864 und 864a ABGB

§§ 864 und 864a ABGB
Kolmasch
• Der Anbotsempfänger hat bei dieser Annahmehandlung wirklichen Annahmewillen und ist
geschäftsfähig (hM). Der Annahmewillen muss vollinhaltlich dem Anbot entsprechen, da ansonsten Dissens vorliegt.
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Liegen nicht sämtliche Voraussetzungen vor, um eine Annahmehandlung als stille Annahme
qualifizieren zu können, ist zu prüfen, ob es sich bei der Handlung des Anbotsempfängers nicht
um eine (schlüssige) Willenserklärung handelt, die mit dem (rechtzeitigen) Zugang beim Anbietenden zur Annahme nach §§ 861 oder 863 führt (8 Ob 131/03b).
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Nach einhM kann die stille Annahme durch den Annehmenden frei widerrufen werden, solange der Anbietende davon keine Kenntnis erlangt hat. Sobald beim Anbietenden schutzwürdiges
Vertrauen auf die Annahme entstanden ist, ist nur noch die Anfechtung des Rechtsgeschäfts unter
den Voraussetzungen der §§ 870 ff möglich.
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Aufdrängen von Sachen (Abs 2). Die zur Umsetzung von Art 9 Fernabsatz-RL 97/7/EG
dienende Regelung wendet sich (in Verbindung mit der Verwaltungsstrafbestimmung des § 32
Abs 1 Z 5 KSchG) gegen Vertriebspraktiken, die darin bestehen, potentiellen Abnehmern unverlangt Waren zu übersenden. Das Gesetz verwendet überhaupt den weiten Begriff Sachen, unter
den auch Dienstleistungen fallen (Übersenden ist dann wohl im Sinn des Aufdrängens ohne Verhinderungsmöglichkeit zu verstehen). Die Übersendung darf nicht vom Empfänger veranlasst
sein. Als Veranlassung soll nach den Gesetzesmaterialien nicht nur eine Bestellung, sondern bereits jede adäquate Verursachung gelten (RV 311 BlgNR 20. GP). Die dort weiters vertretene
Ansicht, aufgrund einer Bestellung seien auch unverlangte Mehrlieferungen als veranlasst anzusehen, wird in der Lit zu Recht als zu weitgehend abgelehnt.
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S 1 schließt es nach hL nicht aus, das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen der Sache
als stille Annahme iSd Abs 1 oder als konkludente Annahme iSd § 863 zu werten, sofern ein Abschlusswille des Empfängers vorliegt. Klargestellt wird damit lediglich, dass derartiges Verhalten
ohne entsprechenden Willen keine Annahme des in der Zusendung zum Ausdruck kommenden
Angebots bedeuten kann. Den Annahmewillen des Empfängers hat der Übersender zu beweisen.
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Nach S 2 trifft den Empfänger weder eine Verwahrungs- noch eine Rückgabepflicht. Er
kann die Sache wegwerfen oder vernichten, ohne schadenersatzpflichtig zu werden. Entgegen
den Materialien ist er nach hA, die sich nicht zuletzt auf die richtlinienkonforme Interpretation
stützen kann, auch keinen Bereicherungsansprüchen ausgesetzt, wenn er die Sache verwendet
oder verbraucht.
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Eine Handlungspflicht gegenüber dem Übersender trifft den Empfänger jedoch im Fall einer
erkennbar auf einem Irrtum beruhenden Zusendung. Dabei hat er die Wahl zwischen Benachrichtigung oder Rücksendung. Beides hat in angemessener Frist zu erfolgen. Verstöße können
Schadenersatzpflichten auslösen, wobei wohl leichte Fahrlässigkeit genügt, den Empfänger aber
keine Nachforschungspflichten hinsichtlich des Irrtums treffen (der schließlich bereits „nach den
Umständen“ auffallen muss). Die Verständigungs- oder Rücksendekosten hat der Übersender
nach den Regeln der GoA (§§ 1035 ff) zu ersetzen.
§ 864a. Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, werden nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den
Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen
brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.
Fassung BGBl 1979/140
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In AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsklauseln unterliegen der Geltungskontrolle nach § 864a sowie der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3. Beide Bestimmungen gelten
generell für alle Vertragsverhältnisse, also auch für Verträge zwischen Unternehmern (einhM,
abgb-takom.lexisnexis.at/586
Schwimann (Hrsg.), ABGB Taschenkommentar2, LexisNexis