DAS DSV KRAFTKONZEPT 2016 Key-Points des Konzeptes – wissenschaftliche Begründungen für praktische Handlungsanweisungen Im Rahmen der DSV-Auswertetagung und der Trainer A-Lizenz wurde bereits das neue Kraftkonzept des DSV vorgestellt. Im Folgenden werden die Key-Points des Konzeptes nochmals präsentiert. Eine Liste der verwendeten Literatur sowie die aktuelle Konzeptversion können über die DSV-Geschäftsstelle bei Steffen Bernhardt (Leistungssportreferent Schwimmen, Kontakt: [email protected]) bezogen werden. Auf Grundlage der Kraftkonzeption wird ein entsprechender Rahmentrainingsplans (langfristiger Leistungsaufbau, Kinder und Jugendliche) entwickelt. 1. Hypertrophietraining und Maximalkrafttraining wirken indirekt leistungsfördernd Es ist bekannt, dass Krafttraining das Auftreten von Sportverletzungen um mehr als 2/3 und Überlastungsschäden um die Hälfte verringert (Metaanalyse 2014). Beispielsweise weisen Schwimmer aufgrund des Auftriebs im Wasser (oft jahrelang) eine im Vergleich zu anderen Sportarten verringerte Knochendichte auf. Durch entsprechendes Krafttraining wird eine Steigerung der Knochenmineraldichte bzw. eine Erhöhung der Knochengrundsubstanz erzielt. So wurde beispielsweise bei Gewichthebern, Bodybuildern, Leichtathleten (Werfern), Tennisspielern, Basketballspielern, Volleyballspielern und Fußballspielern eine deutlich erhöhte Knochendichte gemessen. Für die Anregung des Knochenwachstums stellt die Intensität der gewählten Kraftbelastung (in Abhängigkeit vom Leistungsstand) einen entscheidenden Faktor dar. Mit dem klassischen Kraftausdauer- oder Stabilisationstraining kann (langfristig) kein ausreichend starker Reiz erzielt werden. Daher wird rein aus präventiver Sicht ein Krafttraining zur Vermeidung von Sportschäden dringend empfohlen. 2. Hypertrophietraining und Maximalkrafttraining wirken direkt leistungsfördernd Viele Studien zum „Krafttraining im Schwimmen“ haben starke forschungsmethodische Schwächen (z.B. keine Kontrollgruppe). Daher ist die Anzahl der „verwertbaren“ Kraftstudien im Schwimmen noch gering. West (2011), Carl (2010) und Keiner (2015) beobachten positive Effekte von maximalkraftorientiertem Training auf zyklische und azyklische Bewegungen (schwimmspezifisch). Diese Studien lassen Rückschlüsse auf das trainingsmethodische Vorgehen zu. Studienergebnisse (sportartübergreifend) mit kombiniertem Kraftund Ausdauertraining zeigen, dass die sportartspezifische (Ausdauer-)Leistung durch ein maximalkraftorientiertes Krafttraining positiv beeinflusst wird. Dementsprechend ist ein positiver Effekt auf die Schwimmleistung (in Abhängigkeit von der Wettkampfdistanz) zu erwarten. In der Sportart Schwimmen macht sich eine gesteigerte Maximalkraft bemerkbar durch: a) Höhere Absprung- bzw. Abstoßgeschwindigkeiten bei Start und Wende b) Höhere Kraftmaxima pro Einzelzyklus c) Höhere Bewegungsfrequenzen ohne Verkürzung des Zyklusweges d) Ökonomisierung der Bewegung Die Ökonomisierung (Stoffwechsel) der Bewegung ergibt sich dadurch, dass für das Erreichen einer anvisierten Schwimmgeschwindigkeit nicht das gesamte Maximalkraftpotential genutzt werden muss (wenn dieses Potential ausreichend groß 1 ist). Für den weiteren Rennverlauf bleiben mehr „Reserven“, wodurch der Abfall der Geschwindigkeit geringer ist (verbesserte Ermüdungswiderstandsfähigkeit). Beim Schwimmen ist ein niedriges Körpergewicht bei gleichzeitig hohen Kraftwerten nicht entscheidend. Es gibt keine Belege dafür, dass sich eine gesteigerte Muskelmasse negativ auf die Wettkampfleistung auswirkt. Vielmehr muss das Gegenteil angenommen werden (gesteigerte Antriebsleistung). Im internationalen Wettkampfgeschehen ist seit Jahren eine erhöhte Muskelmasse (Sprint- und Mittelstrecke) zu beobachten. Daher ist der entscheidende Faktor zur Anhebung der Maximalkraft die Steigerung der Muskelmasse (Hypertrophie). Um einen Hypertrophieeffekt zu erzielen, müssen durch hohe Spannungsreize (=hohe Intensität) Mikrotraumata erzeugt werden. Dies führt zu einer gesteigerten Proteinsynthese und damit zu einem erhöhten Muskelquerschnitt. Bei der Planung muss beachtet werden, dass die hohe Anzahl an Wassereinheiten (dominant aerob) eine Steigerung des Muskelquerschnitts erschwert. Die Anzahl an Krafttrainingseinheiten pro Woche und die Auswahl der Übungen sind in Abhängigkeit zur Wettkampfdistanz zu sehen (siehe Kraftkonzept). Es werden komplexe Grundübungen (Kniebeuge, Bankdrücken etc.) genutzt. Die Grundübungen ermöglichen eine gute Gelenksicherung und damit die Voraussetzung entsprechend hohe Gewichte (in Abhängigkeit vom Leistungsstand) zu bewegen. Entscheidend ist der Krafttransfer ins Wasser. Die Bewegungstechnik muss fortlaufend kontrolliert und gegebenenfalls angepasst werden. In der Praxis hat sich ein Training mit erhöhten Widerständen im Wasser (Fallschirm, Schwimmpropeller etc.) als Methode des Krafttransfers bewährt (dies kann aus wissenschaftlicher Sicht jedoch noch nicht bestätigt werden). Es muss darauf geachtet werden, dass eine Widerstandserhöhung im Wasser die Bewegungstechnik nicht negativ beeinflusst (nicht zu hohe Widerstände wählen). 3. Kraftausdauertraining an Land ist nicht Teil des DSVKraftkonzeptes Die durch Kraftausdauertraining ausgelösten Spannungsreize auf die Muskulatur sind (langfristig) zu gering um eine Steigerung der Muskelmasse zu erzielen (siehe Punkt 2). Ein klassisches Kraftausdauertraining trainiert langfristig hauptsächlich die anaerob-laktazide Energiebereitstellung. Diese kann im Wasser deutlich besser trainiert werden (Spezifik!). Außerdem führen Kraftausdauerbelastungen zu einer zusätzlichen (neben dem Wassertraining) Entleerung der Glykogenspeicher. Dies wiederrum wirkt sich negativ auf das Wassertraining aus (Überlastung möglich). Daher ist ein Hypertrophie- bzw. Maximalkrafttraining deutlich besser mit Wassertraining kombinierbar. Das Krafttraining soll den Athleten auf ein höheres physisches Level bringen (Maximalkraftausprägung) und nicht das Wassertraining an Land kopieren. 4. „Spezifisches“ Krafttraining an Land (z.B. Biobank) ist nicht Teil des DSV- Kraftkonzeptes Im Zusammenhang mit dem spezifischen Krafttraining bzw. dem Training auf der Biobank wird oft auf die „Spezifik“ der Bewegung verwiesen. Folgende Punkte verdeutlichen, dass es diese vermeintliche Spezifik nicht gibt: o Es kann sich immer nur um eine Annäherung an eine Zielbewegung handeln. Die Konfrontation mit (höheren) äußeren Widerständen durch die Verwendung von Zusatzlasten hat immer eine Veränderung kinematischer und kinetischer Merkmale einer Bewegung zur Folge. Für die Arbeit an einer Biobank (Schwimmsport) ist belegt, dass weder das Innervationsverhalten, noch kinetische oder kinematische Aspekte der Bewegung auf diesem Trainings- und Diagnosegerät mit denen des Schwimmens übereinstimmen. 2 o o o Somit sind vermeintlich „spezifische“ Krafttrainingsformen genauso unspezifisch wie geringe Bewegungsgeschwindigkeiten beim Training mit hohen Lasten. Wenn der Stoffwechsel / die Energiebereitstellung das Ziel ist, macht es keinen Sinn dies an Land zu tun. Im Wasser ist dies zu 100% umsetzbar, ohne dass dabei Unterschiede kinematischer und kinetischer Merkmale in Kauf genommen werden müssen. Bewegungen die eine sportartspezifische Bewegung imitieren, erlauben aufgrund der ungenügenden Gelenksicherung (z.B. bei Zugansatz) nur geringe bzw. zu geringe Zusatzlasten. Der mit diesen geringen Zusatzlasten erzielte Spannungsreiz der Muskulatur ist langfristig zu gering um Hypertrophieeffekte zu erzielen. Durch das „Kopieren“ einer Bewegung ist es nicht möglich, eine für das Nervensystem identische oder vergleichbare Situation herzustellen. Nur weil die Bewegung optisch mit der Zielbewegung (in einem gewissen Rahmen) zu übereinstimmen scheint, ist sie noch lange nicht identisch. 5. Isoliertes Rumpfkrafttraining ist nur teilweise Bestandteil des Kraftkonzeptes Das klassische Rumpfkrafttraining oder Stabilisationstraining wird nach dem DSV Kraftkonzept nicht mehr durchgeführt. Die oft lange Belastungszeit (Rumpfkraftzirkel etc.) zielt eher auf eine Ausdauer- bzw. Stoffwechselarbeit ab als auf ein Training der Kraft. Diverse Erschwerungen der klassischen Übungen (Beine anheben im Unterarmstütz, Schlinge, 4D Pro etc.) sind Koordinationsübungen, keine Kraftübungen. Wenn eine Verbesserung der Koordination das Ziel ist, sollte diese im Wasser geschult werden (spezifische Umgebungsbedingungen). Wie auch beim Hypertrophie- und Maximalkrafttraining, ist für eine Kraftsteigerung der Rumpfmuskulatur ein hoher Spannungsreiz notwendig (siehe Punkt 2.). Hohe Spannungsreize werden durch Rumpfübungen realisiert, bei denen die Verwendung von Zusatzgewichten möglich ist. Sind die Gewichte der Grundübungen nach einigen Jahren des Krafttrainings hoch genug, werden auch die Rumpfübungen mit Zusatzgewicht nicht mehr benötigt. Der Rumpf arbeitet beim Umsetzen, Reißen und der Kniebeuge mehr als ausreichend. Wie bereits unter Punkt 3 erläutert, führt das gesteigerte Kraftniveau des Rumpfes logischerweise auch zu einer besseren Ökonomisierung bzw. einer gesteigerten Ermüdungswiderstandsfähigkeit. 3
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