„Diakonie ist politisch“ text Matthias Dembski

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persönlich
BEK Forum November 2015
„Diakonie ist politisch“
text Matthias Dembski
foto Kerstin Rolfes
Der neue Vorstandsvorsitzende der Diakonie will sich für bessere Pflegequalität und interkulturelle Öffnung engagieren.
Bei der Finanzierung sieht er auch die Kirche in der Pflicht – zum Beispiel bei der Sterbebegleitung.
Zum christliche Menschenbild in der Pflege gehört nach seiner Auffassung auch eine angemessene Bezahlung.
Als ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender nur der „Grußonkel“ zu sein, kommt für
„Schnelle, unkomplizierte Hilfe vor Ort leisten“
Bertold Frick nicht in Frage. Der Bremer Rechtsanwalt will sich in seinem neuen
Ehrenamt bei der Bremer Diakonie einmischen. „Gemeinsam mit dem Vorstands-
Derzeit arbeitet der DW-Vorstand an einer neuen Satzung für den Spitzenverband.
Team möchte ich sozialpolitisch etwas bewirken, nicht nur einen guten formalen
Auch ein neues Diakoniegesetz der Bremischen Evangelischen Kirche ist im Werden.
und rechtlichen Rahmen für die Arbeit unserer Mitgliedseinrichtungen schaffen.“
„Wir sind ein eigenständiger, starker Partner der Kirche, der sich in diese Diskussion
Zehn Jahre war der 48-jährige Familienvater Bauherr in der Friedensgemeinde, de-
einmischt. Denn Verkündigung und Sozialarbeit gehören zusammen.“ Frick möchte
ren stadtteilorientierter sozialdiakonischer Arbeit er bis heute eng verbunden ist. Im
die Vernetzung beider Arbeitsfelder stärken. „Gemeinden und diakonische Einrich-
Viertel rief er unter anderem das Projekt „Bildungsbrücke“ mit ins Leben, das die
tungen können in den Stadtteilen gemeinsam viel bewegen wie aktuell für Flücht-
„Schulnebenkosten“ für Kinder aus armen Familien übernimmt. Auch als Vorstand
linge. Unsere gemeinsame Kernkompetenz ist die schnelle, unkomplizierte Hilfe vor
der Bremer Bürgerstiftung, im Rotary Club und als Gründer einer eigenen Kinder-
Ort.“ Über die große Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen ist er froh. „Das Klima
geldstiftung ist der Rechtsanwalt engagiert.
in Bremen stimmt, aber wir haben eine langfristige Integrationsaufgabe vor uns. Da-
Seit Sommer ist Frick nun auch Chef des DW-Vorstands. Als Herausforderungen
bei müssen wir auf die Belange unterschiedlicher sozialer Gruppen achten, wenn es
nennt er vor allem die soziale Schere, die sich in Bremen immer weiter öffne. „Un-
zum Beispiel um die Vermittlung bezahlbaren Wohnraums geht.“ Denn den benö-
sere Stadt wird - nicht zuletzt durch die Flüchtlinge - internationaler. Wir müssen an
tigen in Bremen nicht nur Flüchtlinge. „Hier brauchen wir eine gute Koordination,
einer guten Integration mitarbeiten. Eine weitere Aufgabe ist die älter werdende Ge-
damit alle gleichermaßen zum Zuge kommen. Integration wird nur gelingen, wenn
sellschaft, für die wir eine nachhaltige Infrastruktur aufbauen müssen.“ Diakonische
wir die soziale Balance in unserer Stadt insgesamt im Auge haben.“
Angebote müssten sich stärker für zugewanderte Menschen öffnen. „Dabei stellt sich
auch die Frage, wen wir als christlicher Wohlfahrtsverband anstellen dürfen, wenn
wir die gesellschaftliche Vielfalt auch beim Personal abbilden wollen.“ Ohnehin sei
zu fragen, was ein Sozialunternehmen heute zu einem Diakonie-Mitglied mache.
„Die Kaputtspar-Spirale ruiniert die Pflege“
„Der kirchliche Weg muss im Tarifvertrag erkennbar sein. Diakonische Unternehmen dürfen das Rennen um die niedrigste Entlohnung nicht mitmachen. Die Kaputtspar-Spirale runiert die Pflege.“ Die werde ohnehin zu schlecht bezahlt. „Es geht
dabei um Menschen, nicht um abstrakte wirtschaftliche Investitionen, die sich rechnen müssen. Wir brauchen in der Bremischen Evangelischen Kirche dringend kreative Ideen, wie wir das christliche Menschenbild in der Diakonie stärker akzentuieren
können, indem wir für eine bessere Ausstattung der Pflege sorgen. Denkbar wäre
etwa ein Festbetrag von einer Million Euro jährlich aus Kirchensteuermitteln, um
zum Beispiel die Sterbegleitung besser auszustatten.“ Nur durch unkonventionelle
Ideen ließe sich die Pflegequalität verbessern und motiviertes Personal gewinnen.
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fakten
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Das Diakonische Werk (DW) hat 40 Mitglieder, darunter Friedehorst, der Verein
Innere Mission und das Diako-Krankenhaus. Als Spitzenverband der Freien
Wohlfahrtspflege vertritt es sie gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit.
Die diakonischen Einrichtungen decken das gesamte Spektrum der sozialen
Bertold Frick
Arbeit in Bremen ab, z.B. Wohnungslosenhilfe, Altenpflegeeinrichtungen, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes Bremen
Suchtkrankenhilfe, Flüchtlingswohneinrichtungen, Streetwork und
Beratungsstellen.
Landesdiakoniepfarrer und Geschäftsführer des DW ist Manfred Meyer.
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www.diakonie-bremen.de