Warlords of Draenor Kapitel VIII – Die Prüfung des Ochsen Mit

Anlehnung an: World of Warcraft – Warlords of Draenor
Kapitel VIII – Die Prüfung des Ochsen
Mit einem trockenen Mund und Magenschmerzen wachte sie auf. Es war schon
hell, aber fast totenstill. Der Staubige Boden war noch von der gestrigen Sonne
warm und staubig. Einsame Vögel kreisten über die kleine Garnison unterhalb der
Klippe mit dem Zelt. Als sie nach ihrem Trinkschlauch wühlte, konnte sie das
knistern des Feuers hören.
Vorsichtig sah sie hinter dem Zelt vor, unschlüssig ob sie jemand gehört hatte.
Dort saß nur einer. Ob Kohn geschlafen hatte, konnte sie nichtsagen. Jeder von
ihnen sah aus als wären sie seit Wochen ohne Schlaf und Essen unterwegs
gewesen.
Die Frage, ob sie ihnen sagen sollte, wer ihr Gönner war, kreiste noch immer in
ihrem Kopf. Den Blick zu den Bergen hinauf dachte sie über das nach, was ihr
Goushin sagte und drehte ihren Trinkschlauch in ihren Pfoten.
Bekannte Stimmen rissen sie aus ihren Gedanken.
Ins Lager war Leben gekommen. Als Yonoko um das Zelt herum ging, verschwand
der Schlauch in ihrem Rucksack und dieser wieder auf ihren Schultern.
„Morgen Vildana. Hat wer was zu essen?“
„Morgen.“
„Ist nichts mehr im Zelt?“
„Hallo zusammen.“
„Morgen Yonoko.“
Ahonas Frage blieb unbeantwortet. Die rote Pandaren erntete einen undeutbaren
Blick von Kohn, der dem Blick durch seine Stimme noch einmal nachdrücklich
klarmachte, was er am Abend zuvor sagte.
„Yonoko… Hatte nicht ehrlich mit deiner Rückkehr gerechnet.“
„Ja, ich bin schon in der Nacht zurückgekommen.“
Die anderen wussten wahrscheinlich nicht einmal was genau passiert war oder
was sie zu Kohn gesagt hatte, aber das war ihr in dem Moment egal gewesen.
Seine Worte wurden nur mit einem bösen Blick quittiert.
„Und ich habe einiges mit euch zu besprechen. Ernste Dinge die vor allem Lao betreffen.“
„Esst erst einmal etwas, Yonoko.“
Mit einem nicken setzte sie sich zu ihnen ans Feuer. Vildana war verhältnismäßig
angespannt. Mit einem Stein schleifte sie ihre kleine schartige Klinge und
schwieg beharrlich.
„Das Brot ist besonders gut.“
„Danke, aber nach der letzten Nacht, ist mir gerade nicht nach essen.“
Vor allem aber wegen der noch anhaltenden Bauchschmerzen. Nach Worten
suchend atmete sie noch einmal tief durch.
„Also gut, zuerst versuche ich nochmal zu erklären was Sha ist.“
„Negative Gefühle, die als Kreaturen erscheinen.“
Ein nicken bestätigte seine Aussage.
„Sha ist wie ein Parasit, der sich im Körper festbeißt. Er beeinflusst nicht nur die Gefühle,
sondern auch Handeln und Gedanken.“
„Aber wenn das Sha durch negative Emotionen entsteht, entstehen sie dann nicht in Euch
selber?“
„Richtig Ahonas. Der Unterschied ist nur, ich habe keinen Grund dafür. Keinen Grund das
Sha, das in jedem Lebewesen existiert wachsen zu lassen.“
„Wenn ich sauer bin, hau ich Leuten eine rein. Einfach zu verstehen soweit.“
Schweigend aber mit offenen Ohren schliff Vildana ihr Messer weiter.
„An sich ja. Aber mit genau dieser Tat, ernährst du das Sha. Es wächst, wird stärker. Solche
Vorfälle häufen sich und werden massiver.“
„Also gibt es da wo Ihr herkommt, keine Barschlägereien? Mann, wie trostlos… Moment, ich
habe kein Sha.“
„Doch Kohn. Es ist das Sha des Hasses. Aber bei dir artet es nicht aus. Im Gegensatz zu Lao.“
„Ach Papperlapapp. Aber redet weiter.“
„Pandaren sind weder Schläger, noch Mörder. Genau das hat mich zweifeln lassen. Lao sagte
das Goushin Alessaja getötet haben soll. Kein Pandaren wäre dazu in der Lage.“
Vildana hob eine Augenbraue, schwieg aber beharrlich.
„Kein Pandaren ist zu etwas schlechtem in der Lage… Da macht Ihr aber eine sehr große
Verallgemeinerung, meint Ihr nicht?“
„Das mag für dich so klingen, Kohn. Schlecht und Böse sind zwei Dinge. Ein Mörder zu sein ist
etwas anderes als ein hungriger Dieb.“
„Ihr könnt mir erzählen, was ihr wollt. Das die gesamte Rasse der Pandaren ohne Ausnahme
hochheilige des Lichts sein sollen, kauf ich Euch nicht ab.“
Weil wir weder heilig sind, noch mit dem Licht paktieren.
Kohns festgefahrene Meinung gefiel ihr nicht. Aber sie wusste, dass es kein
Argument gab, das ihn zum Nachdenken bringen würde.
„Wollt ihr meine Vermutung zu dieser Sache hören?“
„Ja Ahonas, nur zu.“
„Ich denke, Eure Arroganz macht Euch blind für die Wahrheit. Ihr mögt zwar sehr im
Gleichgewicht sein, was Eure Gefühle betrifft. Aber kein Volk ist perfekt. Jeder hat eine helle
und eine dunkle Seite. Selbst die Pandaren.“
Kohn nickte ihm deutlich zu.
„Ohne Schatten, kein Licht. Ohne Hass, keine Liebe.“
„Poetisch.“
„Und gut erkannt. Denn ohne das Sha, gäbe es kein Chi.“
„Wie bei allen anderen auch, muss nicht immer die gute Seite gewinnen.“
„Der Trick ist, beides im Einklang zu halten, um uns weder blind für das Gute noch das Böse
zu machen.“
„Wenn man zwischen Gut und Böse ein Gleichgewicht findet, ist man aber Neutral, nicht
gut.“
„Genau das ist es aber, wozu Lao nicht mehr in der Lage ist.“
Yonoko sah Kohn ernst an. Innerlich hatte sie die Hoffnung, dass er nun
verstehen würde wo das Problem lag, aber sicher war sie sich dessen nicht.
„Nutzt ihr dann das Sha genauso wie das Chi? Wenn ihr ein Gleichgewicht wollt?“
„Das Sha ist ein Gegner, den wir jeden Tag bekämpfen müssen. Das macht uns wiederum
stärker.“
„Aber sobald man die Kontrolle über dieses Gleichgewicht verliert, schwappt es zu einer
Seite über und ich denke das ist mit diesem Goushin… wie ihr ihn nennt, passiert.“
„Genau.“
Das Gespräch drohte in eine Richtung zu verlaufen, die Yonoko so nicht gewollt
hatte.
„Nein, Goushin ist nicht vom Sha geblendet. Es ist Lao.“
„Hmpf.“
„Und das Chi nutzt Ihr und bekämpft nicht? Wie ist das dann Gleichgewicht? Das ist ziemlich
stark auf Seiten des Guten, meint Ihr nicht?“
Kohns Aussage bezog sich darauf, das Yonoko Lao heilte und den Kampf gegen
Goushin verweigerte, stattdessen sogar versuchte ihn zu boykottieren.
„Ich glaube man muss mit diesem Glauben aufgewachsen sein, damit man es versteht. Aber
ich sag euch was ich von Goushin halte…“
„Ich bin zwar kein Experte, aber woher wollt Ihr wissen, dass Goushin nicht besessen ist?
Wenn man es so nennen kann.“
„Nicht ganz Kohn. Ich habe sowohl Goushin, als auch euch belogen. Dennoch stehe ich auf
eurer Seite.“
„Ich mag es nicht belogen zu werden. Egal auf wessen Seite der Lügner steht.“
Die Worgen klang nüchtern und trocken.
„Mal langsam Leute… Goushin hat mir seine Sicht der Dinge erzählt, wie Alessaja gestorben
ist. Leider muss ich sagen, dass seine mehr Logik aufweist, als Laos Aussage.“
„Das war ja klar, dass Ihr das jetzt sagt.“
„Hört zu und entscheidet selber.“
„Ich höre.“
Einen Momentlang war die junge Pandaren froh, das sich vor allem Kohn nicht
mehr in seinen Hass hineinsteigern konnte und das Vildana und Ahonas ihr die
Chance gaben, zu erklären.
„Bezogen auf das Tor und den Einfall der Yaungol gleichen sich die Aussagen der beiden.
Goushin sagte mir, das er Lao losgeschickt hatte, Alessaja von der Front weg zu bringen.
Nachdem er das tat, kam Lao zurück zu Goushin. Die beiden steckten inmitten der Schlacht
fest.“
Schnaufend holte sie Luft. Die Geschichte von Goushin ging ihr schon an die
Nieren.
„Lao wollte Goushin ebenfalls zurückholen und geriet in die Schussbahn von Speeren.
Alessaja griff ein und wurde tödlich getroffen. Was Lao sah, war wie Goushin den Speer aus
ihrem Körper zog. Lao war wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt schon so anfällig, das sich das
Sha in ihm breit machte. Es hat ihn so verblendet, das Lao Goushin und die anderen nicht
mehr erkannt hat. Zwischen Freund und Feind nicht mehr unterscheiden konnte.“
„Komisch, ich hatte nun gedacht, dass sich Goushin selbst belasten würde.“
Kohn klang sarkastisch. Aber Yonoko wollte sich nicht abbringen lassen.
„Er war verzweifelt, geschockt und wohl auch überfordert mit der Situation. Wer wohl nicht.
Das Sha machte ihn glauben, das Goushin den Speer geworfen hatte.“
„Ich finde das jetzt nicht glaubwürdiger als Laos Geschichte.“
„Kohn, Goushin mochte Alessaja offenbar und gönnte Lao sein Glück mit ihr. Glaub mir, in
einem Kampf wie diesen, denkst du nicht darüber nach einen deiner Leute zu töten, wenn
du selbst getötet werden kannst.“
„Goushin ist im Kampf, der Blutrausch packt ihn und der sticht zu ohne zu bemerken, wen er
angreift und aus Scham redet er sich selber ein, dass es anders war.“
„Wir sind Pandaren, keine Orcs. Den Blutrausch gibt es bei uns nicht.“
„Oh ich vergas, die perfekten Pandaren.“
Wieder klang Kohn sarkastisch. Vildana verzog das Gesicht zu einer Fratze und
schleifte weiter ihr Messer.
Seufzend sackte Yonoko zusammen. Es war schwerer als Gedacht ihnen zu
erklären das Goushin nicht ihr Feind war.
„Aber der Punkt ist, als Goushin im Eschental das erste Mal sagte, Laos Chi würde schwächer
werden, dachte ich es hätte mit seinen Verletzungen zu tun. Das war aber nicht der Grund.
Der echte wurde mir erst klar, als die beiden den Kampf am Grab hatten.“
„Dann hat ihn das Sha des Zorns gepackt weil er sauer auf die Yaungol war.“
„Er war nicht wütend, er war genauso geschockt wie Lao.“
„Und das wisst Ihr, weil Ihr dabei wart? Oder weil er es Euch gesagt hat? Ihr habt die
Aussagen zweier Typen, die gegen einander stehen.“
Langsam gingen Yonoko die Worte aus. Sie konnte Kohn nicht davon überzeugen
darüber nach zu denken, aber auch nicht aus dem Teufelskreis in der Diskussion
raus.
„Nein, aber versetz dich mal in seine Lage. Die Liebe deines Lebens wird getötet und das
nicht einmal ein paar Schritte von dir entfernt.“
„Wessen Lage? Lao oder Goushin?“
„Lao… Jedenfalls, als ich Lao heilen wollte, stieß er mich weg. Ich dachte er wollte sterben.“
„Macht Sinn. Depressionen.“
„Sha der Depressionen.“
„Oh ja, danke Vildana. Sha der Depressionen.“
„Gibt es das?“
Das sich Vildana und Kohn darüber lustig machten, gefiel der roten Pandaren
überhaupt nicht. Aber ihre Kraft das Gespräch weiterhin zu führen schwand,
weshalb sie Ahonas die Antwort schuldig blieb.
„Und was sollen wir jetzt bitte machen?“
„Das fragte ich mich auch schon. Sha zu bekämpfen ist nicht wie ein Mittel gegen Fieber
nehmen.“
„Wenn er es zulassen würde, würde ihn das Licht sicher heilen.“
Yonoko sah zu Ahonas. Seine Hilfe war ehrlich gemeint, aber sie wusste zu wenig
um sagen zu können, ob es überhaupt einen Effekt haben würde.
„Da ich selber nicht genau weiß, ob es das Sha des Hassen, oder des Zweifels ist, kann ich
nicht sagen ob Goushin Recht hat und Lao ihr Grab besuchen muss.“
„Dann sollten wir ihn zur Kathedrale bringen. Ob er möchte oder nicht.“
Der Schütze schnaufte und schwieg zu Ahonas Worten.
„Und noch eine Frage: Wie soll ich deiner Meinung nach, meine Einstellung zu Goushin
ändern?“
„Kämpfe führen nur zu weiteren negativen Gefühlen.“
Auf Kohns Frage hatte Yonoko keine Antwort.
„Das kannst nur du entscheiden, Kohn.“
„Ich weiß nicht ob es Euch aufgefallen ist, aber ich konnte Goushin schon nicht leiden, als ich
nicht einmal einen Grund dafür hatte.“
„Ebenso.“
„Ich lasse Geschichten von Leuten eher selten mein Bild von ihnen trüben. Versuch ich
jedenfalls.“
„Ich weiß nur zu gut, wie es ist keine Erinnerungen mehr an etwas zu haben. Wie leicht die
Fantasie und falsche Deutungen dazu verleiten etwas zu sehen, was nie geschehen ist.“
„Ich ziehe persönliche Erfahrungen vor und die waren schon scheiße mit Goushin.
„Aber wenn Lao an ihrem Grab steht, könnte er es vielleicht noch einmal durchleben, so wie
es passiert ist.“
„Dann bringen wir ihn zu ihrem Grab. Das ist in Pandaria, oder?“
„Ja, ich schätze dass es in Pandaria ist. Ich weiß es aber nicht sicher.“
Yonoko gab auf. Eigentlich wollte sie es für sich behalten, aber es war die letzte
Chance das Kohn seinen Hass zumindest für einen Moment vergisst.
„Ich weiß, dass ihr ihn nicht mögt. Aber ihr solltet zumindest dankbar für das Lager sein. Er
hat es für uns aufgestellt.“
„Er hat was?“
Mit dieser heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Kohn war außer sich und
sah Yonoko bitterböse an. Sie hingegen knurrte ihn nur an, damit er aufhört zu
brüllen.
„Kohn!“
„Dann geh ich!“
„Dann wird er viel Spaß mit der Unterhose von Agulat haben.“
„Bei den Erhabenen, stell dich doch nicht an wie ein kleines Kind und hör auf zu schreien.“
Aber Kohn hörte nicht zu. Wutentbrannt stapfte er vom Feuer weg zu den
Klippen und sah die Kante herunter zur Garnison. Kaum einen Moment später
rutschte Vildana vom Hocker und ließ den Stein fallen. Sie steckte ihr Messer
weg und folgte Kohn.
Seufzend sah Yonoko ihnen nach, dann verzweifelt zu Ahonas.
„Die Menschen werden noch lange Kinder bleiben. Wir sollten Lao dorthin bringen, wo das
Licht am stärksten ist.“
„Wir sollten vor allem zusammen bleiben. Gerade jetzt.“
Sie holte tief Luft und stand auf. Ging Vildana und Kohn nach, noch immer
unverständlich über ihre Reaktion.
„Habt ihr zwei Yaks euch wieder beruhigt?“
„Yonoko, wie kannst du mir das nicht sagen?“
„Yaks… oho…“
„Du weißt dass er ein Giftmischer ist!“
Yonoko verschränkte die Arme und sah Kohn nur trocken an. Natürlich wusste sie
dass er es auf das Lotusgift abgesehen hatte. Aber wenn Goushin ihrer aller Tod
wollte, dann wären sie schon Tod, alle.
„Giftmischer…“
„Eure Worte.“
Sie lachte künstlich auf um ihn zu verspotten.
„Ich habe sein Bier getrunken!“
„Yonoko…“
„Ihr wisst wie sehr ich ihn nicht leiden kann. Ihr hättet mir die Wahl lassen sollen. Das zu
verheimlichen war nicht in Ordnung.“
„Bier ist Gift für die Gedanken, nicht den Körper. Außerdem, wollte er mich damit verführen.
Dir und allen anderen drohte also nie Gefahr.“
Eigentlich war sie sich darüber nicht sicher, aber in dem Moment hielt Yonoko es
für ein gutes Argument.
„Es ist nicht an Euch das zu beurteilen.“
„Dieses Theater hält uns nur auf. Wir sollten los.“
„Ihr wusstet genau, dass ich nicht dort genächtigt hätte, wenn ich das gewusst hätte und Ihr
habt es mir genau deswegen verschwiegen.“
Genau deshalb. Weil wir alle am Ende unserer körperlichen und mentalen Kräfte
waren und ein solches Lager brauchten.
„Leute, jetzt mal im ernst und abseits von euren Abneigungen: Lao muss geholfen werden.“
„Ich habe angefangen Euch zu vertrauen, vor einer ganzen Weile schon und allmählich denke
ich, dass das ein Fehler war. Ihr verheimlicht uns eine Menge. Eine große Menge.“
Kohn nickte Vildana ernst zu.
„Ich muss zustimmen.“
„Also gut, was wollt ihr wissen, was ich euch angeblich verheimlichen würde? Hm? Das
Goushin heimlich geflirtet hat? Mir erzählt hat, dass es eben anders war, als Lao sagt? Was?
Das ich schon länger dachte das mit Lao etwas nicht stimmt?“
„Stellt Ihr Euch absichtlich dumm?“
„Ihr hättet anfangen können, mir zu sagen dass es Goushins Lager ist. Ihr wisst das ich das
hätte wissen wollen.“
„Seid doch froh ein Dach über dem Kopf gehabt zu haben!“
„Wir hatten ein warmes Feuer und Schutz vor Wind und Staub. Die Tatsache das Ihr noch
steht Kohn, beweist das nichts vergiftet war.“
Zwar war Yonoko dankbar für Ahonas Worte, aber sie glaubte nicht daran, dass
sie nur ansatzweise irgendetwas bewirken würden.
„Und habt es trotzdem absichtlich verheimlicht.“
„Wenn er uns hätte töten wollen, hätte er das schon längst getan.“
„Es bringt nichts solche Dinge nachträglich zu beantworten, Yonoko. Ihr wusstet es die ganze
Zeit und habt uns diese Information vorenthalten.“
„Es war nicht an Euch diese Entscheidung für mich zu treffen!
Yonoko konnte weder Kohn noch Vildana verstehen.
„Weil… „
„Yonoko?“
Seine tiefe Stimme hatte sie so sehr aus ihren eigenen Gedanken gerissen, das
sie schlagartig vergessen hatte, was sie sagen wollte. Mit einem Ruck drehte sie
sich zur Seite.
Goushin stand mitten auf dem Weg Richtung Steinkrallengebirge und hatte das
Schwert, welches Lao ihr anvertraut hatte auf seinem Rücken.
Hatte er sie deshalb gebeten mit ihm zu gehen? Um an das Schwert zu kommen?
„Oje…“
„Die Zeit kommt…“
Er stand schon so nah an der Gruppe, das ein versuch Goushin zu schützen nur
noch mehr Ärger mit sich gezogen hätte.
„Oh na toll. Er schon wieder.“
Goushins auftauchen musste Kohn innerlich all das bestätigen, was er an
Argumenten hatte.
„Könnten wir die Gegenseitigen Anschuldigungen nun lassen und weiter?“
„Nein, kann ich nicht! Das hier ist wichtig! Yonoko, wenn ich Euch nicht vertrauen kann, kann
ich nicht mehr mit Euch reisen!“
Yonoko drehte sich der Magen um. Die ganze Zeit über hatte sie versucht die
anderen davor zu beschützen, etwas Dummes zu tun und alles daran gesetzt, das
sie ihr vertrauen.
Von einem Moment auf den anderen hatte sie das Gefühl völlig alleine zu sein.
„Goushin ist der einzige, der uns echte Antworten gibt, weil Lao uns nur ausweicht!“
„Ich habe gar keine Fragen gestellt!“
„Nein, weil du ihn lieber gleich erschießen willst.“
„Was interessiert mich was damals wirklich passiert ist? Ich will saufen, mit Freunden am
Lagerfeuer sitzen und Geschichten erleben!“
„Weil es Lao hilft, du Yak!“
„Und jetzt kommt Ihr an und sagt das Lao schon immer krank war und wir ihm jetzt helfen
müssen.“
„Ich habe genug.“
Das hatte Yonoko auch. Sie drehte sich um und ging auf Goushin zu.
Ihre Gefühlswelt stand Kopf. Alles was sie wollte, war Lao helfen und die
anderen dafür um Hilfe zu bitten. Aber nichts davon würde jetzt noch so
kommen.
„Du solltest nicht hier sein.“
„Ihr solltet aufbrechen, der Ochse verlangt nach der Prüfung und Lao wird sie nicht ohne Euch
schaffen.“
Vildana, Kohn und Ahonas gingen an Goushin und Yonoko vorbei. Schwiegen und
würdigten die beiden keines Blickes.
„Wiedersehen, du Pfeife…“
Egal wen Kohn damit meinte, Yonoko fühlte sich angesprochen und ließ die Ohren
hängen. Ahonas blieb bei ihr stehen.
„Yonoko…“
„Lao hat immer weniger Hilfe…“
„Kann ich Euch alleine lassen? Ich muss sie schützen. Die Menschen brauchen Hilfe.“
„Ja, geh nur. Ich komme mit Goushin nach, ob sie wollen oder nicht.“
„Möge das Licht mit euch sein. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.“
Er verbeugte sich vor ihnen und ging schnellen Schrittes hinter Kohn und Vildana
her.
„Wir sollten auch gehen, Yonoko.“
Mit einem nicken folgte sie den drei, dicht gefolgt von Goushin.
„Hast du ihn gesehen?“
„Ja, ich spüre sein Chi.“
„Dann lass uns Pferde besorgen und hinterher.“
„Nein. Wir werden gehen. Das Schicksal lässt sich nicht mit Pferden einholen.“
Sie sah ihn über die Schulter an und musste sich eingestehen, dass er Recht
hatte.
„Ich habe alles getan, was ich für richtig hielt um ihm zu helfen. Aber sie wenden sich ab.“
Seufzend sah sie zu Boden. Die anderen waren in einiger Entfernung auf dem
Pfad den Berg herunter zu sehen.
„Nun, kennst du die Geschichte des einen Chi, welches zu zwei wird?“
„Ein… Chi das zwei wird? Nein… ich glaube nicht.“
„Wenn ein Mönch, nicht mehr weiß ob er Krieger oder Verleugner ist, teilt sich das Chi in zwei
Hälften. Der Krieger wird kämpfen, der Verleugner wird laufen.“
„Lao…“
Und du, Goushin.
„Doch zur Prüfung des Ochsen müssen sie sich vereinen. Weil der eine nicht ohne den
anderen sterben wird.“
Wortlos sah sie Goushin an. Nach und nach ergab noch mehr Sinn.
„Im Eschental dachte ich, du meintest seine Verletzungen.“
„Nein, sein Chi wird schwächer, weil er Verleugner ist.“
„Erst als er seine Angst zugegeben hatte, wusste ich was du meintest.“
Der Pfad führte in Bögen und Kurven die Bergkette entlang und Stück für Stück
weiter runter. Aus dem sandigen Fels des Brachlands wurde langsam aber
deutlich der rote Fels des Steinkrallengebirges.
„Nun Yonoko… Wird die Gruppe ihn verleugnen… oder kämpfen?“
„Ich weiß es nicht… Ich glaube, sie verstehen es nicht.“
Bevor sie noch etwas sagen konnte, hallte Kohns Stimme durch das Gebirge.
„Hey Leute!“
Unten am Fuß des Bergpfads stand eine Gruppe Worgen mit wohlbekanntem
Wappenrock.
Kohn begrüßte die Gruppe sichtlich erleichtert, Vildana hingegen suchte sich
einen Ort mit gutem Abstand zu ihnen und bewegte sich nicht vom Fleck.
„Oh… Noch mehr mit zwei Herzen.“
Yonoko wusste nicht ob sie nun erleichtert und froh, oder verunsichert sein
sollte.
„Entschuldige, ich war wohl in eines meiner Projekte vertieft.“
„Kein Ding.“
Claudie war die erste, die Kohn sichtlich erfreut begrüßte. Den Großteil der
anderen erkannte Yonoko nicht wieder. Nur Riwena auf den ersten Blick.
„Ja Ehre und so.“
„Grüße.“
„Grüße dem Licht, Volk der Gilneer.“
Ahonas verbeugte sich gerade, als Goushin und Yonoko dazu kamen.
„Yonoko…“
Mit einer knappen Verbeugung grüßte die Pandaren die Gruppe, folgte dann aber
Goushin an ihnen vorbei.
„Die haben es aber eilig.“
„Offenbar kennen sie ihr Ziel schon.“
Riwena hatte sich scheinbar nicht verändert. Ihre sachliche Art war allein durch
die Stimme zu erkennen.
„Wir sollten aufschließen Kohn.“
„Was? Ihr geht?“
Hinter sich konnte Yonoko Ahonas Hufe hören und das Kohn scheinbar
überrascht davon war, das sich Ahonas ihnen anschloss, statt bei ihm zu bleiben.
„Lebt wohl, Worgen. Mögen die Naaru über euch wachen.“
„Ignoriert die einfach. Am besten haltet ihr euch von den Pandaren fern und Vildana… Ich
hoffe, die kommt wieder zu sich, irgendwann.“
„Wird schwer, wenn über die Hälfte Pandaren sind.“
Auf der anderen Seite der Gruppe, stand ein einzelner Mann, der sich nicht in
seiner Worgen-Gestallt befand und rauchte. Einen Moment zögerte Goushin,
dann aber stellte er sich neben ihn.
„He?“
„Du auch haben wilde Seite?“
„Goushin! Lass das!“
Aber der Mann schnalzte nur mit der Zunge und hob verwundert eine
Augenbraue.
„Mehr als dir lieb sein dürfte.“
„Goushin, sie wissen es selber, glaub mir. Lass sie in Ruhe.“
„Oh, er beliebt zu scherzen… doch zwei zu kämpfen… Ich lieben Kampf!“
Yonoko sah Goushin und den Mann schon mit einander rangeln. Was ein wirklich
ungünstiger Zeitpunkt wäre.
„Von mir aus, können wir die Pandaren gerade hier lassen. Die machen nur Ärger.“
„Eigentlich fand ich Pandaren immer sympathisch.“
„Die beiden nicht. Ich jedenfalls nicht, ich mag es nicht, wenn man mich anlügt.“
Die junge Pandaren konnte Kohn laut und deutlich hören, sah ihn aber nicht an. Er
sie schon. Kalt und so durchdringlich, das sie seine Blicke spüren konnte.
„Es gibt gute und schlechte Leute in jedem Volk.“
Der Mann nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und stieß den Rauch aus
der Nase aus. Sein Blick war ernst auf Goushin gerichtet, aber seine Mundwinkel
hoben sich leicht.
„Nun, Mut Ihr haben… der Sturm… den könnt ihr ertragen?“
Sie zuckte zusammen. So schnell sie konnte packte sie Goushin am Umhang und
versuchte ihn vom Mann weg zu zerren. Aber Goushin bewegte sich keinen
Zentimeter.
Wenn Goushin jetzt das gleiche Spielchen abzog, wie schon oben auf dem Weg,
dann würde ein Krieg zwischen den Worgen und Goushin ausbrechen. Gegen
diesen Sturm könnte sie sich nicht stellen.
„Was geht denn jetzt vor?“
„Sturm macht mir nichts aus.“
Wieder zog der Mann an seiner Zigarette. Er schien ruhig, aber das konnte auch
täuschen.
„Kannst du ein ordentliches Feuer ertragen?“
Die gleichen, grausamen Bilder wie bei Kohns Worten über den Flammenwerfer
gingen Yonoko durch den Kopf. Die Gruppe um Kohn hatte sich langsam auf
Goushin und sie zurückbewegt und stand hinter ihr und Ahonas.
„Ahonas, diese netten Leute begleiten uns durch das Steinkrallengebirge.“
Goushin schwieg. Der Mann grinste.
„Feuer? Ihr?“
Dann grinste Goushin zurück.
„Goushin bitte…“
Noch einmal zerrte sie an seinem Umhang, um ihn zum Gehen zu bewegen.
Der Mann vor ihnen zog nur arrogant den Kopf zurück und sah Goushin weiterhin
an. Es wirkte wie eine Wortlose Aufforderung ihn anzugreifen.
„Also, was nun Chefin?“
„Wir können im Lager immer noch plaudern.“
Kurzum packte Yonoko Goushin an den Schultern und zerrte ihn mit sich und von
dem Mann weg.
„Wir später Spaß haben… Prüfung des Ochsen bald.“
„Prüfung… Am Arsch…“
Sehr weit kam sie nicht. Ahonas sah zu den Worgen.
„Ein Lager? Ich hoffe es gibt einen Markt in der Nähe.“
„Lass uns aufbrechen. Minna, Ihr und Lucan bildet den Schluss.“
„Gehört. Lucan? Marsch nach hinten“
„Verstanden.“
Grinsend sah Claudie zu Mann vor Goushin.
„Gran, wir gehen vor.“
Claudie war ihr bekannt. Die Worgen Namens Minna bahnte sich ihren Weg
hinter die Gruppe, dicht gefolgt von dem Mann, den Goushin scheinbar
provozieren wollte, Lucan.
Auch Gran war ihr noch bekannt. Der gruselige Worgen mit der dumpfen Stimme
stellte sich zu Riwena an die Front.
„Wir müssen weiter, Goushin.“
„Wenn sehen wollt Lao, dann jetzt gehen…“
Zwar sah der Pandaren Lucan an, aber eigentlich richteten sich seine Worte an
die Gruppe.
„Das sehe ich auch so.“
„Dann auf.“
Kohn schloss mit Claudie und Ahonas zu Riwena und Gran auf. Als wäre nichts
gewesen ging Goushin an Yonoko vorbei und weiter den Weg entlang. Kurz hinter
ihnen die Worgen und Kohn mit Ahonas. Ein Stück den Weg hoch saß Vildana auf
einem Baumstamm und schien zu warten. Mit großem Abstand reihte sie sich
dann doch in die Gruppe ein und folgte, sichtlich wiederwillig.
„Erzähl, wie ist es dir ergangen?“
„Mir? Ganz prima, eigentlich.“
„Freud mich zu hören.“
Kohn schien froh darüber zu sein, Claudie wieder zu sehen und irgendwie gönnte
Yonoko es ihm auch. Sie selber war bereits weit vorgegangen und auch vor
Goushin. In der Hoffnung, dass es ihn dazu bringt einfach weiter zu gehen.
Aber als sie über die Schulter sah, stand Goushin an der letzten Kreuzung die
sie passiert hatten und hatte sich bereits wieder Lucan zugewandt. Der Worgen
sah den Pandaren böse an und ließ alle anderen an ihnen vorbei gehen.
„Da lang.“
Lucan zeigte der Gruppe nach.
„Schön zusammenbleiben.“
Auch Minna versuchte jetzt sich einzumischen und Goushin wieder zur Gruppe zu
Scheuchen. Der Pandaren wollte bewusst weit hinten bleiben, so hatte zumindest
die rote Pandaren das Gefühl.
„Yonoko, weshalb sind sie immer so unfreundlich? Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Er hatte sich letzten Endes doch dazu überreden lassen weiter zu gehen und
schloss zu Yonoko auf, an der schon die Hälfte der Gruppe vorbei gegangen war.
„Kohn und Vildana glauben du hättest uns angegriffen und willst uns was Böses. Deshalb.“
„Abwarten. Es wird sich zeigen.“
Mit einem Grinsen sah er sie einen Moment an.
„Die kleine Phiole aus Porzellan hast du noch?“
„Ja. Es ist mir egal, ob sie mir vertrauen oder nicht. Es geht um Lao.“
Riwena führte die Gruppe abseits des Weges, unterhalb eines Hügels entlang und
zwischen knorrigen Bäumen hindurch.
Immer wieder konnte man das schlagen eines großen Vogels hören. Beim Blick in
den Himmel sah man nur den Schatten, aber Vildana war unverkennbar.
Lucan und Minna sprachen in einem schweren Akzent miteinander, leise und für
Yonoko unverständlich. Goushin hingegen schien die beiden verstanden zu haben.
Grinsend sah er über die Schulter und Yonoko hatte wieder das Gefühl, er tat
es, um die beiden zu provozieren.
„Die Gruppe ist gut ausgebildet, wird Spaß machen.“
„Lass den Quatsch.“
„Es ist unhöflich in einer anderen Sprache zu sprechen, wenn andere Anwesend sind.“
„Gebe ich gerne zurück.“
Sie hatte sich weder umgedreht noch ihn sonst irgendwie angesehen.
„Es ist unhöflich, seine Waffen nicht zu zeigen.“
„Goushin! Es reicht!“
„Ich werde nicht fürs höflich sein bezahlt, eh.“
„Ich auch nicht.“
Dieses Mal hatte sie über die Schulter gesehen und ein eingebildetes Grinsen
geerntet. Ebenso kommentierte Goushin ihre Worte.
Unter ihren Füßen kam wieder der festgetrampelte Stein zum Vorschein. Vom
trockenen, staubigen Brachland war nichts mehr zu spüren. Das milde Klima und
der Schatten der Berge und Bäume waren eine willkommene Abwechslung
geworden.
Es dauerte einige Zeit bis Yonoko es zu ersten Mal hörte. Ein eigenartiges
Geräusch das wie ein Zischeln klang, aber keine Schlange zu sein schien.
Ihre Gedanken wurden von einem Schrillen pfeifen unterbrochen.
Riwena hatte sich auf dem Weg umgedreht und die Gruppe zum Stehen
gebracht.
Quer über den Weg war ein großes Spinnennetz zwischen die Bäume gewebt
worden. Auf der einen Seite des Weges ragte das rote Gestein der Berge zu
einer steilen Steinwand hoch. Auf der anderen Seite war eine mit spärlichen
Bäumen gespickte Ebene voller kleiner Spinnenweben.
Yonoko drehte sich der Magen um.
Sie wusste sofort an welchem Ort sie waren und welche Tiere da zischelten.
„Hoppla…“
„Ah ja. Das war vorher nicht da.“
„Darf ich mit einem Zauber aushelfen?“
„Ist immer wieder erstaunlich wie schnell die Spinnen sowas weben.“
„Ist sicher anfällig gegen Feuer.“
„Und dann kommt die Spinne, die das gemacht hat und ist sauer. Ne lass mal Ahonas.“
Angewidert sah sich die rote Pandaren um. Am liebsten hätte sie Ahonas
gebeten das gesamte Areal niederzubrennen. Ihr stieg die Wut hoch.
Goushin schien das gelassen zu sehen. Er setzte sich einfach am Wegesrand ins
Gras.
„Es würde außerdem die näheren Bäume in Brand stecken und einen Flächenbrand
auslösen. Den können wir gerade nicht gebrauchen.“
Der Worgen hatte sich Kohn und Ahonas als Yenuri vorgestellt.
„Das auch.“
„Ein guter Einwand. Manchmal vergesse ich mich, verzeiht.“
„Ich kann meinen Hochleistungs-Durchtrenner herausholen.“
Nach einander gingen die Worgen zu Riwena vor und sahen sich das große
Spinnennetz genauer an. Die Worgen brummte nur und schien genau zu überlegen
was sie tun sollte.
„Chefin? Soll ich mal?“
Aus Yonokos Wut und Trauer wurde Hilflosigkeit. Ganz egal wie viele von den
Spinnen sie töten würde, keine einzige davon würde das wieder rückgängig
machen können, was damals passiert war.
„Ich hasse Spinnen.“
Schließlich nickte Riwena nur Claudie zu und ging bei Seite.
„Seid Achtsam.“
„Alles klar! Dann mal ran ans Werk!“
„Was zum…?“
Während sich Claudie mit dem Inhalt ihres Rucksacks beschäftigte, blieb Yonoko
hinten.
Dass Minna und Lucan sie noch immer im Auge behielten, konnte sie fast spüren.
Es war nicht einfach ein Mustern aus Neugierde, nein die Blicke waren gezielter
wie Yonoko feststellte, als sich zu Lucan und Minna umdrehte.
Er machte kein Geheimnis daraus, dass er sie nach Rüstung und Waffen
absuchte. Minna hingegen sah den Weg entlang, den sie gekommen waren.
„Das war nur eine Spinne?“
„Ihr kennt die Spinnen des Gebirges nicht, oder? Kapitale Biester. So groß wie ihr selber.“
„Im ernst? Das muss am Einfluss der Nachtelfen liegen.“
„Wie lange hegt ihr schon einen Groll gegen Nachtelfen, Kohn?“
„Groll? Nein, keinen Groll. Aber die haben es doch so mit Tieren und Natur und so. Ich
meine, sie haben einen Riesenbaum gemacht damit sie ihre Stadt darauf bauen können.“
Schnaufend setzte sie sich zu Goushin und nahm den kleinen Tonkrug aus dem
Rucksack. Claudie war eisern damit beschäftig das Netz in Fetzen zu legen und
das zischen wurde lauter, kam näher. Gerade wollte Yonoko die Flasche öffnen
da raschelte es von der Anhöhe her.
„Riwena! Achtung!“
Yenuri war der erste, der sie gesehen hatte und war bereits an Yonoko und
Goushin vorbei als das fast Bärengroße Getier den Abhang herunter wollte.
Knurrend sprangen die nächsten Worgen vor.
Ohne Vorwarnung warf Lucan einen Dolch nach der Spinne und traf sie direkt an
der Seite. Die Spinne kreischte.
„Guter Wurf.“
So schnell wie die Worgen konnte sie nicht reagieren, aber sie sprang auf und
stellte sich zwischen ihnen auf und knurrte aus tiefster Kehle.
„Yonoko.. woher der Hass gegen sie?“
„Diese Biester haben meinen Besten Freund auf dem Gewissen…“
Hinter sich konnte sie Kohn mit dem Gewehr hören. Das typische Geräusch des
Nachladens und Entsicherns.
Das Surren der Maschine verstummte und erneut konnte man das laden eines
Gewehrs hören. Claudie hatte angelegt.
Mehrere Schüsse fielen, aber kaum einer traf und die Kugeln, die trafen
machten der Spinne nichts aus. Weiter aufgestachelt kam die Spinne näher.
„Kohn… Trefft Ihr Ziel, oder verfehlt Ihr?“
Mit eingezogen Kopf schlug Yonoko einen Bogen um das Tier und rannte den Hang
hoch, dicht gefolgt von Lucan. Von Oben konnte sie sehen wie Gran seine
Schwerter zog. Das große Spinnentier hatte sich zu Claudie und dem Netz
gedreht und präsentierte ihre blanke Flanke.
Die Schüsse von Claudie und Kohn hallten von den Bergwänden wieder. Kohn
hatte das Hinterteil getroffen und Claudie den Kopf. Aber das Tier sackte nur
zischend zusammen und zuckte noch. Hinter Lucan und Yonoko konnte man das
zischen der kleinen Spinnen verstummen hören. Die kleineren Artgenossen
versteckten sich.
Yonoko sprang dem Tier ins Genick und rammte den Stab so tief sie konnte in
dessen Fleisch. Innerlich zerrissen zwischen Wut und Trauer. Die große Spinne
lag bereits regungslos am Boden, aber ihr war es egal.
Lucan ging bereits wieder zurück zur Gruppe.
„Ein Spinnlein.. und so ein Aufwand.“
Erschrocken sah die rote Pandaren bei den Worten zu Gran. Er schüttelte den
Kopf. Wortlos und voller Spinnenblut sprang sie vom längst toten Tier herunter.
Ihre Wut war allerdings alles andere als verraucht.
„Ein Schuss, ein Treffer.“
„Oh, Ihr könnt Treffen, welch Glück der Kranich Euch gab.“
„Klar, sieht man doch.“
„Das dachte ich bei so einem Dämonen-Dings auch und plötzlich stand der wieder auf.“
Goushin stand bereits mitten in der Gruppe.
„Konnte man bei meinem Ohr nicht sagen…“
Leicht verwirrt sah Goushin sie an und gezielt zum rechten Ohr.
„Da hat er versagt… Auch wenn ich es ihm nicht übel nehme.“
Die ganze Zeit über reagierte Kohn schon mit keiner Miene auf Goushin oder
Yonoko und behielt es auch jetzt noch bei. Aber den ein oder anderen verwirrten
Blickwechsel der Worgen konnte sie sehen.
„Wir können ja Spinnen-Kebab aus ihr machen, dann wissen wir es genau.“
„Also ich esse das nicht.“
„Gleichfalls.“
„Ich auch nicht“
Grinsend sah Claudie von Kohn zu Ahonas und wieder zurück.
„Ich glaube, ich habe noch genug Fleisch da…“
„Die Spinne ist tot. Unwahrscheinlich, dass sie sich wieder erhebt und ihren Untod in der
Ewigkeit im Gebirge verbringt.“
„Spinne schmeckt gar nicht mal so schlecht… Weicheier…“
Grummelnd sah Gran sich um, die Anhöhe hoch und auch den Weg in beide
Richtungen. Lucan ging zur Spinne und zog seinen Dolch wieder heraus,
schüttelte den Spinnen-Schnodder ab und steckte ihn wieder weg.
„Wir sollten uns beeilen, die Viecher haben sich verzogen, fragt sich nur für wie lange.“
„Klar sollten wir weiter, hier sollten wir jedenfalls kein Lager aufbauen.“
Einen Moment überblickte Riwena die Gruppe und schien zu sehen ob wieder alle
beisammen waren.
„Also? Weiter?“
„Weiter! Alle wieder auf ihre Positionen!“
Mit einem Wink setzten sie sich in Bewegung. Das Netzt hatte Claudie schon vor
dem Angriff soweit zerrissen, das man problemlos hindurch kam. Minna und
Lucan blieben wieder hinten. Yonoko ging dieses Mal weiter vor Goushin. Wenn er
sich unbedingt Ärger einhandeln wollte, dann ohne sie.
„Ich weiß das Spinnen giftig sind, ich will es nicht riskieren.“
„Danke, ich mag lieber Würstchen.“
In geschwungenen Linien ging der Weg weiter. Mal rauf den Berg, Mal daran
entlang, dann wieder runter. Hier und da hatte Yonoko das Gefühl, vor sehr
langer Zeit einmal dort gewesen zu sein, verwarf es dann aber wieder.
„Yonoko?“
„Ja?“
„Wie gut kennt Ihr die Prüfung des Ochsen?“
„Gar nicht. Ich bin noch nicht soweit.“
„In einem Haus, fern ab des Lebens… Dort wird was warten auch Euch… Eine Kette und eine
Waffe… Doch seid Ihr nicht alleine Yonoko.“
Skeptisch sah sie den Pandaren über die Schulter an.
„Goushin, wenn das wieder so ein Versuch wird, mich davon zu überzeugen das meine
Verlobung ein Fehler war, dann sag ich es gleich: Es klappt nicht. Eine Kette ist mir egal, ich
trag ein Pektorale.“
Yonoko schnaufte.
„Yonoko… Du wirst es sehen.“
Hinter einem Schmalen Weg zwischen steilen Bergwänden hindurch lag eine
kleine Anhöhe. Das mit Lila Dachschindeln belegte Haus erinnerte Stark an
Darnassus und die Wachen der Kaldorei waren schon von weitem zu erkennen.
„Hübsch hier.“
„Ah Zivilisation.“
Vor der großen Haupthütte hielt Riwena die Gruppe an.
„Rasten wir hier?“
„Das hoffe ich doch!“
„Wusstet Ihr, das mir Gnome und Elfen mal unter die Arme gegriffen haben?“
„Wartet einen Moment, wir kündigen uns an.“
Als Riwena sich abwandte, tippte Goushin Yonoko auf die Schulter.
„Ich kann nicht hier bleiben, merk dir meine Worte.“
Goushin hatte sich so schnell umgedreht, das Yonoko nicht dazu kam etwas zu
sagen. Als sie wieder zu den Worgen sah, hatten sie sich etwas von ihr entfernt.
Vildana tauchte am Haus auf und sah zu Kohn und Ahonas.
„Vildana?“
Auch Vildana ignorierte Yonoko und blieb mit ihren Blicken bei Kohn und Ahonas.
„Verdammt, dann ignoriert mich eben, aber wenn Lao dann stirbt, weil ihr die Hilfe
ignoriert… kommt nicht zu mir…“
Schnaufend und mit stapfenden Schritten drehte sie sich um und ging mitten
durch die Gruppe weiter am Haus vorbei und die nahen Berge entgegen. An einer
der wenigen Tannen ließ sie sich ins Gras sinken und zog die Beine an.
Das Kohn und Vildana das Vertrauen zu ihr verloren hatten war ihr genauso
unverständlich wie unangenehm.
Den Tränen nahe vergrub sie den Kopf auf ihren Armen und suchte verzweifelt
nach einem Argument, das ihre Meinung ändern könnte.
„Fräulein?“
Wie geschlagen zuckte Yonoko zusammen. Sie hatte den Worgen vor ihr weder
gehört noch bemerkt. Es war Yenuri gewesen.
„W-was… Was ist los?“
Sie wischte sich die Tränen, die vor Schreck über ihre Wange gelaufen waren
aus dem Gesicht und sah ihn an. Er stand einfach nur da und sah sie völlig frei
von bösen Absichten an.
„Meine Anführerin hat ein Zimmer für Eure Gruppe bereit machen lassen. Falls Ihr Euch
ausruhen möchtet.“
Mit hängenden Ohren zögerte sie. Es war nicht ihre Gruppe und es war sie auch
nie gewesen.
„Danke, aber ich bleibe hier. Wir hatten schon genug Streit und… ich will nicht sehen wie sie
mich ignorieren.“
Yonoko hätte den Worgen anlügen können, aber sie hatte weder die Kraft noch
irgendeine Idee. Die Wahrheit zu sagen erschien ihr auch der richte Weg,
nachdem es den anderen aufgefallen sein musste. Yenuri nickte ihr zu.
„Aber bleibt nicht über Nacht hier draußen. Das Gebirge wird sehr kalt, wenn die Sonne
untergeht.“
„Ich weiß, ich war einige Monate in Sonnenfels beheimatet.“
„Gut, wenn etwas ist, dann lasst es mich wissen.“
Er deutete zum Gasthaus rüber.
„Sagt…“
„Ja?“
„Habt ihr hier einen anderen Pandaren gesehen? Nicht der mit dem ich hier her kam, ein
anderer?“
„Ihr mein Lao?“
„Ja…“
Mit einem Satz sprang sie auf und starrte den Worgen erwartungsvoll an.
„Wir sind ihm unterwegs begegnet.“
„W-wo? Bitte sagt mir wo!“
„Etwas weiter nördlich von hier. Er erzählte etwas von einer Prüfung des Ochsen. Falls Ihr
vorhabt, ihm zu folgen… Ich rate davon ab. Ihr kennt dieses Land nicht und es wird bald
dunkel.“
Unruhig trampelte sie auf der Stelle, aber Yenuri hatte Recht. Im Dunkel würde
sie nicht einmal den Weg zurück ins Brachland finden.
„Trotzdem danke…“
Mit einem seufzend ließ sie sich wieder am Baum auf den Hintern fallen. Er
nickte ihr zu und schien sich einen Ruck geben zu müssen um zu gehen.
Yonoko nahm ihren Rucksack und wühlte darin herum, auf der Suche nach was zu
essen und erfasste die Phiole. Unschlüssig starrte sie eine ganze Weile auf die
kleine Flasche. Dann stellte sie den Rucksack neben sich und entkorkte die
Flasche.
„Hilf mir Yu’lon“
Sie kam nicht dazu die Flasche zu leeren. Bevor der Inhalt auch nur richtig
geschluckt war, fielen ihr die Augen zu und sie verlor die Kontrolle über ihren
Körper.
Wie Blei kippte sie zusammen und hielt die kleine Flasche noch krampfhaft fest.
Einen Moment lang konnte sie noch Schritte im Gras hören, eine Stimme.
„Die Nachtelfen und ihre Baukunst…“
Yonoko wollte rufen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr.
„Oh, Entschuldigung. Ich wollte nicht… Nanu?“
Stille, dann erst kamen die Schritte so nahe, dass Yonoko sie fast spüren konnte.
„So anstrengend war der Weg doch jetzt auch nicht.“
Ein kalter Windhauch kam auf und die rote Pandaren konnte die heiße Träne auf
ihrer Wange fühlen. Minna kniete sich zu ihr runter und mustere die junge
Pandaren. Neugierig zog sie Yonoko die kleine Phiole aus Porzellan aus den
Pfoten. Weitere Schritte waren zu hören, fester, schwerer.
„Oh… die Prüfung kann beginnen…“
Das leise Schlucken alarmierte sie noch, sie wollte schreien, damit die Phiole
fallen gelassen wird. Aber nichts an ihrem Körper rührte sich.
„Minna! Nein!“
Gerade als sie die zweite Stimme hörte, löste sich der letzte Funke wiederstand
und Yonoko verlor vollends das Bewusstsein.
„Verflucht…“
Lucan konnte Minna gerade noch davor bewahren mit dem Kopf auf eine
Baumwurzel zu schlagen. Aber es war zu spät. Die Worgen hatte bereits die
Augen geschlossen.
„Goushin! Ich bring dich um!“
„Nein… nein, meine Schuld ist das nicht!“
Minna hing fast leblos in Lucans Armen. Reagierte auch nicht, als Lucan
versuchte sie anzusprechen.
„Trommel die Gruppe zusammen, du Narr!“
„Doch, es ist deine schuld!“
Kurzum hob er Minna auf seine Arme und schrie quer über den Platz zum
Gasthaus.
„Riwena! Garn!“
„Was?“
„Und du kommst mit!“
Kaum hatte er das gesagt, stand Garn auch schon unweit hinter Goushin.
„Was ist passiert?“
Dicht gefolgt von Riwena und den anderen. Die meisten hatten sich bereits
wieder in ihre menschliche Form gewandelt und änderten diese Entscheidung nun
wieder.
„Ich wette das war Goushin. Ich weiß nicht was lost, aber es war garantiert wieder er.“
„Lucan! Garn! Was ist hier los?“
„Was zum…? Minna…“
„Nach Osten… willst du sie retten!“
„Du bleibst schön bei mir!“
„Oh bitte, lass mich auf ihn schießen…“
Kohn wartete nicht erst auf irgendeine Antwort, sondern fing seelenruhig ans
ein Gewehr zu laden.
„Zeig ihnen den Weg!“
„Nicht Kohn! Du triffst noch Minna!“
„Ja… du hast Recht, den Fehler habe ich schon einmal gemacht.“
„Wie retten... Ich reiß dir den verdammten Kopf ab!“
„Gute Idee Gran, ich mach mit!“
Lucan legte Minna vorsichtig ins Gras und drehte sich knurrend zu Goushin um.
Gran stand mit gefletschten Zähnen vor dem Pandaren.
„Chefin?“
„Zeig ihnen den Weg!“
Nach und nach kesselten Riwena und ihre Leute Goushin ein. Der Pandaren rührte
sich nicht vom Fleck und zog auch seine Waffe nicht.
„Gran, nimm Minna.“
Lucan packte Goushin am Kragen und zog ihn zu sich heran. Gran tat wie man ihm
sagte und ging zu Minna, hob sie in seine Arme. Und ging ein Stück weit bei
Seite.
„Er hat Vildana damals schon angegriffen.“
„Kohn!“
Ahonas kam vom nahegelegenen Turm zurück und stürmte auf den Schützen zu.
„Wir müssen nach Osten.“
„Komm her Ahonas, wir ziehen weiter.“
Selbst Vildana hat es sich nicht nehmen lassen, zu zusehen, wie die Worgen
Goushin in die Mangel nahmen.
„Aufbrechen? Warum?“
„Weil Goushin Ärger macht.“
„Kohn, wir ziehen weiter.“
Noch immer hielt Lucan Goushin fest, der Pandaren hatte nun seine Schwerter
gezogen. Aber er machte keine Anstalten irgendjemanden anzugreifen.
„Ich? Jetzt? Nein!“
„Ihr zieht weiter?“
„Lasst ihn Ärger machen, dann stirbt er hoffentlich.“
„Weckt Yonoko, dann können wir los.“
„Yonoko ist nicht zu wecken.“
„Was ist denn hier geschehen?“
„Der Pandaren hat irgendwas mit Minna gemacht und solange das nicht geklärt ist, geht hier
niemand irgendwo hin!“
„Eben, ich gehe hier nicht weg.“
„Das ist nicht unser Pandaren, Mädchen.“
Vildana hatte es nicht umsonst betont und Claudie dabei grimmig angesehen.
Schlagartig drehte sich Riwena um und starrte Vildana an.
„Seht Ihr, was hier passiert?“
„Gut, dann bleibt eben und Fang euch Flöhe ein.“
„Ganz recht, Flöhe!“
Riwena knurrte sie nur kurz an und drehte sich wieder zum Geschehen.
„Vildana wartet bitte…“
Aber Vildana hatte sich so schnell umgedreht und war gegangen, das Ahonas
Mühe hatte, ihr zu folgen.
„Verbiesterte alte Ziege.“
„Das ist alles nicht so schön, wie ich am Anfang gedacht hatte…“
„Was ist hier passiert?“
„Goushin hat etwas mit Minna gemacht.“
„Yenuri du musst Minna helfen, irgendwas stimmt nicht mit ihr.“
Mit noch immer verwirrter aber dennoch gereizter Mine sah Riwena von Goushin
zu Minna und dann zu Yonoko.
„Darf ich ihn erschießen Riwena, wenn er Ärger macht?“
„Der gehört mir! Wenn es Minna wieder besser geht!“
„Ganz leer ausgehen will ich nicht. Er hat auch meine Freunde angegriffen!“
„Wir erschießen niemanden!“
„Nun kommt, trommle alle zusammen und zeig ihnen den Weg wie ich sagte!“
„Beruhigt euch doch erstmal.“
Lucan hatte sich keinen Millimeter Bewegt und Goushin nicht ein Stück mehr
Luft gelassen.
„Ich weiß dass wir nach Osten müssen und du gehst mit! Riwena… Pass mal auf den Dicken
auf, eh?“
Mit gezogenen Waffen ging die Worgen auf Lucan und Goushin zu. Aber sichtlich
verwirrt und mit sich ringend. Goushin blieb wo er war während Lucan zu Yonoko
ging und die kleine Phiole aufhob.
„Nicht trinken, eh? Du passt darauf auf. Da hat Minna draus getrunken!“
Wütend hielt er die kleine Tonflasche Yenuri hin. Der Worgen nahm sie ihm ab
und schnüffelte vorsichtig daran.
„Verstanden.“
„Yenuri, helft mit den Pandaren festzuhalten.“
Mit einem nicken gab Yenuri dann die Phiole an Lucan zurück und half Riwena
Goushin die Arme hinter dem Rücken zu binden.
„Kettet mich gut fest! Und gebt die Hoffnung auf? Die Reise in den Osten ihr solltet gehen
um zu sehen ob sie werden wachen… an den Klippen des Meeres.“
„Verdammt. Ich dachte jetzt bekommt er mal eine Abreibung.“
Schnaufend kam Ahonas zurück. Ohne Vildana.
„Ich konnte Vildana nicht aufhalten.“
„Dadurch, dass er eine Abreibung bekommt geht es Minna oder wem auch immer auch nicht
besser.“
„Ist ja schon gut. Ihr habt Recht. Aber es ist nicht das erste Mal das er so etwas macht und
das Nächte Mal geht es vielleicht noch übler aus.“
„Wie geht es ihr?“
Der Draenei deutete auf Yonoko. Aber Kohn gab Ahonas keine Antwort darauf.
Immer noch wütend sah Lucan von Minna zu Yonoko.
„Wir nehmen die Pandaren mit… und sollte der Dicke Ärger machen, schneiden wir Ihr die
Kehle auf.“
„Gut.“
„Wir müssen nach Osten… dort wo die Wellen die Klippen treffen, bevor die Dunkelheit über
uns hereinbricht.“
„Der hat einen an der Waffe… Weggesperrt gehört der, das ist wohl das Beste.“
„Aber jemanden anzuketten macht es nur noch schlimmer.“
„Und was sollte man deiner Meinung nach tun, Ahonas?“
„Ich bin ja für drastischere Mittel, als Wegsperren.“
Gran sah von Minna zu Goushin rüber und knurrte ihn an.
„Sollte sie nicht wieder aufwachen, reiß ich dir die Gedärme raus!“
Riwena und Yenuri führten Goushin in den Turm. Dicht gefolgt von Lucan, der
sich jetzt dazu entschlossen hatte, seine Worgen-Form anzunehmen.
„Ich würde versuchen zu heilen, Claudie.“
„Prima, Heilen. Genau das, auf das ich mich nicht verstehe.“
„Ihr seid ein wenig zu Gutgläubig, Ahonas.“
„Das Licht kümmert sich um all jene, die es brauchen.“
„Na dann sagt dem Licht doch mal, das es zu Minna fliegen soll, aber hurtig!“
„So einfach ist das leider nicht…“
„Natürlich nicht.“
„Wir müssen an heilige Orte gehen.“
„Der einzige Ort zu dem Goushin gehen sollte, wäre der Henkersblock.“
Claudie schnaufte nur und schaute besorgt zu Minna und Gran.
„Ihr jungen Völker und euer Hass…“
„Riwena… Wir müssen nach Osten um Minna zu helfen, wir alle… Das hat er gesagt.“
Lucan deutete auf Goushin, aber Riwena schien den Worgen nicht einmal gehört
zu haben und kümmerte sich immer noch um den Pandaren. Kurzum stellte er sich
ihr in den Weg und ging dann mit ihr und Goushin in den Turm
Gran machte ein paar Schritte auf Yonoko zu und musterte die rote Pandaren
kurz.
„Jemand sollte sich um die Bärin kümmern.“
Gran ging auf Yonoko zu und kniete sich zu ihr.
„Und wohin mit ihr?“
„Geht nur, ich bleibe hier bei ihr.“
„Seid Ihr sicher, Draenei?“
„Das Licht wird uns schützen.“
„Gut, wenn Ihr das sagt. Wenn Ihr etwas braucht, lasst es mich wissen.“
Ahonas nickte Gran nur zu und setzte sich zu Yonoko. Der Worgen stand auf und
ging mit Minna zur Gasthaus runter. Der Draenei kniete sich zu Yonoko und
atmete tief durch.
„Erhöre mich, ewiges Licht. Tröste uns mit deiner Wärme und lass den Schatten weichen.
Gebt mir die Stärke, sie zu schützen, vor allem was da kommen mag. Bis sie aus der dunklen
Traumwelt zurückkehrt.“
Aber Yonoko rührte sich nicht.
„Wärme sie, schütze sie und gibt unseren Freunden den Worgen die Geduld. So wie du sie
uns gabst, in Zeiten der Not.“
Der Atem regelmäßig und kräftig, aber keine anderen Anzeichen, die darauf
hingewiesen hätten, das Yonoko erwachen würde.
„Dieser Pandaren gehört zu euch… wenn Minna nicht wieder aufwacht, ist das euer aller
Ende!“
Gran war alleine zurückgekommen. Seine sonst schon raue Stimme war voller
Zorn und Trauer, aber nicht minder angsteinflößender.
„Gran, der Pandaren gehört nicht zu uns!“
„Halt mal die Luft an Gran! Kohn und die anderen haben nichts damit zu tun!“
Kohns Verteidigung schien Gran nicht zu beeindrucken, Claudies genauso wenig.
„Das letzte Mal als ich ihn gesehen habe, schoss ich mit explosiver Munition auf ihn! Ich
würde nicht lieber sehen, als ihn tot!“
„Und wieso ist er dann hier?“
„Weil er sich selber eingeladen hat, wie immer. Und weil Yonoko auf ihn steht und er sie
begleitet hat.“
Knurrend starrte Gran Kohn an. Kohn zuckte keinen Millimeter vom Worgen weg.
„Tut mir leid. Ich wusste ich hätte etwas sagen sollen. Er hat auch Vildana schon mal
angegriffen, nachdem er sich in unsere Gruppe geschlichen hatte. Ich wollte keinen Streit
anzetteln.“
„Streit? Das ist mehr als Streit!“
„Ich hoffe ernsthaft, dass es Minna bald wieder besser geht. Wenn ich raten würde, würde
ich sagen das ist wieder eine seiner Manipulationen, um Leute dazu zu bringen, zu machen
was er will. Ich habe auch mehr als einen Streit mit ihm.“
Noch immer versuchte Kohn Gran von seinen Worten zu überzeugen.
„Ich meine es ernst. Ich würde nichts lieber als ihn tot sehen.“
Yenuri kam aus dem Turm zurück und ging zu Claudie.
„Wir werden es erleben, Claudie. Laos Prophezeiung, bevor wir herkamen, war auch
kryptisch. Aber wie du siehst… Minna hat aus einem Gefäß getrunken. Auch alles andere
wird sich fügen.“
„Ich verstehe gar nichts mehr… Was für eine Prophezeiung? Gehen wir nun nach Osten, weil
dieser verrückte Pandaren es gesagt hat?“
Sichtlich unzufrieden mit der Situation kam Riwena aus dem Turm und sah sich
um. Mit laut erhobener Stimme rief sie alle zusammen.
„Die Lupi werden nun nach Osten aufbrechen, um Minna und Yonoko zu helfen! Der
Pandaren wird von Lucan geführt. Jeder der die Lupi begleiten will, soll seine Sachen packen.
Wir brechen in wenigen Minuten auf!“
Riwena sah zu Kohn.
„Zügelt euer aller Hass, er verfinstert eure Gedanken. Es gibt wichtigeres zu tun.“
Die Worgen, die nichts zu tun hatten, folgten ihren Worten und sammelten ihre
Sachen zusammen. Gran stand weiterhin vor Kohn und drehte sich dann erst um,
genauso wie Riwena, die sich umsah.
„Yenuri? Kannst du Yonoko tragen?“
„Ja, das kann ich.“
„Ich weiß nicht ob es gut ist sie jetzt zu tragen.“
„Wollt Ihr stattdessen hier bleiben?“
„Wohin wollt ihr gehen?“
„Von Osten war die Rede.“
„Um eure Freundin zu retten?“
„Richtig.“
Und schon hob Yenuri Yonoko ins eine Arme. Es schien ihm nicht sonderlich viel
Mühe zu machen die mittlerweile schon recht runtergehungerte Pandaren zu
tragen.
„Ich meine… ist das alles, was wir an Anhaltspunkten haben? Eine Prophezeiung?“
„Auch davon sprach Lao, wir sollten nicht die Schwerter kreuzen.“
„Wie gesagt, ich wette es ist einer seiner Tricks, um uns dazu zu bringen das zu tun, was er
will.“
„Dann tun wir eben was er will! Um Minnas willen!“
„Und Yonoko.“
„Das ist das Problem. Müssen wir wahrscheinlich, weil es der einzige Weg ist, Minna wieder
aufzuwecken.“
Ahonas stellte sich neben Yenuri auf. Sah zwischen ihnen hin und her.
„Aber es gibt doch überhaupt keinen Beweis dafür, dass wir ihr im Osten auch wirklich
helfen können.“
„Ich weiß, Claudie.“
„Irgendwer bezahlt hierfür... ganz gleich wer…“
Gran sah von Kohn zu Yonoko und nickte dann Yenuri zu.
„Wenn ihr Goushin den Kopf abreist, will ich dabei sein.“
Der gruselige Worgen schnaufte nur gen Kohn, drehte sich dann ohne ein
weiteres Wort um und ging. Dicht gefolgt von Ahonas und Yenuri. Nach und nach
kamen die Lupe mit Sack und Pack zurück.
„Jeder der die Lupi begleitet macht sich bereit.“
„Ich bin bereit.“
„A-aber Chefin… Das.. das ist doch irrational… Ich meine… Wir haben einen Druiden hier
und… einen Licht-Draenei… Irgendwas müssen wir doch tun können…“
„Es wird niemandem der Kopf abgerissen.“
„Wir ziehen also wirklich weiter?“
„Ich halte mich zurück, solange ich eure Gastfreundschaft genieße.“
Mit einer knappen Geste machte Riwena Kohn klar, dass sie nichts mehr davon
hören wollte und drehte sich zu Gran um.
„Gran, was hat der Pandaren genau gesagt?“
„Irgendwas mit Osten. Aber ich habe auch nichts mitbekommen. Frag Lucan.“
Kaum hatte Gran das gesagt, konnte man Lucan vom Turm her knurren hören.
„Was ist denn nun noch?“
„Wir haben wohl keine Wahl, als den absurden Wünschen des anderen Pandaren Folge zu
leisten. Er sagte Osten.“
„Ich würde nur gerne wissen, was genau auf uns zukommt. Ich meine, wie kann ich eine
große Hilfe sein, wenn ich mich nicht vorbereiten kann?“
„Begebt euch zum Ausgang. Lucan und ich kommen nach.“
Gran nickte und ging voraus. Gefolgt von einigen anderen Worgen und kurz drauf
von Kohn und Claudie.
„Hoffentlich ist das kein Fehler. Die Schatten umgeben die Brüder. Nun gut. Wir kommen
mit, aber ich werde sie tragen.“
„Gut, wie Ihr wünscht.“
Statt ihm Yonoko in die Arme zu legen, legte er die Pandaren zurück ins Gras.
Erfolglos versuchte Ahonas die rote Pandaren anzuheben und ließ es dann doch
seufzend sein. Yenuri grinste ihn nur wohlwissend an und hob Yonoko wieder
hoch.
Die Gruppe sammelte sich nach und nach, da konnte man einen großen Schatten
über ihnen sehen. Er war größer als Vildanas Gestalt. Kurz darauf landete eine
wohlbekannte Kaldorei auf ihrem Hippogryphen, inmitten der Gruppe.
„Ishnu’alah. Seid ihr die Reisenden, die Lao Windpfote begleiten?“
„Ja, das sind dann irgendwie wir. Wer seid Ihr?“
„Haylah Nachtwind. Ich hatte die Ehre, diese Gruppe durch Feralas zu führen. Allerdings seid
ihr ziemlich gewachsen.“
„Lao bat uns um Geleit durch das Steinkrallengebirge. Meine Anführerin hat dem
zugestimmt.“
„Was ist mit ihr passiert?“
Die Kaldorei deutete auf Yonoko und sah von Ahonas zu Yenuri.
„Das kann ich Euch nicht sagen, da ich es nicht weiß.“
Haylah nickte stumm.
„Eine seltsame Prophezeiung vom Lao. Ich verstehe bis jetzt noch nichts von dem
Geschehnissen.“
„Prophezeiung… Ich verstehe. Oder auch nicht. Ihr habt meinen Dank.“
Noch immer auf ihrem Hippogryphen sah sich Haylah um. Die anderen kamen
gerade vom Turm zurück zum Gasthaus und stellten sich zur Gruppe.
„Also gut… nehmt sie. Ich weiche aber nicht von Eurer Seite.“
„Verstanden. Helft mir, sie auf den Rücken zu ziehen.“
Mit vereinten Kräften konnte Yonoko auf dem Rücken des Worgen landen. Seine
großen Pranken hielten sie fest.
„Passt bitte gut auf sie auf.“
„Ja und nun kommt, wir sollten den anderen und folgen.“
Ahonas sammelte ihren Stab und den Rucksack ein, folgte dann Yenuri zu den
anderen am Gasthaus. Die meisten hatten sich bereits versammelt.
„Gehen wir…“
„Auf geht’s! Lucan bleibt bei Gran und Minna, Yenuri geht mit der Pandaren hinter ihnen.
Bleib in der Mitte der Gruppe!“
Riwena ging voran. Die Worgen bildeten eine Formation und verließen den Posten
im Gleichschritt. Ahonas war Yenuri nicht von der Seite gewichen und auch
Haylah blieb mitten in der Gruppe. Ihre Blicke fielen immer wieder zwischen
Kohn und Yonoko hin und her.
Regen. Regen der auf Stein trifft, prasselte kalt auf sie und den harten Boden
unter ihr herab. Vorsichtig öffnete sie die Augen und hielt sich schützend die
Pfoten vors Gesicht.
Rote Handschuhe?
Sie drückte sich halb hoch und sah an sich herunter. Auf einmal trug sie nicht
mehr ihre Rüstung, sondern ihre rote, mit Gold verzierte Stoffkleidung. An ihrer
Weste war eine Kapuze, die ihr weit ins Gesicht hing.
Yonoko fühlte sich schwer wie Blei, als sie sich auf die Knie hochstemmte und in
den Himmel sah. Er war dunkelgrau und voller schwerer Wolken.
Als sie sich umsah, erkannte sie Häuser in der Ferne und Zelte in der Nähe.
Auch wenn sie keine echte Ähnlichkeit mit denen der Menschen hatten, dachte
Yonoko sofort, dass sie von Menschen gemacht wurden. Der Stein war viel
Dunkler als der aus dem Sturmwind gemacht wurde und das Holz schien fast
schwarz zu sein. Vor ihr ragte eine dunkle Kathedrale in den Himmel. Mit roten
Glasfenstern, deren Mosaik an eine Aufgehende Sonne erinnerte.
Oben vor dem Tor stand eine Frau. Im ersten Moment war der Regen so dicht,
das Yonoko sie nicht erkennen konnte. Dann sah sie auf die Farben ihres
Wappenrocks.
Eine Lupi.
Unbeholfen stellte sie sich auf und mit schwerfälligen Schritten ging sie auf die
Treppe zu. Die Worgen hatte Yonoko bereits bemerkt und sah sie schweigend an.
Es fiel der Pandaren schwer die Stufen hoch zu gehen.
„Du bist… von den Worgen, aus dem Gebirge, oder?“
Minna schien genauso verwirrt und irritiert wie Yonoko.
„Ja, das bin ich… Und eigentlich war ich auch der Meinung, dass ich dort auch noch bin.“
„Dann… sind wir schon mal zwei.“
Noch einmal sah Yonoko die dunkle Kathedrale hoch.
„Was ist das hier?“
„Das… sieht mir stark nach der Kathedrale in Gilneas aus…“
Gilneas also, aber waren wir der Stadt so nahe gewesen?
„Ich finde das alles äußerst merkwürdig.“
Gerade war Yonoko die letzte Stufe hoch gegangen, da kam jemand aus der
Kathedrale heraus.
„Wo sind wir? Ich kenne diesen Ort nicht.“
Lao sah sich ebenso verwirrt um, als er durch die große Tür nach draußen kam.
Seufzend sah sich Minna um. Der Regen hatte sie und Yonoko bereits völlig
durchnässt.
„Das hier, Freund… Ist Gilneas… oder es sieht zumindest so aus. Meine ehemalige Heimat.“
Schlagartig schoss es ihr durch den Kopf.
„Der Trank! Moment…“
Erschrocken packte sie sich an den Hals. Das Pektorale war nicht mehr an seinem
Platz. Verunsichert sah sich Yonoko noch einmal auf dem Platz um, auf dem sie
lag. Aber vom Pektoralen war weit und breit nichts zu sehen.
„Oh nein… es ist weg…“
„Welcher Trank?“
„Goushin hatte mir einen Trank gegeben… aber dann dürftet Ihr nicht hier sein, Minna.“
„Was für einen Trank? Was soll er bewirken?“
Gerade wollte sie ihr Antworten, da hörte sie eine völlig andere Stimme.
„Ihr habt den Trank der Prüfung getrunken, meistert sie oder eure Hoffnung ist gesunken!“
Wie geschlagen zuckte Yonoko zusammen. Hektisch sah sich Minna noch einmal
um.
„Was bei Xuen… Das ist doch Goushins Stimme!“
„Du… du hast sie auch gehört?“
„Ja… du auch?“
Beide sahen zu Minna.
„Eine Stimme?“
„A-aber der Trank… ich dachte nur…“
„Ich tank den Trank des schwarzen Ochsen um… Hat er euch auch einen gegeben?“
Lao sah zu Yonoko. Sie nickte nur.
„Ja, im Brachland.“
„Dieser miese Yaungol…“
„Er hat mir nichts gegeben…“
Mit großen Augen sah Minna von einem zum anderen. Dann blieb sie bei Yonoko
hängen und starrte die Pandaren an.
„Moment… Die Flasche, die Ihr dabei hattet… jetzt fällt es mir wieder ein.“
„Du hast doch nicht etwa… Du kannst doch nicht einfach etwas trinken, von dem du nicht
weißt was es ist!“
Im selben Moment in dem die rote Pandaren die Worte sagte, hätte sie sich am
liebsten selber geohrfeigt. Immerhin warf sie Minna etwas vor, das sie selber
getan hatte.
„Doch… Ich hab davon getrunken… Ich konnte nicht anders.“
Sie hob abwehrend die Hände.
„Ich wusste nicht… Es hat mich irgendwie magisch angezogen…“
Wieder erklang Goushin.
„In der Kirche… da fand man einst Schutz. Begebt euch hinein… Sonst werdet ihr den Tag nie
wieder sehen!“
„Habt ihr das gehört?“
Lao und Yonoko nickten ihr zu.
„Das gefällt mir gar nicht. Aber ich will auch nicht wissen, was passiert, wenn wir uns
weigern.“
„Ich auch nicht.“
Gerade als sie sich auf den Weg machen wollten, hörte man Geräusche.
„Hört ihr das?“
Schritte von großen schweren Pranken, das scharren von Krallen über Stein,
Knurren und klagende Stimmen.
Mit schnellen Schritten verschwanden die drei in der Kathedrale ohne sich
umzudrehen. Kaum waren sie durch das große Tor, da schlug diese hinter ihnen
zu.
„Was bei Xuen…?“
Mit der blanken Panik in den Augen starrte Minna auf die Tür.
„Das erinnert mich an damals…“
„Was ist damals passiert?“
Minna kam nicht dazu zu Antworten. Am Holz der Tür kratzte etwas und
polterte dagegen.
„Lasst uns weiter nach hinten gehen.“
Als die drei den großen Hauptsaal betraten, sah Yonoko sich um. Die wenigen
Kerzen im Raum waren angezündet.
„Dieses Chi…“
„Worgen… überall. Wilde Worgen die… alles zerfleischen, was sie zwischen die Klauen
bekamen… Sie fielen über Gilneas her…“
Mit weit aufgerissen Augen sah sich Minna um. Man konnte ihr anmerken, dass
die Erinnerungen grausam waren.
Als Yonoko eine Treppe fand und hinunter sah, war der Keller überflutet.
„Gibt es einen Weg hier raus?“
„Ich weiß es nicht genau. Vielleicht gibt es einen Geheimgang… Untypisch wäre das nicht.“
Merklich verunsichert ging die Worgen vor zum Altar, Lao war Yonoko zwischen
den Bankreihen entgegen gekommen, als sie von der überfluteten Treppe
zurückkam.
„Ein Pandaren sollte stets seine Kameraden bewachen. Wirst du stak genug sein, um sie zu
beschützen?“
Yonoko hatte dieses Mal nicht das Gefühl, das Lao oder Minna Goushin gehört
hätten. Seine Worte waren zu persönlich gewesen und Lao sah sie noch immer
genauso an wie vorher.
„Lao… Wir sollten zusammen bleiben.“
„Ja, ja in der Tat.“
Ein bedrückendes Gefühl machte sich in ihr breit. Yonoko konnte nicht mehr
einschätzen ob Goushin sie nicht überschätzt hatte, oder genau wusste was sie
konnte und es absichtlich getan hatte.
Am Altar hatte Minna das große Buch aufgeschlagen und schien zu lesen.
„Was tut Ihr da, Freund?“
„Es wird euch einholen… Seid ihr stark genug, euch dem zu stellen?“
Das einzige was Yonoko in dem Moment durch den Kopf ging, war ihre
unheimliche Angst vor dem Sha. Die Vorfälle der letzten Tage, die Tatsache das
Lao hier war. Alles hatte für sie die Andeutung an das Sha der Angst. Und die
neue Stimme erstrecht.
„Goushin! Wenn das ein übler Scherz sein soll, dann ist er nicht witzig!“
„Yonoko?“
Ein unnatürlicher Wind kam auf. Eine Kerze nach der anderen erlosch, von der
Tür bis zu ihnen am Altar. Als hätte ein Geist sie beim Vorbeigehen gelöscht.
In der Kathedrale wurde es stockfinster und totenstill. Nur das prasseln des
Regens auf den Dachschindeln war zu hören.
„Was ist jetzt schon wieder?“
Kichernde und ächzende Stimmen durchhallten den Raum. Überall tauchten rot
glühende Augen auf.
„Nahe am Tisch bleiben!“
Minna stand auf der anderen Seite und Yonoko glaubte kaum das ihre erhobenen
Fäuste etwas bewirken würden.
„Lao… Mein Stab ist weg und die Krallen sind nicht in den Handschuhen… das Pektorale ist
auch verschwunden…“
„Nur zusammen können wir das meistern.“
Die rote Pandaren fühlte sich hilflos. War verwirrt und hatte keine Ahnung was
sie tun sollte.
Die neue, unbekannte Stimme klang durch die Dunkelheit, kalt und rau.
„Ihr aus dem Volke der Worgen… Habt Ihr Angst?“
„Vor wem sollte ich Angst haben?“
Die Stimme der Worgen hallte durch die Dunkelheit. Neben ihr hörte Yonoko,
wie Lao auf das Pult geklettert war. Aber der Raum blieb dunkel und das was sie
hörte, verschreckte sie nur noch mehr.
„Vor der Dunkelheit!“
Minna schlug in der Dunkelheit mit ihren Dolchen umher, das Leder ihrer
schwarzen Rüstung knarrte. Als ihr deutliches Knurren zu hören war, wurde
Yonoko klar, das Minna sich gewandelt hatte.
„Verschwinde!“
„Wo ist es?“
„Ich sehe nichts… Minna, lass dich nicht provozieren!“
„Minna… Minna Sterling… Bist du bereit dein Schicksal anzunehmen… und zu sterben?“
„Niemals! Meine Zeit zum Sterben ist noch nicht gekommen!“
„Wie willst du dem entgehen? Du bist alleine und niemand da der dir helfen kann… Ob
deine wilde Seite dir nutzen wird?“
Wieder polterte es auf dem Tisch mit dem großen Buch. Minna war zu Lao rauf.
„Du meinst ich bin alleine? Mach das Licht an, dann siehst du dass ich nicht alleine bin!“
„Yonoko, komm zu uns hoch!“
Völlig blind tastete sich Yonoko am Pult entlang und kletterte hinauf. Sie spürte
Laos Pfoten an ihren Schultern, wie er sie drehte und sich dann mit ihr und
Minna Rücken an Rücken stellte.
„Unser Chi… gebt mir eure Hände!“
Kurz darauf konnte man hören wie Minna ihre Dolche wegsteckte. Lao ergriff
Yonokos Pfote so fest, dass es fast wehtat. In Minnas Pranken verlor sich fast
ihre Pfote.
„Zusammen… Schießt die Augen!“
Am liebsten hätte Yonoko ihm böse Blicke zugeworfen. In völliger Dunkelheit die
Augen zu schließen, ohne zu wissen was dort war. Sie hatte Angst, einfach nur
Angst. Die rote Pandaren wollte aufwachen aus diesem Alptraum, mehr nicht.
„Das Chi wird uns leiten… Wir nehmen unser Schicksal an, auch wenn wir sterben werden…
wir nehmen es an! ... Sprecht mir nach!“
Hatte Lao den Verstand verloren?
Nein, Yonoko wollte nicht sterben. Nicht dort, nicht in dem Moment, nicht so.
„Das Chi wird uns leiten… Wir nehmen unser Schicksal an…“
Minna schluckte schwer und Yonoko konnte sich nur schwerlich überwinden es zu
sagen. Das jammern und klagen der Stimmen schien näher zu kommen. Die
Schritte wurden lauter.
„Das Chi wird uns leiten, wir nehmen unser Schicksal an.“
Einen Moment geschah nichts. Was immer da in der Dunkelheit war, kam immer
noch näher. Dann kam völlige Stille.
„Die Angst kann euch nicht besiegen! Gut… Dann habt ihr den ersten Teil der Prüfung
gemeistert!“
Wieder kam Wind auf, aber dieses Mal flackerten die Kerzen wieder auf. Das
Quietschen und Ächzen von Türen war zu hören und die Stimmen verschwanden
mit all ihren Schatten.
Die Erleichterung aller war durch ihre Hände zu spüren. Nur zögerlich ließen sie
sich los.
„Es ist… Ruhig…“
Erst Lao, dann Minna und Yonoko, stiegen vom Pult herunter und sahen sich um.
„Und jetzt?“
„Warten…“
„Auf was?“
Minnas Angst schien wie weggeblasen. Sie war wieder genauso wie im Gebirge.
„Begebt euch an den Ort, der einst als Platz zum Handeln diente! Meistert die nächste
Prüfung!“
„Minna, wo ist das?“
„Der Marktplatz, folgt mir!“
„Gut.“
Die Worgen ging zum Tor voraus. Es stand weit offen, wie am Anfang. Der Platz
davor war voller Nebel und es hatte aufgehört zu regnen, nur eine schmale
Schneise schien eine Art Weg zu bilden.
„Yonoko… Sei Ihr bereit?“
Wieder war es zu persönlich, als das es die anderen hätten hören können. Sie
blieb aber die Antwort schuldig.
Zusammen gingen sie in den Nebel hinaus und bahnten sich ihren Weg. Von dem
was um sie herum war, konnte man nichts mehr erkennen. Als gingen sie durch ein
Labyrinth aus Wolken.
„Yonoko… Die Wut und die Angst… Meisterst du sie?“
Yonoko schüttelte sich durch und schwieg. Sie hatte Angst, panische Angst und
wollte einfach nur aufwachen. Aber egal an was sie dachte, sie konnte es nicht.
„Es verfolgt dich… es wird dich verzerren… es wird dich fassen…“
Minna führte sie zu einem Platz, der umringt war von Häusern. Hier hatte sich
der Nebel nicht so dicht ausgebreitet.
„Minna… du bist hier aufgewachsen?“
„Sozusagen… Das hier ist… war der Marktplatz.“
Der Platz war verwüstet, die Wagen umgeworfen und zum Teil in Brand gesteckt
gewesen. Überall legen kaputte Fässer oder Kisten.
„Waren das… Worgen?“
„Unter anderem. Die Untoten sind auch über uns hergefallen.“
Mehr unbewusst ging Yonoko ein paar Schritte auf den Marktplatz zu.
„Yonoko nein!“
„Yonoko!“
Zwar konnte sie Lao und Minna noch hören, aber als die junge Pandaren sich
umdrehte, war bereits alles voller dichtem Nebel.
„Lao! Minna!“
Sie höre keinen von beiden mehr, aber sie spürte etwas. Angst. Völlige, pure
Angst. Auch wenige Schritte zurück führte sie nur weiter durch Nebel, aber
nicht zurück zu den beiden.
Das Gefühl etwas würde sich um ihren Körper legen und ihn zu Boden drücken
kroch an ihr hoch. Orientierungslos stolperte sie durch den Nebel und befand
sich auf einmal vor einem Haus. Die Tür war herausgebrochen worden und hinter
der kleineren Tür dahinter, versperrten Trümmer den Weg. Aber sie empfand es
als gute Idee dort zu bleiben. Zitternd stellte sie sich hinter den Eingang und
lauschte nach irgendeinem Geräusch.
Es dauerte eine Weile, bis sie Minna wieder rufen hörte.
„Yonoko! Wo bist du?“
„Hier! Am Haus!“
Aber als Yonoko ein paar Schritte vor die Tür ging, stand dort ein massiger
Pandaren aus Schatten. Yonoko hatte keine Chance sich zu reagieren. Der
Schatten stürmte auf sie los und Yonoko konnte nur noch die Arme hochreißen
und den Kopf wegdrehen.
Die Wucht seines Schlags war so groß, das sie fast mit dem Rücken an die Wand
schlug. Der Versuch ihm das Knie in die Rippen zu rammen scheiterte, die großen
Pranken des Pandaren griffen nach ihren Hals und hielten sie fest.
„Hast du Angst?“
Selbst wenn Yonoko hätte Antworten können, hätte sie geschwiegen. Sie krallte
sich mit aller Macht in seine Arme und versuchte sich zu befreien.
„Wut… Zeig sie mir!“
Zappelnd hing sie in seinen Armen, die Krallen schienen keinen Effekt auf den
Schatten zu haben. Irgendwas in ihrem inneren zwang sie dazu die Augen weit
aufzureißen und den Schatten anzusehen. Aber ganz egal was sie glaubte sehen
zu können, der Schatten verschlang alles was auch nur annähernd nach
Gesichtszügen aussah.
Durch den Nebel drangen Stimmen.
„Yonoko?“
„Ergibt dich nicht dem Sha der Wut… Kämpfe!“
Von Lao und Minna war nichts zu sehen, nur ihre Stimmen zeigten, dass sie noch
da waren, irgendwo im Nebel.
Verzweifelt trat die rote Pandaren nach dem Schatten, stemmte sich dann an
ihm hoch und versuchte ihm unters Kinn zu treten. Der Tritt ging einfach durch
den Schatten hindurch.
„Wut… ergibt dich dem Sha der Wut!“
„Gib nicht auf Yonoko!“
Immer noch umklammerten sie die Pranken des Schatten-Pandaren und sie
versuchte sich zappelnd zu befreien. Wie eine Statue stand er da. Unbewegt und
doch spürte sie wie er ihr langsam die Kehle zuschnürte.
„Was ist mit ihr?“
Die Stimmen von Minna und Lao verloren an klarheit. Es wirkte wie ein wässriger
Schleier.
„Die Prüfung fordert uns alle zu unserem eigenen Kampf auf… Nehmen wir sie an den Armen
und zeigen wir ihr, dass wir bei ihr sind…“
Wovon redete er da?
Yonoko wollte nach Hilfe schreien, aus tiefster Kehle, Aber die Pranken waren
bereits so fest, dass sie mehr denn je glaubte zu ersticken. Der Schatten hob
sie vom Boden ab, ihre Füße verloren den halt.
Plötzlich lösten sich ihre Pfoten vom Schatten. Ihre Arme gehorchten nicht
mehr, als würden sie von fremden Händen geführt. Breiteten sich nach links und
rechts aus wie Schwingen. Sie bekam immer weniger Luft.
„Yonoko… nimm es an… Es kann dir nicht wehtun. Das Sha der Wut kann nur besiegt werden,
wenn du aufhörst es zu bekämpfen… Gib auf… Lass es dich angreifen, es wird keine Macht
über dich haben…“
Die rote Pandaren hörte seine Worte, aber sie glaubte ihm nicht. Die pure Panik
hatte sich bereits in ihrem ganzen Körper ausgebreitet und in ihre Gedanken
gefressen. Mit zusammengekniffenen Augen zerrte sie an ihren Armen.
„Kämpft Pandaren! Versucht mich zu besiegen und zeigt mir deine Wut!“
Es war keine Wut, es war Angst. Völlig panisch zerrte sie an ihren Armen, verlor
das Gefühl in den Beinen und sackte im Griff des Schattens zusammen. Die
wenigen kleinen Luftzügen hielten sie gerade so davon ab bewusstlos zu werden.
Aber die Armen gaben nicht nach, genauso wenig wie die Pranken an ihrem Hals.
„Wir sind hier und helfen dir. Lass nicht zu dass es dich kontrolliert!“
Minna klang sanft, fast zärtlich. Gerade glaubte sie, ihre Stimme war das letzte
was sie hören würde. Yonokos Körper gab nach, die Lungen waren bis zur
Erschöpfung ausgelaugt.
Einen Moment lang war Stille, sie konnte ihren Körper nicht mehr spüren. Was
auch immer sich aus den tiefsten Tiefen in ihr regte, sie konnte es nicht
erfassen. Nur das der Schatten sie losließ, nachdem ihr Wiederstand völlig
zusammenbrach.
Die junge Pandaren hatte das Gefühl aus einem Traum im Traum aufzuwachen.
Als sie die Augen öffnete, sah sie Minna und Lao verschwommen vor sich.
„Alles in Ordnung?“
Nach Luft ringend griff sie sich an den Hals. Die Pranken waren weg.
„Gut gemacht Yonoko.“
Goushins Stimme hallte durch ihre Ohren.
„Du hast die Prüfung gemeistert!“
Das war ihr in dem Moment völlig egal gewesen. Sie war einfach nur froh, dass es
vorbei war.
„Geh mit ihnen zum Haus aus Holz am Meer.“
Erschöpft stand sie auf, taumelte und lehnte sich einen Moment an die Wand.
„Haus… aus Holz... am Meer…“
Mehr brachte ihre Stimme nicht heraus. Aber eine andere erfüllte den Nebel.
„Lao! Deine Prüfung wartet! Von allen Prüfungen hast du die des Sha des Schmerzes, Hasses
und Wut abzulegen!“
„Was immer das hier ist, es ist verrückt und gruselig!“
Minna stützte Yonoko und sah zu Lao.
„Ich muss mich dem Stellen.“
„Komm nicht auf… die Idee ohne uns… zu gehen… Das ging… zu oft schon… schief.“
Der Nebel lichtete sich allmählich und der Marktplatz war wieder zu sehen.
„Nein.“
Lao lächelte die beiden sanft an.
„Niemals!“
„Wir gehen mit Euch, Lao.“
Es hatte den Anschein, als würde der Himmel von der aufgehenden Sonne
erhellt.
„Ihr habt selber gesehen, dass wir zusammen die Prüfung meistern können.“
„Ja in der Tat.“
Dann wurde auf einmal alles heller.
„Aber eure Stimmen werden leiser…“
„Konzentriert Euch auf unsere Stimmen!“
„Lao!“
Wie der Nebel, so begann auch Lao sich aufzulösen.
„Was zum…?“
„Minna… Yonoko… Ich höre euch kaum… Verlasst mich nicht!“
Man konnte noch sehen wie Lao nach ihnen greifen wollte, aber Yonokos
ausgestreckte Pfote griff ins Nichts.
„Wir sind hier Lao! Hier!“
Mit zusammengekniffenen Augen fiel Yonoko auf die Knie. Lao war verschwunden
und alles um sie herum wurde so hell, das sie nichts mehr sehen konnte. Der
scheinbar heller werdende Tag wandelte sich binnen Sekunden zu einer
tiefschwarzen Nacht.
Wieder trat völlige Dunkelheit ein und wieder fühlte sie sich wie Blei. Ihre
Glieder schmerzten und sie konnte sich nicht bewegen. Dann fielen ihr die Augen
zu.
Lucan hatte Yonoko mit einem Seil an Armen und Beinen gefesselt.
„Der erste Anstieg ist gemeistert.“
„Scheint ja wieder runter zu gehen.“
„Das haben Berge so an sich.“
Schritte auf Stein, von Füßen, Hufen und Worgen. Unebenes Gelände und das
zirpen von Grillen hallten durch die Berge.
„Warte nur bis du eine Schiffsfahrt gemacht hast.“
„Keine Sorge.“
„Ich bilde nicht aus.“
Cheruna und Kohn grinsten sich an. Das Unebene Gelände führte einen Berg ohne
Pfad hinunter. An den Felsen standen weder Bäume noch Sträucher und obwohl
es wieder Bergab ging, schien es kälter zu werden.
Die Nacht war bereits längst hereingebrochen. Die Sterne waren vor lauter
Wolken kaum zu sehen.
Mehr rutschend als laufen ging es einen recht steilen Abhang hinunter.
„Autsch… Mist, ich glaube ich habe mir beim Abstieg den Knöchel verstaucht.“
„Kannst du laufen?“
„Ja… es geht schon…“
Kohn stemmte sich umständlich hoch und ließ sich nur wiederwillig dabei von
Cheruna helfen.
„Hu? Sind das nicht Lao und Vildana?“
Er nahm sein Gewehr vom Rücken und sah durch die Linse über eine weitläufige
Ebene.
„Tatsache.“
„Gewehr runter.“
„Klappe da hinten!“
Lucan sah Kohn ernst an und macht klar, dass er es nicht gut fand.
„Das Ding kann mehr als nur Schießen.“
„Ich komm dir gleich nach da vorn, Kleiner.“
Der Schütze schien das Ganze nicht so ernst zu nehmen wie der Worgen. Aber
er schultere das Gewehr wieder und ging mit Cheruna ein paar Schritte vor.
Die Hütte, welche in einiger Entfernung stand, war völlig aus Holz und schien
schon einige Jahre erlebt zu haben.
„Warum eine Hütte?“
Aber Gran bekam keine Antwort. Riwena gab allen einen Wink ihr zu folgen und
ging auf die Hütte zu. Am Lagerfeuer davor saßen Demian, Lao und Vildana, als
wäre nichts gewesen.
„Hmpf.“
„Ah ja?“
„Ich glaube sie haben Kohn aufgefressen.“
„Meinst du?“
„Ja. Er ist… Oh.. da hinten.“
Vildana schien die Gruppe jetzt erst bemerkt zu haben. Sie stand auf und drehte
sich zu ihnen um.
„Hallo zusammen, habt ihr gut geschlafen?“
Gran trug immer noch die bewusstlose Minna und Yenuri hatte die gefesselte
Yonoko auf dem Rücken.
„Huch, was ist denn jetzt los?“
„Das Teleportieren scheint gut geklappt zu haben, Demian.“
„Ach papperlapapp. Ich habe einen Greifen genommen. Wie jeder Vernünftige Mensch. Für
ein paar Extramünzen bringt er euch wohin ihr wollt.“
„Hör auf damit, ich glaube die wollen dir ans Leder.“
Vildana klang nicht sonderlich erfreut darüber, die Gruppe Worgen noch einmal
zu sehen. Auch wenn Kohn am Leben war.
„Wenn jemand fragt, ich bin auf einem Seepferdchen geritten.“
„Pah! Das kaufen sie dir auch ab!“
„Wie habt ihr uns gefunden?“
„Und Yonoko schläft immer noch?“
„Was ist mit Yonoko?“
„Vergiss sie Lao. Sie hat uns alles vorenthalten, was wichtig ist.“
„Wieso?“
„Erzähl ich dir später unter Vier Augen.“
Yenuri drehte sich etwas zur Seite und machte den Blick auf die rote Pandaren
frei. Sie rührte sich noch immer nicht und hing zusammengesunken auf dem
Rücken des Worgen.
„Hat wer eine ansteckende Krankheit, oder warum halten alle abstand?“
Tatsächlich war zwischen den drei am Lagerfeuer und der Gruppe Worgen noch
immer ein abstand. Aber wirklich darauf reagieren tat keiner.
„Ich hoffe wir können Minna jetzt helfen.“
„Was ist passiert?“
„Euer… Bruder?“
Lucan trat vor und sah Lao böse an.
„Die beiden haben was getrunken und sind so geblieben. Euer Bruder hat uns quer durch die
Pampa geschickt.“
„Goushin hat sie wahrscheinlich vergiftet!“
„Was hat er?“
„ Sie vergiftet. Ich hoffe du kannst helfen. Wusstest ja letztes Mal schon welches Gift er
benutzt hat.“
Lao ging auf Yonoko zu und schnupperte an ihr. Lucan zeigte ihm die Falsche, aus
der Minna und Yonoko getrunken hatten.
„Hm…“
„Setz sie auf den Boden Yenuri, du auch Gran.“
Vorsichtig setzte Gran Minna ins Gras und legte ihren Oberkörper an seinen,
stützte sie. Lao half Yenuri die rote Pandaren abzusetzen.
„Er hat ihr einen Trank des Ochsen gegeben. Sie schläft nur. Ist noch wer betroffen?“
„Wie lange?“
„Minna hat es erwischt.“
„Solange bis sie die Prüfung des Ochsen abgelegt haben.“
„Ah Großartig. Eine Prüfung im Schlaf. Ich kenne ja Prüfungen die man im Bett macht, aber
dabei schläft man nicht… nicht so.“
Riwena sah nur zu Kohn und hob eine Augenbraue. So witzig fand sie das nicht.
Gran strich Minna über die Wange. Man konnte ihm ansehen wie sehr ihr mitlitt.
„Nein Kohn, nicht im Schlaf. Meistert man sie nicht, stirbt man!“
„Das wage ich zu bezweifeln.“
„Wenn das passiert…“
Gran sprach den Satz nicht zu Ende, sondern sah nur einen Moment zu Riwena,
die neben ihm stand. Schwieg aber beharrlich und sah zu Minna runter.
„Toll! Einfach Großartig!“
Mit den Händen auf den Dolchgriffen sah Lucan von einem zum anderen.
„Und was können wir tun um ihnen zu helfen?“
„Tragt sie an einen sicheren Ort. Die Prüfung wird bald vorüber sein.“
„Sie wachen also von alleine auf?“
Lao nickte nur und kniete sich zu Yonoko runter.
„Werft sie ins Meer. Schadet auch nicht.“
Riwena zog die Lefzen hoch und warf Vildana einen verächtlichen Blick zu,
schwieg aber.
„Wenn ich diesen Kerl in die Finger bekomme… Eine Prüfung… so ein Müll.. Hokuspokus…
Pah!“
Mit leiser Stimme flüsterte Lao ihr etwas ins Ohr.
„Gut gemacht Yonoko… Ohne dich und Minna hätte ich es nie geschafft.“
Dann stand er wieder auf, ging zu Minna und schien ihr ebenso etwas
zugeflüstert zu haben. Als er sich wieder zu Vildana ans Feuer drehte, stellte
sich Demian zu Kohn.
„Was ist los Kohn? Weshalb das trübe Gesicht?“
„Ach ich hasse es nichts tun zu können. Ich bin ein praktischer Mensch. Ich muss an einem
Problem arbeiten und es dann mit meinen Händen lösen können. Wenn ich nichts machen
kann, frustriert mich das.“
„Wir können beobachten und lernen.“
„Ja ich weiß. Aber mir geht es eher um das Leben von Minna… und Yonoko… auch wenn ich
ihr ja gesagt habe dass das passieren wird.“
Über die Berghänge schallte ein Lachen in das Tal. Eine wohlbekannte stimme.
Lao drehte sich wie gestochen um und auch die Worgen suchten gezielt die
Berge ab.
„Seht! Dort oben!“
Seine ausgestreckte Pfote zeigte auf Goushin, der lachend an der Klippe stand,
von der sie kamen. Lao ging durch die Gruppe hindurch auf ihn zu, blieb dann
aber stehen. Mit knackenden Fingern stand Vildana auf und sah ihn an.
Riwena legte einen Pfeil auf ihre Bogensehne und zielte.
Goushin rief zu Lao herunter.
„Du und deine törichte Gruppe Lao… Hier fang… Es ist deines!“
Bevor jemand reagieren konnte, hatte Goushin das Bündel schon weiter herunter
geworfen und war verschwunden. Es landete zielsicher vor Laos Füßen.
Das Schwert steckte mit der Spitze im Boden und der Stoff darum löste sich.
Pandarische Schriftzeichen und Verzierungen waren darauf zu sehen.
„Was soll das?“
Vildana klang genervt. Kohn hatte das Gewehr zwar gehoben, aber keine
Anstalten gemacht es zu benutzen.
„Ich habe Riwena versprochen nicht zu schießen, solange wir mit ihnen unterwegs sind.“
„He! Jetzt bewirft er uns schon mit scharfen Sachen!“
„Pelzkugel! Du gehörst mir!“
„Den hol ich mir noch!“
Aber Lucans und Grans Worte verstummten, als Goushin längst weg war. Auch
der Pfeil von Riwena schlug nur gegen den Stein.
Lao griff nach dem Schwer und hob es auf. Als er sich umdrehte stand Vildana
hinter ihm.
„Zu spät, er ist weg.“
„Was ist das Lao?“
„Vaters Schwert.“
Lao wischte sich kurz über die Augen.
„Warum gibt er es dir jetzt? Ist er dumm?“
„Weil es meines ist, Vildana. Aber lasst uns zu Ruhe kommen und ich erzähle euch alles, was
sagt Ihr dazu?“
„Hmpf… Gut.“
„Ich freue mich schon auf Laos Gesichte. Dann komme ich geistig wieder mit.“
„Wer hat ihn denn eigentlich aus dem Gefängnis gelassen? Ich dachte der wäre sicher
verstaut?“
Aber Kohn bekam keine Antwort. Als Lao sich gerade umdrehte und zum Feuer
wollte, fing Minna an zu nuscheln. Mit einer abrupten Bewegung drehte sich
Riwena zu ihr um. Noch immer hielt sie Gran fest.
„Sie wacht auf…“
„Glück gehabt.“
Ihren trinkschlauch in der Hand, kniete sich Riwena zu Minna runter.
Lucan drehte sich um und machte sich am Schloss der Tür zu schaffen. Kurz
darauf stieß er die Tür auf.
Wieder nuschelte Minna vor sich hin, dann blinzelte sie und sah sich verschreckt
um.
„Lao! Wo ist er hin?“
„Sie ist wach...“
„Scheint so.“
„Ich bin bei Euch, Freund.“
Die verwirrte Worgen hielt inne und starrte Lao an.
„Zum Glück…“
„Das mit dem Freund… überlege ich mir nochmal.“
Gran klang erleichtert und wütend zugleich.
„Wo bin… ich? Und warum schaut ihr mich alle so an?“
Erleichtert drückte Gran sie an sich. Vildana hatte sich mit Demian und Kohn ans
Feuer gestellt.
„Zeitverschwendung, Goushin ist schon über alle Berge.“
„Nicht schnell genug reagiert. Sie hätten Schießen sollen, als sie es konnten.“
„Du hast auch nicht geschossen.“
„Ich habe Riwena versprochen nicht zu schießen, bevor sie nicht schießt. Weil ich ihre
Gastfreundschaft genießen möchte.“
„Das haste nun davon.“
Vildanas Einstellung hatte sich nicht geändert.
„Und was ist jetzt mit Yonoko? Sie schläft noch und hat keinen Mucks von sich gegeben.“
„Mir egal. Sie hat mein Vertrauen nicht mehr.“
Besorgt aber mit einem neugierigen Gesichtsausdruck sah Riwena zu Yonoko,
stand auf und kniete sich neben der Pandaren ins Gras. Schnaufte dann aber und
sah über die Schulter zu Vildana.
„Weib! Wenn du nicht bald den Mund hältst, gehörst du mir!“
„Das glaubst du, Köter!“
Lucan nahm seine Dolche zur Hand und funkelte Vildana schweigend an.
„Ich habe ihr gesagt, ich weine nicht um sie. Ich habe sogar, als sie mit ihm mit gegangen ist,
nicht mehr ernsthaft geglaubt das sie wiederkommt.“
Mit aufgestellten Ohren horchte Riwena nach Yonokos Atem.
„Es scheint ihr gut zu gehen.“
„Ich weiß schon nicht mehr sicher ob ich die Sache mit dem Sha Zeug glauben soll.“
Minna konnte sich mit Grans Hilfe wieder hinstellen und schien, trotzt etwas
wackeligen Beinen, wohlauf. Er und Lucan gingen auf Vildana und Kohn zu.
„Hey! Was wird das jetzt?“
„Ihr… beleidigt nicht die Anführerin der Animae Lupi!“
„Ich beleidige jeden Hund. Problem damit?“
„Beleidigen ist etwas anderes als ein tätlicher Angriff!“
„Könnt ihr euch mal weiniger wie Tollwütige Hu-Hühner aufführen? Haben euch Eure Eltern
kein Benehmen beigebracht?“
„Pass auf Püppchen, ich habe keinen Plan wer du bist und es ist mit Scheißegal… Ich lass sie
nicht beleidigen. Wenn du ein Problem damit hast, stellt dich hinten an, Püppchen.“
„Könnten sich die beiden Parteien bitte beruhigen? Ich meine, man kann doch solche Dinge
auch anders regeln.“
Vildana schmunzelte nur, nahm Gran und Lucan nicht ernst. Lucan sah Demian
böse an.
„Ich kann ihr hier und jetzt die Kehle aufschlitzen, so Regel ich das.“
„Versuch es.“
„Dann kriegst du eine Ladung von mir ab! Ich mag dich Lucan, aber das geht jetzt zu weit!“
„Da stimme ich zu, auch wenn ich keinen von euch beiden mag, aber geht sich aufs selbe
hinaus.“
„Gran! Lucan! Es reicht! Ich sagte bereits das sie mir gehört.“
Aber die Streitenden hörten nicht auf.
Minna stolperte zu Lao und Yonoko, die beide mit Riwena versuchten die
Pandaren wach zu rütteln. Aber Yonoko rührte sich nicht und lag immer noch mit
schlaffen Gliedern im Gras. Yenuri war ihr nicht von der Seite gewichen.
„Wie geht es ihr?“
„Sie wird aufwachen, sobald ihre Prüfung vorbei ist.“
Yenuri strich Yonoko über die Wange und traf dabei mit der Pranke das
Pektorale. Wie auf Knopfdruck fing es kaum merklich an zu leuchten. Gequält
wimmerte Yonoko auf und öffnete zögerlich die Augen. Das erste was sie sah,
war Riwena mit ihrem Trinkschlauch.
„Yonoko?“
„Da, sie hat die Prüfung des Ochsen gemeistert.“
Immer noch stritten sich Vildana und Kohn lautstark mit Lucan und Gran. Ihre
Stimmen hallten wässrig in Yonokos Ohren. Riwena wurde es sichtlich zu viel. Sie
sah zu Yenuri hoch.
„Yenuri, treibt sie auseinander, mir reicht das nun.“
„Verstanden.“
Mit einem nicken ging er auf Gran und Lucan zu.
Riwena hielt Yonoko den Trinkschlauch vor die Nase. Er roch nach scharfem
Alkohol und Yonoko hatte Mühe sich nicht zu übergeben.
„Urghs…“
Sie wollte ihn wegdrücken, da bemerkte sie, da sie völlig bewegungsunfähig war.
Die übertrieben festen Fesseln hatten sich bereits in ihre Handgelenke
geschnitten.
„Yonoko… Lao, helft mir sie hinzusetzen.“
Lao nickte und Riwena griff Yonoko unter den anderen Arm. Sie stand,
schwankte aber stark. Kurzum nahm sich die Worgen ihren Dolch, und schnitt
das Seil an Yonokos Armen und Beinen durch.
„Jetzt sollte es gehen.“
Ein Stück sackte die junge Pandaren zusammen.
„Hört auf… mich zu drehen… mir ist… schwindelig…“
Gran tauchte neben ihnen auf.
„Ich finde Lucan und Vildana gäben ein wundervolles Paar ab. Beide so frei von Manieren
und mit so wenig Empathie. Diese Gemeinsamkeiten müssen doch verbinden.“
„Lao, bringt Eurem Sonderling Manieren bei, oder ich tue es.“
„Sie sind nicht meine Diener.“
„Dann pfeift sie zurück!“
Knurrend erhob sich Riwena und ging zu Lucan, Vildana, Demian und Kohn.
Lao und Cheruna hatten sich das ganze aus einigen Schritten Entfernung
angehört und mehr oder minder geschwiegen.
„Ihr versteht nicht. Wir reisen nicht um zu deinen oder gar jemandem zu befehlen. Wir
reisen um Freundschaften zu schließen und nicht zu kämpfen. Forscht in Eurer
Vergangenheit nach, Freund. Schmerzt es?“
„Mit so etwas, kann man keine Freundschaft schließen.“
„Freunde… mehr Druck, erzeugt gegenduck!“
„Ihr habt eine eigensinnige Truppe, Meister Windpfote. Ein weiteres Wort von dieser Frau
und ich werde niemanden mehr dazwischen schicken. Sie ist überaus anmaßend.“
Demian stellte sich näher zu Lao, wohl aus sorge zwischen die Fronten zu
geraten.
„Bekommt Ihr sie wieder hin, Lao?“
„Ja, sie wird wieder richtig zu sich kommen und dann werden wir den Weg bestreiten.“
„Das ist gut. Gönnen wir uns etwas Ruhe? Ihr wolltet uns doch etwas über das Schwert
erzählen.“
Völlig benommen stand Yonoko noch da. Auf der einen Seite hielt sie Lao, auf der
andern Minna, die selber kaum richtig stehen konnte. Ihr war so übel, dass sie
immer wieder das Gefühl hatte, sie müsste sich übergeben.
„Dieser Tumult wird mir zu viel.“
„Bringen wir sie ins warme.“
„Ab ins Haus mit euch.“
Schnaufend sah Gran einen Moment zu Minna, dann packte er Yonoko kurzerhand
und schleifte beide Frauen mehr schlecht als recht in die Hütte.
Auf einem Stuhl setzte er die rote Pandaren ab und deutet von Minna auf das
eingestaubte Bett.
Lao stand knapp hinter der Tür zu sah zu Minna.
„Minna… erzählt von Eurer Reise. Was habt ihr erlebt?“
„Später vielleicht.“
„Yonoko… brauchst du etwas?“
„… ao…“
Ihre Stimme versagte fast völlig und ihrem Kopf drehte sich alles.
„Ja Yonoko?“
„Geh nicht weg… geh nicht weg…
„Nein, ich geh nicht weg.“
Riwena trat durch die Tür und sah von einem zum anderen. Hockte sich dann zu
Minna und Gran ans Bett.
„Gran?“
„Ja?“
„Wir werden nun aufbrechen. Kommt zurück ins Tal, alsbald Minna abreisebereit und
einigermaßen erholt ist. Diese Frau hat meinen König beleidigt. Ich kann es ihr nicht
vergeben, ohne ihr nicht zumindest eine Hand zu nehmen.“
Gran und Minna nickten ihr zu.
„Es ist besser wir ziehen uns zurück. Ich glaube nicht das nur mein Gemüt erhitzt ist.“
„Dann wirf alle aus dem Haus raus, dann komme ich mit Minna mit.“
„Nein, Yonoko hat ebenso viel mitgemacht und braucht nicht minder Erholung, als Minna.“
„Wenn nicht sogar mehr…“
„Von mir aus.“
Sie nickte Minna zu, stand auf und drehte sich zu Lao. Ging mit ihm vor die Tür.
„Ich bin froh dass es dir gut geht. Es tut mir leid, was passiert ist.“
„Es braucht dir nichts Leid zu tun, hörst du?“
„Ich hätte dich nicht von deiner Seite weichen sollen.“
„Fang gar nicht erst an, dir so etwas einzureden.“
Zur Tür kam Cheruna herein und sah erst zu Yonoko, dann zu Lao.
„Cheruna…“
Die Draenei setzte sich zu Yonoko und nahm ihre rechte Pfote in ihre Hände.
„Cheruna.. was machst du auf einmal hier?“
„Geht es dir wieder gut, liebe Yonoko?“
„W-was ist passiert?“
Noch etwas kraftlos und verwirrt, stemmte sie sich vom Stuhl hoch und sah
Cheruna an. Die Draenei sprang fast auf und schien Yonoko halten zu wollen.
„Du bist di ganze Zeit am Schlafen gewesen. Ich habe nach unserer Gruppe gesucht und im
Wirtshaus wiedergefunden. Ich weiß nicht was passiert ist.“
Yonoko blinzelte Cheruna an und packte sich dann schlagartig an den Hals. Das
Pektorale war da wo es hingehörte.
„Es ist wieder da…“
„Ich wollte dir helfen.“
„Hör auf damit!“
Erschrocken drehte sie sich um.
„Minna?“
„Hier bin ich.“
„D-danke Cheruna, a-aber das muss jetzt warten.“
Die Pandaren torkelte durch den Raum zum Bett und hielt sich am Bettpfosten
fest.
„Minna… s-sag mir das... du es auch gesehen hast…“
Minna klopfte neben sich auf das Bett, aber Yonoko klammerte sich an Pfoten um
überhaupt stehen zu können.
„Ich habe so einiges gesehen, was genau meinst du?“
„D-die Kathedrale… die dunkle Kathedrale… der Regen und… w-wir waren drinnen es…
wurde dunkel… der Nebel…“
Yonoko war so hektisch das sich ihre Worte überschlugen.
„S-sag dass du es… gesehen hast.. Du warst dort… mit Lao… und mir…“
„Ja… Ich habe es gesehen. Die Kathedrale, den Regen und den Nebel. Die roten Augen und
das helle Licht. Lao und dich. Wir waren zusammen.“
Cheruna stellte sich mit ungläubigen Augen ans Bett und sah von Gran zu Minna
und zu Yonoko.
„W-warum hast… du davon getrunken?“
„Ich weiß es nicht… ein innerer Drang… Ich konnte nicht wiederstehen. Es sollte so sein,
damit wir das zusammen durchstehen konnten.
Gran knurrte leise, schwieg aber.
„Minna… du bist kein Pandaren… Das hätte auch schief gehen können…“
„Nein, ich bin kein Pandaren. Ich bin Gilneer.“
Minna schmunzelte Yonoko an. Die junge Pandaren sah zu ihrem Mann.
„Gran, richtig?“
Der Worgen sah sie nur an und nickte.
„Es… tut mir so unendlich leid, was passiert ist…“
„Euch braucht nichts Leid zu tun. Lao hatte sie gewarnt und… sie hat es ignoriert.“
„Nein, das meinte ich nicht. Ich hätte Goushin nicht vertrauen dürfen. Er sagte mir was
passieren würde, aber… Minna ich weiß nicht was davon wirklich echt ist oder seinen
Einfluss hatte.“
„Ich werde mal nach den anderen sehen.“
Sagte Cheruna und ging hinaus.
„Was auch immer das für eine Prüfung war, ich habe sie nicht bestanden. Was ist mit dir?“
„Wenn du sie nicht bestanden hättest, würdest du dich jetzt nicht mit uns unterhalten. So
meinte es zumindest Lao.“
Yonoko sah sie nur einen Moment schockiert an.
Was hätte Minna für einen Grund zu lügen?
Aber die Pandaren glaubte der Worgen nicht so recht. Gran sah verwirrt von
einem zum anderen. Löste sich dann von Minna und stand auf.
„Ich lasse euch beide Mal alleine.“
Er verschwand draußen im Tumult.
„Wenn das wirklich wahr ist, das Goushin uns geprüft hat… habe ich ihm dafür einen Teil
meines Chis gegeben… Es ist noch viel schwächer als zuvor…“
„Kannst du es dir nicht wieder zurückholen?“
„Chi ist kein Apfel, den man einfach weiterreichen kann… ich glaube nicht.“
„Ouh… Das.. tut mir leid.“
„Minna, was haben die anderen gesagt? Was ist passiert als wir weg waren?“
„Das weiß ich leider selber nicht. Ich bin kurz vor dir aufgewacht und habe noch nichts
erfahren.“
Riwena kam in ihrer menschlichen Form herein, gefolgt von Yenuri.
„Yenuri.“
„Riwena… Was ist passiert? Wo ist Goushin?“
„Er ist entkommen.“
Ihre Miene war wie versteinert. Die Anführerin der Lupi zeigte keine Regung bei
ihrer Aussage.
Yonoko hingegen hatte das Gefühl in ein Loch zu fallen.
Auf der einen Seite, war sie erleichtert dass es Goushin scheinbar gut ging.
Auf der anderen Seite hätte sie ihn am liebsten selbst den Kopf abgeschlagen.
„Grüße. Wie ich sehe, geht es euch beiden wieder gut.“
„Wir sind wach, ja.“
„Ich habe nicht geahnt, dass jemand die Phiole in die Pfoten bekommt und dann noch
daraus trinken würde.“
„Ich wollte ihr den Trank wegnehmen Minna, aber es war zu spät.“
Er stellte sich an den anderen Bettpfosten und Riwena setzte sich zu Minna auf
das Bett.
„Riwena.. Ich wollte nicht dass… das Goushin Ärger macht. Es war nicht geplant das er bei
uns ist und… Er wollte sich einfach nicht an die Abmachung halten und auf Abstand bleiben…
Hat er noch Ärger gemacht?“
Der unangenehme Blick von Riwena schien sich in ihren Pelz einbrennen zu wollen.
Hastig drehte sie den Kopf leicht weg.
„Ihr seid nicht für die Taten von Laos Fleisch und Blut verantwortlich. Es war seine
Entscheidung, welchen Weg er nehmen würde. Es ist zweifelsohne bitter, dass sein Pfad
einen unangenehmen Beigeschmack hatte, aber die Lupi sind eine Elite Einheit. Ich glaube an
Minnas Fähigkeiten nicht minder, als an die jedes einzelnen meiner Gemeinschaft.“
Aber Yonoko fühlte sich schuldig für sein Verhalten, für seine Taten.
„Was mich beschäftigt sind die, die an der Gutmütigkeit und der Verlässlichkeit meiner
Gemeinschaft zweifeln. Es ist eine Beleidigung an unser Volk, an unseren König und nicht
zuletzt, an uns selbst.“
Yonoko sah sie nur mit hängenden Ohren an. Es tat ihr weh so etwas zu hören,
auch wenn sie selber nichts falsch gemacht hatte.
„Vildana und Kohn?“
Kaum hatte sie die Namen ausgesprochen, konnte man ihre Stimmen auch schon
vor dem Haus hören. Es dauerte einen Moment, bevor sie durch die Tür kamen
und am anderen Ende des Hauses Platz nahmen.
„Wo ist denn Cheruna schon wieder? Ich dachte sie wäre hier?“
„Wahrscheinlich draußen, Sterne zählen oder so.“
„Ah, verstehe. Sie scheint ja auf sich aufpassen zu können.“
„Also ich habe da so mein Zweifel.“
„Habt ihr sie mal reiten sehen?“
„Nur kurz, als sie mal einem Hippogryphen saß und am Anfang auf dem Säbler.“ Riwena,
Minna und Yenuri schwiegen, Yonoko sah den beiden über die Schulter nach.
„Schon gut, ich beantworte mir die Frage gerade selber…“
„Man sollte nicht denken, man ist mit seinem Schicksal alleine. Jeder von uns hat es schwer.
Wie weit man über seinen eigenen Schatten springen kann, entscheidet jeder für sich. Doch
ist es eine ganz andere Sache, ob man den Schatten teilt oder ihn für sich behält.“
Einen Moment musste Yonoko über ihre Worte nachdenken und versuchte sich in
Erinnerung zu rufen, was da alles in Gilneas passiert ist.
Gran und Lucan kamen ins Haus und sahen nur schweigend zu Vildana und Kohn,
aber schienen ihnen keine Beachtung zu schenken. Lucan hatte schon wieder eine
Zigarette zwischen den Fingern und dessen Rauch verteilte sich schnell in der
kleinen Hütte.
Hustend hielt sich Yonoko am Bettpfosten fest.
„Ich glaube, daran werde ich mich nie gewöhnen.“
Der Rauch der Zigarette schlug ihr auf die Lunge, Yonoko wollte einfach nur aus
dem Haus, wenn auch nicht nur deshalb.
„Entschuldig, aber ich glaube ich muss hier raus…“
Gerade hatte sie den Bettpfosten losgelassen, da gaben ihre Beine nach. Zwar
konnte sie sich noch halten, aber es machte die Situation nicht besser.
„Yenuri, geh ihr bitte zur Hand und bring ihr ihre Ausrüstung.“
„Verstanden.“
„Danke.“
Yenuri griff ihr unter den Arm und ging mit ihr zwischen Gran und Lucan
hindurch vor die Tür. Einen Moment hielt sie inne und sah in den Sternenhimmel,
atmete tief durch.
„Fühlt Ihr Euch wohler?“
„Hu?... Ja.. etwas… Ich mag den Rauch nicht… Er kratzt immer so im Hals.“
„Ich habe umfassende Kenntnisse über wohltuende Kräuter und Heilmittel. Wenn Ihr meine
Hilfe braucht, sagt es.“
Einen Moment sah sie Yenuri nur an. Das was sie sich am meisten wünschte hätte,
konnte er weder mit Kräutern, noch mit anderen Dingen erfüllen.
Unbeholfen sah sie an sich herab. Die aufgescheuerten Handgelenke waren fast
Blutig, aber es war kein Schmerz da. Yonoko war sich sicher, dass es noch am
Trank lag.
„Yenuri?“
„Ja?“
„W-was ist passiert? Ich meine als… der Trank…“
„Minna hatte den Trank bereits genommen, ihr beide lagt am Boden und habt…
geschlummert.“
„Und… Goushin?“
„Er wurde festgenommen und in den Turm gesperrt. Aber er entkam Lucan.“
Vorsichtig strich sie über die Verletzungen an ihren Armen. Immer noch kein
Schmerz.
„Und was passiert jetzt mit ihm?“
„Das kommt ganz darauf an, wer ihn zuerst in die Finger bekommt. Ich würde ihn wohl
vorsorglich niederschlagen.“
Betroffen sah Yonoko Yenuri an.
„Wohin jetzt?“
„Keine Ahnung.“
„Da vorne ist Cheruna.“
„Dann gehen wir zu ihr.“
Hinter ihnen wurden Stimmen lauter. Kohn und Vildana kamen aus dem Haus.
„Lucan, ihr kommt mit mir.“
Dicht gefolgt von Riwena und Lucan.
„Ihr solltet noch nicht mit ihnen reden.“
Yenuri hatte geflüstert. Yonoko war überrascht. So viel Fürsorge einer Fremden
gegenüber hatte sie ihm nicht zugetraut.
„Schon gut. Ich versuche es nicht noch einmal. Sie sind noch zu sauer.“
Riwena stellte sich mit Lucan vor den Eingang.
„Lasst niemanden in das Haus zu Minna, außer Gran und fähige Heiler“
„Und Lao und die Pandaren. Verstanden.“
Alle anderen von den Lupi machen sich sichtlich abreisefertig.
„Riwena…“
Die Worgen kam auf sie und Yenuri zu.
„Ihr wollt zurück?“
„Ja, die übrigen Lupi werden abziehen. Richtet Lao aus, das ich ihn im Tal erwarte. Es gibt
etwas, wichtiges zu besprechen. Die Reisegruppe wird empfangen und zu Ausruhen
eingeladen.“
„Das werde ich. Allerdings weiß ich nicht, ob es noch in seinem Reiseplan drin steht.“
„Dann sagt ihm auch, wenn er sich erkenntlich zeigen will, wird er ein Gespräch nicht
vertrösten. Die Lupi haben viel für diese Gruppe getan und das ist leider eine notwendige
Gegenleistung.“
„Verstanden. Ich danke Euch und euren Leuten vielmals.“
Yonoko verbeugte sich und wäre fast vornüber gefallen, wenn Yenuri nicht
eingegriffen hätte.
„Ich bringe euch Eure Sachen.“
Einen Moment ließ er sie stehen, ging an der Hütte vorbei und holte ihren
Rucksack und ihren Stab. Yonoko nahm beides dankend entgegen und stützte
sich auf ihre Waffe.
„Wir stärken das Bündnis zur Allianz, welches unser König erwählt hat.“
Die rote Pandaren nickte ihr zu, einen weiteren Versuch sich zu verbeugen,
wollte sie nicht riskieren.
„Yenuri? Du kommst mit uns zurück.“
„Verstanden.“
Riwena hatte sich umgedreht und ging voraus. Yenuri drehte sich noch einmal zu
Yonoko um.
„Brauchst du noch etwas?“
„Nein, danke für deine Hilfe.“
„Schon dich, in Ordnung?“
„Ja, erinnere mich daran, dass ich dir etwas schulde.“
„Cenarius mit dir.“
„Die Erhaben wachen über dich.“
Sie nickte ihm zu und er drehte sich zu Riwena und ging ihr nach.
Yonoko sah zu Kohn, Cheruna und Vildana. Traute sich nicht einen von ihnen
anzusprechen und ging zum Haus. Vorsichtig öffnete sie die Tür hinter Lucan und
ging hinein. Gran und Minna lagen auf dem Bett und unterhielten sich tuschelnd.
„Lao hatte dich gewarnt… und du hast dich trotzdem in Gefahr gebracht. Hätte mir jemand
gesagt, du würdest aufwachen, wenn ich alle aus der Gruppe auslösche… ich hätte es ohne
mit der Wimper zu zucken getan.“
„Denkst du ich habe das mit Absicht getan? Hm? Du bist wohl der Meinung, ich habe das aus
Spaß und Tollerei gemacht, wie?“
„Ich weiß nicht warum du es getan hast… Es ist… einfach… Ich hab mir Sorgen gemacht. Ich
hatte Angst.“
Sie empfand es als unpassend im Haus zu bleiben und schloss die Tür wieder
hinter sich. Seufzend ging sie am Haus entlang und sah sich um. Neben dem Haus
standen zwei Bäume, aber das war ihr zu nah an den anderen.
Das Tal wurde von steilen Felswänden eingesäumt.
Yonoko sah noch einmal über die Schulter zu Kohn und Vildana, die immer noch
mit Cheruna sprachen. Von Riwena und den anderen war längst nichts mehr zu
sehen. Auch Lao hatte sich mal wieder in irgendeine Ecke zum Meditieren
zurückgezogen. Glaubte sie.
Kurzum ging sie zu einer kleinen Erhöhung an der Bergwand hinter dem Haus und
sah in den Himmel zum Mond hoch.
Ihr ging so vieles durch den Kopf, das sich ihre Gedanken überschlugen und zu
vermischen begangen.
War es so falsch gewesen, Goushin zu vertrauen?
Ihr wurde das Herz schwer, sie fühlte sich alleine und einsam.
„Yonoko?“
Wie geschlagen zuckte sie zusammen. Unten stand Cheruna und sah besorgt zu
ihr hoch.
„J-Ja?“
„Ich bin froh, dass du wohlauf bist. Ich bin manchmal auch sehr traurig.“
Die rote Pandaren fühlte sich ertappt.
Hatte ihr Gesicht wirklich so deutlich gesprochen?
Cheruna kam zu ihr hoch und setzte sich auf den blanken Stein. Ihre Augen
starrten zum Mond hoch.
„Schon gut. Wenn es nach Vildana und Kohn gegangen wäre, hätte man mich wohl
zurückgelassen.“
Yonoko ließ sich zu Boden sinken und sah zur Hütte.
„Ich habe dich gerne dabei. Warum wollten sie das tun?“
„Sie haben dir nichts gesagt?“
Cheruna schüttelte den Kopf.
„Ich weiß wirklich nicht was hier passiert ist.“
„Weißt du, da im Brachland, als Lao mal wieder verschwunden war und Goushin
auftauchte… Er sagte ich sollte die anderen weiterführen, zum Steinkrallengebirge.“
Sie schluckte schwer und sah zu Cheruna. Die Draenei sah so unschuldig aus wie
immer. Es tat Yonoko fast leid ihr alles erklären zu müssen.
„Als wir dem Pfad folgten, erreichten wir ein verlassenes Lager. Ein großes Zelt mit einem
Lagerfeuer davor. Ein Fass Bier und was zu essen im inneren. Es war ein Segen für uns nach
all den Tagen. Dann tauchte Goushin wieder auf, obwohl ich ihm sagte, dass er fern bleiben
sollte.“
Seufzend starrte sie in den Himmel.
„Kohn wollte ihn mal wieder erschießen… und hätte ich ihm da schon gesagt, das uns
Goushin dieses Lager gemacht hatte… Kohn hätte uns beide erschossen. Also sagte ich es
ihnen am nächsten Tag erst.“
„Warum hat Goushin ein Lager vorbereitet? Herrscht da nicht eine Feindschaft zwischen ihn
und Lao?“
„Das hat mich auch stutzig gemacht. Aber ich war so froh darüber, dass ich nicht darüber
nachdenken wollte.“
„Was ist dann passiert?“
Eigentlich wollte sie nicht weiter reden. Aber es hätte nichts genutzt.
Spätestens von Vildana und Kohn hätte sie alles zu hören bekommen.
„Also, ich war in der Nacht noch mit Goushin alleine und habe mit ihm über Lao und Alessaja
gesprochen. Goushin sagte mir, das er sie nicht getötet hat. Das Lao vom Sha besessen wäre
und… Ich glaube Goushin. Mehr als Lao. Aber Kohn und Vildana glauben ihm nicht und… jetzt
haben sie auch das Vertrauen in mich verloren. Weil ich ihnen nicht gesagt habe, das
Goushin das Lager gemacht hat.“
„Hm… ich verstehe Sha noch immer nicht ganz, aber das Wort Besessen kenne ich. Was tut
Goushin, gegen die Besessenheit seines Bruders?“
Cheruna sah sie mitfühlend an.
„Du erinnerst dich doch an den Kampf, oben auf dem Berg.“
Die Draenei nickte.
„Wie alle anderen glaubte ich, das Goushin Lao verfolgte um ihn zu töten. Aber mittlerweile
glaube ich, dass es ganz anders ist. Im Eschental sagte Goushin zu mir, das Laos Chi
schwächer wird und ich dachte weil er verletzt ist. Aber als ich Lao da oben auf dem Berg
heilen wollte… Es war als wollte sich etwas in mich fressen… als würde etwas meine Heilung
blockieren. In den Düstermarschen hatte sich das Sha bereits weit durch seine Seele
gefressen.“
„Oh... das klingt übel… Beim Licht das ja schrecklich…“
Yonoko seufzte.
„Das Sha hat seine Sinne verblendet. Deshalb glaubt Lao das Goushin Alessaja getötet hat.
Goushin bittet uns um Hilfe für Lao.“
„Hast du eine Ahnung, wie das Sha aus Lao vertrieben werden kann?“
„Nein. Aber Goushin meinte, wir müssen ihn zu ihrem Grab, nach Pandaria bringen. Ich weiß
leider zu wenig über Sha.“
„Aber das dauert lange, bis wir in Pandaria sind oder?“
„Ja… es ist weit weg.“
„Ich denke Pandaria ist ein eigner Kontinent und bis wir dort sind, vergehen Wochen, wenn
nicht sogar Monate. Und selbst dann ist es noch nicht sicher, in wie fern das ausreichend
ist.“
Einen Moment sah Yonoko Cheruna irritiert an. Darüber hatte sie sich noch gar
keine Gedanken gemacht. Je länger Lao in diesem Zustand bliebe, umso geringer
war die Chance ihn irgendwie zu Helfen.
„Wenn Lao das Sha verlieren würde und sich an die Wahrheit erinnern könnte, dann wäre
gezeigt, dass Goushin vertrauenswürdiger ist als angenommen. Damit würdest du das
Vertrauen von Kohn und Vildana wieder zurückgewinnen.“
„Ja, richtig. Aber um das zu schaffen, müssen wir alle zusammenhalten um Lao zu helfen.“
„Das bedeutet, du musst das Vertrauend er beiden bis dahin anders zurückgewinnen. Ich bin
mir sicher, Gelegenheiten bieten sich noch dafür.“
Schweigend sah Yonoko zu Cheruna. Die Draenei wirkte einen Moment in sich
gekehrt, nachdenklich. Yonoko konnte sie nur für ihren guten Glauben und Willen
beneiden.
„Lao braucht Hilfe… Er hat mich angesehen und etwas von schönen blauen Augen gesagt.
Meine sind aber braun. Er verändert sich, mehr und mehr.“
„Manchmal hilft es einfach, Hartnäckig an den Fersen zu bleiben. Wenn sie die zeigen, dass
du ihnen egal bist, dann lieg es an dir ihnen zu zeigen, dass sie dir nicht egal sind.
Irgendwann werden sie nicht mehr anders können, als dir zu vergeben.“
Das sagst du so einfach.
„Ich habe Ding gesagt, auf die ich nicht stolz bin. Gegen die beiden anzukommen ist nicht
leicht.“
„Was hast du ihnen gesagt?“
Yonoko antwortete ihr kleinlaut und mit eingezogenem Kopf.
„Ich habe sie sture Yaks genannt… und… zu Vildana gesagt, dass wenn Lao stirbt, sie nicht zu
mir gerannt kommen soll.“
„Was ist ein Yak? Vildana reagiert doch sehr sensible auf Lao, da denke ich nicht dass sie ihn
im Stich lassen würde.“
Innerlich musste Yonoko ja schon etwas über Cheruna schmunzeln. Die
Weltfremde Art der Draenei ließ die Pandaren immer wieder staunen.
„Ein Yak ist… so etwas wie eine zottelige Kuh.“
„Eine Kuh ist doch nichts schlechtes, oder?“
„Nein… eigentlich nicht. Sie sind nur… Naja Yaks sind eben Stur.“
„Das sind Kohn und Vildana wohl auch.“
„Sie wollten mir nicht mehr zuhören, als ich ihnen erklärte das sie in einem Lager schiefen,
das von Goushin gebaut wurde.“
„Kohn wird Vildana folgen. Das sagte er schon in den Düstermarschen. Vildana lässt Lao
nicht im Stich und du auch nicht. Damit trennen sich eure Wege nicht.“
Aber unsere Meinungen.
„Die Schwierigkeit liegt in der Führung. Sie werden versuchen einen eigenen Weg zu finden.
Deinen Weg wollen sie sicher nicht einschlagen. Ich glaube, ich habe das Problem begriffen.“
„Sehr gut sogar. Folge ich ihnen, werden sie versuchen das zu verhindern. Weil sie wissen,
das Goushin mir folgt.“
Nachdenklich lehnte sich Cheruna an die Felswand.
„Du brauchst ihr Vertrauen. Ich denke du musst Goushin mit aller Macht zurückstoßen, um
sie zu überzeugen, dass du auf ihrer Seite bist.“
„Das kann ich nicht. Versteh mich bitte nicht falsch, ich habe kein Interesse an seinen
Schmeicheleien oder so. Ich spiele ein falsches Spiel mit ihm, weil er mir die Wahrheit sagt
und Antworten gibt. Etwas, das Lao nicht tut.“
„Welchen Hinweis brauchst du noch, außer dass wir nach Pandaria müssen?“
Cheruna hatte Recht. Wenn Lao erst einmal in Pandaria wäre, würde er sie schon
von alleine zum Grab führen.
„Eine andere Möglichkeit wäre, dass Goushin das Vertrauen von Vildana und Kohn erlangt.
Aber wie das möglich sein soll… Puh…“
Ein unmögliches Unterfangen. Kohn würde ihn schneller erschießen, als das
Goushin eine Chance hätte auch nur ein Wort zu sagen.
„Ich mache mir Sorgen um Lao. Wenn es ihm schlecht ging, dann hat er uns abgewimmelt.
Erinnerst du dich an sein humpeln im Eschental?“
„Ja, wie könnte ich nicht. Ich dachte Vildana hätte ihn angefallen.“
„Er hat Hilfe ausgeschlagen und ist den Fragen ausgewichen. So etwas meinte ich mit
Wahrheit. Er hat sich den unangenehmen Themen entzogen.“
„Vielleicht möglich, dass das Sha daran schuld ist. Wenn er so etwas in sich trägt, ist er nicht
zurechnungsfähig.“
„Eben, so sehe ich das auch. Aber wie man es dreht und wendet, im Moment weiß die
Gruppe nicht was los ist. Will es nicht verstehen oder kann nicht klar denken und
Entscheidungen treffen.“
„Ich bin nur heilfroh, wenn wir aus diesem Wolfsnest raus sind. Vielleicht ist ihre
Freundschaft zu anderen von uns groß genug, dass sie uns folgen, auch wenn wir dir folgen.“
„Ich kann nur hoffen und… abwarten.“
Yonokos Blick schweifte über die Ebene und am Haus entlang. Keiner war mehr
unterwegs und das Licht im Haus schien nur noch schwach zu leuchten, wenn sie
es sich nicht eingebildet hat.
„Wir sollten uns ausruhen. Ich habe das Gefühl, dass die Ruhe vor dem Sturm nicht allzu
lange anhält.“
„Du hast Recht. Ich werde mir einen Platz zum Schlafen suchen und Morgen wieder
rechtzeitig hier sein.“
„Pass auf dich auf, ja?“
Die Draenei lächelte sie an.
„Gute Nacht.“
„Möge das Licht über dich wachen.“
Cheruna ging und Yonoko sah noch einmal in die Sterne.
Goushin von sich weg zu stoßen, würde bedeuten die einzige Person zu verjagen,
die Antworten geben kann. Aber ohne ihn, würde die Gruppe wieder
zusammenhalten und könnte Lao helfen.
Seufzend kauerte sie sich auf dem blanken Stein zusammen. Auch wenn sie
scheinbar lange geschlafen hatte, ausgeruht war sie nicht. Erschöpft und mit
ihren Gedanken alleine, holte sie der Schlaf in sein Reich.
Die ersten Sonnenstrahlen weckten Yonoko. Der mit Moos bedeckte Teil des
Steins war voller Tau und glänzte. Auf der Ebene war es still. Auch in der Hütte
Brannte kein Licht. Noch immer hatte sie ein komisches Gefühl und traute sich
nicht zurück zur Hütte. Eine Weile saß sie da und sah in den Morgenhimmel,
beobachtete wie die wenigen Wolken vorbeizogen. Dann stand sie auf und
versuchte sich mit einem Paar Übungen abzulenken.
Ihre Bewegungen waren steif und immer mal wieder hatte sie das Gefühl, ihre
Arme würden festgehalten werden. Schüttelte diese Gedanken aber immer
wieder von sich.
Ein Schuss hallte von den Berghängen wieder. Kohn und Vildana stand mitten auf
der Ebene.
Nervös gab Yonoko sich einen Ruck und ging runter. An der Hütte war es still, sie
waren alle auf der anderen Seite der Ebene unter den Tannen. Kohn sah sich mit
dem Gewehr um und Cheruna sammelte die wenigen Zweige zusammen, die um die
Tannen herum lagen.
„Morgen Yonoko.“
„Hallo zusammen.“
„Guten Morgen Yonoko.“
„Gibt gleich Essen, ich habe ein Reh geschossen.“
Sie nickte nur.
„Ich sammele nur noch Feuerholz.“
Als er verschwand, kam Cheruna auf sie zu.
„Hast du etwa mit Kohn gesprochen?“
Yonoko wäre alles andere als verärgert darüber gewesen. Sie war vielmehr
einfach verwirrt, das auf die völlige Ablehnung, auf einmal so eine Reaktion
folgte. Aber Cheruna schüttelte den Kopf.
„Ich habe ihn eben auch erst gesehen. Ich schlafe doch nicht in dieser Hütte da. Nein, ich
habe mir gestern einen eigenen Ort zum Schlafen gesucht.“
„Es wunderte mich nur gerade, dass er mich überhaupt wieder zur Kenntnis nimmt.“
„Vielleicht ist er ja gar nicht so nachtragend.“
Bevor Yonoko darauf antworten konnte, kam Vildana von der Hütte rüber.
„Komm zum Feuer Cheruna, wenn du was essen willst.“
Ihre Ablehnung gegen die Pandaren war mehr als deutlich. Kurzum verschwand
die Worgen auch schon wieder schnellen Schrittes.
„Komm, wir sollten essen. Wer weiß wann es wieder etwas gibt.“
„Ja.“
Am Feuer saß Kohn bereits und stocherte darin herum, dass die Funken flogen.
Vildana stand daneben. Yonoko suchte sich die am weitesten entfernte Stelle von
Vildana und Kohn aus und setzte sich einfach nur hin. Während Cheruna noch
ihre Handvoll Stöcker ins Feuer legte, verteilte Vildana Fleischbrocken auf den
Steinen direkt am Feuer. Noch einmal sah Yonoko zur Hütte. Die Tür stand offen
aber drinnen war niemand mehr zu sehen.
„Gran und Minna sind schon abgereist?“
„Jetzt wo du es sagst, keine Ahnung.“
Dann sah sie über die Ebene.
„Lass mich raten: Von Lao auch wiedermal keine Spur?“
„Warum fragst du überhaupt?“
Die Worgen hatte sie kaltherzig angezischt. Einen Moment lang schwieg jeder,
dann sah Kohn von ihr zu Yonoko.
„Nein, Vildana meinte er wäre abgereist.“
Aber selbst wenn Yonoko Vildana jetzt noch mehr fragen würde, warum Lao
gegangen ist, würde sie keine Antwort erhalten.
„Lao verschwindet doch immer mal. Der kommt schon zurecht.“
Mit einem Lächeln setzte sich Cheruna neben Kohn.
Eigentlich wollte Yonoko Vildana keine Antwort geben. Aber ihr Verhalten traf
die Pandaren einfach zu tief.
„Erst einmal: Weil mein Auftrag noch nicht beendet ist. Dann, weil man mich gebeten hat
ihm etwas auszurichten und den Rest solltest du selber wissen.“
Eigentlich war ein Teil der Aussage gelogen. Der Auftrag war streng genommen
beendet. Das Grab war erreicht.
„Ich weiß nur, dass du Lao in Gefahr gebracht hast. Alles andere interessiert mich nicht.“
Seufzend nahm Cheruna ihre Gabel und kämmte sich damit die Haare. Scheinbar
hatte ihr noch immer keiner gesagt was es damit auf sich hatte.
„Ach ja? Welche Gefahr soll es denn deiner Meinung nach gewesen sein? Bin ich umgekippt
oder er?“
Mit einem schnaufen setzte sich Vildana und stocherte am Fleisch herum.
„Das Thema hatten wir schon. Du hast uns verschwiegen, dass mit Lao etwas nicht stimmt.
Meinetwegen hättest du nie mehr aufwachen können.“
Du blinder Sturkopf hättest ihn nur die letzten Tagen ansehen müssen, um auf
den gleichen Gedanken zu kommen!
„Wenn es dir lieber ist, das er stirbt. Bitte. Mir nicht.“
„Versuch noch unauffälliger das Thema zu wechseln.“
Cheruna und Kohn rückten näher zusammen und suchten sich ihr eigenes
Gesprächsthema. Aber ihre Blicke zu Vildana und Yonoko waren der Pandaren
nicht entgangen.
„Ich konnte es nicht! Was hätte ich euch denn sagen sollen? Ich wusste nicht was genau es
ist und ihr könnt es auch jetzt nicht verstehen.“
„Und das ist dein Argument uns Ahnungslos zu lassen? Wahnsinn.“
Kopfschüttelnd stocherte sie wieder im Fleisch herum.
„Kein Argument, das was ich denke.“
„Dann solltest du deine Art zu denken ändern. So kommt nichts Gutes dabei rum.“
Mit sichtlichem Fust wendete Vildana das Fleisch auf den heißen Steinen. Yonoko
konnte noch immer nicht richtig nachvollziehen warum die Worgen so verbittert
auf ihre Handlungen reagiert.
„Ich kann nachvollziehen dass ihr es nicht versteht. Aber ich wollte gar nichts sagen, bis ich
mir sicher war. Aber das bin ich bis jetzt nicht.“
„Es geht nicht darum, ob wir was verstehen, Yonoko. Du hast uns verschwiegen das es ihm
schlecht geht, der Grund dafür ist scheißegal.“
Jetzt reichte es ihr. Sie wollte nicht eine Schuld tragen, die jeder einzelne von
ihnen selbst für sich zu tragen hatte.
„Es ist euch allen aufgefallen! Nur konntet ihr nicht ahnen was. Ihr habt gemerkt das es ihm
schlecht ging, an der Dunkelküste schon.“
„Hör auf dich rausreden zu wollen. Wir hatten alle keine Ahnung was da zwischen ihm und
Goushin passiert ist. Die einzige, die im Bilde war, warst du. Du hast geschwiegen und uns
ahnungslos durch die Gegend laufen lassen.“
So wie Vildana das sagte, klang es als hätte Lao eine Bombe verschluckt die
hätte jeden Moment mitten in der Gruppe hochgehen können.
Dabei war es nicht einmal so abwegig. Wenn es wirklich das Sha war, das Lao
quälte, dann brauchte er nur einen einzelnen Funken um es frei zu lassen.
Zumindest dachte das Yonoko.
Aber Vildana verstand die Gesamtsituation falsch. Goushin war nicht der
Auslöser für all das. Es war Lao selbst.
„Ich weiß es auch erst, seit wir wieder im Steinkrallengebirge sind. Weil ich nach und nach
ein Puzzle zusammenfüge. Das ich mehr Teile habe als ihr, liegt nur daran, das ich Goushin
zuhöre. Nichts mehr.“
„Natürlich. Das ist lächerlich.“
Ihre Stimme wurde immer verächtlicher. Aber auch Kohn horchte kurz auf und
warf Yonoko einen verbitterten Blick zu. Schwieg aber zu ihr wandte sich wieder
zu Cheruna.
„Goushin traf uns nur, weil er wegen dem Kampf Lao suchte. Er muss weggelaufen sein.“
Die Worgen reagierte nicht, sondern verteilte das fertige Fleisch an Cheruna
und Kohn, bevor sie sich selber etwas nahm.
„Ich weiß nicht viel mehr als ihr glaubt. Ich denke einfach nur über das vergangene und
gehörte nach um mir ein eigenes Bild zu machen.“
Yonoko verzichtete darauf, Vildana noch mehr Anreiz zum Streiten zu geben und
verzichtete darauf sich vom Fleisch zu nehmen.
„Entschuldige… diese Umgebung zerrt an meinen Nerven. Ich will hier einfach nur weg.“
„Ich kann dich verstehen Cheruna, aber schön wäre es, wenn wir Lao unterwegs noch
aufgabeln könnten.“
Cheruna nickte ihr nur knapp zu. Das Feuer flackerte kurz auf als Kohn einen
weiteren Stock hinein warf. Cherunas Unruhe war fast greifbar.
„Wölfe meiden Bären.“
Vor lauter eigenen Gedanken hatte Yonoko das Gespräch nicht richtig verfolgen
können. Schweig aber einfach.
„Das Schattenmondtal hat eine hohe Population an Wölfen. Die Orcs brechen ihren Willen
und nutzen ihre Wildheit…. Genug jetzt.“
Die Draenei winkte ab und nahm sich ein weiteres Stück Fleisch.
„Oh… Aber Worgen sind keine Wölfe und sie hegen einen genauso großen Hass auf die
Horde wie wir auch. Sie mögen verflucht sein, aber sie sind immer noch Menschen.“
„Ich vertrete mir die Beine.“
Kohns Worte waren ein Ideales Stichwort für sie gewesen. Vildana erhob sich
und ging auch direkt los.
„Vildana vertraut ihnen auch nicht.“
„Vildana hat eine schwere Vergangenheit.“
„Da scheinen Worgen wohl ihre Beitrag geleistet zu haben.“
„Ja und nein. Das sollte sie euch selber erzählen.“
„Pass auf dich auf Kohn. Ich weiß dass du dich wehren kannst, aber ein ganzes Rudel… Man
darf es nicht unterschätzen und sie haben eine stärkere Bindung untereinander als mit dir.
Auch wenn sie dich zu mögen scheinen.“
„Danke, das werde ich.“
Mit sichtlichem Hunger nahm Cheruna sich noch vom Fleisch und biss begeistert
hinein. Sah dabei einen Moment zu Yonoko. Die rote Pandaren hatte zugehört,
aber dabei ins Feuer gestarrt.
„Oh das ist so gut, mal wieder etwas Richtiges zu essen.“
„Bei unserem Glück dauert es wieder etwas.“
„Hast du auch schon was gegessen Yonoko?“
„Hm? Nein… aber ich will auch keinen weiteren Streit mit Vildana.“
„Was hat das mit dem Essen zu tun?“
„Sie grenzt mich so gut es möglich ist aus. Also provozier ich nicht erst noch irgendwas.“
„Und wieso isst du deswegen nicht?“
Kohn schien ehrlich verwirrt. Mit einem Stück Fleisch in jeder Hand ging
Cheruna zu Yonoko rüber und hielt ihr eines hin.
„Weil ich mir nicht von ihr vorwerfen lassen will, ich hätte mich nicht beteilig und würde
mich von euch durchfüttern lassen.“
„Vertrauen gewinnt man manchmal durch Taten, nicht durch Worte.“
„Also jetzt benimmst du dich wie ein Kind, Stur und Bockig.“
Auch wenn Kohn Recht hatte, es würde bei Vildana nicht anders rüber kommen.
Jetzt drückte Cheruna Yonoko das Fleisch einfach in die Pfote.
„Ich habe keinen Streit mit dir. Iss bitte etwas, ich denke nicht schlecht über dich.“
Seelisch taten Cherunas Worte gut. Aber dennoch war sie, neben vielleicht Kohn
die einzige die noch vertrauen konnte.
„Ich habe nicht mehr die Kraft mich mit euch zu streiten. Also umgehe ich es wenn es
möglich ist. Nicht einmal mehr richtig Kraft zu Kämpfen.“
„Wisst Ihr… Essen stärkt.“
„Vielen Dank Kohn, das du uns etwas zu essen beschafft hast. Du bist vom Licht geküsst.“
„Das ist doch selbstverständlich.“
Yonoko schluckte schwer und musste sich eingestehen das ihr Hunger wohl
genauso groß war wie Cherunas. Zögerlich biss sie ins Fleisch und konnte sehen
das Cheruna das irgendwie glücklich zu machen schien.
„Wann habe ich gekämpft Yonoko? Ich bin keine Kämpferin. Es sind nicht immer Kämpfe die
Wert haben. Es sind viele kleine Dinge. Du hast dich mehrfach zugrunde gerichtet um einem
Freund zu helfen, auch wenn du ihn nach Auftrag schützen sollst. Du hast uns alle genauso in
den Schutz genommen.“
Einen Moment blinzelte Yonoko und hielt inne. Scheinbar hatte Cheruna eine
andere Auffassung davon, was mit der Pandaren passierte als sie Lao heilte.
Dann kam das Gefühl wieder hoch. Die scheinbare Leere in ihr und der Verlust
des Gefühls ihres Chis. Ohne aber darauf zu reagieren antwortete sie der
Draenei nur knapp.
„Eschental.“
Cheruna lächelte und nickte.
„Eschental?“
„Cheruna hat im Eschental mit uns gekämpft.“
„Ach ja.“
Mit verschmierten Fingern saß sie neben der Draenei und kaute auf den letzten
Bissen Fleisch herum.
„Das war ein Säbler. Mein Körper ist keine Waffe, ich gebe nur eine Richtung.“
„Wie ein Schwert.“
„Manchmal glauben wir, dass uns das Schwert braucht. Aber wir brauchend das Schwert.
Darum hat in meinen Augen der Säbler gekämpft.“
Die Draenei gab Yonoko ein weiteres Stück Fleisch. Die rote Pandaren war
überrascht von ihrer Tiefgründigen Aussage. Nicht zum ersten Mal hatte sie
Cheruna unterschätzt.
Ein Moment des Schweigens trat ein, den Kohn mit einer nicht zu deutenden
Stimmlage unterbrach.
„Wisst Ihr Yonoko, ich glaube Ihr habt nie wirklich verstanden warum ich Goushin eigentlich
nicht mag.“
Eigentlich wusste sie nicht was sie dazu sagen sollte. Aber etwas in ihr warnte
davor, etwas Falsches zu sagen, aus Angst wieder einen Streit vom Zaun zu
brechen.
„Jeder hat seinen eigenen Grund. Du wirst einen ganz anderen haben als ich.“
Wenn mein Hass überhaupt echt ist.
„Dann werft mir aber nicht vor, ich würde ihm nicht zuhören. Ich habe mich dafür
entschieden ihm nicht zu zuhören, weil ich glaube dass es schadet. Ihr habt Recht, ich habe
meine Gründe dafür.“
„Ja, ich hätte nicht versuchen sollen, euch davon zu überzeugen das Goushin uns helfen
kann.“
„Das hat mich nicht gestört. Das ihr dabei laut geworden seid und mich beleidigt habt, das
hat mich gestört und vor allem… Dass Ihr mir Dinge vorenthalten habt, von denen Ihr
wusstest dass ich sie hätte wissen wollen.“
Er klang weder Aggressiv noch beleidigend, mehr gefasst und enttäuscht.
„Ich hasse Lügen und Unehrlichkeit und das gehört für mich dazu. Auch wenn Ihr nur gute
Absichten hattet.“
Einen Moment sah sie zu Kohn. Die Absichten hinter dem Verschweigen waren
gut. Aber es war nicht gut genug durchdacht gewesen.
„Ich habe Goushin gebeten, sich in den nächsten Tagen zurück zu halten. Uns allen
gegenüber. Dafür hat er auch etwas bekommen. Aber garantieren kann ich für nichts.“
Ihre einzelne Haarlocke würde Goushin nicht davon abhalten sich blicken zu
lassen. Aber irgendwie hatte Yonoko dennoch die Hoffnung dass es wirkt, jetzt
wo die Gruppe wusste wie es um Lao steht.
„Was Ihr mit Goushin ausmacht ist mir nicht wichtig, ehrlich gesagt. Ich weiß das zwar zu
schätzen, aber meinetwegen hättet Ihr das nicht tun müssen. Und ich vermute mal wegen
Vildana auch nicht.“
„Ich bin gleich wieder da.“
Cheruna stand auf und lächelte Vildana kurz an, bevor sie verschwand. Die
Worgen setzte sich ungehalten ans Feuer zurück und Yonoko wischte sich noch
einmal kurz durchs Gesicht, um alle Spuren vom Fleisch zu verwischen.
„Hmpf… Ist Lao immer noch nicht aufgetaucht?“
„Nein.“
„Toll.“
Irgendetwas in Yonoko schien an Kohn einen Sinneswandel zu spüren. Der
Schütze beharrte nicht mehr darauf Goushin erschießen zu wollen und schien es
zu akzeptieren, dass sich die junge Pandaren immer in seinen Weg stellen würde.
„Kohn… Ich bin zum Schutz hier. Das heißt nicht einfach nur vor Feinden. Sondern auch
davor, für etwas angeklagt zu werden, das nicht notgetan hätte.“
Cheruna kam zurück und setzte sich wieder neben ihn.
„Das ist Eure Sache. Aber ich lasse mir nicht verbieten auf wen ich zu schießen habe.“
Sein Sinneswandel schien doch Einbildung zu sein.
„Sei nicht so streng mit Yonoko. Sie hat uns gern.“
Fast wie beiläufig legte Cheruna ihre Hand auf sein Bein. Nur kurz darauf
ergriff Kohn ihre Hand, seufzte und hielt sie fest.
„Ja. Ich weiß.“
Yonoko zog den Fangzahn unter dem Pektoralen hervor und sah ihn an. Es war
einer der Momente in denen sie sich gewünscht hatte, das Yaopan an ihrer Seite
wäre.
Eine Stimme brüllte über die Ebene und holte die rote Pandaren aus ihren
Gedanken.
„Yonoko! Vildana?“
Cheruna und Yonoko zuckten zusammen. Vildana stand auf und sah sich um.
„Ist er das?“
„Lao ist wieder da.“
„Oh Lao…“
„Wo seid ihr?“
„Lao! Wo bist du verdammt noch eins!?“
Vildana suchte die Steilwände ab, über die am Vorabend Riwena mit ihren Leuten
gegangen war. Kohn aber zeigte in die entgegengesetzte Richtung, zur Klippe
hinter der das Meer lag.
„Da kommt er.“
Alle sanden auf und drehten sich um. Lao kam gelassen und scheinbar unversehrt
auf sie zu. Vildana stürmte fast auf ihn zu.
„Du hast das Frühstück verpasst.“
„Nun… Wir haben uns keine Freunde gemacht.“
Er tippte Vildana an die Schulter und sah erschöpft aus, schmunzelte aber.
Yonoko stand auf und ging durch die immer noch offene Tür ins Haus. Ihre
Sachen standen am Pfeiler. Nervös stopfte sie ihre Handschuhe und die
Schulterpolster in den viel zu kleinen Rucksack und nahm ihren Stab. Sie hatte
sich gerade umgedreht, da hörte sie in der Ferne ein Bootshorn. Als sie raus kam
standen nur Cheruna und Kohn am Feuer. Vildana und Lao standen noch in einiger
Entfernung und redeten allein.
„Erst Berge und jetzt Boote… Das ist doch wohl nicht mehr wahr.“
„Ich wusste gar nicht dass hier Boote anlegen.“
Yonoko stellte sich einfach neben den Eingang.
„Worüber reden die denn da?“
„Lass sie nur. Wenn es wichtig für alle wäre, würden sie kommen.“
Kaum ausgesprochen, kamen die beiden auch schon auf sie zu. Vildana macht kein
Geheimnis aus dem Inhalt des Gesprächs.
„Gut. Aber sie kriegt nichts von unserem Proviant ab und ich behalte sie im Auge.“
Die Worgen bestätigte nur ihre Gedanken von vorhin und die junge Pandaren
fühlte sich um keinen Deut besser.
„Was ist los, Dicker?“
„Nun, habt ihr euch gestärkt?“
„Ja. Gegessen.“
„Ja, haben wir.“
„Tja und nun?“
„Wohin nun Lao?“
Lao setzte sich mit Vildana ans Feuer. Yonoko blieb noch immer neben der
Haustür stehen.
„Ihr habt das Schiff gehört? Das Schiff erwartet uns und bringt uns nach Pandaria. Unser
nächstes Reiseziel.“
„Pandaria? Ernsthaft?“
„Ja.“
„Wieso Pandaria?“
Yonoko stellte die Ohren auf. Lao ging ganz ohne dass sie Goushins List
ausführen musste auf den richtigen Weg. Ein Vorteil für sie. Der Nachteil war,
dass sie nicht wusste was sie tun sollte.
Der Auftrag war längst beendet und schloss Pandaria nicht mit ein. Auch wenn
sie ihre Heimat liebte, war sie sich unsicher was der Blutbringer dazu sagen
würde. Sie waren schon so lange unterwegs, das sie nicht mal mehr wusste ob er
sich an sie erinnern konnte.
„Was zur Hölle wollen wir da?“
Sie hätte ihm am liebsten geantwortet, aber Yonoko schwieg. Cheruna sah Lao
nur mit großen Augen unschlüssig an.
„Weil wir gemeinsam noch eine Prüfung zu meistern haben.“
Worte, die Yonoko überhaupt nicht gefielen. Eine weitere Prüfung wie die des
Ochsen würde sie nicht minder unbeschadet überstehen.
„Keine Ahnung von was für einer Prüfung du da gerade sprichst.“
„Ich habe gar nichts zu meistern, möchte ich hinzufügen. Außer meinem können in
Ingenieurskunst.“
„Ich meine… Mir ist es egal, aber es ist schon ganz schön weit weg.“
Scheinbar hatte Lao weder vorher noch jetzt irgendwem was davon erzähl. Aber
auch die junge Pandaren würde sich nicht die Mühe machen, ihnen zu erklären,
was während ihres unfreiwilligen Nickerchens passiert war. Sie wurde gehässig.
„Wäre es nicht gut, wenn du uns das etwas genauer erläuterst?“
„Yonoko halt die Klappe.“
Vildana schien immer noch zu glauben, das alles was Lao sagte auch dem
entspricht was war und wird.
„Vildana, schließt Frieden mit Yonoko. Wenn Ihr böse sein wollt, dann auf mich!“
„Nein.“
„Ich denke, sie kann selbst entscheiden, auf wen sie böse sein will.“
„Ich will da hin! Schlimmer als hier im Steinkrallengebirge zu verweilen, kann es nicht
werden.“
Cheruna sprang vorfreudig auf.
„Ja, in der Tat. Der Fährmann welcher uns zur dunklen Küste gebracht hat, versicherte mir
dass er einen kurzen Seeweg kennt, nach Pandaria.“
„Kurz… Ah ha.“
Schwerfällig stand Lao auf. Vildana tat es ihm gleich und schubste mit den
Schuhen Erde auf das Feuer, um es zu ersticken.
„Nun gut, lasst uns das Schiff nehmen.“
„Auf nach Pandaria, ich habe ja eh nichts Besseres zu tun.“
„Ich auch nicht. Kann genauso gut sein wie hier.“
„Dann heißt es Abschied nehmen.“
Lao wollte sich gerade zum Meer umdrehen, da hielt er inne und sah Yonoko
eindringlich an.
„Yonoko?“
„Du gehst nicht mit nach Pandaria?“
„Mein Auftrag ist Beendet, wenn ihr nicht nach Sturmwind zurückgeht. Und du Lao hast
nichts gesagt. Eine Mission nach Pandaria war nicht Teil der Abmachung.“
„Perfekt.“
Vildana hätte nichts mehr sagen müssen. Sie wollte eigentlich mit Lao mitgehen.
Aber die angespannte Atmosphäre belastete Yonoko stark.
„Bis das Ziel erreicht ist. Das Ziel war das Grab. Wenn ihr nicht zurück in eine Hauptstadt
geht, endet es für mich hier.“
„Ach so, ich dachte als Pandaren… Naja dann… Ich schätze mal auf Wiedersehen.“
„Aber dein Auftrag ist nicht beendet! Schütze die Gruppe hieß es!“
Cheruna stellte sich mit traurigen Augen neben Yonoko. Lao hatte fast
geschrien, aber Yonoko zwang sich, ihn vorerst nicht wahrzunehmen.
„Yonoko, ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest.“
„Das liegt nicht in meiner Entscheidung Cheruna.“
„Nein tut es nicht, weil der Auftrag nicht beendet ist, Yonoko! Bei der Ehre einer Söldnerin,
Auftrag und ein Geschäft ist ein Geschäft!“
Kohn sah Lao Stirnrunzelnd an. Vildana hatte bereits ungeduldig die Arme
verschränkt.
„Dann sei verdammt nochmal ein guter Auftraggeber und sag uns auch wohin du warum
willst!“
Yonoko hoffte auf eine Patsituation. Wenn Lao wollte das sie mitkommt, dann
musste er sagen was sie hören wollte.
„Auf dem Boot dann… Also kommt!“
Und schon drehte er sich um und ging auf die Klippen zu. Innerlich war Yonoko
Enttäuscht, aber eigentlich hatte sie nicht erwartet das sich was an seinem
verhalten geändert hatte. Dicht hinter Lao ging Vildana. Cheruna und Kohn
folgten einen Moment später. Mit einem Ruck folgte dann Yonoko.
„Also kommt sie jetzt mit, oder nicht?“
„Ich würde mich freuen wenn ja.“
„Ja Kohn, ich bleibe. Aber nicht weil er mir einen Auftrag gab, denn das hat er nicht.“
Und als Söldner bin ich nicht dazu gezwungen, einen Auftrag anzunehmen.
„Also werdet Ihr auch nicht mehr bezahlt?“
„Wurde ich nie.“
„Aha. Interessante Söldnerkompanie.“
Lao führte sie bis weit zu den Klippen. Ein sehr schmaler Pfad, auf dem vielleicht
Cheruna mit ihren schmalen Hufen genügen Platz gefunden hätte, führte in
verschlungenen Bahnen nach unten zur Küste.
„Schon Mal auf einem Schiff gewesen Cheruna?“
„Als wir von Darnassus aus gefahren sind.“
„Na das wird dann lustig.“
Er grinste sie an, während unter ihnen der Stein Bröckelte und der ohnehin
schon schmale Pfad noch dünner wurde.
Das Schiff wie Lao es nannte, entpuppte sich als kleiner Krabbenkutter der
aussah, als würde er bei der nächsten Bewegung auseinanderbrechen. Yonoko
hatte im Hafen von Sturmwind schon so manches Schiff gesehen, aber eine so
alte Nussschale war ihr da nicht untergekommen.
„Das ist ein sehr schönes Schiff. Das sieht sehr solide aus!“
„Schiff… Schön ist Ansichtssache.“
„Hält das Ding dem Meer überhaupt stand?“
„Ich hoffe es ist Hochseetauglich.“
Durch den wenigen Tiefgang des Schiffes war es recht nah an der Küste. Die
rote Pandaren glaubte nicht dass das Meer hier allzu Flach sein würde, denn die
Berge schon so steile Wände haben. Oben an Deck konnte man einen Matrosen
sehen, der Wasser vom Schiff zurück ins Meer schaufelte.
„Oh und fließend Wasser wie es aussieht.“
Vildana grummelte leise. Scheinbar war ihre Abneigung gegen das das Ding
namens Schiff genauso groß wie Yonokos.
„Du verstehst nicht viel von Booten, oder Lao?“
„Wasser schaufeln ist normal.“
„Na dann. Ich ersauf ja nicht, wenn es untergeht.“
Sehr zuvorkommen, das Vildana als einzige wohl überleben würde und genau das
noch einmal so deutlich zu sagen, dachte Yonoko. In dem Moment zweifelte die
junge Pandaren daran, dass es Vildana doch so sehr am Herzen lag, Lao zu helfen.
„Ich bin auf einer Schildkröte aufgewachsen. Ich weiß mehr als genug von Booten.“
„Und du bist die sicher, dass er weiß wohin er muss?“
„Ja, ich habe ihm eine Karte gegeben.“
„Ich hoffe alle haben ihre Quietsche-Enten dabei.“
„He ihr Landratten! Auf mit euch nach Pandaria! Die See wird nicht jünger!“
„Ich hoffe es schaukelt nicht zu viel.“
„Das wäre ja Langweilig.“
Das wohl einzige Beiboot legte am Ufer an und der Matrose winkte sie zu sich.
Kaum hatte auch nur der erste von ihnen das kleine Boot bestiegen, sank es weit
ins Wasser runter. Auf dem Vermeidlichen Schiff angekommen, sahen sie sich
um.
Auf dem Deck waren Pfützen und überall schimmerten Fischschuppen. Hier und
da konnte man sehen wie mangelhaft das Boot von den wenigen Leuten aus denen
die Besatzung bestand, in Stand gehalten wurde.
Kohn zog die Luft tief ein und grinste. Scheinbar gefiel es ihm.
Während Vildana unter Deck verschwand und sich einfach irgendeine
Hängematte aussuchte, erkundete Cheruna mit Kohn das Schiff. Lao saß am Mast
und schien zu Meditieren. Das Schiff schwankte tatsächlich stark, aber der
Kapitän noch stärker. Der Geruch von Rum an ihm war schneller als seine Beine.
Yonokos neuer Lieblingsplatz wurde der Platz, unter dem für gewöhnlich die
Galionsfigur war. Das Holz dort war abgesplittert und Teilweise zerfetzt.
Anscheinend hatten sie ihre Figur verloren.
Die aufgepeitschte See im Fell und das Meer in den Ohren taten ihr gut und
halfen, wenn auch nur für Momente, alles andere zu vergessen.
Es vergingen eine Handvoll Tage, an denen sie fernab der Küste segelten. Die
Schemen des Kontinents waren schon lange vom Horizont verschluckt worden,
neue kamen und gingen. Aber der Kapitän machte keinen Anstalten sich dem Land
zu nähern.
Cheruna und Kohn saßen fast die ganze Zeit bei einander. Lao und Vildana
stritten sich ab und an darüber, ob das Schiff auf dem richtigen Kurs wäre oder
nicht und wie lange es noch dauern würde. Yonoko blieb die meiste Zeit an Deck,
warf ihre Angel aus. Immer wieder wunderte sie sich über die Fische, die sie nie
zuvor gesehen hatte. Aber dem Hunger der Gruppe kam dies zu gute. Denn die
Mannschaft war nicht wirklich gut mit den teilweise zerrissenen Netzen und den
sonst auch wenigen Vorräten.
Der neue Morgen war dunkel und voller Nebel. Das Boot trieb nur dahin und
schien völlig blind zu sein. Der Wind fehlte und am Himmel hinten dicke Wolken.
Auch auf Deck war die Sicht leicht eingeschränkt.
Cheruna lief umher, ausnahmsweise mal ohne Kohn.
„Alles in Ordnung Cheruna? Du wirkst so unruhig.“
„Ja, Yonoko. Ich war nur noch nie auf dem offenen Meer oder auf so einem großen Schiff.“
Yonoko schmunzelte. Dieses kleine Ding ein Boot zu nennen fand sie lustig.
„Aber ich erkenne hier noch nichts wieder. Weder die Schemen vom Land, noch etwas
anderes.“
Kohns kam zu ihnen und stellte sich wie so oft in den letzten Tagen neben
Cheruna.
„Kohn? Kennst du dich hier aus?“
„Ihr wart mal auf See?“
„Hu? Ja, ich bin am Meer geboren und habe da mein ganzes Leben verbracht. Als Fischer.“
„Interessant… und um die Frage zu beantworten: Nein, nicht westlich von Kalimdor.“
Die wenige Sonne die durch den Nebel drang wurde schnell wieder verschluckt.
Dunkle Wolken kamen auf. Yonoko sah hoch.
„Das Wetter springt um. Kein gutes Zeichen.“
„Ich hoffe, es kommt kein Sturm auf.“
Kohn hatte das ausgesprochen, was Yonoko gedacht hatte. Cheruna kicherte
verunsichert und torkelte dann zum Mast, umarmte ihn und wurde still.
Beim umschauen fiel Yonoko etwas auf.
„So etwas wie Rettungsboote werden wir hier wohl nicht finden.“
„Nein, ich glaube nicht.“
Kohn hatte sich ebenfalls umgesehen, runzelte aber nur die Stirn, als er Cheruna
sah. Sie saß zusammengesunken am Mast und umklammerte ihn noch immer.
„Morgen Vildana.“
Vildana kam hoch, träge blinzelte sie und sah sich um. Ihre Stimmung war in
ihrem Gesicht zu lesen.
„Wir sollten uns Wetterfest machen. Wenn auch nur um in der Nacht nicht zu erfrieren.“
„Ja, das denke ich auch.“
Der Nebel wurde dichter und auch das Schiff verschwand allmählich hinter
einem Schleicher.
„Wo sind wir hier? Soll Pandaria nicht warm und sonnig sein oder so?“
„Unter anderem.“
Es war der roten Pandaren egal ob die Worgen ihr zugehört hatte, ihr Blick galt
wieder dem Himmel, oder das, was man davon sehen konnte. Was Cheruna auch
immer mit ihrem Schwanzwedeln bezwecken wollte, es schien nicht zu klappen.
Torkelnd und rutschend eierte sie vom Mast zur Reling rüber und krallte sich
daran fest. Grinsend folgte ihr Kohn.
„Seekrank?“
Die Wellen veränderten sich. Sie wurden nicht stärker, aber irgendetwas an
ihnen schien anders.
„Wie? Seekrank? Man kann von der See krank werden?“
„Ne Cheruna, da wird einem nur schlecht.“
„Nein das nennt man so, wenn Leuten auf See schlecht wird. Wenn sie das Geschaukel auf
einem Schiff nicht gewöhnt sind.“
„Mir ist wirklich etwas elend zu Mute und wir haben keine Milch.“
„Wofür willst du Milch?“
„Vielleicht hätten wir eine von den beiden Tauren mitnehmen sollen.“
Cheruna sah von Kohn zu Vildana. Er lachte nur und Yonoko schlug sich innerlich
die Pfoten vors Gesicht.
„Wieso waren wir bei den Worgen... Ja wir hätten eine von beiden mitnehmen sollen für
Milch. Damit verträgt man die Seefahrt besser.“
Völlig irritiert davon das Cheruna scheinbar wieder von Kohn aufgezogen wurde
sah sie den Schützen an. Kohn winkte ab.
„Ein Witz den Cheruna mal gemacht hatte.“
„Ich glaube näheres will nicht wissen. Apropos näheres… Da zieht ein Sturm auf der schnell
näher kommt.“
„Wie jetzt Witz?“
Gefrustet drehte sich Cheruna um und wollte sich von den anderen abwenden,
aber das Boot war so klein, das man von Buck bis zum Heck alles sehen konnte.
„Mist, ich hoffe der wird nicht zu heftig. Sonst müssen die unerfahrenen unter Deck.“
Er sah Cheruna nach und Yonoko hatte das Gefühl, ähnliche Gedanken zu haben
wie er. Wenn es wirklich ein Sturm war, der da auf sie zukam, dann würde diese
klapprige Nussschale ihn nicht aushalten. Wer auch immer dann unter Deck wär,
wäre dem Ertrinken nahe und dem Meer Hoffnungslos ausgeliefert.
„Ich will einen Eimer…“
„Übergeben kann man sich aber an Deck besser.“
„Mach einfach über die Reling, Cheruna. Die Fische freuen sich.“
Die Draenei setzte dazu an Vildana etwas zu erwidern, blähte dann aber nur
schlagartig die Wangen auf und hielt sich die Hand vor den Mund.
„Oje…“
„Nicht auf das Deck, Cheruna.“
Er grinste ihr zu. Was Cheruna sichtlich nicht hilfreich fand.
„Die Wellen werden unberechenbar, ich weiß nicht wie viel diese morsche Muschel noch
aushält.“
„Ja, vielversprechend sieht sie nicht aus.“
Vildana runzelte die Stirn und sah dem Sturm entgegen. Er kam fast Lautlos
aber dafür umso schneller und deutlicher.
Yonoko tat sie leid. Mitfühlend sah sie Cheruna an und blieb an ihren Hufen
hängen.
„Cheruna? Können Draenei mit ihren Hufen schwimmen?“
Alles was Cheruna zustande brachte war ein Nicken mit beiden Händen vor dem
Mund.
„Leute, ich will ja nichts sagen aber… diese Luft hier… Das kommt mir so bekannt vor.“
„Ich wusste ja das Pandaria im Nebel lag, aber das er zurück wäre, ist mir neu.“
Misstrauisch sah Yonoko zu Vildana. Wenn der Worgen hier etwas bekannt
vorkam, sie selber aber ein völlig anderes Gefühl hatte, dann konnte es auf
keinen Fall Pandaria sein. Auch den dichten Nebel hätte sich die junge Pandaren
nicht erklären können. Seit der schützende Nebel Pandaria verlassen hatte, war
kaum noch Nebel an den Küsten gesichtet worden.
„Wie meinst du das?“
„Kohn? Hast du einen Kompass oder so?“
Wieder ignorierte Vildana die Pandaren, aber es macht Yonoko schon fast nichts
mehr aus. Bevor Kohn antworten konnte, stürmte Cheruna dicht gefolgt von ihm
auf die andere Seite des Schiffs und übergab sich lauthals. Grinsend hielt er ihr
die Haare aus dem Gesicht.
„Man merkt dass du wirklich noch nicht oft auf einem Schiff gewesen bist.“
Yonoko drehte sich vom Leiden der Draenei weg und sah zum Bug. Im Nebel
tauchten erst ganz wage dunkle Schatte auf, dann fing es an zu regnen.
„Ich glaube wir sind ganz woanders. Aber vielleicht irre ich mich. Oder…“
Aus den kleinen Schatten im Nebel wurden immer größere, bis man kaum vor
ihnen eine Küste sehen konnte.
„Kohn! Halte Cheruna fest! Damit sie nicht über Board geht!“
„Pandaria in Sicht!“
„Nein… Das ist Gilneas… Wir sind in Gilneas!“
Yonoko sah vom Kapitän zu Vildana.
„Was soll das heißen, Gilneas?“
„Gilneas liegt in Pandaria?“
Ruhelos rannte Vildana an der Reling auf und ab und starrte zur Küste. Yonokos
Gedanken überschlugen sich. Die wenigen Erzählungen von Gilneas und den
Untoten die sie noch in Erinnerung hatte machten ihr mehr als nur Sorgen.
„Das ist auf keinen Fall Pandaria… Es sei denn hier hat ein schlimmerer Krieg getobt als
zuvor.“
Und selbst dann würde ich meine Heimat erkennen.
„Pandaria wie es leibt und lebt. Aye.“
„Du Trottel hast uns zum falschen Kontinent gebracht!“
„Dreh das verdammte Boot um oder ich dreh dir den Magen nach Außen!“
„Also wohin es geht, ist mir egal.“
Aus den Schatten wurden zerklüftete Felsen, zwischen denen der Kapitän den
maroden Krabbenkutter hindurchloste. Neben ihnen ragte eine kleine Insel mit
einem Leuchtturm auf. Sein Licht war längst erloschen
„Wenn ihr mir nicht glaubt, schaut auf die Karte!“
Der Kapitän wedelte mit einem alten Stück Karte herum, aber Yonoko war damit
beschäftigt den Bereich vor dem Bug im Auge zu behalten.
„Na hoffentlich bringt es dieses Muschelhirn fertig, das Boot zumindest anzulegen.“
„Amateure. Ist Gilneas nicht Gebiet der Untoten?“
„Ja… nein… Also…“
Während des Traums war es völlig verlassen.
Vildanas Nervosität war fast greifbar. Kohn war immer noch damit beschäftigt
Cherunas Haare zu halten, die sich weiterhin übergeben musste.
„Der Wall ist durchbrochen worden und wir sind alle geflohen. Keine Ahnung ob sie das Land
noch besetzt halten.“
„Ich schätze, wenn das Ding hier auf Grund trifft, werden wir es herausfinden müssen.“
„Also, das ist nie Pandaria, nein.“
Lao hatte sich zum ersten Mal seit Stunden wieder gerührt. Das er scheinbar die
Welt um sich herum ausblenden konnte, war etwas, das Yonoko nicht an ihm
schätzte.
„Ach nein Lao, ernsthaft?“
Kohn klang sehr bitter und sarkastisch.
Nebel und Regen machte es fast unmöglich auch nur zu erahnen ob sie sich noch
bewegten. Das Wasser unter dem Boot brach am Buck und wurde vom Regen in
ein abstraktes Bild aus in runden Scherben gebrochenem Glas verwandelt.
„Es kann immer noch interessant werden.“
Vildana und Kohn versuchten das Ufer abzusuchen. Jetzt kam der Sturm erst
richtig auf. Donnergrollen hallte durch die Wolken und Blitze erhellten in
unregelmäßigen Abständen die Schemen im Nebel.
„Tja und was machen wir jetzt?“
„Gute Frage.“
„Erstmal sind wir ruhig, bis wir sicher sind das keine Untoten in der Nähe sind.“
„Und wie finden wir das bei dem Wetter heraus, ohne an Land zu gehen?“
„Augen? Hast du welche?“
„Ich habe Augen, aber bei dem Wetter sind sie nur begrenzt Hilfreich.“
„Dann hast du keine guten Augen. Was…“
Ein heftiger Ruck durchdrang das Boot und wer vorher das Gefühl hatte sie
würden sich kaum bewegen, der wusste spätestens jetzt das sie sich nicht mehr
Bewegten.
„Oh… Wir sind aufgelaufen…“
„Na toll…“
Während sich die meisten wieder auf die Füße stellten, sah sich der Kapitän die
Misere von der Reling aus an.
„Na das war es wohl mit der Rückfahrt.“
Kohn half Cheruna wieder auf die Beine. Sie war blass vor lauter übergeben. Die
Blicke noch immer an die Küste gerichtet sah Vildana mit zusammengekniffenen
Augen auf einen breiten Steg. Als Yonoko vom Buck aus ins Wasser sah, konnte
sie ein bereits gesunkenes Schiff erahnen. Der Krabbenkutter war auf ein
Wrack aufgelaufen.
„Ich geh an Land, sorgt dafür das niemand untergeht.“
Lautes Blubbern war aus dem unteren Teil des Schiffs zu hören. Jeder der nicht
schon an Deck war, kam von unten hoch. Der Aufprall hatte ein großes Leck
geschlagen und das Schiff sank schnell.
„Wir sollten lieber alle abspringen und an Land gehen!“
„Keine Schlechte Idee. Los, bevor wir absaufen!“
„Kommt, bleibt zusammen Freunde!“
Laos Worte waren die letzten, die Yonoko hörte, bevor sie gekonnt Kopf über im
Wasser landete. Das Wrack unter ihnen schimmerte leicht unter dem Licht der
Blitze. Es war völlig zerstört.
Mit nur dem halben Kopf aus dem Wasser sah sie sich neben dem Steg um. Der
große Platz war verlassen und teilweise verwüstet. Die Häuser standen mit
offenen Türen und klappernden Fensterläden im Regen. Kein Licht, keine Gestalt,
nichts.
Hinter ihr hörte sie wie die anderen ins Wasser sprangen und zur ihr ans Ufer
kamen. Gemeinsam stiegen sie aus dem Wasser und tasteten sich langsam
vorwärts.
„Nichts, hier ist niemand.“
Vildana ging zu einem der Unterstände, in dem noch Kisten standen und Flaschen
verteilt waren. Sie nahm sich zwei der verdreckten Flaschen in die Hände.
„Wo sind wir?“
„Gilneas.“
Ihre Antwort war monoton. Die Worgen versuchte die Etiketten auf den
Flaschen abzuwischen und zu lesen, stellte die Flaschen dann aber wortlos
wieder weg.
„Ja das haben wir schon mitbekommen.“
„Und wie weit weg ist das von Pandaria?“
„Lao, wir sind in den östlichen Königreichen.“
„Und wo genau?“
„Genau. Recht weit im Norden sogar.“
„Von hier aus gesehen, dürfte Pandaria am Arsch der Welt sein.“
Vildana schüttelte den Kopf und ging zu einem Stapel mit großen und kleinen
Kisten.
„Passt auf euch auf Cheruna. Hier ist es verdammt gefährlich und auch was ihr esst. Bei den
Untoten weiß man ja nie.“
Die Draenei stolperte ihm etwas unsicher hinterher. Nahm sich aus ihrem
eigenen Beutel etwas vom durchweichten Trockenfleisch und biss ab.
„Lao?“
„Ja, Yonoko?“
„Ich nehme an, du hast das gleiche gesehen wie Minna und ich. Erkennst du hier
irgendwas?“
„Ähm…. Ich erkenne was aber… nicht der Ort an dem ich war… Ich erkenne nur ein gewisses
Chi!“
„Wenn du jetzt von Goushin redest… Schlag ich dich.“
„Nein, Yonoko!“
„Sondern?“
„Ach… Chi halt…“
Wieder beließ er es bei dieser Aussage und wendete sich ab. Leise knurrend
drehte Yonoko sich ebenso um und musterte die Häuser noch einmal.
„Vildana, sind wir hier sicher?“
Aber Vildana beschäftigte sich damit die Kisten zu durchwühlen. Die rote
Pandaren ging langsam über den Platz.
Es machte einen seltsamen Eindruck. Alltägliche Dinge langen wahllos herum, als
wären die Besitzer nur kurz vor einem Unwetter in ihren Häusern verschwunden.
Nur beim näheren Hinsehen, konnte man den Verfall und die Spuren von Mutter
Natur erkennen. Reste von verdorbener Nahrung, moderndes Holz und rostiges,
unbrauchbares Werkzeug.
Das Haus nahe dem Steg war verlassen. Die Tür war fest verschlossen. Direkt
um die Ecke des ersten Hauses, stand ein höheres. Vildana ging schnellen
Schrittes an ihr vorbei zum Haus hoch.
Die Worgen stieg gerade durch die von ihr eingetretene Tür ein, als Kohn und
Lao nach ihr riefen.
„Vildana?“
„Sie ist hier!“
Ihre Stimme war nicht besonders Laut gewesen, viel hatte der Regen
verschluckt. Lao reagierte nur auf ihr Winken und kam gefolgt von Cheruna und
Kohn auf sie zu.
„Wir sollten uns einen sicheren Ort suchen.“
„Na dann los, lasst uns einen Unterschlupf suchen.“
Kohn hielt Cheruna dicht bei sich. Die Draenei wirkte überfordert mit der
Situation.
„Mir ist so übel…“
„Ganz normal, wenn man nicht oft auf einem Schiff ist. Hab ich auch am Anfang gehabt. Und
ich bin für dich da, wenn es dir nicht gut geht.“
„Ich danke dir.“
Zusammen gingen sie Vildana nach. Mit einem großen Schritt stieg Yonoko über
die eingetretene Tür und dann ins Haus hinein. Es war für ihre Gewohnheit groß
und hatte noch eine Treppe die unter das Dach führte. Oben rumpelte Vildana
mit irgendwelchen Sachen herum. Unter dem großen Kessel im Kamin war das
Feuer längst erloschen und der Wind hatte einen Teil der Asche davor
verstreut. Was auch immer im Kessel zuletzt gekocht wurde, man konnte nur
noch eine schimmelige Masse darin erkennen, die einen beißenden Gestank
verursachte.
„Hier ist doch genug Platz für uns alle.“
Eigentlich gefiel es der roten Pandaren nicht, in den Sachen anderer zu wühlen.
Aber die Situation verlange es. Lao folgte Vildana nach oben, die schon wieder
auf dem Rückweg war.
„Oh, da seid Ihr ja.“
Drei staubige alten Decken hinter sich her schleifend, kam sie auf Lao zu.
„Wir müssen uns trocknen. Es wird kalt hier.
„Gut gemacht Vildana, doch erklärt mir eines: Sind wir sicher?“
„Nein.“
„Verstehe.“
Cheruna und Kohn sahen sich genauso wie Yonoko im unteren Teil des Hauses um.
„Warum lässt man so viele schöne Dinge einfach liegen und geht?“
„Die Bewohner sind geflohen. Weil Gilneas von den Untoten angegriffen wurde.“
Die Draenei hatte ein staubiges Stofftier aufgenommen und zupfte daran herum
um es wieder ordentlich aussehen zu lassen.
„Ja… Das macht Sinn. Kein Kind würde freiwillig ohne sein Plüschtier gehen.“
Einen traurigen Blick im Gesicht, lege Cheruna das Stofftier wieder weg.
Suchend ging Kohn am Kamin vorbei.
„Wir müssen ein Feuer machen.“
Mehr zufällig fand die Pandaren Feuerstein und Zunder neben dem Kamin unter
etwas Kohle. Kohns Worten folgend, versuchte sie das noch nicht abgebrannte
Holz im Kamin zum Glimmen zu bringen. Es dauerte etwas, aber dann sprühten
Funken und das Holz begann zu glimmen.
„Ah, schon erledigt.“
„Aufhören! Sofort aufhören, du dummes Ding!“
Einen Moment irritiert sah Yonoko zu Vildana hoch. Fast Panisch stürmte sie die
Treppe herunter und ließ dabei zwei der drei Decken fallen.
„Du hast selber gesagt, dass wir uns trocknen müssen.“
Hektisch schlug die Worgen mit der letzten Decke auf das glimmende Holz ein,
bis es gänzlich erlosch.
„Es soll uns doch wärmen.“
„Bist du völlig von Sinnen?“
Vildanas Blick war grausam und Yonoko verstand noch nicht so recht was
eigentlich mit ihr los war.
„Ach ja… der Rauch.“
Jetzt erst begriff die Pandaren, worum es Vildana ging. Dennoch empfand sie
ihre Reaktion als völlig übertrieben.
„Hat es dir nicht gereicht Lao in Gefahr zu bringen? Wir wissen nicht ob hier Untote sind und
du willst ein Feuer machen?“
„Hast du eine bessere Idee?“
„Vildana, sie hat es sicher nicht böse gemeint.“
„Wir müssen uns aber wirklich wärmen, Vildana.“
Sie war es leid, dass Vildana immer wieder in unnötigen Streit verfiel. Auf einer
Sache rumhackte und dabei eine andere dazu schob.
„Na dann raus damit, aber verschwende hier keine Zeit mit Streit.“
„Du solltest verschwinden, das ist die erste bessere Idee, die ich habe. Der Rest kann mir
folgen. Kohn? Lao? Tragt ihr die beiden Decken?“
Ohne ein weiteres Wort oder Yonoko noch eines Blickes zu würdigen, drehte sich
Vildana zu den anderen um.
„Wir brauchen ein sicheres Haus.“
Innerlich schüttelte Yonoko nur den Kopf und wollte sie anbrüllen. Aber
stattdessen drehte sie sich um und ging wieder zur Tür.
„Jetzt suchen wir ein sicheres Haus mit wenig Fenstern und einer intakten Tür.“
Hättest du sie nicht eingetreten wäre es das hier.
Der Regen war noch immer so stark, das man nicht sonderlich weit klar sehen
konnte. Von irgendwelchen Geräuschen neben den klappernden Türen und
Fenstern abgesehen, war es still.
Cheruna wollte Yonoko gerade ins Haus zurückziehen, da kamen Vildana, Kohn und
Lao zur Tür und sie wehrte sich energisch dagegen. Einen Moment zögerte
Yonoko, als die Vier an ihr vorbei und wieder runter zum Steg gingen. Überlegte
ob es nicht wirklich eine Option wäre, einfach zu gehen und zu tun wonach ihr
wäre.
„Kommt Ihr? Wir müssen zusammen bleiben.“
Von Kohns Worten aus ihren Gedanken gerissen, sah sie Cheruna an. Die Draenei
warf der Pandaren einen besorgten Blick zu, schwieg aber. Vildana hatte sie
wieder runter zum Wasser und dann zum Haus mit der verschlossenen Tür
geführt. Mit sichtlich mehr Druck als einem Trott, stemmte sich die Worgen
gegen die Tür. Knarrend und ächzend schwang sie über den Boden schabend auf.
Die Scharniere waren ausgeleiert.
„Kommt rein, wir müssen die Fenster verhängen.“
Kaum gesagt, riss sie auch schon alles was nach Decke oder alten Stofffetzen
aussah an sich und verhing damit die beiden Fenster. Man hatte bereits versucht
sie mit Brettern zu vernageln, aber die meisten davon fielen bei Vildanas
hektischen Bewegungen in morsche Brocken zusammen.
„Jetzt müssen wir uns aber wirklich wärmen.“
„Dann zieh dich aus Kohn. In nassen Kleidungen rum zu stehen, das geht nicht.“
„Das lass ich mir nicht zweimal sagen.“
„Kohn!“
„Eine wunderschöne junge Draenei hat gesagt, ich soll mich ausziehen!“
Prompt fingt Kohn auch schon an sich auszuziehen. Yonoko schob die Tür hinter
sich zu und nahm sich etwas, das mal eine Jacke gewesen sein sollte, um das
kleine Fenster darin zu verhängen. Dabei fiel ihr ein kleines Fellbüschel im
Türrahmen auf.
„Was sollen die zotteligen Fellbüschel in der Tür?“
Aber kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, da wusste sie schon, dass sie
keine Antwort erhalten würde.
„Der Vorschlag mit dem Ausziehen war übrigens sehr vernünftig von Euch, Cheruna. Ich
finde, ihr solltet dem auch selber nachkommen. Und darf ich auch vorschlagen, dass wir uns
gegenseitig wärmen?“
„Wie sollen wir uns denn gegen seitig wärmen?“
„Mit Körperwärme.“
Kohn grinste Cheruna vielsagend an. Yonoko empfand es als völlig falschen
Zeitpunkt für so etwas.
„Ich bin ausgekühlt.“
„Die Idee ist, das man sich aneinander kuschelt, damit man weniger Oberfläche hat die Wäre
abgeben kann.“
„Ich glaube du fühlst dich etwas einsam, Kohn.“
„Kann sein. Ich bestreite nicht, dass ich Eure körperliche Nähe sehr genießen werde.“
Als die Decken und Lumpen vor den Fenstern hingen, sah sich auch Vildana
richtig um. Es gab einen Kamin mit umgeworfenem Kessel, einige Stapel Bücher,
zwei Stühle, ein zerwühltes Bett und eine aufgebrochene Truhe.
„Was erwartet uns in der Dunkelheit?“
„Wandelnde Leichen.“
Vildana stieg vom Fenstersims runter und zielstrebig auf den einzigen Tisch zu.
Kurz bevor sie die beiden Pergamente vom Tisch fegte, hielt sie inne und starrte
auf eines der beiden.
„Kohn, kümmere dich lieber um das Feuer, statt zu flirten.“
„Ja-ha… Ist ja gut.“
Auf einmal doch ein Feuer? Aber Hauptsache es ist nicht von mir.
Kaum mehr als einen Fingerbreit, rückte Yonoko den Fetzen vom kleinen Fenster
in der Tür und sah hinaus. Kohn war damit beschäftig einen der beiden Stühle
auseinander zu brechen und Vildana sammelte alles was sie an Büchern und
Pergamenten finden konnte zu einem Haufen zusammen. Beides wurde mitten im
einzigen Raum des Hauses aufgestapelt.
„Tja… Was nun?“
Als Cheruna sie an stupste, drehte sich Yonoko um und ließ den Fetzen wieder
vor das Fenster fallen.
„Hu? Ist dir etwa ein nasses Fell gerade lieber?“
„Du willst auch kuscheln? Warum kuschelt ihr dann nicht? Ich glaube gleich gibt es ein Feuer,
das halte ich für effektiver als ausgekühlte Körper.“
„Cheruna, ich kuschle nur mit Euch.“
Einen Moment hatte die rote Pandaren das Gefühl, Cheruna verschreck zu haben.
„Schon gut, wenn er dir zu viel wird, dann sag es ihm klar und deutlich.“
Derweil hantierte Kohn mit seinem Schießpulver und dem Bücherstapel herum.
Kurz darauf Puffte es laut und die Bücher fingen an zu schmoren und dann sich
richtig zu entzünden. Der Raum füllte sich schnell mit Rauch und dem Gestank
von brannten, modrigem Holz.
Yonoko fragte sich noch einmal, wo denn der Unterschied zwischen dem Feuer
mitten im Haus hier und im Kamin drüben im Haus wäre, denn der Rauch zog in
schweren Wolken durch den Schornstein und damit nach draußen.
Cheruna hatte sich wieder zu Kohn umgedreht und die Hände in die Hüften
gestemmt.
„Warum willst du nur mit mir kuscheln?“
„Weil ich die anderen nicht so gern hab wie dich.“
„Natürlich hast du die anderen gern. Warum sagst du sowas?“
„Natürlich habe sie gerne. Aber du bist etwas Besonderes für mich.“
Cheruna sah Kohn einen Moment verwirrt an.
„Flirtest du etwa mit mir?“
„Denk an meine Worte, Cheruna.“
„Vielleicht.“
„Es ist übrigens klüger, wenn ihr die Klamotten anlasst.“
Der roten Pandaren war so oder so nicht danach, sich in voller Pracht den
anderen zu zeigen. Vor allem nicht Lao gegenüber. Kohn, Cheruna und Yonoko
setzten sich um das spärliche Feuer herum und schwiegen einen Moment. Lao
hatte es sich auf einer großen leeren Kiste gemütlich gemacht und Vildana auf
einer einfachen Holzkiste, nahe des Feuers.
„Nachtwache?“
„Wir brauchen keine Nachtwache, das ist… zu gefährlich.“
„Ah ja.“
Es ist zu gefährlich, wenn jemand darauf achtet das man nachts nicht überfallen
wird?
Zwar konnte Yonoko die Anfeindungen gegen sich noch ertragen, aber diese
Aussage hielt sie nun für völlig überzogen und falsch.
„Meint Ihr wirklich?“
„Um es mit deiner Stimmung zu sagen, Vildana: Ich scheiß drauf, was du sagst.“
Was glaubte sie denn, was mit Nachtwache gemeint war? Draußen wie ein Geist
herum zu schleichen?
„Gut, mach was du willst. Du bist entbehrlich.“
„Wie man es nimmt, du auch.“
„Ich hintergehe immerhin nicht meine Gefährten.“
„Wenn ihr euch schon nicht vertragen könnt, dann hört auf zu zanken!“
Yonokos Wille darauf einzugehen war ohnehin nicht groß. Sie beharrte innerlich
darauf, dass ihre Entscheidung und ihre Meinung besser waren als Vildanas.
Wortlos rutschte sie zur Tür und legte den Kopf an das Holz. Aber alles was man
hörte, war der Regen, der prasselnd auf den aufgeweichten Boden fiel.
„Kohn, nur für den Fall der Fälle: Wie effektiv ist dein Gewehr auf kurze Distanz?“
„Verdammt. Das Ding hat eine hohe Durchschlagskraft. Damit ich auf weite Entfernung
schießen kann. Und die Explosivmunition macht auch mit Untoten kurzen Prozess. Nur hab
ich nur noch Vier Schuss.“
„Das Problem mit den Untoten ist, das du sie auf Distanz nicht siehst.“
„Klappt das auch mit Nasser Munition?“
Wenn es nicht bald aufhören würde zu regnen, dann würde seine Flinte weder
auf Distanz noch auf nahem etwas bewirken.
„Nein, aber wenn ich es trocknen lasse. Nur dauert das etwas, da darf nichts ans Feuer
kommen. Die Munition ist noch sicher.“
„Hat es im Wasser Schaden genommen?“
„Nein, das ist robust.“
Trotzdem drehte er das Gewehr kurz hin und her, begutachtete es.
„Lao? Lao wach auf!“
„Schrei nicht so.“
„Du kannst mit dem Schwert umgehen, oder?“
„Ja, in der Tat. Was denkt Ihr?“
„Gut, gut.“
Gedankenverloren sah Vildana von Lao ins Feuer. Scheinbar wog sie ihre Chancen
ab, falls die Untoten noch da wären.
Noch immer hielt Yonoko ein Ohr an die Tür und lauschte dem Regen und den
Wellen, die an das Ufer schwappten. Einen Moment fielen ihr die Augen zu, da
klopfte es zwei drei Mal an die Tür.
Kohn packte sein Gewehr und Cheruna zuckte zusammen. Langsam und Lautlos
stand Yonoko auf, Vildana zischte nur knapp, dass sie die Tür nicht offenen
sollte. Was die rote Pandaren auch freiwillig nicht getan hätte.
Aber nach dem Klopfen blieb es still. Bis man Schritte auf dem Dach hören
konnte. Verschreck kroch Cheruna unter das Bett und blieb erst einmal dort.
„Todespirscher…“
Vildana flüsterte mit einer gedämpften, schaurigen Stimme. Yonoko sah nach
oben und dann von Vildana zu Lao. Seine Stimme war verunsichert und sehr leise.
„Was sollen wir tun?“
Kaum hatte er das gefragt, hörte man ein kratzen, wie von Fingernägeln auf
Holz. Etwas, das hinter dem Haus vom Dach zu Boden fällt und dann blieb es
wieder still. Es vergingen einige Augenblicke, bis Lao sich wieder leise zu Wort
meldete.
„Sollen wir hier bleiben?“
„Wir müssen.“
„Und ich dachte es könnte nur besser werden, wenn wir aus dem Steinkrallengebirge
kommen. Die Gefahr lauert wohl überall.“
„Gilneas ist ein übles Pflaster.“
„Das Steinkrallengebirge auch.“
Mit einem großen Schritt von der Tür weg drehte sich Yonoko um. Cheruna tat
ihr leid. Die Draenei kam erst unter dem Bett vor, als sich Kohn zu Vildana unter
eines der Fenster setzte. Lao stapfte dazu, aber Yonoko blieb nahe der Tür
sitzen.
„Also gut, hört zu. Die Untoten sind noch hier. Könnte sein, das sie bereits von uns wissen.“
„Verdammt…“
„Wenn wir jetzt hinausgehen, kennen sie unsere Anzahl und wissen wer kampffähig ist.
Dann schicken sie eine Einheit Todespirscher und wir werden im Schlaf niedergemacht.“
„Also bleiben wir hier?“
„Das ist das Beste was wir tun können, zumindest bis zum Morgengrauen.“
„Verdammt.“
„Diese Dinger… Sie verschmelzen praktisch mit der Dunkelheit. Die laufen über den
Seegrund, sind völlig lautlos wenn sie wollen, oder graben sich einfach aus der Erde heraus.“
„Hört sich übel an.“
Vildana nickte nur. Nicht alles was sie sagte, erschien der jungen Pandaren
plausibel, aber es reichte um Cheruna Angst zu machen.
„Und sehen noch übler aus. Es gibt welche unter ihnen, die sich Metall in den Körper hauen.“
„Wieso das denn? Damit sie nicht auseinander fallen?“
„Genau das.“
Kohn sah über die Schulter zu Yonoko. Dass sie eine Weile bei der Horde war,
wurde in der Gruppe nicht gerade breit getreten. Dennoch rollte sie mit den
Augen, als Vildana scheinbar nicht innehalten konnte und den anderen mehr
Angst machen musste. Auch wenn es die Wahrheit war.
„Damals, als wir geflohen sind, gab es Berichte über einen Todespirscher. Das Ding nannte
sich selbst Lady Dolchfang. War kaum größer als ein Kind, aber hatte ein Monstergebiss von
einem Tier und Metallklauen an den Händen.“
Einen Moment sah Yonoko auf die Handrücken ihrer Handschuhe. Die Krallen
konnte sie spüren und auch der Mechanismus war noch intakt.
„Übel.“
„Und wie bekämpft man so ein Ding?“
„Mit Waffen und Licht.“
„Licht ist immer eine Gute Waffe.“
„Mit Feuer?“
„Feuer, ja. Aber glaube nicht dass die sich einfach anzünden lassen. Das Problem mit denen
ist, das sie intelligent sind. Keine Hirnlosen Zombies, sondern… die denken richtig…“
„Bevor sie so wurden, waren es Menschen. Genauso wie du und Vildana, Kohn. Sie mögen
ihr Leben verlassen haben, aber damit nicht ihre Fähigkeiten.“
„Ja dann… weiß ich nun Bescheid. Ich will meine Vier Schuss nicht vergeuden.“
„Ruht euch lieber aus, statt Gruselgeschichten zu erzählen.“
„Ja… du hast Recht.“
„Wir werden Morgen unsere Kräfte brauchen.“
Vildana nickte Lao zu und legte sich wortlos in das einzige vorhandene Bett. Kohn
legte sich unter das eine Fenster, Lao unter das andere. Cheruna unter das Bett
zurück. Nur Yonoko blieb an der Tür und versuchte die halbe Nacht wach zu
bleiben. Irgendwann in der Nacht weckte sie Kohn und ließ sich von ihm ablösen.
Der nächste Tag begann nach einer für Yonoko viel zu kurzen Nacht. Sie hatte
sich nach ihrem Wachdienst neben den wackeligen Tisch gelegt und wollte ihn als
notdürftiger Schutzschild umwerfen, falls jemand durch die morsche Tür
brechen wollte.
Als sie wach wurde, lag sie halb darunter und Kohn hatte die Augen zu. Aber im
nächsten Moment gähnte er und blinzelte. Ihr fielen prompt wieder die Augen
zu. Gefühlt nicht mal einen Atemzug später, rüttelte etwas an ihr und fing an zu
fluchen.
„Yonoko… Yonoko wach auf verdammt…“
„Hm?... Was ist denn los… schrei nicht so.“
„Lao ist wieder weg und was viel schlimmer ist: Cheruna auch!“
Einen Moment blinzelte die rote Pandaren ihn an, als müsste sie erst die
Bedeutung seiner Worte begreifen. Dann sah sich Yonoko um. Völlig aufgelöst
fuhr sich Kohn durch die Haare.
„Na ja, bei Lao war es mal wieder überfällig, oder? Cheruna… Ist sie vielleicht unten beim
Wasser?“
„ Ja-ha, der kann sich auch helfen. Hm… ja vielleicht hast du recht.“
So leise und Vorsichtig wie er nur konnte, öffnete Kohn die Tür einen Spalt und
sah hinaus. Es regnete noch immer, aber es war etwas heller als bei ihrer
gestrigen Ankunft.
„Also ich sehe niemanden.“
„Momentmal, wo ist Vildana?“
Beide stutzten. Als Kohn Cheruna erwähnte, hatte sie nur nach einer Draenei
Ausschau gehalten und Vildana völlig vergessen. Aber das Bett war leer und die
Decke lag zusammengeknüllt in der anderen Ecke des Hauses.
„Hab ich nicht drauf geachtet, mir war nur aufgefallen, das Cheruna weg ist.“
Kohn öffnete die Tür weiter und sah über den Platz. Es war bis auf den Regen
totenstill draußen und nichts schien sich zu bewegen.
„Ich finde sie da draußen nicht… Verflucht.“
Einmal tief durchgeatmet, drückte sie sich an ihm vorbei ins Freie. Der Regen
war nicht stark und die Sicht dadurch nicht eingeschränkt. Aber weder von
Cheruna, noch von Lao oder Vildana war etwas zu sehen.
„Durchsuchen wir jetzt noch mal die Kisten. Vielleicht finden wir doch etwas Nützliches und
wenn einer der Drei zurückkommt, merken wir es ja.“
Kohn nickte. Immer wieder sahen sich beide um. Nicht nur weil sie beide
verunsichert waren, sie machten sich um die drei Sorgen.
Zielsicher ging Yonoko auf den Stapel Kisten auf der anderen Seite der Bucht
zu. Das rote Kreuz darauf war fast bis zur Unkenntlichkeit verwittert und
abgewaschen. Knarrend ließ sich der Deckel anheben und bog sich schon fast wie
Pergament. Die Verbände waren durchnässt und die oberen Rollen hatten sich
bereits verfärbt.
„Wie gut kennst du sie?“
„Wen? Cheruna?“
„Ja.“
„Ich hab sie vor Darnassus noch nie getroffen.“
Trotz Vildanas Warnung, nahm sie sich einige von den Rollen schlichter
Leinentücher ganz unten aus einer anderen Kiste mit. Klemmte sie sich vorerst
unter den Arm.
„Sei übrigens vorsichtig was du mit dem Zeug aus den Kisten machst. Untote und so.“
„Ich denke nicht, dass es für die Untoten von Interesse war.“
„Ja… Die Seuche und so. Sei einfach Vorsichtig. Würde den Untoten nur ähnlich sehen,
Verbände zu vergiften.“
Yonoko nickte nur. Der Mann der sonst den Macho spielte, war nervöser als ein
Reh im Wolfsrudel.
„Abgesehen davon, sind unsere Vorräte mau. Vielleicht braucht einer der Drei ja was.“
Wieder sahen sie sich um und drehten eine Runde. Nichts war zu sehen, oder zu
hören.
„Lass uns wieder rein gehen.“
„Vielleicht sind sie im Haus, das mit der aufgebrochenen Tür.“
„Mhm...“
Sie gingen den Anstieg aus der Bucht hoch und wieder zum Haus, dessen Tür
Vildana am Vortag eingetreten hatte. Der Wind hatte den Regen durch die Tür
geweht und Unrat von Draußen verteilt. Aber alles schien noch so wie es war.
Kohn ging gezielt die knarrende Treppe hinauf und durchsuchte das verwinkelte
Obergeschoss. Kam aber alleine wieder nach unten.
Yonoko hatte in dessen nochmal alles um den Kamin herum abgesucht. Selbst das
gepökelte Fleisch war längst dem Schimmel zum Opfer gefallen.
„Sieht nicht so aus, als wären sie noch einmal hier gewesen.“
„Verdammt, ich weiß ja das sie sich selber helfen kann. Sie hat ja auch im Steinkrallengebirge
ohne uns überlebt. Aber mitten im Gebiet der Untoten… Beim Licht…“
Kohn klang verzweifelt. Also tat Yonoko ihm den Gefallen und ging mit ihm zurück
zum Haus, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Drinnen rannte Kohn nervös
von einem Ende der Wand zu anderen und sah sich haltlos um.
„Kohn, beruhige dich.“
Die Verbände verstaute Yonoko in ihrem Rucksack, überprüfte ihn noch einmal
auf Löcher und dreht sich dann damit zu Kohn um.
„Da ist leichter gesagt als getan. Mist verdammter…“
„Schone deine Kräfte, statt sie beim auf und ablaufen unnötig zu verbrauchen und bekomm
einen klaren Kopf. Allein ihr zu liebe.“
„Das laufen hilft mir beim Denken. Besser wäre es, wenn ich was mit den Fingern zu tun
hätte.“
„Also gut, was könnte sie denn aus dem Haus gelockt haben?“
Sie schulterte den Rucksack und ging auf das Bett zu, unter dem sich die
Draenei versteckt hatte. Kohn hörte auf den Holzboden einzurennen und stellte
sich neben das Bett.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte sie baden und man hat sie erwischt.“
„Das glaube ich nicht, dann hätten wir sie schreien hören oder ihre Kleidung gefunden.“
„Ich will gar nicht daran denken, was die mit ihr machen würden.“
„Könnte sie Lao nach sein?“
„Ich hoffe es, dann wäre sie wenigsten mit Lao zusammen.“
Ob das aber Cherunas Situation besser machen würde, daran zweifelte Yonoko.
Aber immerhin wäre sie nicht allein.
Heimlich weiter zu reisen um die Pandaren zurück zu lassen, das traute Yonoko
Vildana zu. Aber dann wäre auch Kohn weg und Lao hätte es wohl nicht
zugelassen.
Oder doch?
„Sie hat doch mit Vildana im Bett geschlafen, oder? Ist denn hier noch etwas von ihr oder
Vildana?“
Während die rote Pandaren das Bett durchwühlte, sah sich Kohn den
Bücherstapel daneben an.
„Nein. Das spricht dann auch gegen eine Entführung. Zum Glück. Aber trotzdem.“
Seufzend drehte er sich um und setzte sich auf einen umgedrehten Eimer.
„Ich mache mir Sorgen um sie.“
„Also gut. Lao weg und Cheruna vermutlich nach. Das Vildana dann auch hinterher ist würde
mich nicht wundern. Aber dann hätte sie dich mitgenommen und mich zurückgelassen.“
„Ja, glaube ich auch. Wenigstens du bist da.“
„Wo soll ich denn sein?“
Schlagartig zuckten beide zusammen.
Was Yonoko zuvor noch für das zusammengeknüllte Bündel der Decke hielt, war
in Wirklichkeit Vildana gewesen. Mit verschlafenen Blick sah sie von Kohn zu
Yonoko und wieder zurück.
Die Worgen hatte sich unter dem groben Stoff so zusammengerollt, dass sie
darunter nicht auffiel. Yonoko wollte es sich nicht eingestehen, aber sie war
erleichtert Vildana wohlauf zu sehen.
„Ah ja. Dann fällt eine Theorie dann wohl aus.“
„Cheruna ist weg und Lao auch. Aber von ihm kennen wir das ja.“
Noch etwas schlaftrunken stand Vildana auf und ließ die Decke zu Boden fallen.
Sah dann wieder Kohn an und ihre Augen weiteten sich mit jedem Moment, in
dem sie mehr seine Worte verstand.
„Cheruna ist weg.“
„Wie Cheruna…?“
„Das Bett ist leer und ihre Sachen sind auch weg.“
„Hat nichts da gelassen und ist vermutliche alleine weiter. Lao auch.“
„Scheiße, warum? Wo ist Lao?“
„Keine Ahnung.“
Wieder fing Kohn an im Haus auf und ab zu gehen.
„Vermutlich weil Lao als erstes ging.“
„Sie weiß ja nicht wie gefährlich es hier ist.“
„Nicht schon wieder.“
„Wahrscheinlich ist sie einfach Lao nach. Um ihn aufzuhalten?“
Das hoffe ich zumindest.
„In unmittelbarer Nähe des Hauses sind sie nicht. Das haben Kohn und ich schon abgesucht.
Auch oben beim Haus mit der eingetretenen Tür nicht.“
„Hör doch mal auf hier herum zu eiern!“
„Besser als nur hier herum zu hocken.“
Kohn konnte nicht still stehen und lief weiter auf und ab.
„Beim Licht, wenn ihr was passiert…“
„Lao ist gestern Nacht noch aufgewacht und ich hab mit ihm besprochen wo wir unser Glück
mit einem Boot versuchen Vielleicht… weiß nicht. Vielleicht ist er da hin?“
„Einem Boot?“
„Mann, dieser verdammte Pandaren! Wir sollten da hin!“
„Dann packt die Sachen und auf.“
„Was für Sachen überhaupt…“
„Wie? Was für Sachen?“
„Ist doch eh alles abgesoffen.“
Während Yonoko ihren Rucksack nahm, fiel ihr auf, das nur noch Kohn
irgendetwas an Habe bei sich trug und das meiste davon war sein Gewehr.
„Cheruna hatte etwas dabei.“
„Nicht mein Rucksack.“
„Oh prima…“
„Cheruna hat das Essen gehabt.“
Mit Fingerspitzen öffnete Vildana die Tür kaum einen Fingerbreit. Die rote
Pandaren glaubte nicht daran dass dort jemand sein würde. Wenn dann hatte man
sie bereits gehört. Aber die Worgen sah draußen genauso wenig wie Kohn und sie
kurz zuvor.
„Tja, wir können nur unser Glück versuchen und hier regnet es zu viel, als das ich sie wittern
könnte.“
„Dann lass uns aufbrechen.“
„Weiß Lao denn wohin er gehen muss?“
„Hä?“
„Du sagtest doch was von einem Boot. Wenn er dahin will, weiß er wohin er gehen muss?“
„Ja. Hab doch gesagt das ich mit ihm darüber gesprochen habe.“
„Dann auf.“
Knarrend öffnete sich die morsche Tür, als Vildana sie mit einem Ruck
aufschwang. Der Regen hatte wieder zugenommen. Kohn ging mit seinem Gewehr
in den Händen hinter Vildana ins freie und Yonoko folgte.
„Haltet die Augen offen. Wenn ihr irgendjemanden stehen oder laufen seht, geht in
Deckung.“
Immer wieder sah Kohn nervös durch sein Gewehr, dabei hatte Vildana sie
gerade erst vom Haus weg und den Weg Richtung Landesinnere geführt. Der
aufgeweichte Boden wich einem breiten Kopfsteinpflasterweg, dessen Rand von
kleinen Steinmauern gesäumt wurde.
Im grauen Schleier des Regens ragte in der Ferne ein hoher Schatten hinter den
Wänden aus Häusern hoch. Yonoko folgte nur schweigend und sah hinauf.
„Ist das große dort eine Kathedrale?“
„Es war mal eine.“
Das Gebäude war ihr so vertraut, obwohl es so weit weg war. Erst im zweiten
Moment fiel ihr der Traum mit Lao und Minna wieder ein.
War es wirklich die gleiche Kathedrale wie im Traum?
Die drei passierten einen Torbogen mit zwei kleinen Türmen, von denen massive
Steinmauern ausgingen. Links und rechts des Weges dahinter, reihten sich
Grabsteine auf. Ein Großteil der Gräber war ausgehoben und leer. Grabsteine
wurden umgeworfen und die Särge aufgebrochen.
„Friedhof… wie passend.“
Yonoko stellten sich die Nackenhaare auf.
„Scheint niemand hier zu sein… niemand der lebt.“
„Von den toten sind aber auch nur noch wenige da.“
„Sie haben echt die Leichen geholt…“
Vildanas Worte klangen gepresst und voller Hass.
„Drecksäcke…“
„Moment…“
Zielstrebig ging die Worgen auf das einzelne Haus zwischen den Feldern aus
offenen Gräbern zu. Lehnte sich mit aller Kraft gegen die Holztür und schob sie
so leise und langsam wie möglich auf.
Yonoko ließ sie machen und sah sich aufmerksam um. Dann fing es an im Haus zu
rumpeln und zu poltern. Glas klirrte und Holz knarrte. Verwirrt ging die Pandaren
auf die Tür zu und sah hinein. Vildana durchsuchte sämtliche Ecken des Hauses.
„Suchst du dir etwa neue Ausrüstung zusammen?“
„Nein, nur Licht.“
Innerlich fragte sich Yonoko, warum Vildana auf einmal Licht haben wollte, wo
sie am Tag zuvor doch alles vermeiden wollte was die Gruppe auf weite Sicht
erkennbar machen konnte.
Unter einem Haufen Krempel fand sie dann schließlich eine Laterne. Betrachtete
sie von allen Seiten und nickte zu sich selber, bevor die Worgen zur Tür
zurückging.
„Gehen wir.“
Sie rauschte merklich angespannt an Yonoko vorbei und winkte Kohn mit sich.
Dicht beisammen gingen sie die Straße aus Kopfsteinpflaster weiter und auf
einem Hügel voller weiterer Gräber zu. Weiter Oben war eine einsame Flagge zu
sehen. Vildana hielt die beiden an und zeigte auf die Flagge.
„Sehr ihr die Flagge da oben?“
Kohn nickte.
„Das Wappen von Gilneas?“
„Dort wurde Prinz Liam begraben.“
Schweigend winkte sie die beiden weiter hinter sich her und um den Hügel
herum. Auf der anderen Seite war ein weiteres Haus, die Tür war weit offen und
dahinter stockfinster. Es hatte ein großes Dach direkt über der Tür.
„Hier stimmt was nicht.“
„Seid vorsichtig.“
„Die Stufen… sind irgendwie anders nass…“
Yonoko dachte daran, das Lao und Cheruna ja klitschnass wären, wenn sie hier
entlanggegangen waren.
„Wer nass ist, tropft alles nass.“
Aber Vildana hielt die beiden zurück und ging vorsichtig auf die Treppe zu. Kohn
suchte wieder alles um sie herum mit dem Gewehr ab.
Lautlos zog Vildana ihr Messer aus dem Stiefel und warf es einfach direkt ins
Haus hinein. Nicht passiert, es blieb alles still. Dann tastete die Worgen nach
der nassen Treppe und hielt die schmutzigen Finger hoch.
„Verflucht…“
„Was ist das?“
„Bitte sag, dass es Wasser ist…“
Wortlos hielt Vildana die Hand richtig hoch. Kohn und Yonoko konnten nun auf
die verschmierten Finger sehen. Blut.
„Verdammt…“
„Blut… aber von wem?“
„Von Lao? Haben Pandaren rotes Blut?“
Die junge Pandaren blinzelte den Mann nur verwirrt an.
„Draenei haben blaues Blut. Wenn also kein anderer hier ist, dann ist es Laos.“
„Ich weiß, deshalb frag ich.“
Leicht angewidert wischte sich Vildana das Blut von ihren Finger an der Hose ab
und stand auf.
„Wir finden es nicht heraus wenn wir hier nur dumm rumstehen.“
„Ja.“
„Hier deutet nichts auf einen Kampf hin, kein Blut draußen und keine aufgewühlte Erde.“
„Das muss nichts heißen. Verlassene greifen gerne aus dem Hinterhalt an.“
In der stillen Hoffnung, es könnte nur das Blut eines erlegten Hasen sein, folgte
die rote Pandaren Vildana über die Blutlache ins Haus. Das wenige Licht das
durch die Tür hereinkam brachte nur Notdürftig Helligkeit im Raum.
„Was ist das für ein Haus?“
„Passt auf wo ihr hintretet.“
Ein schmaler Raum auf dessen rechter Seite ein schon lange erloschener Kamin
gemauert war und auf der linken mit einer Holztreppe nach unten führte. Auf
der Stirnseite stand ein Regal mit Büchern.
„Führt das Blut nach unten?“
Während Kohn sich das Bücherregal vornahm und Vildana ihr Messer wieder
einsammelte, drehte sich Yonoko noch einmal um und konnte sich gerade noch die
Pfoten vor den Mund schlagen um nicht grell aufzuschreien.
Kohn und Vildana sahen verwirrt erst zu ihr und dann wie die Pandaren, über die
Tür durch die sie gerade gegangen waren.
„Das ist nicht Lao…“
Und auch nicht Cheruna.
Über der Tür war ein Mensch mit Schwertern regelrecht an die Wand genagelt
worden.
„Beim Licht…“
Würgend drehten sich Vildana und Yonoko weg.
„Das ist… eine gute Nachricht, oder? Nur nicht… für ihn.“
„Wer war das? Und wieso war er noch hier?“
„Das kann kein Gilneer sein.“
„Wieso nicht?“
„Weil hier keine Gilneer mehr sind. Unser Volk ist mit den Nachtelfen übers Meer gefahren.“
„Naja, gut. Das ergibt Sinn.“
„Einer vom Schiff?“
„Verdammter… Wahrscheinlich vom Schiff, ja.“
„Glaubt ihr, hier sind noch andere von denen?“
„Ich hoffe nicht, sonst suchen die Untoten vielleicht stärker.“
„Glaube nicht. Die Verlassenen haben hier die Oberhand. Man wäre schon dumm freiwillig
herzukommen.“
Oder unfreiwillig hier herum zu rennen.
Es kostete Yonoko viel Kraft sich noch einmal umzudrehen und die Leiche
anzusehen. Wer auch immer das von der Mannschaft gewesen sein soll, man
konnte ihn nicht mehr erkennen. Der Körper war zugerichtet und die zerfetzte
Kleidung von Blut durchtränkt. Wahrscheinlich hing er dort schon eine Weile,
denn das Blut tropfte nicht mehr.
„Wir sollten weiter… Sonst enden wir wie das da.“
Mit einem Nicken stellte Vildana die Lampe auf den Boden und sah zu Kohn.
„Kannst du das anmachen?“
„Ja.“
Kohn kniete sich zu Vildana runter.
Um sich abzulenken sah Yonoko die Treppe hinunter. Aber dort unten war es so
dunkel, das man kaum die Stufen sehen konnte.
„Wohin jetzt?“
„Runter.“
Im Halbdunkeln fummelte der Schütze an der Öllampe herum, bis es zischte und
ein gelblicher Schein den Raum erhellte.
„So.“
„Danke.“
„Kennst du den Tunnel?“
„Der führt in die Katakomben.“
Unweigerlich musste Yonoko an das uralte Mogugrab denken, in das die Sin’dorei
im Kun-Lai Gebirge wollten.
„Hm… Na ja zumindest trocken. Hoffe ich.“
„Hoffe lieber dass die Belagerungsmaschinen ihn nicht zum Einsturz gebracht haben.“
Mit der Laterne in der Hand stand Vildana auf und steuerte auch gleich die
Treppe an. Kohn folgte und blieb hinter ihr stehen als sie die Lampe erhob um so
viel Licht über die Treppe zu werfen wie sie konnte.
„Es hilft nichts.“
„Wo führt der Tunnel hin?“
„Unter die Hauptstadt.“
Als Vildana die ersten Stufen hinab stieg, folgte Kohn schnaufend. Yonoko
brauchte einen Moment und sah noch einmal über die Eingangstür. Dann aber ging
sie die staubigen alten Stufen hinunter und folgte dem Schein der Lampe.
Die Luft roch muffig und lag schwer auf den Lungen. Die Mauern hatten Risse
und von Balken hingen Spinnenweben. Der Tunnel selbst führte noch ein gutes
Stück tiefer als die Stufen.
Angewidert wischte sich Yonoko das erste Spinnennetz aus dem Gesicht, durch
das sie durgegangen war.
„Igitt… Hier war lange keiner mehr.“
„Also auch keine Untoten, gut für uns.“
Alles was außerhalb des Lichtscheins war, schien in ewiger Dunkelheit
verschwunden zu sein. Nach einer endlos erscheinenden Kurve, ging der Tunnel
merklich wieder rauf, aber von einem natürlichen Lichtschein am Ende des
Tunnels war noch nichts zu sehen.
„Meinst du, die Hauptstadt ist noch besetzt?“
„Möglich. Aber das ist unsere einzige Chance, wir kommen nah bei der Südbrücke raus.
Also…“
„Hm, na gut.“
Im Schein der Öllampe tauchten Stufen aus Holz auf. Die Staubschicht darauf
war so dick und unberührt, das wohl schon vor Jahren der letzte von dort rauf
oder runter ging. Vorsichtig und Alarmiert senkte Vildana die Lampe und stieg
die ersten Stufen hoch. Sah sich kurz um und winkte dann Yonoko und Kohn hoch.
Der Raum oben war nicht größer als der auf der anderen Seite des Tunnels. Die
Tür war fest verschlossen. Überall standen Fässer mit bereits verwestem Fisch,
Angeln und Köderdosen. An der gegenüberliegenden Wand hing ein ergrautes Bild
von einem Schaf.
„Das war scheinbar mal ein Laden für Angelbedarf.“
Nachdem Vildana die Lampe ausgemacht hatte, sah Kohn durch das kleine
Fenster in der Tür.
„Siehst du irgendwas?“
„Ich sehe nichts, aber das muss nichts heißen.“
„Ein Wunder das die Tür noch ganz ist.“
„Aber Glück für uns.“
Mutig aber vorsichtig öffnete Kohn die Tür und sah sich erneut um. Drückte die
Tür noch etwas weiter auf und schaute direkt in die Stadt.
„Ok jetzt… kann ich immer noch nichts erkennen.“
Yonoko holte ihre restliche Rüstung aus dem Rucksack und legte sie an. Vildana
und Kohn versuchten immer noch von der Tür aus den gesamten Bereich vor dem
Haus abzusuchen.
„Liegen da irgendwelche Leichen rum?“
„Nein, ich sehe keine. Garnichts. Weder Leichen noch Untote.“
„Dann auf gut Glück raus?“
„Warte…“
„Was?“
Schlagartig hatten sich alle Stimmen gedämpft und Vildana und Yonoko zogen
den Kopf ein.
„Sieht aus… wie eine Leiche…“
„Läuft sie rum?“
„Nein, liegt.“
„Was nun?“
„Scheint… Gilneer zu sein. Hat jedenfalls eine Rüstung an. Heißt aber nicht das es nicht ein
Untoter im Hinterhalt ist.“
„Ich hab schon mal gesehen, wie sich Verlassene als Gefallene ausgegeben haben und einem
dann die Kehle aufgeschlitzt haben, wenn man helfen wollte.“
„Ja, das dachte ich mir schon, also ein Hinterhalt.“
Im Grunde hatten sie nun keine Wahl mehr. Wenn die Untoten sie suchten,
würden sie früher oder später auch die Spuren von ihnen finden. Also würde der
Weg zurück durch den Tunnel ebenso eine Falle sein, wie die über den Platz zu
rennen.
„Ich kann drauf schießen und sie verbrennen, wenn du willst. Aber ich glaube das wird nicht
viel helfen.“
„Können wir sie umgehen?“
„So oder so bringt es uns nichts sie zu untersuchen. Wir kommen dran vorbei, oder?“
Wieder sah sich Kohn genauer auf dem Platz um.
„Die Untoten haben sogar Gräber ausgehoben, die lassen keine Leichen offen liegen.“
Vildana drückte die Tür etwas weiter auf und stellte sich auf Zehenspitzen um
über Kohns Schultern zu sehen. Aber am Aussehen des Platzes hatte sich nichts
geändert. Halbdunkel, Regen und Nebelschwaden. Der gesamte Platz war mit
großen Steinplatten ausgelegt.
„Ja wenn wir über die Brücke müssen, können wir dran vorbei.“
„Gut, dann bewegt euch so leise wie möglich.“
„Verstanden.“
Der Regen prasselte laut auf den verwitterten Stein und auf das mit Schindeln
belegte Dach einer verfallen Kutsche an der Hausecke. Zwischen Hauswand und
Kutsche hatten sie die vermeintliche Leiche im Rücken. Yonoko gefiel das nicht,
aber selbst wenn es anders wäre, hätte es die Situation nicht besser gemacht.
Auf der anderen Seite endete der Platz schon. Kohn stand vorne und sah einmal
nach rechts und links um die Ecke.
„Wo lang nun? Links? Rechts?“
„Links. Über die Brücke.“
Gesagt und getan. Alle drei huschten über das äußere Ende des Platzes und
weiter an die nächste Hausmauer. Von hier aus sahen Kohn und Vildana noch
einmal vorsichtig auf die Platzmitte.
„Wo hast du die Leiche gesehen?“
„Da hinten.“
Kohn deutete auf einen umgekippten Stand. Aber da war weit und breit keine
Leiche. Da war niemand.
Yonoko sah lieber hinter sich und achtete auf den Bereich hinter ihnen.
„Wo?“
„Ich hab sie da gesehen… Oh verdammt… Beim Licht, sie ist nicht mehr da.“
Eine kurze aber deutliche Stille trat ein und es schien als hätte in dem Moment
jeder das gleiche gedacht.
„Wir sollten verschwinden.“
„Und wohin jetzt?“
Vildana blickte zum Dach hinauf. Sie standen gerade so an der Mauer, dass der
Regen vom überstehenden Dach abgehalten wurde, aber so hoch am Boden
aufspritzte, das sie so oder so nass wurden.
„Schnell, über die Brücke.“
Kaum hatte sie das ausgesprochen, rannte Vildana los. Kohn hechtet ihr
hinterher und Yonoko hatte Mühe bei ihnen zu bleiben.
Die Brücke war von Hohen Steinbögen gesäumt und wirkte wie ein gemauerter
Käfig auf die junge Pandaren. Ihre Schritte hallten vom nassen Stein wieder und
auf der anderen Seite peitschte jeder Schritt das Regenwasser vom
aufgeweichten Boden hoch.
Auf der anderen Seite war die Stadt zu Ende und die Straße bestand wieder aus
festgefahrenen Feldsteinen. Hinter einigen kleinen Felsen und dünnen Bäumen
hockten sie sich zusammen und sahen zurück über die Brücke.
„Ist uns jemand gefolgt?“
„Wir sollten weiter.“
Vorsichtshalber sah Kohn durch das Gewehr. Aber schüttelt nur den Kopf.
Weder auf der Brücke noch in unmittelbarer Nähe war irgendetwas zu sehen,
außer dem Regen und dem Nebel.
„Ich sehe nichts, also weiter. Wo lang nun?“
„Die Straße entlang.“
„Dann los, weiter.“
Etwas außer Atem deutete Vildana auf die weiterführende Straße. Um sie herum
war sumpfiges Gebiet mit eher dünnen Bäumen mit heller, fast weißer Rinde. Sie
hatten kaum Laub und sehen krank aus.
Ohne weitere Worte ging Vildana voraus und folgte der Straße um eine Felswand
herum.
„Scheiße… Das Tor…“
Vor ihnen ragte ein, grob geschätzt 20 Meter hohes, Tor zwischen den
Felswänden in den Himmel. Verschlossen und durch das dicke Holz und Metall zu
massiv um es mit einfacher Körperkraft öffnen zu können.
„Gibt es einen anderen Weg?“
„Moment… Denk nach… Denk nach…“
Ruckartig drehte sie sich vom Tor zur völlig übernässten Landschaft.
„Da ist eine Brücke!“
Mit einem Funken Hoffnung in den Augen deutete sie die beiden Felswände hoch.
Marschierte dann aber entgegengesetzt in den Sumpf.
Der Boden war so aufgeweicht, dass man das Gefühl hatte, auf Wolken zu gehen.
Das Wasser war Stellenweise bis über die Knie tief und die wenigen kleinen
Hügel, die als Inseln dienten, waren voller giftig wirkender Pilze.
„Vorsicht, hier säuft man schnell ab.“
„Scheiße ist das Tief hier…“
Immer mal wieder mussten sie sich gegenseitig aus dem Schlamm ziehen, weil
ihre Eigene Kraft nicht ausreichte um dem Sumpf zu entkommen. Es war als
würde eine modrige Hand nach den Beinen greifen und sie in den Sog des fast
schwarzen Schlamms ziehen wollen.
„Wir müssen hier raus, hier können sie uns leicht sehen und folgen.“
Aber Vildana schüttelte nur den Kopf.
„Auch Untote versinken im Sumpf.“
„Nicht das. Ich meinte wegen der Spuren.“
Yonoko sah über die Schulter. Sie hatten den Großteil des nun als kleines Becken
zu sehenden Gebietes geschafft. Es ging aufwärts. Aber ihre Spuren waren sehr
tief und deutlich zu sehen.
„Ja, ich weiß.“
„Hoffentlich spült der Regen sie schnell genug weg.“
Immer wieder gab der Boden unter ihren Füßen nach und sie hingen im Schlamm.
Dann aber schafften sie es die wenige Steigung auf der anderen Seite hoch und
stolperten auf eine weitere Straße. Sie kam aus einer völlig im Nebel und Regen
versunkene Richtung und führte in verschlungenen Bahnen den Berg hinauf.
„Hier geht es zum Anwesen des Königs. Oder das, was davon übrig ist.“
„Graumähne?“
„Ja.“
„Sind wir dort sicher?“
„Graumähne wir ja von den Gilneer geschätzt wie es mir scheint.“
„Kommt weiter.“
Ehrfürchtig sah Yonoko den Berg hinauf. Vom Anwesen war noch nichts zu sehen.
Ihre Schritte wurden langsamer. Der Sumpf hatte Kraft gekostet. Kraft die sie
bitter nötig hatten. Ein gutes Stück weiter Oben, ging Kohn an die Felskante und
sah vorsichtig mit dem Gewehr hinunter.
„Passt auf, dass man Euch von da Unten nicht sieht.“
„Warte... da…“
Aber auch ohne das Gewehr konnten Vildana und Yonoko das gleiche sehen wie
er. Drei Gestalten.
Zwei von ihnen trugen eine dunkle Rüstung, Todespirscher. Die dritte hatte eine
andere, nach Gilneer aussehende Rüstung samt dem Wappenrock, die
vermeintliche Leiche. Ihre eigenartigen, schwankenden Bewegungen waren
unverkennbar.
„Was…?“
„Verdammt…“
Ein leises Verdammt schoss Yonoko durch den Kopf.
„Los, weg hier.“
„Rasch!“
Die Feinde im Nacken, aber nicht mehr bei voller Kraft gingen sie weiter rauf.
Sie mussten ihre Kräfte schonen.
Weiter Oben konnte man am Fuß der Klippen die weiten des Meeres sehen. Darin
die Trümmer von Schiffen und ganzen Häusern.
„Scheiße… nein…“
„Sieht übel aus.“
„War das ein Hafen?“
„Die Insel… da hinten. Das war die, zu der ich wollte.“
Von der sogenannten Insel waren nur noch ein kleiner Rest und ein einzelnes
Haus übrig. Alles andere hatte das Meer scheinbar wie beiläufig, einfach
verschluckt. Eine Turmspitze von einem größeren Gebäude und ein vereinzelter
Schornstein ragten noch aus dem Wasser. Darunter konnte man die
Dachschindeln sehen.
„Ist nicht mehr viel davon übrig. Wenn Lao da unten sein soll, wie ist er mit Cheruna da
hingekommen?“
„Schwimmen?“
„Schwimmen.“
Vildana sah die Klippen entlang. Unter ihnen lagen Trümmer von Fässern und
Möbeln an den Klippen und wurden von den Wellen weiter an den Felsen
geschlagen.
„Aber erstmal müssen wir heil da runter kommen. Da drüben, die Straße weiter.“
„Ja, weiter.“
Es ging weiter den Berg hinauf, der Weg machte einen Knick und endete in einer
Kreuzung. Der breite führte hoch zu einem für Yonokos Geschmack gigantischem
Gruselhaus. Der andere runter zum Wasser.
Kaum hatten sie die ersten Schritte dahin runter zurückgelegt, da hörten sie
Geräusche hinter sich. Panisch drehten sie sich um und waren schon bereit sich
mit den Untoten anzulegen, da tauchte eine völlig andere Gestalt im Regen auf.
„Bei Xuen… Was sind das für Sha-Wesen?“
„Lao!“
„Lao!“
Fast synchron hatten Vildana und Kohn den Pandaren begrüßt.
„Kommt weiter, ich will hier nichts wie weg.“
„Aber…“
„Verdammt, Lao wo ist Cheruna? Und wo warst du?“
„Wir wurden getrennt.“
Bevor Lao sich weiter viel- und nichtssagend aus der Situation rausreden konnte,
hörten sie erneut etwas. Dieses Mal kam es aber vom oberen Teil des Weges. Die
drei Untoten aus dem Sumpf standen mit gezogenen Waffen da und sahen zu
ihnen runter.
„Was?“
Vildana kreischte nur auf und sah sich hektisch um.
„Die können auch schwimmen!“
„Los! Los! Los!“
Mit einem halbherzigen Versuch Kohn und Lao mit sich zu ziehen, rannte Vildana
den Weg zum Wasser herunter. Kohn und Lao dicht hinter ihr. Yonoko Sprang
den kleinen Abhang hinunter und landete direkt hinter ihnen und flüchtet weiter
zum Wasser. Jetzt konnte man sehen wie das Meer die Häuser und das große
Gebäude mit dem Turm verschluckt hatte. Am Stück und fast völlig unversehrt
hingen wie schwerelos in der Wassermasse.
Die ersten zwei, drei Sprünge über Trümmer und Wrackteile konnten sie sich
über Wasser halten, dann aber fielen sie einer nach dem anderen ins eiskalte
Wasser.
Unter anderen Umständen hätte Yonoko das Versunkene Dorf wohl faszinierend
gefunden und wäre geneigt gewesen es zu erkunden. Aber mit den Untoten im
Nacken war ihr nicht einmal Ansatzweise danach.
Mehr schlecht als recht schwammen sie zwischen den Trümmern entlang, an den
Gebäuden vorbei, bis sie vor sich die Überreste der kleinen Insel sahen. Dem
Ende ihrer aller Kräfte nahe, zogen sie sich an Land und sahen zurück über das
Wasser.
Jeder war außer Atem und Yonoko sackte in die Knie um sich noch den Rest ihrer
Kräfte zu bewahren.
Die Untoten standen noch auf der anderen Seite und riefen etwas zu ihnen
rüber. Aber selbst Yonoko konnte nur eines verstehen: Sylvanas.
„Ja, du mich auch, mit deiner beschissenen Fratze!“
Eigentlich hielt die rote Pandaren es für unangebracht, die Untoten noch zu
reizen, geschweige denn hier rumzustehen. Aber scheinbar musste Vildana
zurückbrüllen um ihren Frust los zu werden.
„Verdammt… Mein Schießpulver ist nass.“
Sichtlich unzufrieden mit Kohns Aussage drehte sich Vildana um und sah dann zu
Lao.
„Sind wir sie los?“
„Nie im Leben, die brauchen eine Weile durch das Wasser. Mit Löchern im Körper schwimmt
es sich so schlecht.“
Tatsächlich bleiben sie noch auf dem Weg und rührten sich zunächst nicht.
„Wo ist Cheruna?“
„Genau, wo ist Cheruna verdammt?“
„Wir wurden getrennt.“
„Und dann?“
„Die ist hier alleine irgendwo?“
Kohn hatte fast geschrien. Angesichts der Situation war es ihm nicht zu
verdenken. Auch Yonoko wollte sie hier auf keinen Fall zurück lassen.
„Sie ging raus im Glauben, ihre Taschenlampe würde ihr nützen.“
„Tut sie ja auch. Aber nur einmal… Verdammt.“
„Ja, sie lockte die Kreaturen an. Guter Nutzen.“
„Ach sei still… Du hast ja keine Ahnung. Wenn ihr was passiert dann…“
Er brachte den Satz nicht zu Ende, aber es wollte auch keiner den Rest hören.
Vildana drehte sich auf dem Absatz um und ging den schmalen Trampelpfad zur
kleinen Holzbrücke zwischen ihnen und dem Haus.
„Kommt schon!“
Auch hier war das Haus von einem Moment auf den anderen verlassen worden.
Die Fensterläden klapperten im Regen und die Tür stand halb offen. Es roch
nach altem, gammeligen Fisch und überall waren kleine Fischerboote und Angel
verstreut.
„Boote! Ich wusste es!“
„Und sie sehen sogar heile aus, sehr gut.“
„Wir müssen schauen ob sie noch heile sind. Komm schnell, helft mir.“
Schnellen Schrittes ging sie auf einen Unterstand zu, unter dem zwei von den
kleinen Fischerbooten gestapelt waren. Yonoko folgte ihr direkt. Zusammen mit
Lao und Kohn konnten die beiden Frauen das Oberste vom Stapel ziehen und nach
kurzem überblick zum Wasser schleppen. Das Holz war etwas verfärbt, aber es
schien keine Schäden zu haben. Aber leider auch kein Segel.
Auf dem Wasser abgesetzt, suchten Vildana und Yonoko noch einmal nach
Löchern.
„Läuft es irgendwo voll?“
„Ich glaube nicht.“
Lao und Kohn stiegen zu Vildana und Yonoko ins Boot.
„Ich bin mir noch nicht sicher ob es deine Schuld ist, aber wenn ihr was passiert, bist du der
erste auf meiner Liste, dem ich die Schuld geben werde. Nach den Untoten.“
„Kohn, seid Ihr so schwach und braucht für Verluste einen Schuldigen?“
Einen Moment hielt Yonoko Inne und sah Lao schweigen an.
Hat er das gerade wirklich gesagt?
Nach allem was der Gruppe während dieser Reise mit ihm wiederfahren ist, war
das seine Aussage über den Verlust von Cheruna?
Yonoko war geschockt und sprachlos.
„Ich such schon mal Paddel.“
Vildana würdigte die beiden keines Blickes und stieg vom Boot um zum Haus zu
gehen. Yonoko blieb mit den Streithähnen allein zurück und konnte sich auch
nicht von den beiden lösen, so fassungslos war sie noch.
„Sie ist dir nach verdammt!“
„Nein, umgekehrt!“
„Und dann lässt du sie alleine? Sie ist weg!“
Es polterte, Holz splitterte. Vildana hatte die scheinbar festgegammelte Tür
weiter eingetreten und ging ins Haus. Das poltern holte die rote Pandaren wieder
aus ihrer Starre.
„Kohn, du bist Cheruna keine Hilfe wenn du hier so herumdonnerst.“
Ihr taten die Worte schon direkt nach dem aussprechen Leid. Yonoko konnte
Kohn verstehen, aber weder ihm noch Cheruna helfen.
„Halt du dich da raus!“
Kohn hatte sie regelrecht angefeindet. So schlimm war es nicht einmal bei der
Sache mit Goushins Zelt gewesen.
„Wenn du dich in Gefahr bringen willst Lao, dann ist das für mich ok. Aber Cheruna ist was
anderes.“
Im nächsten Moment stand Vildana mit zwei großen Paddeln neben dem Boot und
sah jeden einmal knapp und böse an. Dann stieg sie wieder ins Boot und legte die
Paddel zurecht.
„Lao, Kohn, ihr paddelt.“
Kohn schnaufte nur, setzte sich auf die eine Seite und nahm das Ruder in die
Hände. Er murmelte mit hörbarer Verzweiflung vor sich hin.
„Komm schon Lao.“
„Los, weg hier.“
Der sonst so taffe Mann wirkte nun verunsichert.
Nur widerwillig setzte sich Lao neben Kohn. Kaum das er saß, sah Yonoko hoch,
zur kleinen Brücke und weiter zum winzigen Stück Land, an dem sie angekommen
waren. Hoch aufgerichtet und mit knochigen Körper ragten die drei Untoten
über ihnen auf.
„Wir haben Besuch! Macht schon Jungs!“
„Dann weg hier!“
„Was? Wo?“
Mit ausgestrecktem Arm deutete Yonoko zu den Untoten hoch. Vildana
erstarrte, besann sich dann aber und stieß mit dem Paddel das Boot vom Ufer
weg. Lao hing sich über das Boot und paddelte mit den Pfoten wild im Wasser
herum.
„Ruder Lao!“
Die Verlassenen beobachteten das Boot reglos. Die beiden Todespirscher
scheinen sie mit ihren Leblosen Gesichtern anzugriesen.
„Willst du nicht lieber im Gleichschritt rudern, anstatt zu paddeln?“
Kurzerhand nahm Yonoko Vildana das Paddel aus der Hand und scheuchte Lao von
seinem Platz. Sie nickte Kohn zu und versuchte mit ihm einen Rhythmus zu
finden. Dann machte es Kohn leichter.
„Ok.. dann: Eins… Zwei… Eins… zwei…“
Im gleichen Takt kam das Boot langsam in Bewegung und steuerte die enge Stelle
unter der Brücke an.
„Ihr habt mir immer noch keine Antwort gegeben Lao. Bist du ihr nach?“
„Und da kamen die Kreaturen, aber nachher bitte!“
Die Untoten kamen ihnen gemächlich entgegen und stellten sich auf die Brücke.
„Verdammt! Die andere Seite! Zur anderen Seite!“
Kohn drehte sich um und sah mit erschrecken das, was Vildana sah.
„Oh beim Licht!“
Mit voller Kraft stemmten sich Yonoko und Kohn gegen den schon entstandenen
Sog und versuchten das Boot anzuhalten. Es ließ sich nicht so leicht anhalten, wie
gehofft, geschweige denn wenden.
„Vildana! Ans Steuer!“
Aber es war zu spät. Fast grazil hüpfte der erste Todespirscher von der Brücke
ins Boot und zog seine gezackt Klinge. Er sah zu Lao auf, der direkt vor ihm
Stand.
Kohn ließ das Paddel los und sprang auf, zog sein Gewehr und zielte. Der Untote
sah über seine knochige Schulter. Yonoko hob das Paddel aus dem Wasser und
schlug es an Kohn vorbei auf den Untoten zu, verfehlte ihn aber als dieser sich
nach vorn beugte.
„Deckung!“
Wie auf Knopfdruck gingen Lao, Yonoko und Vildana in Deckung und kniffen die
Augen zu.
Zwar konnte sich der Untote wieder aufrichten und die Klinge erheben, aber der
grelle Schuss traf mit voller Wucht und fegte die wandelnde Leiche vom Boot.
Mit einer deutlich hörbaren Fontäne war er verschwunden. Yonoko warf das
Paddel ins Boot, drehte sich um und suchte das Wasser ab.
„Was ist passiert? Was ist passiert?“
„Verflucht, ich sehe nichts. Wo ist er?“
Kohn war gerade dabei das Gewehr neu zu laden. Die wandelnde ging gemächlich
und regungslos unter.
„Ich habe geschossen, das ist passiert.“
Sie hatten die Brücke passiert. Die beiden übrigen Untoten standen noch etwas
verwirrt oben auf der Brücke, der erschossene tauchte hinter dem Boot auf und
schien unter Wasser weiter zu brennen. Der grelle Feuerschein erhellte das
Wasser und sank in die Dunkelheit des Meeres.
„Volltreffer.“
Die beiden übrigen Untoten schienen nicht sehr erfreut über den Zustand des
dritten. Sie rührten sich nicht vom Fleck und sahen dem Boot nur nach.
Kurzum drängelte sich Lao an Kohn und Yonoko vorbei und griff nach beiden
Paddeln. Mit zusammengekniffenen Augen holte er aus und brachte Boot wieder
in Fahrt. Der erste Ruck holte Yonoko von den Füßen, sie landete unsanft auf
ihrem Hintern. Kohn stand noch, sah durch das Gewehr zur Brücke und blieb
noch immer angespannt und schussbereit.
Erst als sie etwas Abstand zum Festland gewonnen hatten, beruhigten sie sich
etwas. Die Untoten waren aus ihrem Blickfeld verschwunden. Vildana steuerte
das Boot dennoch recht nah an den Felswänden entlang.
„Wohin jetzt?“
Innerlich hatte Yonoko die Hoffnung, Vildana würde irgendwo anders wieder an
Land gehen wollen um Cheruna zu suchen.
„Nur weg hier.“
„Lao? Wo habt Ihr Cheruna verloren?“
Kohns Worte schürten ihre Hoffnung weiter.
„Stell sich doch mal einer von euch nach vorne. Hier sind so viele Sachen im Wasser
versunken, ich will nicht auf einem Hausdach oder so auf Grund laufen. Einmal reichte mir.“
Nickend ging Yonoko zum Bug des kleinen Bootes und suchte das Wasser ab.
Auch hier auf der anderen Seite der übriggebliebenen Insel waren kaputte
Kisten und raus geschwemmte Möbel im Wasser. Aber die meisten Gebäude
waren zu tief versunken um ihnen Gefährlich zu werden.
„Nahe der Küste.“
„Hast du irgendeine Ahnung, wo sie hin ist?“
„Nein, wir sind weggerannt als die Kreaturen kamen.“
„Und wo ist sie hin?“
Die Trümmer wurden weniger. Aber dann fiel ihr ein großes Brett auf. Sie stellte
sich so aufrecht wie nur möglich hin und wäre fast aus dem Boot gefallen.
„Anhalten! Sofort das Boot anhalten!“
Vildana schreckte auf, Lao konnte das Boot nur mit Mühe dazu bringen langsamer
zu werden.
„Hä? Was ist los? Warum?“
Als das Boot drohte am Holzbalken vorbei zu fahren, sprang die rote Pandaren
einfach ins Wasser.
„Was zum…? Was tut sie?“
Auf dem Weg stieß sie ein Fass und etwas, das mal ein Stuhl gewesen sein mag
zur Seite und schwamm weiter auf den treibenden Balken zu. Auf dem Holz lag
eine helle Gestalt mit dunklen Haaren und Kleidung aus dunklem Fell.
„Cheruna!“
Vorsichtig zog Yonoko die bewusstlose Draenei vom Holz und schleppte sie die
Strecke zurück zum Boot.
„Kohn, hilf mir…“
Lao hatte aufgehört zu paddeln und half Kohn Cheruna aus dem Wasser zu
ziehen. Sie schien unverletzt, aber rührte sich nicht.
„Oh beim Licht… Cheruna…“
„Lebt sie?“
Kohn hielt die Draenei in seinen Armen und horchte nach ihrem Atem, als Yonoko
sich ins Boot zog. Er hatte beinahe Tränen in den Augen.
„Sie atmet, aber was ist mir?“
„Lao paddle… Paddel um dein Leben…“
„Ja, wir müssen hier weg, weg von dieser Umgebung.“
Mit kräftigen Zügen setzte sich das Boot dank Lao wieder in Bewegung.
„Ich hab mal was bei einem Doc gesehen, aber garantieren kann ich nichts.“
Bevor Kohn etwas tun konnte, setzte sich Yonoko neben Cheruna und öffnete ihr
den Mund.
„Der Mund ist leer. Was immer du tun willst, tu es.“
Kohn legte die Draenei flach auf den Boden und bog ihren Kopf etwas in den
Nacken, dann gab er Cheruna Mund-zu-Mund-Beatmung. Es wirkte Unbeholfen,
schien aber seinen Zweck zu erfüllen.
„Komm schon… Spuck endlich Wasser.“
„Beim Licht… Hoffentlich mach ich das richtig…“
„Versuch es weiter.“
Es fiel Kohn schwer seine Sorge und Unruhe zu unterdrücken, aber er machte
beharrlich weiter. Yonoko legte die Handschuhe bei Seite und griff nach
Cherunas Handgelenk.
„I-ich fühle einen Puls aber… Ich weiß nicht ob es meiner oder ihrer ist.“
„Hoffen wir mal ihrer. Ist er ruhig oder schnell? Ruhig wäre ihrer, schnell wahrscheinlich
deiner.“
Dann fing die Draenei an zu zucken und kaum später zu würgen. So schnell Kohn
konnte, beugte er Cheruna über das Boot und ließ sie einfach alles auskotzen,
was der Magen hergab.
„Gut so, alles raus damit.“
„Da! Sie lebt! Wenn sie sich übergeben kann, atmet und Puls hat, lebt sie.“
Stöhnend und ächzend übergab sich Cheruna mehrmals, verdrehte die Augen und
sackte wieder ins sich zusammen.
„Den Erhabenen sei Dank, sie lebt, auch wenn sie Bewusstlos ist.“
Kohn nickte nur und hielt sie wieder fest in seinen Armen.
„Sie wird mich eventuell dafür erschlagen wollen aber… Bitte wärme sie Kohn, halt sie
einfach fest und halte sie warm, sie so gut es geht.“
„Ich glaube nicht das Cheruna überhaupt in der Lage wäre, jemanden zu schlagen.“
Er nickte nur und drückte sie sanft an sich. Cheruna war noch bleicher als
vorher. So geistesabwesend Kohn auch wirkte, er tat worum man ihn gebeten
hatte.
„Vildana? Wie lange brauchen wir bis zum nächsten sichern Hafen?“
„Wir sollten nach Süden zurück. Ich glaube die Untoten kontrollieren den ganzen Nordteil
des Landes.“
„Gut. Ich rudere und du lenkst.“
„Ist das nicht… Ja natürlich, der nächste Hafen ist Menethil.“
„Ich habe keine Ahnung. Ich sehe da nur Berge in der Ferne und halte auf den Rand zu.“
„Ich weiß auch nicht wie lange wir beim Rudern brauchen.“
Leise seufzend drehte sich Yonoko um und sah Cheruna an.
„Aber wir erreichen einen. Halte durch Cheruna, halte durch.“
Ich kann dir noch nicht helfen.
Die rote Pandaren horchte in sich hinein. Aber ihr Körper war von der Flucht
geschwächt und sie hatte das Gefühl ein viel zu hohes Risiko einzugehen es zu
versuchen. Ihr Chi schien noch zu schweigen, als hätte sie es gerade erst
benutzt. Unsicher ließ sie sich im Boot sinken und starrte auf den scheinbar
nicht näher kommenden Horizont.
Wie lange die Reise wirklich gedauert hatte, konnte Yonoko nicht einschätzen,
für sie war es zu lange. Cheruna hatte nicht ein einziges Mal ihre Augen geöffnet
und Kohn hatte sie nicht ein einziges Mal aus seinen Armen gegeben. Lao und
Yonoko hatten sich beim Rudern abgewechselt und Vildana die Küste und Berge
nie aus den Augen gelassen.
„Da vorne! Wir haben den Hafen erreicht!“
Erlösende Worte. Vildana zeigte auf einen dunklen Schatten im Morgengrauen.
Yonoko wurde von ihrem Rufen wach und rieb sich die Augen. Lao hatte das
Tempo der letzten Nacht halten können und steuerte mit voller Fahrt auf den
Hafen zu.
Zuerst dachte Yonoko, dass es so stark geregnet hätte, dass auch hier das
Festland unter Wasser stand. Dann erst sah sie die noch deutlichen Schäden und
kleinen Mauern aus mit Sand gefüllten Säcken.
Vildana steuerte nicht den viel zu hohen Pier an, sondern das freie Festland
neben einem großen Gebäude aus Stein, das wie eine kleine Burg wirkte.
„Wir müssen sie ins Gasthaus bringen.“
„Gute Idee.“
„Kannst du sie tragen?“
„Ja, das schaff ich. Dann brauchen wir warmes Wasser und viele Decken. Ich ziehe ihr dann
die nassen Sachen aus und bringe sie ins Bett.“
Innerlich klingelten Yonokos Alarmglocken. Zwar wusste sie dass sich Cheruna
und Kohn gut verstanden, aber sie zweifelt noch etwas daran, das Cheruna mit
dieser Idee einverstanden wäre. Mit sichtlicher Mühe hob er die reglose Draenei
in seine Arme und stieg aus dem Boot.
„Ich zeihe sie aus. Wenn sie eine Decke bekommt, kannst du sie wiedersehen.“
Ihren bösen Blick hatte Kohn zwar gesehen, aber vorerst ignoriert.
Nacheinander verließen sie das Boot und folgten Kohn, der zielsicher das große
Gebäude auf der anderen Seite ansteuerte. Es entpuppte sich als das Gasthaus
und nachdem einer der Zwerge im Gasthaus mit Kohn gesprochen hatte, winkte
er die Gruppe zur Treppe hoch.
„Er hat uns das große Zimmer gegeben, weil wir uns kennen.“
„Gut, dann bring sie hoch, den Rest mache ich.“
„Mach ich. Kommt mit wenn ihr unbedingt darauf besteht, ihr die Sachen auszuziehen.“
Bevor sie hoch ging, drehte sie sich noch einmal zu Vildana und Lao.
„Kümmert euch bitte um den weiteren Weg.“
„Himmel.“
Als die junge Pandaren Kohn in das wirklich recht große Zimmer folgte, warf sie
ihren Rucksack, die Waffe und einige Rüstungsstücke in die Ecke. Er hatte sie so
sanft wie eine zerbrechliche Puppe ins Bett gelegt und sah sie an.
„Kohn? Kannst du mir Tee und Handtücher bringen?“
„Ja, mach ich.“
„Danke.“
Kaum hatte sich Kohn umgedreht, da fing Yonoko auch schon an Cheruna die
völlig durchnässte Kleidung auszuziehen. Als die letzten Teile davon auf dem
Boden landeten, kam Lao herein und setzte sich Ungeniert neben die Tür. Mit
einem Ruck zog sie einfach die Bettdecke über Cheruna.
„Ähm… Lao?“
Er reagierte nicht.
„Privatsphäre und so?“
Auch dieses Mal reagierte er nicht. Yonoko warf kurzerhand einen von Cherunas
Stiefeln nach ihm, verfehlte den Pandaren aber und traf nur den Türrahmen,
durch den kaum später Kohn mit einem Tablett und einer Decke über dem linken
Arm herein kam.
„Raus mit dir!“
„Was? Wer? Ich?“
„Ja… Schon gut.“
Lao stand denn endlich auf und Kohn sah ihn etwas irritiert an, bevor er das
Tablett mit dem Tee auf den kleinen Nachtschrank neben dem Bett stellte.
„Wie geht es ihr?“
„Cheruna ist noch bewusstlos, aber hat sich nicht weiter übergeben. Ich glaube sie ist über
den Berg. Atmet regelmäßig.“
„Das ist gut.“
Man konnte ihm seine Erleichterung ansehen. Aber die Sorge wich trotzdem
nicht aus seinen Gesichtszügen.
„Friert aber und ist eiskalt.“
„Was kann ich tun?“
Einen Moment musste Yonoko überlegen. Viel gab es nicht zu tun.
„Wenn du mir versprichst, ihr nicht zu nahe zu kommen, dann darfst du hier bleiben und auf
sie aufpassen. Sie wärmen.“
Kohn sah sie an, als hätte sie ihm gerade erlaubt Cheruna zu heiraten. Ein bissen
bereute sie ihre Worte schon.
„Gut, danke.“
Vorsichtig deckte Yonoko Cheruna mit der von Kohn gebrachten Decke zu und
rutschte vom Bett.
„Sie wird wieder.“
Aber Kohn schien sie nicht mehr zu hören. Er hielt Cherunas Hand fest und saß
neben ihr wie ein Wachhund. Die Pandaren legte die Kleidung noch über das
Bettende und ging dann runter zu Vildana und Lao.
„Noch.“
Vildana klang angefressen. Sah Yonoko aber fragend an.
„Sie friert noch stark, aber es geht ihr bald besser. Kohn bleibt bei ihr.“
Die Worgen nickte nur.
„Also, was ist das für ein Ort?“
„Menethil. Eine Hafenstadt. Siehst ja selber was daraus geworden ist. Aber ich war auch
noch nie hier. Kenne sie nur von Karten.“
„Kennt ihr die Geschichte, wieso sie versunken ist?“
„Nein, aber ich kann es mir denken. Aus dem gleichen Grund, warum auch Gilneas im Meer
versunken ist.“
„Weshalb? Erzählt mir die Geschichte.“
Er setzte sich neben Vildana an den Tisch und sah sie neugierig an. Yonoko war
nicht nach Geschichten zumute. Sie ging wieder hoch und lehnte sich von außen
an den Türrahmen zu Cherunas Zimmer. Als sie kurz hinein sah, lag Kohn nah
neben Cheruna, aber auf der Decke. Endlich selber etwas zur Ruhe gekommen,
atmete die junge Pandaren tief durch und schloss die Augen. Es dauerte auch
nicht lange, da holte sie die Erschöpfung ein.
Sicherheit, sie waren wieder in Sicherheit. Vorerst.