischen
Werks Wür ttemberg stellt dieses ebenso den Online-Auftritt der Jugendmarke „ran-ans-leben“ auf den
Prüfstand. Ziel ist es, die Generation Z und jünger über
die Online-Kanäle einschließlich der sozialen Medien
auch in Zukunft gut zu erreichen. Die wichtige Zielgruppe der Heranwachsenden erwartet kreative und beteiligungsorientierte Online-Angebote. Die Diakonie will
ihres dahingehend weiterentwickeln, dass es gelingt,
mit jungen Leuten direkt über diakonische und gesellschaftspolitische Themen zu kommunizieren, ethische
und Glaubensfragen zu diskutieren und auf die Argumente der Jugendlichen einzugehen. Die Bildungsarbeit im Kontext der Freiwilligendienste, bei der die
Teilnehmenden in die Aufbereitung von Themen aktiv
eingebunden werden, ist Basis für ein neues Konzept.
Wir wollen online wie offline in direkter geradliniger Kommunikation mit
den jungen Leuten stehen. Dass wir
dabei die ethischen Standards und
Verhaltensregeln – die Etikette und im
Internet die Netikette – einhalten, ist
selbstredend. Auch in dieser Hinsicht
wollen wir Vorbild sein und den Heranwachsenden Orientierung geben.
Wolfgang Hinz-Rommel
ehr Info
M
www.ran-ans-leben.de
Der Kontakt von Kirche und Diakonie mit Jugendlichen
konzentriert sich auf mehrere wichtige biografische
Zeiträume. Von besonderer Bedeutung sind der Konfirmandenunterricht und die Sozialpraktika im Rahmen
des Schulunterrichts. Aus beidem ergeben sich oft
erste Gelegenheiten für ein Engagement. Die Jugendlichen erfahren etwas über soziale Problemlagen und
erleben Selbstwirksamkeit. Mit ihrem Tun können sie
konkret Hilfe leisten. Danach gehen diese Kontakte oft
wieder verloren. Eine Herausforderung wird es sein,
Übergänge zwischen verschiedenen Möglichkeiten
des Engagements – vom Schulpraktikum über den
Konfi-Unterricht zum Freiwilligendienst und darüber
hinaus – zu ermöglichen. Dazu bauen und stabilisieren
wir Brücken innerhalb der und in die diakonische Welt
hinein.
Wolfgang Hinz-Rommel
Abteilungsleiter
Freiwilliges Engagement
21
Jahresbericht 2015 /2016
Kirchliches Arbeitsrecht
Alles, was Recht ist
I
m Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts erbringt
die Landesgeschäftsstelle für ihre Mitglieder umfangreiche Informations-, Begleit- und Beratungsleistungen. Hinter den Kulissen bildet sie sämtliche
Änderungen, die Auswirkungen auf das Entgelt der
Mitarbeitenden haben, rechtzeitig in der zentralen Gehaltsabrechnung ab.
Arbeitsrechtsregelungsgesetz
Seit 1. November 2016 ist das neue Arbeitsrechtsregelungsgesetz (ARRG) in Kraft, das die Landessynode am
11. März 2016 beschlossen hat.
Ein Novum im ARRG ist die Beteiligung der Gewerkschaften. Die koalitionsmäßige Beteiligung von Gewerkschaften und Mitarbeiterverbänden sowie der
Arbeitskampfausschluss sind explizit ins neue Gesetz
aufgenommen. Die Parteien bleiben auch im Streitfall
im Gespräch und lösen Konflikte in einem neutralen
und verbindlichen Schlichtungsverfahren.
Die Rolle der Arbeitsrechtlichen Kommission Württemberg (AK) wurde gestärkt. Es ist ihre alleinige Aufgabe,
die Arbeitsbedingungen festzulegen. Sie beschließt
dazu die AVR Württemberg. Sollen andere kirchliche Arbeitsrechtsregelungen oder andere tarifliche
Regelungen – beispielsweise der AVR DD oder der
TVöD – zur Anwendung kommen, muss die AK zustimmen. Stimmt die AK nicht zu, bleibt der Weg über eine
Schlichtung.
Wer vor Inkrafttreten des neuen ARRG bereits die AVR
DD angewendet hat, für den besteht Bestandsschutz.
Und zwar für die sogenannten Direktanwender als auch
für die Anwender der AVR-Wü Bücher III und IV, sofern
sie eine Zusatz-Dienstvereinbarung nach § 36 a MVG
Wü abgeschlossen haben. Für diese Anwender ist seit
1. November 2016 die Arbeitsrechtliche Kommission
gemäß § 16 ARGG-EKD zuständig, d.h. die Bundeskommission. In diesen Fällen ist die AK Württemberg
nicht zuständig.
Mit dem neuen ARRG stärkt die Synode ebenfalls die
Gesetzgebungshoheit der Evangelischen Landeskirche
in Württemberg, denn sie stimmt dem Arbeitsrechts­
regelungsgrundsätzegesetz der Evangelische Kirche
Die diakonischen Dienstgeber begrüßen den Beschluss, da er ein
klares Bekenntnis zum Dritten Weg
ist, die Arbeitsrechtliche Kommission Württemberg (AK) stärkt und
württembergische Besonderheiten
individuell regelt, wenngleich wir
bedauern, dass eine Zustimmung
Uwe Rzadkowski
Abteilungsleiter Justiziariat,
Arbeits- und Sozialrecht
22
zum ARGG-EKD nicht erreicht werden konnte.
Uwe Rzadkowski
Tarifvertragsparteien bekennt
sich klar zur endgültigen Abkop-
© Fotolia – Syda
Der aktuelle Tarifabschluss der
pelung des alten BAT hinsichtlich der Eingruppierung und dient
letztendlich zur einfacheren
Handhabung in der Anwendung.
Die Herausforderung wird nun
die sinnvolle Einarbeitung in die
württembergische Regelung und
dessen Spezifikum in der Diakonie sein.
Sascha Busch
in Deutschland (ARGG-EKD) nicht zu. Das ARGG-EKD
ist ein Rahmengesetz, das die Anforderungen regelt,
die sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergeben, gleichzeitig aber auch den Weg zur
Anwendung der AVR DD öffnet.
Tarif Sozial- und Erziehungsdienst
für diakonische Beschäftigte
Das für Tariffragen verantwortliche Gremium der diakonischen Dienstgeber in Württemberg – die Kommission
für Unternehmensfragen und Trägerpolitik einschließlich Tarifpolitik (KfU) – hat sich Anfang 2016 grundsätzlich dafür ausgesprochen, die Tarifeinigung des Öffentlichen Dienstes für die Beschäftigten im Sozial- und
Erziehungsdienst (SuE) in die Arbeitsvertragsrichtlinien
Württemberg zu übernehmen. Die Übernahme des SuE
ist eine neue Grundlage für die Entgeltverhandlungen mit den Kostenträgern. Mitarbeitende – Erzieher,
Sascha Busch
Abteilungsleiter
EDV-­B eratung und
­D ienstleistungen, Zentrale
­G ehaltsabrechnungsstelle
Heilpädagogen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen,
die in diakonischen Kindertagesstätten, stationären
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen, Arbeitslosen- und Wohnungslosenhilfeeinrichtungen und Beratungsstellen angestellt sind
– können von neuen Zuordnungen zu Entgeltgruppen
oder höheren Tabellenwerten und Zulagen profitieren.
Das Diakonische Werk Württemberg hat im Vorfeld dieser Entscheidung umfangreich beraten und informiert
und ist im Nachgang im Zuge der Anpassung der Regelungen der AVR-Württemberg tätig, beispielsweise
hinsichtlich der Meister- und Technikerzulage.
Arbeitsrechtliche Kommission
Das Diakonische Werk Württemberg vertritt die Dienstgeber in Angelegenheiten, die gemeinsam mit der AK
zu regeln sind. Das betrifft auch Schlichtungen oder
die Begleitung von Sonderarbeitsausschüssen im Rahmen von Bestandssicherungsverfahren für diakonische Träger. Weitere Themen sind die Verwendung des
Leistungsentgelts für Betriebliches Gesundheitsmanagement, die Anpassung der Praktikantenregelungen
wegen des Mindestlohngesetzes oder die Regelung
zum Jubiläumsgeld bei Altersteilzeit im Blockmodell.
Uwe Rzadkowski
Abteilungsleiter Justiziariat,
Arbeits- und Sozialrecht
23
Sie kommen hoffentlich
gut an. Weil sie Schutz
und eine Perspektive finden.
Integration ist ein Prozess, der
seine Zeit, Verständnis, die
­Bereitschaft, sich aufeinander
einzulassen und die Zusammenarbeit vieler Akteure braucht.
Eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe, die nur dann gelingen
kann, wenn wir das eine tun und
das andere nicht lassen.
Eva-Maria Armbruster
Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden
Foto: Gabriele Freimüller, Arbeitskreis Asyl Schömberg
Oberkirchenrat Dieter Kaufmann
Vorstandsvorsitzender
Jahresbericht 2015 /2016
Schwerpunkt Flucht und Integration
Integration in die Gesellschaft
braucht die Gesellschaft
D
ie Aufnahme von rund einer Million Flüchtlingen im letzten Jahr in Deutschland hat
die gesamte Integrationsdebatte aktualisiert. Schnell wurde deutlich, dass „Willkommenskultur“ von Anfang an „Integrationskultur“
bedeuten muss.
ten Gesellschaft. Integration ist hier verstanden als
die messbare Teilhabe aller Menschen in einer Gesellschaft. Damit ist Integration nicht vorrangig eine
persönliche Leistung von Individuen, sondern steht
im Kontext politischer und struktureller Rahmenbedingungen.
„Integration“ weckt unterschiedliche Bilder und Vorstellungen. Systematisch ist Integration in Deutschland ein Thema seit den 1970er Jahren. Die damalige
Vorstellung von Integration als einseitiger Bewegung,
die Integrationsleistungen auf der Seite der Menschen
mit Flucht- und Migrationsgeschichte verortet, prägt
das Integrationsverständnis teilweise bis heute. Parallel hat sich mit dem Wandel im Selbstverständnis
Deutschlands als Einwanderungsland seit den 2000er
Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen: Integration
wird heute als zweiseitiger, dynamischer Prozess über
Generationen aufgefasst. Das Bild einer etablierten
Gesellschaft, in die sich „die anderen“ integrieren müssen, verändert sich zu einem neuen Bild der integrier-
Diakonische Träger, Kirchengemeinden und Kirchenbezirke bringen sich auf vielen Ebenen in die Beratung
und Begleitung von Geflüchteten, in Netzwerke und
Projekte sowie in die Lobbyarbeit und in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs ein. Das Diakonische Werk Württemberg unterstützt mit Fach- und
Rechtsberatung, Fortbildung und kollegialem Austausch sowie mit themenspezifischen Handreichungen. Mit Stellungnahmen, Öffentlichkeitarbeit und der
Vertretung in Gremien und Arbeitskreisen auf Landesund Bundesebene setzt sich die Landesgeschäftsstelle anwaltschaftlich für die Belange und Rechte von
Flüchtlingen ein.
Ohne das Engagement Ehrenamtlicher ist Integration heute weder denk- noch leistbar. Ehrenamtliche
übernehmen Aufgaben von der Erstversorgung bis zur
längerfristigen Begleitung. Sie können Einstellungen zu
Flüchtlingen vor Ort positiv beeinflussen und stehen für
eine offene und gerechtere Gesellschaft.
Birgit Susanne Dinzinger
Abteilungsleiterin Migration
und Internationale Diakonie
Ulrich Fellmeth
­A bteilungsleiter ­K inder,
Jugend und Familie
26
Kirche und Diakonie leisten hier Unterstützung in vieler Hinsicht. Seit 2015 haben in Württemberg über 30
Koordinierungsstellen für die Unterstützung von Kirchengemeinden und die Begleitung und Qualifizierung
von Ehrenamtlichen im Flüchtlingsbereich ihre Arbeit
aufgenommen. Sie sind eingerichtet und finanziert
durch Mittel der Landeskirche für die Flüchtlingsarbeit
und verortet bei den Bezirks- und Kreisdiakoniestellen.
Weitere Stellen sind im Aufbau. Die fachliche Begleitung der Mitarbeitenden übernimmt das Diakonische
Werk Württemberg.
„Eine Erkenntnis:
die Dinge sind
nicht so, wie sie
sind, sondern so,
wie wir sie sehen.“
Dieter Albert,
Fachstelle Interkulturelle
­O rientierung Alb-Donau
Die aktuelle Diskussion der
Integration von geflüchteten
Menschen bedeutet in ihrem
Kern zuerst die Frage nach
unseren Vorstellungen von
Gesellschaft und wie wir die
Vielfalt kultureller und reli­
giöser Traditionen leben und
gestalten wollen.
Birgit Susanne Dinzinger
27
Jahresbericht 2015 /2016
Schwerpunkt Flucht und Integration
„Ich finde es unglaublich toll,
wie ungebrochen das Engagement bei uns weitergeht!“
Angelika Eyrich, Diakonie Biberach
Allein im Ausschnitt Sommer bis Herbst 2015 haben die
Koordinierenden insgesamt 72 Fortbildungen mit über
1.500 Teilnehmenden angeboten und durchgeführt.
Das Herzstück ehrenamtlichen Engagements ist die
Begegnung.
„Die Ehrenamtlichen beherrschen die
Willkommenskultur mittlerweile von ­
A bis Z. Jetzt heißt es teilhaben, in der
Normalität ankommen.“
Michael Widmann, Diakonische Bezirksstelle Sulz
Vom Asyl-Café und der Fahrradwerkstatt mit integriertem Verkehrstraining (Projekt „Rad und Tat“, Kreisdiakonieverband Ludwigsburg) über einen Mädchentreff
mit dem Ziel, sich in einem geschützten Raum auszutauschen (Diakonie Schwenningen) bis zum innovativen
Konzept eines gemeinsamen Einführungstages mit
englischer Übersetzung für neue Ehrenamtliche und
Flüchtlinge (Diakonieverband Reutlingen) gibt es zahlreiche Aktivitäten und Projekte von Ehrenamtlichen.
Neben dem persönlichen Engagement braucht Inte­
gration politische Rahmenbedingungen und „entgegenkommende Strukturen“ (Mark Terkessidis) der
Institutionen einer Gesellschaft. „Interkulturelle Orientierung und Öffnung“ gehört schon seit Mitte der
1990er Jahre zum Integrationsdiskurs. Die steigenden
Flüchtlingszahlen machen sich auch hier bemerkbar
und intensivieren Öffnungsprozesse. Vier Fachstellen
des Diakonischen Werks unterstützen diakonische
Dienste und Kirchengemeinden. Bedarfsabhängig gehören Seminare, Workshops, langfristige Prozessberatungen und Prozessbegleitung zum Angebot.
28
Ein Beispiel aus der Praxis: Der Kreisdiakonieverband
(KDV) Ostalbkreis ist in der Verfahrens- und Sozialberatung in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen tätig und arbeitet mit vielen Ehrenamtlichen
zusammen. Der KDV bietet beispielsweise Schwangerschaftskonfliktberatung direkt in der LEA an. Geschäftsführerin Sylvia Caspari ist es wichtig, dass alle
Mitarbeitenden des KDV über eine sensible Haltung
und ein Grundwissen zu interkulturellen Fragestellungen verfügen. Die Leitlinien und Handlungsempfehlungen zur Interkulturellen Orientierung der Diakonie
in Württemberg sind eine gute Basis dafür.
„Wir brauchen multikulturelle Teams jetzt
und in der Zukunft, das bedeutet auch die
Öffnung bei der Frage der Religionszugehörigkeit. Wenn eine Muslima den diakonischen Auftrag mittragen kann, sollten wir
diese Chance nutzen.“
Sylvia Caspari, Geschäftsführerin
Kreisdiakonieverband Ostalbkreis
Auch Kindertagesstätten sind wichtige Orte für die
Integration von Kindern und Eltern. Themen wie
Sprachförderung, interkulturelle Zusammenarbeit mit
Eltern, vorurteilsbewusste Erziehung oder interreli­
giöser Dialog stehen auf der Tagesordnung. Unterstützung leisten auch hier die Fachstellen Interkulturelle Orientierung. Eine besondere Herausforderung
ist das Thema Traumatisierung. Zusätzlich zu Wissen
über Flucht, Asyl und Trauma braucht es Räume zur
Reflexion und um Erfahrungen zu bearbeiten. Dazu
helfen u. a. Übungen, die einen Perspektivenwechsel
ermöglichen.
Die Aufgaben, die mit der Aufnahme und Betreuung junger Flüchtlinge von unseren Einrichtungen
der J
­ ugendhilfe zu schultern sind, sind enorm.
Fast alle Angebote und Plätze müssen sie neu
gestalten und aufbauen. Neben den strukturellen
Verfahren zu Betriebserlaubnis und Entgeltvereinbarungen stellen sich auch enorme pädagogische und interkulturelle Herausforderungen. Wir
unterstützen in hohem Maße, weil wir darin eine
Kernaufgabe der Diakonie sehen.
Ulrich Fellmeth
Jungen Flüchtlingen eine Perspektive geben
Flucht und Vertreibung ziehen sich wie ein roter Faden
durch die Bibel und die Geschichte. Von den heute
rund 65 Millionen Flüchtlingen weltweit sind über die
Hälfte jünger als 18 Jahre. Besonderen Schutz benötigen junge Menschen, die sich ohne Erwachsene auf
den Weg machen (müssen), die unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA).
Baden-Württemberg muss nach der seit Ende 2015
geltenden bundesweiten Verteilungsregelung im Rahmen der Umverteilung rund 9.000 unbegleitete junge
Flüchtlinge aufnehmen. Dafür mussten und müssen
überwiegend neue Angebote und Unterkünfte geschaffen werden, unter anderem in diakonischen Häusern.
Das Diakonische Werk Württemberg unterstützt seine
Mitglieder dabei, diese Aufgabe zu lösen. Neben den
einrichtungsbezogenen Beratungen bietet es regelmäßige Trägertreffen an. Das Kompetenzteam UMA
erarbeitet Handreichungen und Materialien. Eine Projektgruppe der Landesgeschäftsstelle und des Evangelischen Fachverbands Kinder, Jugend und Familie
erstellt Handreichungen zur praktischen Arbeit und
Curricula zur Qualifizierung. Die Weiterbildungsangebote des Diakonischen Werks sind stark nachgefragt.
Im Juli 2016 waren bereits elf Kurse mit insgesamt 200
Teilnehmenden abgeschlossen. Weitere Kurse sind
ausgeschrieben.
An der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger beteiligen sich 45 diakonische Einrichtungen – überwiegend
Einrichtungen der Jugendhilfe – an über 50 Standorten
in 26 Stadt- und Landkreisen. Die Angebote umfassen
Plätze zur vorläufigen Inobhutnahme, Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige in Wohngruppen
der Heimerziehung, des betreuten Jugendwohnens, in
Jugendwohnheimen, Internaten und Gastfamilien.
Die diakonische Jugendhilfe unterstützt ebenfalls Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit Familienangehörigen gekommen sind, sowie junge Erwachsene,
die alleine auf der Flucht sind. Insgesamt erreichen die
Einrichtungen der diakonischen Jugendhilfe in Württemberg bis Mitte 2016 etwa 5.000 junge Migranten
und ihre Familien.
Die Diakonie Württemberg ist beteiligt an der Steuerungsgruppe des Landes zur Versorgung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer. Diese
erarbeitete in Abstimmung mit den Ministerien, dem
Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) und
den Kommunalen Landesverbänden ein Eckpunktepapier, das das Kabinett freigegeben hat. Es legt Standards fest und formuliert Empfehlungen zur Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen in der Zuständigkeit der
Stadt- und Landkreise.
Birgit Susanne Dinzinger
Abteilungsleiterin Migration und
Internationale Diakonie
Ulrich Fellmeth
Abteilungsleiter Kinder,
Jugend und Familie
29
Jahresbericht 2015 /2016
Arbeitsmarktpolitik
„Wir brauchen
öffentlich geförderte
­Beschäftigung!“
D
ie Zahl der Arbeitslosen sinkt; die Zahl der
Langzeitarbeitslosen steigt! Seit Anfang
2011 sorgt die Diakonie Württemberg für
mehr Transparenz in der Arbeitslosenstatistik, die die Bundesagentur für Arbeit monatlich herausgibt. Seit sechs Jahren blicken wir hinter die offiziellen
Zahlen und machen deutlich, dass die Langzeitarbeitslosen zu den Verlierern unserer Gesellschaft gehören.
Jeglicher Aufschwung am Arbeitsmarkt geht an ihnen
vorbei. Und – die Bundesagentur spricht über Zahlen.
Wir sprechen für Menschen.
Die Diakonie Württemberg setzt sich gezielt für die
Unterstützung und Teilhabe von Arbeitslosen ein. Arbeitslosigkeit ist die Hauptursache von Armut und
Ausgrenzung. Das Referat Arbeitslosenhilfe des Verbands koordiniert rund 20 Träger, Unternehmen und
Einrichtungen, in denen ca. 700 Beschäftigte Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für ca.
3.500 Arbeitslose im Jahr anbieten. Die Träger dieser
Maßnahmen sind im Fachverband Arbeitslosenhilfe
organisiert.
Auf der bundespolitischen Ebene sind die Initiativen
des Diakonischen Werks und seines Fachverbandes
insbesondere in der „Initiative Pro Arbeit“ sichtbar.
Seit 2013 wirbt sie bundesweit und verbandsübergreifend für öffentlich geförderte Beschäftigung. Das
Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ für Baden-
Württemberg hat die Landesgeschäftsstelle in seiner
Entstehung und Umsetzung begleitet. Der zentrale
Baustein dieses Programms „Sozialer Arbeitsmarkt /
PAT“ geht auf die Ideen und Konzepte der Diakonie
zurück. Der Grundgedanke des Passiv-Aktiv-Transfers
(PAT) ist, dass alle Gelder, die für einen Langzeitarbeitslosen gezahlt werden (Arbeitslosengeld II, Unterkunftskosten etc.) das finanzielle Fundament für einen
Beschäftigungsplatz bilden. Dazu addiert sich der
Erlös, den der Beschäftigte erwirtschaftet. Die Summe
ist in der Regel ausreichend für einen sozialversicherungspflichtigen Lohn.
Mit dem landeskirchlichen Programm der Beschäftigungsgutscheine hat die Diakonie in Württemberg
zusammen mit den Kirchengemeinden selber praktische Beispiele und Impulse für Arbeit als gesellschaftliche Teilhabe und als Brücke in den Arbeitsmarkt gegeben. 539 Beschäftigungsgutscheine bis
Juni 2016 – das sind 539 konkrete Hilfen für Menschen,
die Arbeit brauchen; 539 neue Kontakte und Beziehungen in den Kirchengemeinden; 539 Signale und
Aufforderungen an die Politik, öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose zu organisieren.
Langzeitarbeitslos, Flüchtling, Mensch
mit Behinderung, alleinerziehend – es
gibt viele Gründe, weshalb Menschen
keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Hartz IV nimmt den Menschen die
Thomas Stürmer
Abteilungsleiter Landkreisund Kirchenbezirksdiakonie,
Existenzsicherung
30
Hoffnung – über öffentlich geförderte
Beschäftigung bieten wir Perspektive.
Thomas Stürmer
© iStock – t-lorien
Vom Abstellgleis auf die Überholspur
Nach langjähriger Arbeitslosigkeit endlich wieder gebraucht werden. Nicht
nur Handlanger sein, sondern Verantwortung für ein Projekt tragen, das
beflügelt. Gerade Menschen, denen nur wenige Jahre bis zum Renteneintritt
fehlen, landen nach dem Verlust ihrer Arbeitsstelle oft auf dem Abstellgleis.
Anders Frau L. – mit 62 Jahren startet sie beruflich wieder voll durch. Dank
der Aktion 1+1 kann ihre Stelle langfristig abgesichert werden, die ohne diese Unterstützung gestrichen worden wäre.
Für uns ist die Arbeit der Landesgeschäftsstelle insgesamt unverzichtbar.
Insbesondere die diakonischen Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote. Seit ca. acht Jahren sind nahezu unverändert eine Million Menschen in
Deutschland langzeitarbeitslos und auf Unterstützung angewiesen, um wieder Fuß zu fassen und einen Arbeitsplatz zu finden. Wir plädieren seit Jahren
dafür, durch öffentlich geförderte Beschäftigung ausgegrenzten Menschen
Teilhabe an Arbeit und Erwerbseinkommen zu ermöglichen. Das hat sich das
Diakonische Werk Württemberg auf die Fahnen geschrieben. Ein besonderer
Erfolg war es, über Beschäftigungsgutscheine Menschen neue Hoffnung und
Perspektive zu geben. Hierfür gebührt dem Haus besonderer Dank.
© Fotolia – Jörn Buchheim
Wolfgang Sartorius, Vorstand Erlacher Höhe
Über die Aktion 1+1 finanziert das Diakonische Werk
Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Menschen, die sonst
dauerhaft von Arbeitslosigkeit bedroht wären. Die Aktion 1+1 ist rein spendenfinanziert. Mit diesen und
anderen Hilfen ist die Diakonie nahe bei den Menschen. Sie ist Kirche an der Seite der Armen. Sie ist
gleichzeitig Mahnerin, Innovatorin und Impulsgeberin
für Politik und Gesellschaft. Perspektive aufzeigen,
Teilhabe statt Ausgrenzung finanzieren, (Langzeit-)
Arbeitslosigkeit überwinden statt sie als Hauptursache
von Armut verfestigen – das unterstützt den sozialen
Frieden im Land.
Das Diakonische Werk Württemberg hat sich mit weiteren
Verbänden und Trägern in der „ag arbeit in Baden-Württemberg“ zusammengeschlossen. Das gemeinsame
Ziel ist es, die politischen Impulse zur Bekämpfung des
gesellschaftlichen Problems der Langzeitarbeitslosigkeit auf der Landesebene zu ergänzen und zu verstärken. Wir setzen uns für die Fortführung und Weiterentwicklung des Landesarbeitsmarktprogramms ein.
Thomas Stürmer
Abteilungsleiter Landkreis- und
­K irchenbezirksdiakonie, Existenzsicherung
31
Jahresbericht 2015 /2016
Pflege
Für weiterhin gute Pflege
D
ie Rahmenbedingungen für die Pflege sind
in Baden-Württemberg (noch) gut. Damit
das so bleibt, besteht dringender politischer
Handlungsbedarf. Die Verbesserung der
Leistungen in der ambulanten und stationären Pflege
ist nach wie vor eines der wichtigsten sozialpolitischen
Themen von Land und Bund.
Pflegestärkungsgesetz II als zentrales
Reformvorhaben der Politik
Die Bundesregierung brachte das Pflegestärkungsgesetz II auf den Weg, das eine umfassende Veränderung
der Leistungsansprüche pflegebedürftiger Menschen
mit sich bringen wird. Die konkreten Auswirkungen
werden sich ab 2017 zeigen, wenn das Gesetz in der
Praxis wirksam wird. Heute schon ist klar, dass es
zu Leistungsverbesserungen für ambulant versorgte
Menschen und wahrscheinlich zu reduzierten Leistungsansprüchen in der stationären Pflege kommen
Johannes Kessler
Abteilungsleiter
Gesundheit, Alter, Pflege
Adelheid Frank-Winter
Abteilungsleiterin
­W irtschaftsberatung
32
wird. Damit wird die Regierungskoalition die nach
wie vor steigende Nachfrage nach stationärer Pflege ausbremsen. Die Diakonie Württemberg hat die
Leistungsansprüche konkret nachgerechnet und weist
nach, dass Menschen, die eine niedrige Pflegebedürftigkeitsstufe haben werden, zukünftig – wenn sie in
einem Heim versorgt werden müssen – benachteiligt
sind. Deswegen kritisiert das Diakonische Werk diese
politische Strategie, da die demografische Entwicklung
zwangsläufig zu einer stärkeren Nachfrage von Pflegeheimplätzen führen wird. Diese steigende Nachfrage
wird kurz- und mittelfristig nicht durch ambulante Pflegedienste kompensiert werden können.
Mehr Zeit für die Pflege
Heißt konkret: mehr Personal. Unter dem Motto „Mehr
Zeit für die Pflege“ hat das Diakonische Werk im November 2015 eine Kundgebung für alle Leistungserbringerverbände im Land öffentlichkeitswirksam auf
dem Stuttgarter Schlossplatz organisiert. Zentrale
Forderung war die Verbesserung der Arbeitssituation in
ambulanten Pflegediensten und in Pflegeheimen. Mehr
als 1.000 Pflegekräfte und Verantwortliche bei den
Trägern demonstrierten für „Mehr Zeit für die Pflege“.
In den Rahmenvertragsverhandlungen plädierte der
Verband für eine deutliche Anhebung des Personalschlüssels in Heimen. Diesen handeln Kostenträger
und Pflegeheimträger aus, je nach konkreter Situation.
Da eine Verbesserung auf dem Verhandlungsweg nicht
zu erreichen war, riefen die Verbände der Leistungserbringer die Schiedsstelle nach SGB XI an. Mit Erfolg.
Der Schiedsspruch von Dezember 2015 ermöglicht eine
deutliche Erhöhung der Personalschlüssel zur Verbesserung der Pflegequalität. Das Diakonische Werk Württemberg begleitet die Verhandlungen mit den Kassen
und den Sozialhilfeträgern durch viele Interventionen
und Gespräche auf der landespolitischen Ebene.
Was ist uns gute Pflege wert? Vor der Antwort können
wir uns nicht drücken. Nur wenn wir gute Ausbildungsund Arbeitsbedingungen haben, werden Menschen in
Pflegeberufen arbeiten können und wollen. Eine auskömmliche Refinanzierung ist dafür die Basis.
Johannes Kessler
Das Pflegestärkungsgesetz II bringt
für die Pflegebedürftigen viele Verbesserungen. Für die Träger jedoch,
­insbesondere in der vollstationären
­P flege führen die Änderungen zu erheblichen Unsicherheiten sowohl im
Hinblick auf deren künftige Finanzierung als auch auf die Entwicklung der
künftigen Nachfrage. Es besteht der
Eindruck, dass der Gesetzgeber nicht
alle Auswirkungen der Regelungen
zur Überleitung der Pflegesätze oder
zum einrichtungseinheitlichen Eigenanteil im Vorhinein bedacht hat. Dies
erschwert die Umsetzung.
Adelheid Frank-Winter
Die seit Jahren angespannte Finanzierungssituation in
der Pflege wirkt sich direkt auf die Arbeitssituation in
den Pflegeeinrichtungen aus. Obwohl sich viele Träger
um eine hohe Arbeitsplatzqualität bemühen, können
sie nicht verhindern, dass die Personaldecke immer zu
knapp ist. Dies führt zu einer starken Arbeitsbelastung
– vor allem bei Teilzeitbeschäftigten – und schmälert
die Attraktivität des Pflegeberufs. Deswegen sorgen
sich die diakonischen Träger darum, genügend qualifizierte, motivierte und belastbare Nachwuchskräfte zu
finden. Diese werden dringend gebraucht, denn viele
der jetzt aktiven Pflegekräfte sind über 50 Jahre alt
und werden in einigen Jahren in den Ruhestand gehen.
Verbesserung der Finanzierung
stationärer Hospize
Erfreulich ist, dass die stationären Hospize mit der Unterstützung der Landesgeschäftsstelle deutlich höhere
Leistungsentgelte mit den Krankenkassen ausgehandelt haben. Grundlage dafür war ein im Jahr 2015 in
Kraft getretenes „Hospiz- und Palliativgesetz“. Obwohl
die Hospize nach wie vor auf Spenden angewiesen
sind, hat sich ihre finanzielle Situation durch diese
Verhandlungserfolge deutlich verbessert.
Johannes Kessler
Abteilungsleiter Gesundheit, Alter, Pflege
Adelheid Frank-Winter
Abteilungsleiterin ­W irtschaftsberatung
33
Jahresbericht 2015 /2016
Inklusion
Inklusion – vom Projekt
zum landeskirchlichen
Aktionsplan
Wir fördern Teilhabe von Menschen mit
­eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten
V
ielfalt leben heißt: Grundsätzlich sollen alle
Menschen dieselben Möglichkeiten haben,
am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben
gleichberechtigt teilzunehmen und dieses
mitzugestalten. Dafür stehen Kirche und Diakonie,
dafür steht der landeskirchliche Aktionsplan „Inklusion leben“. Seit Ja­n uar 2016 gibt es dazu im Diakonischen Werk Württemberg die Geschäftsstelle mit
Koopera­tionspartnern in Diakonie und Landeskirche
wie etwa das Pädagogisch-Theologische Zentrum und
der Evangelische Landesverband Kindertagesstätten. Der Aktionsplan will Kirchengemeinden, diako­
nischen Einrichtungen und kirchlichen Bildungsinsti­
tutionen Mut machen, vor Ort eigene – auch kleine
– Schritte zu gehen und bietet insbesondere Kirchengemeinden praktische Unterstützung.
Zum Beispiel bei der Gestaltung eines inklusiven Gottesdienstes, einer barrierefreien Jugendfreizeit oder
eines Themenabends über Haltung gegenüber Menschen, die anders sind. Die Geschäftsstelle als Vernetzungsplattform berät, begleitet, unterstützt, betreibt Öffentlichkeitsarbeit, ein Wissensnetzwerk und
koordiniert den Aktionsplan mit allen Beteiligten und
Handlungsfeldern. Ein Fonds unterstützt Aktivitäten
vor Ort. Bis zum Jahr 2020 soll so Inklusion als Querschnittsthema und Handlungsstrategie innerhalb von
evangelischer Landeskirche und Diakonie fest verankert sein. Beispiele aus der Praxis zeigen, wo Inklusion
bereits auf unterschiedlichen fachlichen Ebenen gelebt
und bearbeitet wird.
Mit dem Aktionsplan „Inklusion leben“
Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen angemessen und so gut wie möglich zu
beteiligen, ist ein immer wichtigeres diakonisches Anliegen. Nur – wie geht „angemessen“ beteiligen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt? Mit welchen Schritten
gelingt das? Welche Formen, Ideen und Erfahrungen
gibt es dazu? Einen gangbaren Weg zeigt das Projekt
„Alle beteiligen++“. Menschen mit Behinderung waren
bei Planung, Training und Aufführung von Aktionen
und Veranstaltungen im Sozialraum durchgängig beteiligt. Sie haben beispielsweise einen Kabarettabend
gemeinsam mit Ehrenamtlichen gestaltet und durch ihr
Mitwirken entscheidend geprägt.
wollen Kirche und Diakonie vom Denken ins Tun kommen. Dafür bietet die
Geschäftsstelle im Diakonischen Werk
in den nächsten fünf Jahren Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen vielfältige Unterstützung.
Irene Kolb-Specht
Behindertenhilfe/Psychiatrie:
Sich beteiligen und als wirksam erleben
Jugendhilfe: Auf dem Weg
zu einem inklusiven Bildungssystem
Irene Kolb-Specht
Abteilungsleiterin
Behindertenhilfe
und Psychiatrie
34
Intensiv hat die Diakonie die Gesetzgebung für ein
inklusives Schulgesetz in Baden-Württemberg begleitet. Diakonie und Schulwerk waren an der öffentlichen
Anhörung beteiligt. Seitens des Vorstands wurden
Vielfalt entdecken
und leben
mehrere Gespräche mit dem Kultusminister geführt.
Die kooperativen Formen im Bereich der Schulen für
Erziehungshilfe, die vor allem die diakonischen Träger
in Württemberg vorangetrieben haben, sind im Gesetz
ausreichend berücksichtigt. Damit kann der eingeleitete Übergang zur Inklusion in den nächsten Jahren
fortgesetzt werden.
Migration und Internationale Diakonie
Inklusion richtet sich gegen alle Formen von Ausgrenzung, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft,
Hautfarbe oder sexueller Orientierung. Inklusion betrifft
insofern auch die Gruppe der Migranten und ihre Nachkommen. Erforderlich ist es, die bestehenden Barrieren, Diskriminierungen und Hürden zu erkennen und
abzubauen. Ausgrenzung ist nicht nur in Strukturen zu
finden. Sie zeigt sich auch in Haltungen. Diese aufzubrechen erfordert die Bereitschaft, die eigene Gruppenzugehörigkeit zu reflektieren. Hier setzt der Prozess
der interkulturellen Orientierung und Öffnung an, der
eine vielfältige Gesellschaft als Normalität betrachtet.
Die Diakonie hat dafür die Leitlinien „Interkulturelle
Orientierung als diakonische Qualität“ erarbeitet.
Landkreis- und Bezirksdiakonie/Existenzsicherung: Fonds für Gemeinden
Mit dem Projekt „Förderung teilhabeorientierter Gemeindearbeit“ unterstützt das Diakonische Werk
Kirchengemeinden bis Ende 2017 mit einem Fonds.
Gemeinden oder Kirchenbezirke, die beispielsweise
einen Mittagstisch, eine Hausaufgabenhilfe oder einen Fahrdienst planen, erhalten bis zu 2.000 Euro. Im
Fokus steht, von Ausgrenzung betroffenen Menschen
Teilhabe möglich zu machen. Das Projekt im Rahmen
des Reformationsjubiläums unterstützt insbesondere
die Arbeit von Diakoniebeauftragten und diakonisch
engagierten Ehrenamtlichen.
Wolfram Keppler
Geschäftsführung Aktionsplan Inklusion
35
Jahresbericht 2015 /2016
Pränataldiagnostik, Reproduktionsmedizin, Pua
Pua-Fachstelle*
Pua-Fachstelle – eine kritische Stimme
von Kirche und ­Diakonie zu Pränataldiagnostik
und Reproduktionsmedizin
* Pua = pränatale Untersuchung und Aufklärung
S
eit fast 20 Jahren berät Pua werdende Eltern bei vorgeburtlichen Untersuchungen und
macht auf die konfliktreichen Folgen des medizinischen Angebots aufmerksam. Pua ist
fachkundige Gesprächspartnerin für eine interessierte
Öffentlichkeit, beispielsweise in Kirchengemeinden,
und engagiert sich in Netzwerken. Bis heute ist diese
Fach- und Beratungsstelle ein württembergisches Alleinstellungsmerkmal unter den Evangelischen Landeskirchen.
Seit 2012 ist die Leitungsstelle von Pua eine (bewegliche) Pfarrstelle. Die Landessynode hat diese Stelle im
Frühjahr 2016 in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen und damit ihre Bedeutung als kritische Stimme von Kirche und Diakonie in Württemberg gestärkt.
Pränataldiagnostik (PND) – ein brisantes Angebot
Vorgebur tliche Untersuchungen, die gezielt nach
Krankheiten und Behinderungen beim ungeborenen
Kind suchen, sind Regelangebot in der Schwangerenvorsorge. Oft gehen die werdenden Eltern zu diesen
Untersuchungen, ohne genau zu wissen, was diese
entdecken können und was nicht – oder sie verdrängen es. Eine frühzeitige Beratung kann für das Paar
eine Hilfe bei der Entscheidung sein, ob und welche
Untersuchungen es nutzen will.
„Vielen Dank für das einfühlsame Gespräch. Wir erwarten
nun – meist freudig gespannt –
die Geburt unseres Sohnes.“
Paar (Ende 30), rang nach einem Befund
über eine Behinderung des Kindes um
eine gemeinsame Entscheidung
36
Das Regelangebot bekommt eine besondere Tragweite
durch die Schere zwischen Diagnostik und Therapie:
PND kann zwar immer mehr diagnostizieren, aber nur
weniges davon behandeln. Erst recht trifft das auf die
genetischen Besonderheiten zu, nach denen PND vor allem sucht: Etwa beim Down-Syndrom – Trisomie 21 – ist
das 21. Chromosom dreifach vorhanden. Eine Therapie
dagegen existiert nicht. Daher ist bei einem solchen Befund der Schwangerschaftsabbruch die einzige Alter­native zur Geburt eines behinderten Kindes – für das Paar
eine oft kaum erträgliche Entscheidungssituation, in
der professionelle Beratung wie die von Pua weiterhilft.
PND – Erwartungsdruck der Gesellschaft
Auf werdenden Eltern lastet ein sozialer Druck, PND
zu nutzen. Verbunden mit der zunehmenden gesellschaftlichen Übereinkunft, dass Kinder mit Behinderung heute „nicht mehr sein müssen“. Ein behindertes
Kind steht in der Logik der PND immer mehr für ein
schuldhaftes Versäumnis der Eltern oder einen Kunstfehler des Arztes. Eltern eines behinderten Kindes
bekommen das häufig zu hören und zu spüren.
Darüber müssten wir reden…
PND ist nicht nur für das einzelne Paar ein brisantes
Thema, sondern auch für uns als Gesellschaft, die diese Angebotsstruktur vorhält, als Solidargemeinschaft
(mit)finanziert und ihre Nutzung als vernünftig und
verantwortlich deklariert. Wir müssten beispielsweise darüber reden – Pua stößt diese gesellschaftliche
­D iskussionen immer wieder an –,
was wir uns mit einem medizinischen Fortschritt
…
einhandeln, durch den unter der Hand aus der Hoffnung auf ein gesundes Kind eine Pflicht zum gesunden Kind zu werden droht und der eine Schwangerschaft auf Probe als sozialen Standard nahelegt
„Das Gespräch mit Ihnen hat mir geholfen, eine
für mich gute Entscheidung zu treffen. Gut, dass
es solche Stellen gibt.“
Klientin (43), schwanger mit ihrem ersten Kind, ihr Umfeld
drängte sie zu vorgeburtlichen Untersuchungen
„Solche Stellen wie Pua sind es, die mich
trotz allem noch in der Kirche halten.“
Ärztin, vermittelte ihre Patientin nach einem Spätabbruch zu Pua
… ob wir es gut heißen können, dass der genetische
Bluttest auf Trisomie 21 eine Kassenleistung werden
soll, obwohl lediglich der Befund festgestellt und
keine Therapie, weil nicht existent, durchgeführt
werden kann
… dass private Firmen aus wirtschaftlichem Interesse Tests auf den Markt bringen können, die
mit zentralen gesellschaftlichen Werten kollidieren,
ohne dass es eine nennenswerte politische Debatte
über die Folgen gibt.
Pua leistet
qualifizierte, ergebnisoffene, vertrauliche Beratung
von Frauen, Paaren und Familien vor, während und
nach vorgeburtlichen Untersuchungen, nach der Geburt des Kindes oder bei einem Schwangerschaftsabbruch und in der Trauer um ihr verlorenes Kind.
Fachberatung von Fachkräften verschiedener Handlungsfelder
differenzierte Information und Aufklärung über Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin, beispielsweise
Pua – die mutige H
­ ebamme (2. Mo 1,15)
Hebamme im Alten Testament, die
sich aus Gottesfurcht dem Befehl
des Pharaos widersetzte, männliche
hebräische Babys bei der Geburtshilfe sterben zu lassen.
– im Unterricht in allgemeinbildenden Schulen oder
Fachschulen
– in Vorträgen, beispielsweise in Kirchengemeinden
– in Fachtagungen und Seminaren
– d urch Pressearbeit, Stellungnahmen oder Informationsbriefe zu aktuellen Themen
Claudia Heinkel
Pua-Fachstelle
ehr Info
M
www.diakonie-wuerttemberg.de/pua
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Jahresbericht 2015 /2016
Theologie, Bildung und Ethik
Mit schwierigen
Situationen besser
fertig werden
N
ach dem Besten suchen. So kann man in Anlehnung an Jeremia 29,7 den diakonischen
Auftrag beschreiben. Nach dem Besten
suchen – für die Stadt, die Gemeinde, die
ganze Gesellschaft, auch für den einzelnen Menschen,
für Klienten und Mitarbeitende.
Nur – was ist das Beste? Diese Grundfrage der Ethik
lässt sich selten eindeutig beantworten. Vermeintlich
einfache Antworten sind gefährlich, weil sie unter Umständen dem einzelnen Menschen in seiner komplexen
Situation nicht gerecht werden. Nicht weniger problematisch ist es freilich, die Frage nach dem Besten
gar nicht mehr zu stellen. Bildung verstehen wir als
gemeinsames Bemühen, dieser Frage nach dem Besten unentwegt und gezielt nachzugehen. Theoretisch
und praktisch. Stets so, dass Theorie Praxis aufgreift,
reflektiert und auf erneute Praxis zielt.
„Die Ethikberatung entlastet die Mitarbeiter psychisch. Sie haben erfahren, dass
sie mit den Problemen nicht allein sind.“
Anette Jaki, Pflegedienstleitung
In diesem Sinne gestalten wir unsere Bildungsarbeit
für Leitungspersonen und Mitarbeitende diakonischer
Einrichtungen: Sie beinhaltet ethische Reflexion und
zielt auf eine diakonisch verantwortete Praxis. Dazu
ist immer wieder die Basis zu klären, auf der wir das
Dr. Joachim Rückle
Abteilungsleiter
Theologie und Bildung
38
tun. Welches Bild vom Menschen haben wir? Welches
Bild von einer guten Gesellschaft? Und wie verbindet
sich das mit unserem christlichen Glauben und unserer
christlichen Tradition?
„Der Führungskräftetag Ethik hat mir ein
Stück Glauben an den Sinn meiner Arbeit
zurückgegeben.“
Roland Holunder, Heimleitung
In unseren stark nachgefragten Kursen zu den Grundlagen diakonischer Arbeit geschieht genau das. Für
viele Teilnehmende ist es wichtig und motivierend,
die gemeinsame Basis unserer diakonischen Arbeit
zu entdecken und darüber reden zu können. Derzeit
entwickeln wir für Führungskräfte ein neues Konzept
der Fortbildung „Diakonie kompakt“. Es soll Entscheidungsträger in der Diakonie unterstützen, Entscheidungen und ihr Zustandekommen zu reflektieren und
im Rückbezug auf das eigene diakonische Leitbild zu
begründen.
„Das Projekt hilft uns, gute, menschenwürdige Versorgung zu sichern und
entlastet Mitarbeiter und Angehörige.“
Isabell Löhr und Birgit Frey, Diakoniestation Fellbach
Im Projekt Ethikberatung in der Altenhilfe, das zwei
Jahre bis Juli 2016 lief, haben wir deshalb die Führungskräfte eingebunden. Projektziel war es, ethische
Fallbesprechungen in der ambulanten und stationären
Altenhilfe wirkungsvoll und nachhaltig einzuführen.
Zwölf Dienste und Einrichtungen waren beteiligt, 24
Ethikmoderatoren wurden qualifiziert. Die Teams nehmen ethische Fragestellungen in den Blick und suchen
tragbare Lösungen für hilfe- und pflegebedürftige Menschen und für Mitarbeitende. Die Erfahrung ist durchweg: Auch wenn es oft keine leichten und eindeutigen
Antworten gibt, hilft das gemeinsame Nachdenken,
„Es geht im Sinne einer ethischen Grundhaltung darum,
ein Sensorium zu entwickeln für das, was in einer ­bestimmten Situation den Beteiligten zum Besten dient.
Ethik wird damit zu einem entscheidenden Faktor für
die Qualität diakonischer Arbeit.“
Dr. Joachim Rückle
Aufbauend auf diesen Erfahrungen und vielen Gesprächen entstand das Konzept „Wissen Was Tun“. Es
zielt darauf durch Einführung von Ethikberatung die
ethische Reflexion insgesamt zu stärken. Es lenkt den
Blick auf das Ziel ethischer Reflexion: wissen, was
zu tun gut ist. Nicht im Sinne von richtig und falsch,
sondern im Blick darauf, was die Lebenssituation von
Menschen verbessern kann.
Ethik ist aber nicht nur in der Pflege ein wichtiges Thema. Auch für die Hauswirtschaft und für die Beschäftigung internationaler Fachkräfte haben wir ethische
Standards formuliert. Und am Fachtag Ethik im September 2016 haben Vertreter aus der Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Sozialpsychiatrie und Migration grundsätzlich und an konkreten Beispielen über das Verhältnis
von Selbstbestimmung und Fürsorge nachgedacht.
„Mitarbeiter öffnen ihren Blick für die
anderen Disziplinen. Verständnis, Füreinander und Miteinander werden gestärkt.“
Ethische Reflexion bedeutet, genau hinzuschauen und
hinzuhören, aufeinander zu hören und voneinander zu
lernen.
Dr. Joachim Rückle
Abteilungsleiter
Theologie und Bildung
Dorothea Kaupp, Seniorenzentrum Steinenbronn
mit schwierigen Situationen besser fertig zu werden.
Gemeinsam zu klären, was das Beste in einer bestimmten Situation ist, wenn zum Beispiel jemand die Behandlung oder die Nahrungsaufnahme verweigert.
Ethikberatung bringt Klarheit, entlastet den Einzelnen
und spornt an, das Beste tatsächlich anzugehen. Von
positiven Effekten der Ethikberatung auf die Zusammenarbeit im Team und mit Vorgesetzten berichteten
mehrere Teilnehmende. Ethikberatung dient dem Wohl
der betreuten und der betreuenden Menschen, sorgt
für positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und
stärkt die diakonische Identität von Mitarbeitenden.
39
Jahresbericht 2015 /2016
Evangelisches Schulwerk Baden und Wür ttemberg
Bildung kommt gut an
D
Strukturelle Veränderungen in
der Bildungslandschaft
as Evangelische Schulwerk betreut für Kirche und Diakonie mehr als 200 allgemeine
und berufliche Schulen und Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren.
Es agiert auf politischer und ganz praktischer Ebene,
damit die Existenz der Bildungsstätten gesichert ist
und rund 25.000 Schüler, Auszubildende und Lehrkräfte gut an ihrem Ziel ankommen: ihre Schul-, Aus- und
Weiterbildung mit Erfolg abzuschließen.
Zahlreiche Veränderungen im Bildungswesen durch
gesetzliche und untergesetzliche Regelungen stellten unsere Schulen vor große Herausforderungen: die
„Weiterentwicklung der Realschulen“ mit der Pflicht,
zusätzlich einen Hauptschulabschluss anzubieten und
die Kinder adäquat zu fördern, die gesetzliche Verankerung der Ganztages-Grundschule, die Auswirkungen des kommenden Pflegeberufegesetzes, der
neue Bildungsplan, die Veränderungen im Bereich
frühkindlicher Bildung, die neue Entgeltordnung und
viele andere. In Gesprächen, pädagogischen Tagen,
Fachtagen und Informationsveranstaltungen hat das
Schulwerk seine Mitgliedsschulen in der Anpassung
an diese Veränderungen beraten oder zur Nutzung der
Privatschulfreiheit ermutigt.
Das Evangelische Schulwerk arbeitet an Schulentwicklungsmodellen und sichert die Qualität evangelischer
Bildung durch Evaluation.
Evangelische Schulen waren Vorreiter in der Entwicklung zu inklusiven Schulen. Im Projekt „Inklusionsorientierte Schulentwicklung“ hat das Schulwerk sie begleitet.
Es bietet die Plattform zur Vernetzung der Schulen,
ermöglicht einen regen Erfahrungsaustausch und berät
die Schulen. Seit 2015/2016 ist Inklusion im Schul- und
Privatschulgesetz verankert.
Das Schulwerk arbeitet in verschiedenen Gremien mit,
die den Gesetzgebungsprozess begleitet und Stellungnahmen formuliert haben. Noch ist die Finanzierung für
Kinder mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch
in allgemeinen Schulen nicht ausreichend und die Öffnung von Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) nur in sehr begrenztem Umfang
möglich. Über die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen
bringt das Evangelische Schulwerk die Forderungen
und Bedarfe seiner Schulen ein. Ein SBBZ war mit Unterstützung durch das Schulwerk in der Lage, eine Gemeinschaftsschule zu gründen, die es ihm ermöglicht,
Kinder ohne sonderpädagogischen Bildungsanspruch
aufzunehmen.
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© Grundschule Eschenau
Inklusion
Nachqualifizierung von Lehrkräften
Da die Ministerien die strikte Einhaltung der
Zwei-Drittel-Quote einfordern, kamen viele Träger im
Bereich beruflicher Bildung in Schwierigkeiten. Das
Schulwerk hat einen Kurs zur pädagogischen Nachqualifizierung eingerichtet. Silke Groß über ihre Erfahrungen: „In den Fachschulen für Sozialpädagogik
wird eine Zwei-Drittel-Quote an Lehrenden gefordert,
die ein zweites Staatsexamen für ihr Unterrichtsfach vorweisen können. In Zusammenarbeit mit dem
Kultusministerium hat das Schulwerk ein Curriculum
erarbeitet und eine Nachqualifizierung angeboten.
Über diesen Einsatz des Evangelischen Schulwerks
bin ich sehr froh, weil auch ich diese Qualifizierungen
brauche, um als stellvertretende Schulleitung an der
Fachschule zur Quote zu zählen. Besonders profitiert
habe ich von den gegenseitigen Unterrichtsbesuchen
der Kolleginnen und Kollegen der Qualifizierung und
des Schulwerks, das mir wertvolle Impulse für einen
qualitativ hochwertigen Unterricht mitgaben.“
Silke Groß-Kochendörfer
Stellvertretende Schulleiterin in der Fachschule
für Sozialpädagogik und im Berufskolleg
für Praktikantinnen und Praktikanten
Ludwig Schlaich Akademie
Urteil des Staatsgerichtshofs
Der Staatsgerichtshof – inzwischen Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg – hat in seinem Urteil
vom 8. Juni 2015 die Privatschulfinanzierung für nicht
verfassungskonform erklärt. Eine Arbeitsgruppe der
Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen erarbeitet mithilfe
eines juristischen Gutachtens die gemeinsame Position
der Privatschulverbände, um damit in Verhandlungen mit dem Kultusministerium einzutreten. Ziel des
Schulwerks ist es, durch politische Lobbyarbeit eine
optimale Lösung für seine Schulen zu erreichen.
Eckhard Geier
Geschäftsführer Evangelisches Schulwerk
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Sie kommen gut an.
Weil sie teilhaben und ­
Menschen sie respektieren.
Ob arbeitslos, mit Behinderung,
(sucht-)krank, überschuldet –
für Ausgrenzung gibt es viele
Gründe. Ausgrenzung überwinden und Teilhabe ermöglichen
­sichert den sozialen Frieden.
Das ist diakonisch und wirtschaftlich sinnvoll. Für eine gute
Gesellschaft für alle.
Foto: Gabriele Freimüller, Arbeitskreis Asyl Schömberg
Dr. Robert Bachert
Finanzvorstand
www.diakonie-wuerttemberg.de