Wenn Zusperren zu teuer ist

MACHE R & MÄRK T E
Tankstellenschließungen
Betriebsschluss
Wenn Zusperren zu teuer ist
80.000 Euro und mehr kostet die Schließung einer kleinen Tankstelle.
Weil sich viele Eigenhändler diese Summen nicht leisten können, müssen sie
trotz geringen Einkommens weitermachen.
© antonsov85/Fotolia.com
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it manchen Tankstellen ist es
wie mit einer unglücklichen
Paarbeziehung: Man verlässt
einander nicht, weil man sich ein Leben
ohne den Partner trotz aller Widrigkeiten
nicht vorstellen kann, weil Alternativen
und Perspektiven fehlen. Und manchmal
verlässt man einander nicht, weil man es
sich schlicht nicht leisten kann.
Einer, der viel von solch schwierigen
Beziehungen erzählen kann, ist Harald
Pfleger, Obmann des Verbandes der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). „Es gibt viele
Eigenhändler, die sich eine Schließung
ihres Betriebes nicht leisten können“, erzählt Pfleger. „Oft sind die Grundstücke
angemietet, und bei Beendigung des Vertrages muss der Urzustand wiederhergestellt werden – sozusagen ‚grüne Wiese‘“,
berichtet Pfleger. Es muss entgast, gereinigt und die Tanks müssen entsorgt werden. „Früher konnte man die Tanks einfach einschlämmen, aber das ist seit den
1980er-Jahren verboten.“ Wer heute zusperren will, muss ganz genau Buch führen, wie und wann die Tanks gereinigt und
entsorgt wurden. Durch die aufwendigeren Verfahren sind Schließungen viel
teurer geworden.
„Die Auflassung einer kleinen Tankstelle kostet ab 80.000 Euro aufwärts. Da
dürfen aber keine Kontaminationen vorliegen“, beziffert Pfleger. Viele Betreiber
können diese Summe nicht aufbringen,
weshalb sie trotz geringen Gewinns weitermachen müssen. „Das trifft oft auf
typische Gasthaus-Tankstellen zu, die ein
bisschen Benzin dazu verkaufen. Eine
Schließung ist hier einfach nicht drin“,
sagt Pfleger. Bei größeren Tankstellen, bei
tankstellenWelt
2015 (3)
Tankstellenschließungen MACHER & MÄR K T E
© Putz
KOSTENABSCHÄTZUNG MITTELS
BOHRUNGEN
Wer wissen will, wie es um Boden und
Grundwasser auf dem Tankstellenareal
bestellt ist, kann Bohrungen durchführen
lassen. Karl Putz, Geschäftsführer der
Ensowa Innovations- und Umweltconsulting GmbH, hat sich mit seinem Unternehmen unter anderem darauf spezialisiert. „Eine umfangreiche Untersuchung
mittels Bohrungen inklusive Analytik und
Bericht kostet zwischen 3.000 und 6.000
Euro. Der Preis ist abhängig vom Umfang
der Untersuchung und von der Anzahl
der Bohrpunkte“, sagt Putz. Auf Basis der
Ergebnisse lassen sich dann leichter Entscheidungen treffen – sei es im Fall einer
geplanten Schließung oder bei einer Neuübernahme. Wie viel eine Sanierung kostet, lässt sich laut Putz nur abschätzen,
nachdem für den betreffenden Betrieb ein
konkretes Konzept erstellt wurde.
Aber, so Putz, „wir haben ein Verfahren
entwickelt, das vorteilhafter als herkömmliche Methoden ist“. Der Abbau der Kontaminationen erfolgt rein biologisch
durch die gezielte Aktivierung von Mikroorganismen in Boden und Grundwasser.
Mit Kohlenwasserstoffen verunreinigte
Böden beziehungsweise Flächen werden
ohne Erdbewegungen zurückgewonnen.
© Pfleger
denen vielleicht auch Überfüllungen der
Tanks passiert sind, müssen Betreiber fürs
Zusperren schon mal 300.000 oder
400.000 Euro berappen. Jede Kontamination treibt die Kosten in die Höhe.
Karl Putz untersucht das Areal
von alten Tankstellen.
Baggerungen und Transporte mit den
damit verbundenen Belastungen für die
Umwelt entfallen. Laut Putz ist das Verfahren für Tankstellenbetreiber auch mit
geringeren Kosten verbunden.
VERPACHTEN STATT SCHLIESSEN
Wenn Zusperren und eventuell noch
Sanieren aber trotzdem nicht möglich
sind, greifen Tankstellenbetreiber auch zu
anderen Mitteln, um ihren Betrieb loszuwerden. „Es gibt immer wieder Eigenhändler, die ihre Tankstelle an eine der
großen Mineralölgesellschaften verpachten“, weiß Pfleger. Der Tankstellen-Obmann erzählt von einem älteren Ehepaar,
das des Tankstellenbetreibens müde geworden war und es geschafft hat, seinen
Betrieb an einen der Multis zu verpachten.
Reich werden ehemalige Eigenhändler
dadurch aber nicht, im Gegenteil. Die
Pachtsummen, die von den großen Ge-
Harald Pfleger empfiehlt, den
Tankstellenvertrag zu lesen.
sellschaften gezahlt werden, sind niedrig
– wissen sie doch, dass es für die Betreiber
ohnehin kaum Alternativen gibt.
Manchmal steckt der Teufel aber auch
im Detail. „Ich werde immer wieder von
Tankstellenbetreibern angerufen, die von
mir wissen möchten, was sie in Sachen
Schließung tun sollen“, berichtet Pfleger.
Sein Ratschlag ist immer gleich: „Lies
einmal deinen Vertrag!“ In diesen, oft vor
Jahrzehnten unterzeichneten Verträgen,
finden sich manchmal Absätze, „die sind
wie kleine Hinrichtungen“, sagt Pfleger.
Eigenhändler stolpern dann über etwas,
von dem sie sich bei Vertragsunterzeichnung gedacht haben, dass „es schon nicht
so schlimm sein wird“. Die romantische
Beziehung, die man einst mit der Tankstelle einging, kann so zu einer schmerzvollen und teuren Scheidung führen – lebenslange Abneigung nicht ausgeschlossen.〱
Lisbeth Klein