Schattenblick Druckausgabe

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MA-Verlag
UMWELT / BRENNPUNKT
Elektronische Zeitung Schattenblick
Donnerstag, 27. Oktober 2016
Menschenrechtsfreie Zone - Die Lizenz zum Töten (1)
Von Washington über Ramstein nach Sanaa:
Wie der Drohnenkrieg Recht,
Kriegsführung und Gesellschaft verändert
Diskussionsabend des ECCHR am 18. Oktober in Berlin ­ Teil 1
Brandsatz Fukushima der Entsorgungslimbus ...
Viele kleine Asse ...
Nach der Zerstörung des
Akw Fukushima Daiichi am 11.
März 2011 zunächst durch ein
Erdbeben dann einen Tsunami
entstanden radioaktive Wolken,
die sich als Fallout auf Land und
Leute legten. Zum Glück für die
Bevölkerung drehte der Wind und
kam schließlich vorwiegend aus
westlicher Richtung ... (Seite 20)
(SB) ­
POLITIK / KOMMENTAR
Stets auf Kosten des anderen ...
Unterwerfung in der "Spaßgesellschaft"
(SB) ­ Wer erinnert sich noch an
Happy Slapping? Ganz so glücklich waren die Opfer der Attacken
Jugendlicher, die den Spaß mit
ihren Handys aufzeichnen und im
Netz präsentieren wollten, meist
nicht. Ohnehin waren die Betroffenen nur Requisiten einer Staffage, in der sich die ... (Seite 17)
Das Aufbau­Haus am
Kreuzberger Moritzplatz
Foto: © 2016 by Schattenblick
(SB) 26. Oktober 2016 ­ Kurz vor
dem Ende seiner Präsidentschaft
sorgt sich Barack Obama, daß der
Einsatz von bewaffneten Drohnen, die das Beseitigen von Feinden "recht antiseptisch" mache,
zu "endlosen Kriegen überall auf
der Welt, viele davon verdeckt,
ohne Rechenschaft oder demokratische Debatte" führen könnte.
Dies sagte der US-Präsident in einem am 2. Oktober in der Zeitschrift New Yorker veröffentlich-
ten Interview. Die Befürchtungen
Obamas sind mehr als begründet.
Am 10. Oktober berichtete Le
Monde vom erstmaligen Einsatz
einer Killer-Drohne durch "Terroristen". Wenige Tage zuvor hatten Freiwillige des "islamischen
Staats" (IS) in der Nähe von Erbil, der Hauptstadt der Kurdischen Autonomieregion im Norden Iraks, eine Gruppe Peschmerga und französischer Militärberater mit einer mit Sprengstoff versehenen Drohne angegriffen. Bei
dem Anschlag wurden zwei kurdische Kämpfer getötet und zwei
französische Soldaten schwer
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verletzt. Bereits am 9. Oktober
warnte Richard Bitzinger in der
Asia Times Online von Überlegungen amerikanischer und russischer Militärs, unbemannte Flugzeuge mit Atomwaffen zu bestücken. Vor diesem Hintergrund
zeugte der Diskussionsabend, zu
dem unter dem Titel "Von Washington über Ramstein nach
Sanaa: Wie der Drohnenkrieg
Recht, Kriegsführung und Gesellschaft verändert" am 18. Oktober
das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in das Berliner Theater im
Aufbau-Haus (TAK) einlud, von
höchster Aktualität.
Nach einer kurzen Begrüßung im
Namen des Gastgebers lud Andreas Schüller vom ECCHR Faisal Bin Ali Jaber, der seit 2015 eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen deren
Verwicklung in die Tötung seines
Schwagers und seines Neffens am
29. August 2012 - nämlich durch
die Zurverfügungstellung des Militärstützpunktes Ramstein an das
US-Militär - laufen hat. Bei seiner Klage wird Bin Ali Jaber sowohl vom ECCHR als auch von
der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve juristisch
vertreten. Mit der Unterstützung
seines Vetters und Dolmetschers
Baraa Shiban stellte sich Bin Ali
Jaber als staatlicher Umweltingenieur aus dem Jemen vor, der bis
zu der besagten Familientragödie
mit Politik eigentlich nichts am
Hut gehabt habe.
Eingangs erklärte Bin Ali Jaber,
daß alles, was er sagen wolle, unter dem Titel Terrorismus und der
beste Weg, ihn zu bekämpfen, zu
subsumieren sei. Der 59jähriger
Jemenit zeigte sich bestürzt darüber, daß in seinem ganzen Leben
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das Ansehen seiner Religion, des
Islams, noch niemals so schlecht
gewesen sei wie heute. Für diesen
Umstand machte er Gruppen wie
Al Kaida und Islamischer Staat
(IS) verantwortlich, die mit ihren
extremen Ideologien einer der
großen Weltreligionen schwer
schadeten. Der Schaden sei so
groß, daß ein ganzer Abend nicht
ausreichen würde, um ihn zu erläutern, so Bin Ali Jaber.
Unter Hinweis auf die Entwicklung in seinem Heimatland Jemen
stellte Bin Ali Jaber entschieden
fest, daß die von Al Kaida und IS
propagierte extreme Auslegung
des Islams jedesmal, wenn ein per
Drohne durchgeführter Raketenangriff erfolgt, an Stärke gewinnt.
Seinen Erkenntnissen nach laute
das Grundprinzip der im Jemen
tätigen Gruppe Al Kaida auf der
arabischen Halbinsel (Al Qaeda in
the Arabian Peninsula - AQAP),
man sei entweder für sie oder gegen sie; entweder man töte für sie
oder werde getötet; nur wer für sie
kämpfe und dabei sterbe, komme
nach dem Tod in den Himmel; alle anderen landeten in der Hölle.
Bin Ali Jaber meinte, es sei wichtig, sich das vor Augen zu führen,
um seine Tragödie, die sich während einer mehrtägigen Familienfeier zutrug, zu verstehen.
Zu den beiden Opfern sagte Bin
Ali Jaber, sein Neffe Waleed sei
Polizist und aktives Mitglied der
Gesellschaft gewesen und sein
Schwager Salem ein sehr mutiger
Imam, der kein Geheimnis aus
seiner negativen Meinung über
AQAP machte. Laut Bin Ali Jaber
vertrat Salem als Islamgelehrter
den Standpunkt, daß man nur mit
Ideen und nicht mit Militärgewalt
Al Kaida erfolgreich bekämpfen
und dabei verhindern könne, daß
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die Jugend von den DschihadPredigern radikalisiert und rekrutiert werde. Als er soweit ging,
von seiner Moschee aus die
AQAP zu einer öffentlichen Debatte aufzurufen, habe die ganze
Großfamilie Bin Ali Jaber Angst
um ihn bekommen und deshalb
Baraa Shiban gebeten, zu ihm zu
gehen und ihn irgendwie zur Mäßigung seiner Worte zu bewegen.
Keine 35 Stunden nach dieser Intervention war Salem - und mit
ihm Waleed - tot, jedoch nicht
durch die Hände von AQAP, sondern sozusagen von der eigenen
Seite, den Demokratie und Menschenrechte propagierenden Vereinigten Staaten von Amerika.
Das sei für die ganze Familie ein
gewaltiger Schock gewesen. Einige von ihnen seien bis heute
traumatisiert.
Wie Bin Ali Jaber erklärte, sei der
Hauptgrund, warum er nach dem
für seine Familie verheerenden
Drohnenangriffder USA den Weg
der Menschenrechte und der Klage eingeschlagen habe, dem getöteten Schwager und dessen beispielhafter Lebensphilosophie
gerecht zu werden. Salem habe
stets argumentiert, daß es friedliche Wege gebe, gegen Unrecht
vorzugehen und Gerechtigkeit zu
erfahren, so Bin Ali Jaber. Des
weiteren sei der Familienrat zu
dem Entschluß gekommen, daß
ein Urteil im Sinne der Geschädigten aus Deutschland oder den
USA dazu am besten geeignet sei,
Salem und Waleed im Grab Frieden zu beschweren.
Selbst wenn Al Kaida politische
Gründe zu kämpfen habe, verstehen nach Bin Ali Jabers Überzeugung nur wenige von ihnen,
worum es dabei überhaupt geht.
Die Familie Bin Ali Jaber wolle
Do, 27. Oktober 2016
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mit der juristischen Aufarbeitung
des an ihr begangenen Unrechts
der Jugend im Gouvernement Hadramaut im besonderen und im
Jemen im allgemeinen zeigen,
daß es einem anderen Weg als den
der Gewalt gebe.
Zum Schluß betonte Faisal Ali
Bin Jaber, daß der Grund, warum
er sich in Deutschland aufhalte
und Klage gegen die Bundesrepublik führe, der Militärstützpunkt
Ramstein und dessen Funktion
beim Drohnenkrieg der USA im
Jemen und anderswo in den Ländern der islamischen Welt sei.
Ohne Ramstein hätte es den tödlichen Angriff auf Salem und Waleed nicht gegeben. Gemeinsam
müsse man den Kreis der Gewalt
stoppen. Nur, weil einem eine Rakete auf den Kopf falle, sei das
keine Rechtfertigung dafür,
gleich mit der Waffe loszuziehen.
Im Anschluß an die Erklärung Bin
Ali Jabers folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema "Die Folgen des Drohnenkriegs im internationalen Kampf gegen den Terrorismus", die, was Expertise in
diesem Bereich betrifft, nicht
hochkarätiger hatte besetzt sein
können. Es diskutierten aus Pakistan Shahzad Akbar, der in seiner
Heimat als einziger Anwalt die
Opferfamilien der Drohnenangriffe in Wasiristan vertritt, aus
Großbritannien Jennifer Gibson
von der Menschenrechtsorganisation Reprieve, die Faisal Bin Ali
Jaber sowie andere Geschädigte
des Drohnenkrieges anwaltlich
berät, Chris Woods, Leiter der
Gruppe Airwars, welche die Daten aus dem Luftkrieg gegen Al
Kaida, IS und andere "terroristische" Gruppen analysiert und
auswertet, sowie aus den USA der
mehrfach ausgezeichnete Journa-
Faisal Bin Ali Jaber und
Baraa Shiban
Foto: © 2016 by Schattenblick
Nach jahrelangen CIA-Drohnenangriffen auf AQAP hatten die
USA nur wenige Tage vor der
ECCHR-Veranstaltung erstmals
list Jeremy Scahill, Autor der Bü- begonnen, Huthi-Stellungen an
cher "Blackwater", "Dirty Wars" der Küste des Roten Meeres zu
und "The Assassination Com- beschießen. Scahill fragte nach
Do, 27. Oktober 2016
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plex", der sich seit 2001 durch
zahlreiche Reportagen aus dem
Kampfgebiet wie kein zweiter mit
der dunklen Seite des "globalen
Antiterrorkriegs" auseinandergesetzt hat. Moderiert wurde die
Diskussion von Sarah Harrison,
Direktorin der Courage Foundation, die als Wikileaks-Redakteurin
2014 Edward Snowden bei seinem berühmten Flug von Hongkong nach Moskau begleitet und
dadurch dem NSA-Whistleblower geholfen hat, sich dem
Zugriff der US-Behörden zu entziehen und nach Rußland abzusetzen.
Nach einer kurzen Einführung
übergab Harrison an Scahill als
erstem das Wort, der seinerseits
Bin Ali Jaber wegen seines Muts
lobte. Der Enthüllungsjournalist,
der in den letzten Jahren häufiger
im Jemen gewesen ist, kritisierte
aufs Schärfste die dort seit Frühjahr 2015 laufende, von den USA
militärisch unterstützte Aggression Saudi-Arabiens als "erbarmungslosen Angriff" und verurteilte gleichzeitig die Hilfe des
Ex-Präsidenten Mohammed Ali
Saleh für die schiitischen HuthiRebellen als "destruktiv". Durch
die Militäraggression von SaudiArabien und dessen sunnitischen
Verbündeten im Jemen werde die
dort lange fabulierte Einmischung
des schiitischen Irans zur Wirklichkeit; das Armenhaus Arabiens
drohe am Stellvertreterkrieg zwischen Riad und Teheran zugrunde zu gehen.
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der eigentlichen Agenda Washingtons, wo doch die Huthis
und AQAP einander spinnefeind
seien. Jedenfalls bezeichnete er
die Pressemeldung, das fragliche
US-Kriegsschiff Mason sei nicht
nur mit ballistischen Raketen,
sondern mit einem Marschflugkörper angegriffen worden, als
"lachhaft". Keine der jemenitischen Bürgerkriegsparteien verfüge über solche Waffen, sagte er.
Scahill verwies auf die von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen, aus denen hervorgeht, daß Saudi-Arabien bereits seit längerem Angriffe im Jemen durchführt. Für Scahill sieht
es so aus, als erledigten die Saudis die "Drecksarbeit" Washingtons im Jemen. Er erinnerte in
diesem Zusammenhang daran,
daß Barack Obamas CIA-Direktor John Brennan in den neunziger Jahren Leiter der Station des
US-Auslandsgeheimdiensts in
Riad gewesen ist und dort über
beste Verbindungen verfügt.
Scahill bezeichnete den US-Militärstützpunkt in Ramstein als eine "mörderische Telefonzentrale", denn über die Einrichtung
dort seien quasi alle Drohnenangriffe seit 9/11 koordiniert worden. Des weiteren habe das für
Afrika zuständige Militärkommando der USA, AFRICOM, sein
Hauptquartier in der Garnison
Kelley bei Stuttgart; von dort aus
gehen viele verdeckte Operation
der US-Spezialstreitkräfte aus.
Folglich hätten auch die Deutschen "Blut an den Händen", so
Scahill. Zum Schluß entschuldigt
er sich im Namen Amerikas bei
Faisal Bin Ali Jaber für das ihm
angetane Leid.
prieve, die 1999 in London vom
renommierten britischen Menschenrechtsanwalt Clive Stafford
Smith ins Leben gerufen wurde,
um den Opfern westlicher Antiterroroperationen wie zum Beispiel Menschen, die von der CIA
verschleppt und gefoltert wurden,
rechtlichen Beistand zu leisten.
Mit dem Thema Drohnen befaßt
sich Reprieve erst seit 2010. Damals galten alle Angegriffenen als
Kombattanten; zivile Opfer waren unbekannt, so Gibson. Kurz
nach dem Anschlag auf Salem
und Waleed Bin Ali Jaber sei es
zur Begegnung mit Faisal gekommen. Gibson zeigte sich empört
darüber, daß Bin Ali Jaber bei seinem Bemühen um Gerechtigkeit
an jeder Stelle abgewiesen worden sei, sei es in den USA, im
Vereinigten Königreich oder bei
den EU-Institutionen. Für ihn habe es bislang keine Antworten auf
seine Fragen und keine Anerkennung des Leids gegeben. Was die
Familie Bin Ali Jaber erlitten habe, sei kein Einzelschicksal, sondern die traurige Erfahrung Hunderter Familien in Pakistan, Jemen, Somalia und anderswo, so
Gibson.
Bin Ali Jaber hat nicht nur die
Klage in Deutschland, wo er demnächst eine mündliche Anhörung
erhält, sondern auch eine in den
USA laufen. Nach Angaben Gibsons will er keine Entschädigung
und auch keine rechtlichen
Schritte gegen die Verantwortlichen für den Angriff unternehmen, sondern lediglich eine
Schuldanerkennung und eine formelle Entschuldigung seitens der
US-Regierung bekommen. Gibson zeigte sich enttäuscht darüber,
daß Obama Transparenz in SaJennifer Gibson berichtete von chen Drohnenkrieg verspricht, jeder Arbeit der Organisation Re- doch die Gerichte in den USA unSeite 4
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ter Verweis auf die nationale Sicherheit einen Mantel des
Schweigens über das Geschehen
breiteten. Gibson betonte ausdrücklich, daß man es hier mit einem "globalen Hinrichtungsprogramm" zu tun habe, in das die
europäischen NATO-Staaten eingebunden seien, weshalb es den
Bürgern dort obliege, Gegendruck zu erzeugen. Laut Gibson
darf man auf keinen Fall zulassen,
daß die umstrittene Praxis der
USA, der zufolge jemand von der
Exekutive an der Judikative vorbei zur "terroristischen Bedrohung" bzw. zum "feindlichen
Kombattanten" im Sinne des
"Antiterrorkriegs" deklariert werden kann, um gleich per Joystick
liquidiert zu werden, zur internationalen Rechtsnorm wird. Das
sei "inakzeptabel", so die Vetreterin von Reprieve UK.
Jeremy Scahill
Foto: © 2016 by Schattenblick
Shahzad Akbar zeichnete ein düsteres Bild dessen, was die Drohnenangriffe der USA seit 2003 in
seiner Heimat angerichtet haben:
4000 Todesopfer, mindestens die
Hälfte davon Zivilisten und davon
Do, 27. Oktober 2016
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wiederum mindestens 200 Kinder.
90 Todesopfer sind bis heute nicht
identifiziert, also namenlos geblieben. Akbar prangerte zwei
Vorgehensweisen der USA ganz
besonders an: erstens die sogenannten "signature strikes", die
aufgrund irgendwelcher Algorithmen erfolgen, zweitens den sogenannten "double-tap" - das sind
nachträgliche Raketeneinschläge,
die einige Minuten nach dem ersten Drohnenangriff erfolgen,
nachdem Verwandte, Freunde und
Nothelfer am Unglücksort eingetroffen sind, um den Verletzten zu
helfen und die Leichen bzw. Leichenteile zu bergen, und die
gleich mitmassakriert werden.
Akbar bezeichnete es als skandalös, daß alle männlichen Todesopfer im wehrfähigen Alter von den
zuständigen US-Behörden in deren Statistiken als liquidierte "Terroristen" geführt werden. Die
Amerikaner legten die gleiche
Mißachtung des Lebens wie Al
Kaida und die Taliban an den Tag;
er sehe da keinen Unterschied, so
Akbar. Die Drohnenangriffe und
die Rücksichtslosigkeit, mit der
sie durchgeführt werden, seien
kontraproduktiv; sie hätten den
Extremismus in Pakistan gefördert, statt ihn einzudämmen, erklärte der Gründer und Leiter der
Foundation for Fundamental
Rights. Nach dessen Einschätzung
befindet sich die Welt aufgrund
des Drohneneinsatzes der USA
rechtlich in einer "sehr beängstigenden Situation", denn das wichtigste Recht von allen, das Recht
auf Leben, werde für eine bestimmte Gruppe von Menschen,
die sogenannten "Terrorverdächtigen", und alle, die mit ihnen zu
tun haben, schlicht ausgesetzt.
zweier westlicher Geiseln der Taliban - einen Amerikaner und
einen Italiener -, die im Januar bei
einem Drohnenangriff im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet
ums Leben kamen, öffentlich entschuldigt und deren Familien eine
Entschädigung versprochen habe,
jedoch zu den zahlreichen getöteten pakistanischen Zivilisten kein
einziges Wort des Bedauerns über
die Lippen bringe. Das Verhalten
der USA in dieser Angelegenheit
sei für die Nicht-Regierungsorganisationen, die in Pakistan arbeiten und in deren Mitarbeitern die
Taliban häufig die Handlanger des
Westens zu sehen meinen, "sehr
entmutigend". Die NGOs in Pakistan gehörten auch zu den Verlierern des Antiterrorkrieges - und
das nicht nur im Sinne der Glaubwürdigkeit.
Chris Woods von Airwars, der
sich vor einigen Jahren erstmals
mit Drohnen im Rahmen eines
Projektes des in London ansässigen Bureau for Investigative
Journalism befaßt hat, nannte die
Waffe ein Attentatswerkzeug, das
mit Hilfe der CIA entwickelt worden sei. Er sprach auch von einem
"Phantasieprodukt", dessen Erzeuger behaupteten, das es nur die
Bösen töte. Das sei die reine Lüge, so Woods. In allen Gebieten,
wo man von Drohenangriffen Gebrauch mache, sei die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen worden. Hunderte, wenn
nicht sogar Tausende unschuldiger Menschen seien durch die abgefeuerten Hellfire-Raketen getötet worden, erklärte Woods.
Als "zweite Lüge" machte Woods
die These aus, der Einsatz von
"Killer-Drohnen" sorge für StabiShahzad empörte sich darüber, lität. Das Gegenteil sei der Fall,
daß sich Obama für die Tötung so Woods, der geltend machte,
Do, 27. Oktober 2016
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daß in jedem Land, in dem sie
bisher benutzt wurden, heute
Chaos herrsche. Woods sprach
von "taktischen Erfolgen" auf
Kosten "strategischer Niederlagen". Er erinnerte in diesem Zusammenhang an ein Gespräch,
das er vor wenigen Jahren mit
dem US-Diplomaten Cameron
Munter geführt habe, der damals
als US-Botschafter in Pakistan
beklagte, daß sein Mitspracherecht, was Drohneneinsätze in
Wasiristan betrifft, nichts zähle.
Woods konstatierte demnach, die
CIA habe nur ihre Kill-Liste im
Blick und dafür die übergeordneten Interessen der USA aus den
Augen verloren. Diese verheerende Entwicklung, daß der vermeintliche militärische Erfolg bei
der "Terrorbekämpfung" die politischen Ziele überlagert habe, sei
zuerst in Israel aufgetreten. Die
USA und andere Länder würden
diesem falschen Weg nun auch
folgen. Außergerichtliche Hinrichtungen würden in jedem Land
rechtlich akzeptabel, in das die
Drohnen Einzug hielten: Man sei
kurz davor, die Schwelle zu überschreiten, sie auch im Innern einzusetzen, um Verdächtige zu töten, statt sie festzunehmen.
Nach dieser ersten Runde, fragte
Sarah Harrison, warum es so viele
verschiedene Angaben - seitens
Menschenrechtsorganisationen und
staatlichen Stellen - bezüglich der
Anzahl der mit Hilfe von Drohnen
getöteten Menschen, "Terroristen"
sowie Zivilisten, gibt.
Jeremy Scahill erwähnte eine
Sammlung geheimer US-Regierungsdokumente zum Thema
Drohnenkrieg, die er und Glenn
Greenwald 2015 von einem Insider zugespielt bekommen und für
einen Enthüllungsartikel im InSeite 5
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tercept ausgewertet hätten, welche die unterschiedlichsten Opferzahlen enthielten. Der Grund
dafür sei, daß das National Security Council im Weißen Haus, die
CIA in Langley, Virginia, und das
Oberkommando der US-Spezialstreitkräfte (JSOC) in Florida jeweils eigene Kill-Listen führten,
stellte Scahill fest. Die ObamaRegierung habe einen "wissenschaftlichen Prozeß" zum weltweiten Töten per Drohne entwickelt, sagte er. Über jede verdächtige Person auf der Liste
werde eine laufende Datei geführt; je mehr sich die Verdachtsmomente summierten, um so höher steige derjenige in der KillListe auf - am Ende bis hin zum
Hinrichtungsbefehl, erklärte
Scahill. Er bezichtigte Obama,
"die schlimmsten Träume von
Donald Rumsfeld und Dick Cheney, die eingeschränkte Exekutivgewalt, verwirklicht" zu haben
und stellte mit Erschrecken fest,
daß die Wähler der demokratischen Partei, die ihrerseits jahrelang gegen die Kriegspolitik der
Regierung George W. Bush opponiert habe, laut Umfragen zu
70 Prozent Drohnenangriffe auf
"Terrorverdächtige" befürworten. Scahill warf Obama vor,
Lippenbekenntnisse auf den
Rechtsstaat abzugeben und damit
die Menschen zu täuschen, während Cheney immerhin niemals
ein Geheimnis aus seinen rechtlich und moralisch fragwürdigen
Zielen gemacht habe. Die Algorithmen der während der Amtszeit Obamas entwickelten Prozedur sei so ausgeklügelt, daß die
Zahl der zivilen Opfer von Drohnenangriffen stets gering ausfalle. Dies wedre unter anderem dadurch erreicht, daß alle männliche Opfer im wehrfähigen Alter
in Pakistan, Somalia und andersSeite 6
wo - also zwischen 14 und 54
Jahren - prinzipiell zu "feindlichen Kombattanten" erklärt werden, sobald sie Drohnenangriffen
zum Opfer fallen. Scahill betonte, daß Drohnen lediglich das
Mittel, jedoch die Handlungsoption des außergerichtlichen Tötens das eigentliche Ziel der politischen Elite in Washington sei.
Vor diesem Hintergrund warf
Sarah Harrison die Frage in die
Runde ein, ob die Zahl der durch
Drohnenangriffe getöteten Zivilisten zu- oder abnehme.
Dazu meinte Chris Woods, aufgrund des technologischen Fortschritts erfolgten die Angriffe
präziser, gehe der Anteil ziviler
Opfer unter den Getöteten leicht
zurück. Dessen ungeachtet sei
hinsichtlich der offiziellen Zahlen
Skepsis geboten, so Woods, der
eine beschönigende, wenig
glaubwürdige Aussage von CIAChef Brennan aus der Vergangenheit zitierte. Nach Einschätzung
von Woods wäre es töricht, exakte Angaben von der CIA zu erwarten, denn diese wisse häufig
nicht, wie viele Menschen beim
jeweiligen Drohnenangriff ums
Leben kämen. Beispielsweise
würden Gebäude per Hellfire-Rakete in die Luft gejagt, um einen
"Terroristen" zu treffen und das
ungeachtet der Tatsache, daß sich
unschuldige Personen ebenfalls
dort aufhalten könnten. Auf die
Weise seien, wie bereits erwähnt,
im Januar die beiden westlichen
Geiseln aus Italien und den USA
einem Drohnenangriff zum Opfer
gefallen. Woods erinnerte an die
verharmlosenden Angaben der
NATO während des Kriegs 2011
in Libyen, wo sich nach dem
Sturz Muammar Gaddhafis herausstellte, daß die Zahl der zivilen Opfer westlicher Luftangriffe
in die Zehntausende ging. Auch
die Anti-IS-Koalition gebe beschönigte Opferzahlen infolge ihrer Luftangriffe auf Ziele des
"Kalifats" im Irak und Syrien heraus, gab Woods zu bedenken.
Shahzad Akbar aus Pakistan erklärte, er halte an dem Prinzip
fest, wonach die Getöteten zunächst als unschuldig zu gelten
hätten und nicht umgekehrt. Deswegen habe er vor pakistanischen Gerichten im Namen der
Familienangehörigen mehr als
100 Anzeigen erstattet. Mittels
einer solchen Klage habe man
2010 die Identität des damaligen
CIA-Stationschef an der USBotschaft, Jonathan Banks, publik gemacht, weswegen dieser
daraufhin aus Pakistan abgezogen werden mußte. Akbar zeigte
sich guter Hoffnung, von den pakistanischen Gerichten Auslieferungsbefehle gegen einzelne
Verantwortliche für die Drohnenangriffe in seinem Land erwirken zu können. Er verwies auf
die bahnbrechende Studie der
US-Universität Stanford "Living
Under Drones: Death, Injury and
Trauma to Civilians from US
Drone Practices in Pakistan" aus
dem Jahr 2012, deren Autoren
James Cavallaro, Stephen Sonnenberg und Sarah Knuckey das
Leiden der Zivilbevölkerung in
Wasiristan in allen Einzelheiten
analysiert hätten. Trotz der Erkenntnisse aus dieser und ähnlichen Untersuchungen, beispielsweise von Amnesty International, verweigerten die US-Behörden jede Zusammenarbeit mit Sarah Harrison griff den Gedanden Betroffenen und deren kengang auf, um zu fragen, was
Rechtsvertretern.
das für Folgen habe, wenn das
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Do, 27. Oktober 2016
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meiste, was die Öffentlichkeit
von offizieller Seite über den
Drohnenkrieg erfahre, eine Lüge
sei.
Jennifer Gibson
Foto: © 2016 by Schattenblick
Jeremy Scahill kam auf die bereits erwähnten Dokumente zu
sprechen, welche The Intercept
letztes Jahr von einem anonymen
Whistleblower erhalten hatte.
Daraus geht hervor, daß jede
Drohnen-Operation jeweils eine
Person zum Ziel hat. Der Präsident, derzeit Obama, erteilt nicht
den Angriffsbefehl, sondern den
Tötungsbefehl, der nur für 60 Tage gilt und, falls bis dahin nicht
ausgeführt, erneuert werden muß.
Dies führt dazu, daß die Drohnenpiloten und ihre Vorgesetzten gegen Ende der sechzigtägigen Frist
schießwütiger werden. CIA und
Militär wollen die Gelegenheit
nicht verlieren und schießen häufig auf gut Glück. Wenn sie dabei
Do, 27. Oktober 2016
die eigentliche Zielperson nicht
töten, rechtfertigen sie ihr Handeln, indem sie behaupten, immerhin hätten sie den einen oder
anderen von deren Gefährten liquidiert - obwohl sie hierzu gar
nicht ermächtigt gewesen seien,
so Scahill. Der Investigativjournalist meinte, die CIA- und Pentagon-eigenen Auswertungen des
Geschehens auf dem Kriegsschauplatz, die sogenannten
"battlefield assessments", seien in
Afghanistan wegen der dortigen
US-Militärpräsenz viel besser als
im Jemen oder Pakistan, wo man
praktisch niemanden auf dem Boden vor Ort habe. Bei den Drohnenangriffen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet fielen im
Schnitt neun Zivilisten für jeden
getöteten Taliban den Drohnenangriffen zum Opfer, so Scahill. In
der offiziellen Statistik würden
viele Zivilisten - in der Regel
Männer - nachträglich zu "Terroristen" erklärt. Wie Obamas Worte des öffentlichen Bedauerns für
den Tod der beiden Geiseln aus
Italien und den USA zeigten, zähle für Pentagon, CIA und Weißes
Haus nur das Leben westlicher
Zivilisten, nicht aber das armer
Pakistaner, Jemeniten, Somalier
et cetera.
Jennifer Gibson griff die Kritik
Scahills auf, um zu konstatieren,
daß mit dem Einsatz von Drohnen
zwecks außergerichtlicher Hinrichtung die Menschheit "eine
perverse Welt betreten" habe. Die
Genfer Konventionen stammen
aus einer Zeit, in der die Staaten
bewaffnete Konflikte vermeiden
wollten; inzwischen strebten alle
Großmächte wieder in solche
Konflikte niedriger Intensität hinein, um den Handlungspielraum
der Exekutive erweitern zu können. Der "globale Antiterrorwww.schattenblick.de
krieg" der USA mache Schule, so
Gibson. Nach Ansicht der Menschenrechtsaktivistin sei es nicht
ohne weiteres ersichtlich, welchen Disput Washington mit
AQAP habe; dennoch diene die
Bekämpfung von AQAP mittels
Drohnenangriffen Washington als
Vorwand, sich militärisch und mit
anderen Mitteln in die inneren
Angelegenheiten des Jemens einzumischen. Gibson beklagte die
Tatsache, daß die USA weltweit
als Kläger und Richter in einem
agierten, was aus rechtlicher Sicht
einen gefährlichen Präzedenzfall
darstelle. Sie hob den Drohnenangriff hervor, mit dem die Königlichen Britischen Streitkräfte
im August 2015 nahe der ostsyrischen Staat Rakka zwei Untertanen Ihrer Majestät, Reyaad Khan
und Rahul Amin, die sich dem IS
angeschlossen haben sollen, per
Knopfdruck ins Jenseits beförderten, als eine Folge jenes Vorpreschens der Amerikaner hervor.
Gibson machte auf den Widerspruch aufmerksam, demzufolge
britische Regierungsvertreter zur
Begründung der Tötung von
Khan und Amin gegenüber den
Vereinten Nationen behaupteten,
es sei ein Beitrag zur kollektiven
Sicherheit, und sie vor dem eigenen Parlament in London als notwendigen Akt der Landesverteidigung verstanden haben wollten.
Wie die Behörden in den USA
würden auch diejenigen in Großbritannien zu konkreten Fällen
der "extralegalen Hinrichtung"
gegenüber Parlament und Öffentlichkeit mauern, was das Zeug
halte. Damit läuteten sie das Ende der Demokratie ein, so Gibson.
Die streitbare Anwältin erklärte
die weitverbreitete Vorstellung,
Drohnenangriffe seien unheimlich präzise und träfen nur
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"Schurken", für ein Märchen. In
der Realität würden auch sehr viele Zivilisten getötet. Gibson ging
auf das inzwischen bekannte Phänomen ein, wonach häufig irgendwelche "Terroristen" doch
noch wiederauftauchten, Tage,
Wochen oder Monate nachdem
CIA oder Pentagon ihre erfolgreiche Liquidierung per Drohnenangriff gemeldet hätten. Der Überblick bei den zuständigen Stellen
sei so mangelhaft, daß im Durchschnitt gejagte "Terroristen" dreimal "getötet" würden, bis es sie in
Wirklichkeit erwischt habe. In einem Fall war ein führender Islamist sogar erst nach dem siebten
Drohnenangriff tatsächlich tot.
Wer wisse, wer alles bei den vorherigen Attacken getötet worden
sei, so Gibson. Inzwischen würden Zielpersonen auf der Basis
von Metadaten wie Telefonnummer, ein Besuch in der falschen
Moschee oder zufällige Kontakte
zu anderen "Terrorverdächtigen"
ermittelt.
Den Hinweis auf die Metadaten
griff Sarah Harrison auf, um nach
der Bedeutung des US-Militärstützpunkts Ramstein zu fragen,
worüber die Verbindung zwischen den Satelliten, welche die
Zielgebiete im Nahen Osten, Zentralasien und Nordafrika im Blick
behielten, und den Drohnenoperateuren und ihren Vorgesetzten
in den USA, läuft.
Jeremy Scahill bestätigte die Kritik von Jennifer Gibson und ließ
Revue passieren, auf wie viele
"selectors", "Selektionsgründe",
die US-Geheimdienste bei der
Auswahl von zu tötenden Zielpersonen zurückgriffen. Dazu gehörten Telefonnummer und -kontaktliste, Nummer der im Mobiltelefon befindlichen Chipkarte, wann
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Shahzad Akbar
Foto: 2016 © by Schattenblick
und wo der Nutzer WLAN benutze, die Liste aller benutzten
WLAN-Verbindungen sowie alle
auf die Person bezogenen Daten
der Geolokalisierung, sprich ihr
Aufenthaltsort und zwar laufend.
Laut Scahill würden alle Mobiltelefone weltweit von den Geheimdiensten elektronisch beschattet
und ihre Daten abgefangen. Ein
System namens Gilgamesh, dessen Existenz von Edward Snowden bekannt gemacht wurde und
das sich an Bord amerikanischer
Drohnen befinde, erlaube es CIA
und Pentagon, die Mobiltelefone
mutmaßlicher "Terroristen" zu lokalisieren. Um dem "Tracking
and Whacking" zu entgehen, sind
die Taliban in Afghanistan und
Pakistan irgendwann einmal dazu
übergegangen, nach Treffen ihre
Chipkarten untereinander auszutauschen. Bei verdächtigen Personen wie Drogendealern setze die
Polizei vielerorts in den USA inzwischen elektronische Technologie ein, die ursprünglich von der
CIA bei der Jagd nach "Terroristen" verwendet wurde. Hierzu
gehöre zum Beispiel Stingray,
mittels dessen man eine WLANVerbindung oder einen Funkmast
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vortäuschen kann, damit die Zielperson sie benutzt und alle Daten
ihrer Mobilgeräte, auch Gespräche, erfaßt und gespeichert werden können. Wie die Kontroverse
um die vielen Fälle erschossener
schwarzer Männer durch die Polizei in den USA zeige, sei dort
der Antiterrorkrieg längst heimgekehrt; die Ordnungshüter würden mit ausgemustertem Militärgerät aufgerüstet; die Attraktion
der Terrorbekämpfung wirke sich
bei den Sicherheitsbereichen im
Innern zersetzend auf den gesellschaftlichen Frieden aus, bemängelte Scahill. Für die deutsche
Öffentlichkeit hatte er keine beruhigende Botschaft parat. Im Gegenteil. Im EU-Vergleich leiste
sich Deutschland ein "sehr starkes
Überwachungsprogramm im Innern", das nur von demjenigen
Großbritanniens übertroffen werde, sagte er.
Als die Diskussion für das Publikum eröffnet wurde, machte der
Schattenblick auf die neo-kolonialistische, rassistische Ausrichtung des Drohnenkrieges aufmerksam und verwies auf den
Fall Raymond Davis. Im Januar
2011 war der CIA-Mann in Lahore festgenommen worden, nachdem er auf einer Straßenkreuzung
zwei Männer auf einem Motorrad
erschossen hatte. Es kam zu einem heftigen diplomatischen
Streit um seine Person zwischen
Islamabad und Washington. Nach
fast zwei Monaten in Untersuchungshaft wurde Davis Mitte
März freigelassen. Zuvor hatten
die Familien der Getöteten eine
größere Summe Blutgeld erhalten. Kaum hatte die Maschine mit
Davis den pakistanischen
Luftraum verlassen, als die CIA
einen Drohnenangriff auf ein
Treffen von Dorfältesten in NordDo, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
wasiristan durchführte und 44
Menschen tötete. Die Attacke
sorgte in Pakistan für grenzenlose Empörung. Fünf Monate später wurde ein nicht namentlich genanntes Mitglied der Obama-Regierung in einem Bericht der
Nachrichtenagentur Associated
Press mit den Worten zitiert, der
Drohnenangriff auf die Loya Jirga in Datta Khel sei "Vergeltung
für Davis" gewesen, denn "die
CIA war zornig".
Jeremy Scahill stimmte der These des rassistischen Charakters
des Drohnenkrieges der USA zu.
Die Tatsache, daß der Drohnenangriff in Datta Khel, der wie kein
zweiter Vorfall das Ansehen der
USA in der pakistanischen Öffentlichkeit beschädigt habe, weder damals noch heute in seiner
Bedeutung von den westlichen
Medien wahrgenommen worden
sei, sei empörend. Shahzad Akbar
merkte an, daß Zeit und Ort des
Treffens der Dorfältesten, bei
dem ein Streit um Abholzung im
Wald geschlichtet werden sollte,
in der ganzen Gegend um Dattel
Khel bekannt waren. Es handelte
sich um keine konspirative Zusammenkunft, sondern quasi um
eine öffentliche Sitzung. Akbar
erklärte zudem, daß es damals für
ihn und viele Pakistaner bezeichnend gewesen sei, daß es, während Davis in Untersuchungshaft
saß, praktisch zu keinen Drohnenangriffen in Wasiristan gekommen sei.
Die in Berlin lebende US-Friedensaktivistin Elsa Rassbach
wollte von den Experten wissen,
wie man den Drang der europäischen Staaten, darunter auch
Deutschland, nach Anschaffung
eigener Killerdrohnen aufhalten
könnte.
Do, 27. Oktober 2016
Chris Woods meinte darauf, es sei
zu einfach, die Verantwortung für
den ganzen Drohnenkrieg auf die
Amerikaner abzuwälzen. Seines
Erachtens seien die europäischen
NATO-Staaten über ihre Geheimdienste daran beteiligt. Inzwischen werde auch für die Europäer die außergerichtliche Tötung
der eigenen Bürger zur Alltäglichkeit. Die EU-Staaten beauftragten
die CIA mit der Erledigung ihrer
Drecksarbeit. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die erste
extralegale Tötung eines britischen Bürgers, des Al-ShaabahMitglieds Bilal Al Berjawi, 2012
in Somalia. Die Operation sei
zwar vom US-Auslandsgeheimdienst durchgeführt worden, habe
aber London und nicht Washington genutzt.
Jennifer Gibson stimmte Woods zu.
Die Europäer machten ihre eigenen
zu erledigenden Zielpersonen ausfindig, lieferten die Selector-Daten
an die CIA und überließen es ihr,
auf den Hinrichtungsknopf zu
drücken. Zu behaupten, wie es Berlin in der Vergangenheit getan habe, man übermittele Geheimdiensterkenntnisse an die CIA, ohne zu
wissen, wozu diese benutzt werden, sei nicht glaubhaft. Die Europäer mauerten nach außen hin, um
sich selbst vor Kritik zu schützen,
so Gibson. Ihr zufolge ist das eigentliche Problem nicht der Waffentyp Drohne, sondern die Tatsache, daß sich bislang kein Staat als
fähig erwiesen hat, sie verantwortungsvoll zu benutzen.
Akbar teilte die Ansicht, daß nicht
die Waffe, sondern die Praxis der
extralegalen Hinrichtung das eigentliche Übel sei. Er fand es
skandalös, daß bislang kein einziger Staat Washingtons Interpretation des staatlichen Rechts auf
www.schattenblick.de
Selbstverteidigung in Frage gestellt habe. Akbar meinte, daß der
Umstand nicht nur auf den mangelnden Willen, den Unmut der
USA auf sich zu ziehen, zurückzuführen sei, sondern daß sich die
Regierungen in anderen Staaten
die Option offenhalten wollten,
auf ähnliche Weise gegen Feinde
im Innern und im Ausland vorgehen zu können.
Chris Woods
Foto: © 2016 by Schattenblick
Jeremy Scahill warf ein, das Problem mit dem Völkerrecht sei,
daß sich die USA nur daran hielten, solange es ihnen passe. Washington vertrete eisern den
Standpunkt, daß US-Militärangehörige im Ausland Immunität genießen sollen. Dieses Denken sei
in der US-Politik so stark verankert, daß der Kongreß 2002 den
sogenannten Hague Invasion Act
verabschiedet habe. Das Gesetz
gab dem Präsidenten die Vollmacht, alle erdenkliche Maßnahmen zu ergreifen, um eine Auslieferung von US-Soldaten an das
Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag oder ihre
Verhaftung dort zu verhindern.
1984 haben die USA ihre VerurSeite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
teilung durch den Internationalen
Gerichtshof in Den Haag wegen
der illegalen Verminung der Häfen des von den sozialistischen
Sandinistas regierten Nicaragua
schlicht ignoriert und sich geweigert, an Managua die vorgeschriebene Entschädigung zu entrichten. Auch die Regierung von
Bush jun. habe sich über internationales Recht hinweggesetzt, unter anderem durch den Folter von
"Terrorverdächtigen". Solange
die anderen Staaten die USA nicht
zur Verantwortung zögen, werde
es keine Veränderung zum Besseren geben, so Scahill. Er sagte
voraus, daß sich die anderen
Großmächte wie Rußland und
China nach dem Gebaren der
USA richten würden. Das Völkerrecht sei nur so gut, wie die Staaten es beachteten und sich danach
richteten, sagte er.
In einer anderen Frage aus dem
Publikum wollte jemand unter
Verweis auf Gavin Hoods starbesetzte Kinoproduktion "Eye in the
Sky" von 2015 wissen, ob nicht
die Filmindustrie ein manipuliertes Bild der Wirklichkeit des
Drohnenkrieges erzeuge. Die Person fragte, wie der Antiterror-
krieg-Diskurs demystifiziert werden könnte, um die kriminellen
Aspekte und die dahinterliegenden Strukturen bloßzustellen.
Chris Woods erinnerte in diesem
Zusammenhang an die Formel
seines Kollegen bei Reprieve,
den bereits erwähnten Clive Stafford Smith, der seit einem Vierteljahrhundert für die Abschaffung der Todesstrafe in den USA
kämpfe, demzufolge die entscheidenden Siege auf dem Feld
der öffentlichen Meinung errungen würden. Gleichwohl sah
Woods die große Gefahr, daß der
Einsatz von Killerdrohnen zur
Alltäglichkeit werde.
Um dem entgegenzuwirken, meinte Jeremy Scahill, müsse man den
Opfern des Antiterrorkrieges sowie der anderen militärischen
Konflikte auf der Welt ein Gesicht
verleihen, so wie es die US-Medien in Fällen von Amokläufen in
Schulen bei den Betroffenen täten.
Leider würden Kriege nicht auf
dieselbe Weise von den Medien
aufgearbeitet, so Scahill. Das Leid
der Betroffenen werde ausgeblendet, während man die Waffensysteme bewundere, sagte er.
Shahzad Akbar fügte hinzu, die
Öffentlichkeit in den verschiedenen Staaten müsse den Behauptungen der eigenen Regierungen
mehr Skepsis entgegenbringen, sie
hinterfragen. Er erwähnte die Bedeutung der großen Spionage- und
Überwachungsanlage Pine Gap im
australischen Outback für die
Containment-Strategie der USA
gegenüber der Volksrepublik China und die Gleichgültigkeit der
Menschen auf dem sechsten Kontinent gegenüber dem auch von
dort ausgehendem Potential eines
militärischen Konflikts zwischen
Peking und Washington. Die Welt
stehe am Rande des Dritten Weltkrieges; wie 1914 schlafwandelten
die großen Nationen in den Untergang. Darum müßten die Menschen im Westen gegen die Tötung
unschuldiger Zivilisten im Jemen,
im Pakistan und anderswo auf die
Straße gehen. Nur so könnten sie
vielleicht das Abgleiten der Welt
in noch mehr Krieg verhindern,
meinte Akbar.
(wird fortgesetzt)
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/report/
prbe0248.html
(v.l.n.r.)
Jennifer Gibson,
Jeremy Scahill,
Sarah Harri­
son,
Shahzad Akbar
& Chris Wood
Foto:
© 2016 by
Schattenblick
Seite 10
www.schattenblick.de
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
POLITIK / REPORT / BERICHT
Menschenrechtsfreie Zone - Die Lizenz zum Töten (2)
Von Washington über Ramstein nach Sanaa:
Wie der Drohnenkrieg Recht,
Kriegsführung und Gesellschaft verändert
Diskussionsabend des ECCHR am 18. Oktober in Berlin ­ Teil 2
(SB) 26. Oktober 2016 ­ 2014 hat
Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen um
das Für und Wider einer Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen eine "gesellschaftliche Debatte" angestoßen,
deren Ausgang bereits jetzt absehbar sein dürfte. Es ist kaum
vorstellbar, daß in dieser Frage
von der Leyen, die Vordenker auf
der Hardthöhe, die Generäle und
die deutsche Rüstungslobby ein
Nein seitens der Zivilgesellschaft
akzeptieren würden. Schließlich
haben die Militaristen nur wenige
Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs die Wiederbewaffnung Westdeutschlands gegen
den Willen weiter Teile der Bevölkerung durchgedrückt. Ungeachtet der ungleichen Kräfteverhältnisse machen die Drohnenkritiker mobil. Dies wurde bei dem
spannenden, vom ECCHR veranstalteten Diskussionsabend mit
dem Titel "Von Washington über
Ramstein nach Sanaa: Wie der
Drohnenkrieg Recht, Kriegsführung und Gesellschaft verändert",
am 18. Oktober im Berliner Theater im Aufbau-Haus (TAK) deutlich.
Auch für die Einhaltung der Men­
schenrechte will geworben werden
Foto: © 2016 by Schattenblick
um die Frage an, ob Deutschland
wegen Ramstein an den Drohnenangriffen der USA beteiligt
sei, was Kritiker bejahen und
darin Beihilfe zum Mord sehen,
und fragte nach den Konsequenzen. Sollte sich die Bundesrepublik beim Thema bewaffnete
Drohnen zurückhalten oder mitmachen? Während beim Ersten
Weltkrieg alle Beteiligten förmliche Kriegserklärungen abgaben,
gebe es heute "neue Kriegsformen", die punktuell dem Terrorismus ähnelten, sagte er. Die
Grenzen zwischen Strafverfolgung und Krieg seien verwischt
worden, juristische Prinzipien
drohten auf dem Altar der militärischen Logik geopfert zu werden. Wie gehe man mit den neuen Herausforderungen um? In
Deutschland gebe es keine Todesstrafe. Die deutschen Gesetze
erlaubten kein "gezieltes Töten",
sondern lediglich im Extremfall
den sogenannten "finalen Rettungsschuß". Jeder mutmaßliche
Straftäter habe das Recht, sich
vor einem Gericht gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe öffentlich zu verteidigen.
ein, eine Diskussion zum Thema
"Die deutsche Position zum Einsatz bewaffneter Drohnen" unter
Beteiligung von Oliver Fixson,
dem Leiter des Referats Allgemeines Völkerrecht im Auswärtigen
Amt zu Berlin, Andreas Zimmermann, Rechtsprofessor an der
Universität Potsdam, und Wolfgang Kaleck, dem Generalsekretär des ECCHR und damit Gast- Als erstes bat Janisch die DiskuNach einem kurzen Intermezzo geber der gesamten Veranstaltung. tanten darum zu erläutern, in welleitete Moderator Wolfgang Jachen Kontexten feindliche Komnisch von der Süddeutschen Zei- Wolfgang Janisch sprach in sei- battanten nach dem Völkerrecht
tung den zweiten Teil des Abends ner Einleitung die Kontroverse getötet werden dürfen oder nicht.
Do, 27. Oktober 2016
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Seite 11
Elektronische Zeitung Schattenblick
Andreas Zimmermann, dessen
Spezialgebiet das Völkerrecht ist,
antwortete, es komme darauf an,
ob der Kontext ein bewaffneter
Konflikt sei oder nicht. Im Konfliktfall kann auch die Tötung von
Zivilisten zulässig sein; Kollateralschäden seien erlaubt, solange
sie nicht exzessiv ausfallen. Darum müsse immer als erstes die
Frage geklärt werden, ob man es
mit einem bewaffneten Konflikt
zu tun habe oder nicht. Befinde
man sich außerhalb eines bewaffneten Konflikts, dann habe man
sich nach den allgemeinen Menschenrechten zu richten. Um deren Aufrechterhaltung ist der für
die jeweilige Jurisdiktion verantwortliche Staat zuständig. Für ein
militärisches Eingreifen von außen in einen Konfliktfall ist normaleweise die Zustimmung des
betroffenen Staats erforderlich siehe die Einladung Syriens letztes Jahr an Rußland. Wenn der
Staat dazu aber nicht in der Lage
ist, weil er wie zum Beispiel in
Somalia praktisch aufgehört hat
zu existieren, gibt es Sonderregeln des internationalen Völkerrechts, die eine Intervention ausländischer Mächte erlauben, um
etwa eine humanitäre Katastrophe
zu verhindern.
Zimmermann kam auf den NATO-Luftangriff auf den Radiound Fernsehsender RTS 1999 in
Belgrad zu sprechen, bei dem 17
Zivilisten getötet wurden. Damals
hat die NATO die Attacke gerechtfertigt, weil ihrer Meinung
nach RTS feindliche Propaganda
verbreitet habe. Bei einer Klage
vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zwei Jahre später unterlagen die Angehörigen
der Opfer, weil weder ihr Staat,
die Bundesrepublik Jugoslawien,
noch zwei der an der Operation
Seite 12
tives Wissen um das Unrecht haben, und zweitens müsse der
Rechtsbruch gegen die Gesetze
der Bundesrepublik verstoßen.
Nur dann könnte man argumentieren und vielleicht nachweisen,
daß die deutschen Beihilfeleistenden durch ihr Handeln die Ermöglichung eines Völkerrechtsbruchs beabsichtigt hätten, so
Zimmermann.
Prof. Andreas Zimmermann
Foto: © 2016 by Schattenblick
beteiligte NATO-Mächte, Kanada
und die USA, Unterzeichnerstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention waren. Eine
Beihilfe Deutschlands beim
Kriegsverbrechen hätte in diesem
Fall nur dann vorgelegen, hätte
man beweisen können, daß die
NATO die RTS-Mitarbeiter willentlich getötet habe.
An dieser Stellte hakte Janisch
mit der Frage ein, inwieweit die
politisch Verantwortlichen in Berlin zur Rechenschaft gezogen
werden können, wenn zum Beispiel die USA vom deutschen Boden aus, wie eventuell über Ramstein im Fall der von dort koordinierten Drohnenangriffe der CIA,
völkerrechtswidrig handeln. Zimmermann meinte, hier müßten
zwei Bedingungen erfüllt werden:
erstens, die fraglichen Personen
in Deutschland müssen ein posiwww.schattenblick.de
Janisch bat Oliver Fixson um seine Meinung zu dieser schwierigen
Frage. Habe man sich in Deutschland strafbar gemacht, wenn der
BND bestimmte Mobiltelefondaten an die NSA weiterleite und
daraufhin der betreffende "Terrorverdächtige" einem CIADrohnenangriff zum Opfer falle?
Der Vertreter des Auswärtigen
Amts verwies auf laufende Prozesse in diesem Bereich, um zu
erklären, warum er nicht alles frei
kommentieren könne. Des weiteren wandte er ein, daß er nur begrenzt mit den fraglichen Protokollen der NSA-Anhörungen des
Bundestags vertraut sei. Nichtsdestotrotz stimmte Fixson im
Grundsatz den Ausführungen
Zimmermanns zu: Solange die
Bundesregierung nicht über die
konkrete Verwendung der weitergegebenen Daten bescheid wisse
bzw. nicht in die operative Planung der Drohnenangriffe eingeweiht sei, könne sie rechtlich
nicht belangt werden.
Von Janisch um seine Einschätzung gebeten, erklärte Wolfgang
Kaleck, es dürfe eigentlich keine
rechtliche Grauzonen geben,
wenn Rechtsstaaten wie die USA,
Deutschland oder Großbritannien
in einen Konflikt verwickelt seien. Wenn so etwas wie zum Beispiel bei den beiden Tschetschenienkriegen Rußlands geschehe,
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
überrasche es ihn nicht, sagte Kaleck; aber im Westen beanspruche
man, höhere rechtliche Standards
als Moskau zu befolgen, und
müsse auch daran gemessen werden.
Der ECCHR-Gründer machte
geltend, daß die Drohnenangriffe
der USA verheerende Schäden in
diversen Weltregionen anrichteten. Den Betroffenen müsse
rechtlich geholfen werden. Die
Familie Bin Ali Jaber im Jemen
zum Beispiel habe ganz klar Position gegen Al Kaida bezogen
und trotzdem zwei Angehörige
durch Hellfire-Raketen der CIA
verloren. Kaleck erneuerte die
Forderung Faisal Bin Ali Jabers,
wonach bei der Terrorbekämpfung endlich die Sprache der Gewalt durch die Sprache des Rechts
ersetzt werden müsse. Kaleck zitierte in diesem Zusammenhang
die US-Generäle Stanley McChrystal von JSOC und Michael
Flynn von der Defence Intelligence Agency (DIA), die beide
jahrelang in Afghanistan und im
Irak an der Kriegsfront gedient
haben und dabei zu der Überzeugung gekommen seien, daß die
Aufstands- bzw. Terrorbekämpfung an beiden Orten gescheitert
sei. Kaleck beklagte eine "enorme
Erosion des Rechts", die mit dem
"Antiterrorkrieg" einhergehe und
unbedingt gestoppt werden müsse, damit nicht bald überall Gesetzlosigkeit und Willkür herrschen.
Kaleck, der 2006 mit einer Klage
gegen den damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und den damaligen CIA-Chef
George Tenet weltweit für Aufsehen gesorgt hatte, erinnerte an die
nach den Flugzeuganschlägen
vom 11. September 2001 von den
Do, 27. Oktober 2016
amerikanischen Behördenvertretern begangenen Verbrechen wie
Folter und außerordentliche Verschleppung mutmaßlicher "Terroristen". Auch hier habe man inzwischen einige Verurteilungen
erzielen können. Nach Meinung
Kalecks würde sich bei all diesen
extralegalen Programmen dasselbe abspielen. Zunächst werde alles bestritten, doch peu-à-peu befaßten sich die UN-Beobachter
und internationale Menschenrechtler mit den Fällen und sorgten allmählich für die Durchsetzung der gesetzlichen Ordnung.
Entscheidend sei laut Kaleck die
Reaktion der Öffentlichkeit in
dem jeweiligen Staat. Von der öffentlichen Meinung hänge der politisch-juristische Zwang zur Rechenschaftspflicht ab.
Oliver Fixson
Foto: © 2016 by Schattenblick
Deutschlibanesen Khaled ElMasri hätten sich die deutschen
Gerichte auf diejenigen in Amerika berufen, die sich ihrerseits bis
zum Supreme Court hinauf den
vermeintlichen Erfordernissen
der nationalen Sicherheit unterordneten und alles unter den Teppich kehrten. 2015 sei auch Faisal
Bin Ali Jaber mit seinem Feststellungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Köln gescheitert,
weil sich dieses mit den US-Behörden nicht anlegen wollte.
Während die USA die Klagen der
Familien der Drohnenopfer an
sich abperlen ließen, leisteten sich
die Europäer auch viele Leerstellen - siehe das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit.
Wegen seines geschichtlichen Erbes trete Deutschland häufig als
engagierter Bewahrer der Menschenrechte auf. Darum solle
Berlin Washington endlich sagen,
wo die rechtsstaatlichen Grenzen
bei der Terrorbekämpfung laufen.
Kaleck insistierte darauf, daß die
Datenweitergabe
seitens
Deutschlands an die USA nicht
erlaubt sei, wenn die Gefahr bestehe, daß diese zum Foltern oder
zum Töten benutzt werde. Ein
Problem in den rechtlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten
Staaten sei, daß Washington in
der Frage der Bedrohung der nationalen Sicherheit die Kriterien
viel breiter auslege als Berlin,
sagte der ECCHR-Chef.
Kaleck kritisierte die mangelhafte Einhaltung der Menschenrechte durch die europäischen Staaten
im Bereich der Terrorbekämpfung. Im Falle des 2003 für mehrere Monate aufgrund einer
falschen Identifizierung in Mazedonien von der CIA zu Unrecht
nach Afghanistan verschleppten
Diese Feststellung erntete Zustimmung von Fixson, der anmerkte, aus ihrer Sicht bewegten
sich die USA stets aufdem Boden
des Völkerrechts. Was die konkrete Bedrohung betrifft, weswegen man militärisch aktiv werden
kann, habe der Caroline-Fall im
Jahr 1837 Maßstäbe gesetzt. Da-
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Seite 13
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mals hatte die britische Armee ein
mit Waffen und Munition für kanadische Rebellen geladenes
Boot gekapert, es über die Niagara-Fälle geschickt und zerstört.
Im Anschluß wurde das Handeln
der Briten als rechtens anerkannt,
denn erstens sei die militärische
Bedrohung akut und zweitens seien die ergriffenen Gegenmaßnahmen angemessen gewesen. Fixson erinnerte daran, daß vor vierzig Jahren die Bundesrepublik die
Rote Armee Fraktion (RAF) mit
polizeilichen Mitteln bekämpft
hat und somit innerhalb des Friedensrechts geblieben ist. Die USA
hätten dagegen nach 9/11 anders
reagiert und rechtliches Neuland
betreten, indem sie einem nichtstaatlichen Akteur, dem Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens, den Krieg erklärten. Ein
Problem bei dem "Antiterrorkrieg" sei, daß der Gegner der
USA und ihrer Verbündeten nicht
örtlich lokalisiert werden könne;
er verfüge nicht über einen Staat,
den man bezwingen und dessen
Territorium man einfach besetzen
könnte, sondern seine Freiwilligen agierten grenzüberschreitend
in vielen Gegenden der Welt, sei
es in einer Weltmetropole wie Paris oder einem rechtlichen Niemandsland wie Somalia.
Janisch warf die Frage auf, ob der
Westen mit dem Drohnenkrieg
rechtlich auf eine schiefe Ebene
geraten sei. Zimmermann meinte,
bei bewaffneten Drohnen müßten
genau dieselben Regeln wie bei
bemannten Kampfjets gelten. In
der Vergangenheit habe die CIA
mehrere deutsche Dschihadisten
im afghanisch-pakistanischen
Grenzgebiet mittels Drohenangriff getötet und dies mit einer
akuten Anschlagsgefahr begründet. Sollten die Angaben stimSeite 14
men, wäre aus seiner Sicht die extralegale Tötung im bewaffneten
Konflikt des "Antiterrorkriegs"
legal gewesen, erklärte Zimmermann.
und auf deren Basis der Tötungsbefehl erteilt werde oder
nicht. Dies klinge wie Hinrichtung aufVerdacht; was sagten die
Experten dazu?
Kaleck sah die Dinge anders. Er
meinte, die USA verschafften
sich Handlungsspielraum, indem
sie alles mit dem Etikett der nationalen Sicherheit versehen.
Dadurch sei eine rechtliche
Grauzone entstanden, die Menschenrechtsanwälte sehr schwer
durchleuchten könnten, weil fast
alle Entscheidungsgrundlagen
sowie Identitäten der handelnden
Akteure geheimgehalten würden.
Leider mache die Praxis der USA
in diesem Bereich Schule, deshalb rate er vom Einsatz bewaffneter Drohnen dringend ab. Unter Verweis auf seine Erfahrungen bei der Verfolgung der Verantwortlichen für das US-Folterprogramm kritisierte Kaleck die
duckmäuserische Haltung der
europäischen Politelite. Damals
habe sich die Hälfte der EUStaaten geweigert, an der Aufklärung der schrecklichen Vorgänge, die sich zum Teil auf europäischem Boden abspielten,
mitzuwirken. Für Kaleck sei es
ein unhaltbarer Zustand, wenn
Folteropfer oder Angehörige von
Zivilisten, die bei Drohnenangriffen getötet worden seien, vor
europäischen Gerichten scheiterten und dort das ihnen zustehende Recht nicht bekämen.
Zimmermann erklärte, er kenne
solche personenbezogenen Dateien nicht, aber daß das Problem
beim Einsatz von Killerdrohnen
darin bestehe, zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten zu unterscheiden. Das Problem sei auch nicht neu, sondern
ergebe sich immer wieder bei der
Aufstandsbekämpfung. Wann sei
ein Bauer ein Rebell - durchgängig oder nur wenn er eine Waffe
in der Hand habe? Die Amerikaner in Vietnam und die Sowjets
in Afghanistan schlugen sich mit
denselben Schwierigkeiten herum: wie definiert und stellt man
die "continuous combat function", die aktive Teilnahme einer
Person am Konflikt, fest? Hat ein
Dschihadist mit einer Videobotschaft im Internet einen Selbstmordanschlag angekündigt und
hält sich bei Aufständischen im
Kampfgebiet auf, dann ist er
nach Ansicht Zimmermans ein
legitimes Ziel.
Janisch brachte die Dateien von
CIA, JSOC und Weißem Haus
ins Spiel, die der US-Investigativjournalist Jeremy Scahill im erstem Teil des Diskussionsabends
zuvor erwähnt hatte, in denen jeweils eine Liste der Verdachtsmomente gegen den mutmaßlichen "Terroristen" geführt wurde
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Kaleck wandte ein, weil in der
Regel die CIA und nicht die USArmee derlei Tötunsmaßnahmen
ausführe, seien diese viel
schwieriger zu kontrollieren. Bei
einigen der getöteten deutschen
Islamisten habe im Nachhinein
niemand, auch die Gerichte in
Deutschland nicht, klar sagen
können, zu welcher "Terrorgruppe" sie überhaupt gehörten. Kaleck erklärte zudem, daß nicht
wenige der Luftangriffe der USA
im Vietnamkrieg wegen der hohen Verluste unter der Zivilbevölkerung rechtlich problematisch waren.
Do, 27. Oktober 2016
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Wolfgang Kaleck
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Fixson brachte das Kunduz-Urteil
des Bonner Landgerichts aus dem
Jahr 2013 zur Sprache. Damals
waren die Richter zu der Überzeugung gekommen, daß der
Bundeswehroberst Georg Klein
richtig gehandelt hatte, als er
2009 in Afghanistan den Luftangriff auf die gekaperten Tanklastwagen anordnete. Auch wenn damals zahlreiche Zivilisten ums
Leben kamen, handelte es sich
um einen Kampfsituation, folglich war der Angriffsbefehl legitim. Klein habe seine Sorgfaltspflicht mittels Aufklärungsmaßnahmen erfüllt. Fixson meinte, in
der Vergangenheit habe man für
einzelne Waffentypen, bestes Beispiel Streubomben, besondere
Regeln geschaffen; man sollte
vielleicht rüstungspolitische
Überlegungen anstellen, wie die
Staatengemeinschaft die VerbreiDo, 27. Oktober 2016
tung von Drohnen verhindern men wie für alle anderen Staaten
bzw. ihren Einsatz besser regeln gelten; auch das Internationale
könnte.
Komitee des Roten Kreuzes räume ein, daß sie im bestimmten
Zimmermann gab sich skeptisch Ausmaß zulässig und hinnehmbar
und erklärte, alle Staaten seien auf seien. Was die Rolle der CIA bedie Drohnentechnologie so er- trifft, so gab der Juraprofessor aus
picht, daß niemand einem Produk- Potsdam zu bedenken, daß in eitionsverbot zustimmen würde. nem bewaffneten Konflikt TötunKaleck insistierte, die von bewaff- gen durch Nicht-Kombattanten
neten Drohnen ausgehenden Ge- manchmal rechtlich zulässig sind
fahren seien so groß, daß man sich - wie zum Beispiel aktuell seitens
unbedingt für entsprechende Er- der Polizei im pakistanischen
gänzungen des Völkerrechts ein- Aufstandsgebiet.
setzen müsse. Alle drei Koryphäen waren sich jedenfalls einig, daß Jeremy Scahill ging mit der Polider "Antiterrorkrieg" die Definiti- tik Berlins hart ins Gericht, als er
on der Kampfzone unheimlich Oliver Fixson fragte, wie die
schwierig gemacht habe. Hier Bundesrepublik die USA mit ihsprach sich Kaleck für ein stärke- ren großzügigen Interpretationen
res Engagement der deutschen Po- von humanitärem Völkerrecht gelitik im Sinne der Einhaltung der währen lassen und dabei ignorieuniversellen Menschenrechte aus. ren könne, daß in Guantánamo
Bay gefoltert wird und daß mit
Als die Diskussion für das Publi- aktiver Beteiligung der CIA und
kum eröffnet wurde, wollte Peter des Pentagons von deutschen BoBecker, Jurist bei der Friedensini- den aus Streubombenangriffe in
tiative IALANA, von Fixson wis- Jemen sowie extralegale Tötunsen, ob es vielleicht geheime Zu- gen in Ostafrika und anderswo
sätze zum Stationierungsabkom- durchgeführt werden. Sei die
men mit den USA gebe, welche Souveränität Deutschlands nicht
für die Nutzung von Ramstein bei einfach eine Fiktion, wollte ScaCIA-Drohnenangriffen bzw. die hill wissen.
rechtliche Bewertung derselben
relevant wären. Becker bemän- Fixson stimmte Scahill zu, daß
gelte zudem, daß es die große Ko- Verschleppungen und Folter nach
alition trotz Anfrage bislang ver- deutschem und internationalem
säumt habe, dem Bundestag die Recht illegal seien. Die Bundes"battle damage assessments" aus republik dürfe ihr Territorium daAfghanistan vorzulegen. In Erwi- für nicht benutzen lassen. Was die
derung erklärte Fixson, er kenne extralegale Hinrichtungen betrefsolche Zusatzprotokolle nicht und fe, so müsse man, egal wie man
was die "battle damage as- über das Handeln der USA denke,
sessments" betreffe, sollte die die Einzelfälle gesondert behanFrage danach im Bundestag neu deln und analysieren. Fixson trat
gestellt werden, um die Herausga- dafür ein, die rechtlichen Argube zu erwirken.
mente der USA ernst zu nehmen.
Washington beobachte das interZimmermann wandte an der Stel- nationale Recht, lege es jedoch
le ein, daß bei Kollateralschäden nach eigenem Gutdünken aus,
für Deutschland dieselben Nor- räumte er ein.
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Seite 15
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(v.l.n.r.) Oliver Fixson, Andreas
Zimmermann, Wolfgang Janisch
& Wolfgang Kaleck
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Auf den Einwurf Scahills, die
USA hätten sich längst diskreditiert, man dürfe ihnen nicht dauernd alles durchgehen lassen,
gab Fixson zu bedenken, daß
Berlin auf gute Beziehungen zu
Washington angewiesen sei, weil
die Vereinigten Staaten ein
"wichtiger Partner" Deutschlands seien. Als die Diskussion
durch den Disput zwischen Fixson und Scahill auf dem steinigen Boden der Realpolitik zu
zerschellen drohte, wartete der
pakistanische Anwalt Shahzad
Akbar mit einem einleuchtenden
Verweis auf die Situation in seinem Heimatland auf. 2011 habe
die pakistanische Regierung sowohl gegenüber dem pakistaniSeite 16
schen Parlament als auch gegenüber einem Gericht in Peshawar
erklärt, daß Islamabad Washington niemals ein grünes Licht für
Drohnenangriffe der CIA im
Grenzgebiet zu Afghanistan gegeben habe. Gleichzeitig scheuten sich die politisch Verantwortlichen in Islamabad bis
heute aus Angst vor negativen
Reaktionen, die USA wegen der
ständigen Verletzungen der pakistanischen Souveränität vor
den UN-Sicherheitsrat zu zitieren. Mit dieser ernüchternden
Anekdote fand der formelle Teil
der gelungenen Veranstaltung ihr
Ende. Im Foyer des TAK gingen
jedoch bei Bier und Wein die
Gespräche munter weiter.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/report/
prbe0249.html
www.schattenblick.de
SCHACH - SPHINX
Narren der Raffgier
Der schlimmste Verrat ist
die Habgier. Nie gibt man, ohne
den Gegenwert des Nehmens fest
ins Auge zu fassen. Jedes Staubkorn wird so zum beherrschenden
Universum im Kopfdes Buchhalters im Menschen. Skrupel, dem
Materiellen einen unermeßlichen
Stellenwert im Gefüge seines Denkens einzuordnen, beschleichen
ihn selten. Mur dann, wenn der
Gewinn nicht zu Buche schlägt,
sondern vielmehr zum Stolperstein
wird für die eigene Niederlage.
Möglicherweise geben im Leben
wie auch im Schachspiel andere
Kräfte den Ausschlag als der primitiv atavistische Griffnach dem
Besitz. "Zustand", so belehrte
schon Goethe alle Narren der Raffgier, "ist ein albernes Wort; weil
(SB) ­
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
nichts steht und alles beweglich
ist". Meister Taimanow hatte seinen Goethe jedoch nicht gelesen,
und so verschlang er im heutigen
Rätsel der Sphinx nach dem letzten
weißen Zug 1.h2-h4 in blinder Rage mit 1...Dg5xg2? den mickrigen
weißen g-Bauern. Daß er seine Dame damit auf ein ungedecktes Feld
stellte, während 1...Dg5-g4! die
Balance der Stellung gehalten hätte, begriff er erst nach dem starken
Antwortzug Cholmows. Nun,
Wanderer, wie rächte sich die Lust
am Raub am Räuber selbst?
Cholmow - Taimanow
Leningrad 1967
Auflösung letztes Sphinx­Rätsel:
POLITIK / KOMMENTAR / KULTUR
Stets auf Kosten des anderen ...
Unterwerfung in der "Spaßgesellschaft"
(SB) 26. Oktober 2016 ­ Wer er-
innert sich noch an Happy Slapping? Ganz so glücklich waren
die Opfer der Attacken Jugendlicher, die den Spaß mit ihren Handys aufzeichnen und im Netz präsentieren wollten, meist nicht.
Ohnehin waren die Betroffenen
nur Requisiten einer Staffage, in
der sich die Akteure auf ihre Kosten beglückten. Die beiden
16jährigen Kölner Schüler jedenfalls, die 2008 in mindestens sieben Fällen schlafende Wohnungslose überfielen, mit Urin übergossen, traten und demütigten, um
die dabei gemachten Videos ins
Netz zu stellen, hatten begriffen,
daß soziale Verachtung das Gelbe
vom Ei testosterongesättigter Erregung ist. Die vielzitierte "Spaßgesellschaft" war für diejenigen,
die als sozial Abgehängte nichts
zu Lachen haben, noch niemals
witzig, müssen sie sich doch des
Vorwurfes erwehren, selbst mit
staatlich gewährter Mangeldiät
noch "über ihre Verhältnisse" zu
leben. So tragen Angriffe auf Obdachlose oder Behinderte bis heute auch deshalb zur Unterhaltung
bei, weil sie der sozialhygienischen Logik des neoliberalen Almosenstaates entsprechen und
kaum einen der vielbesagten Aufschreie der Empörung hervorrufen.
Man muß das Überflüssige eben
mit dem Reibeisen bearbeiten:
1.f6-f7! Tf8xf7 2.Tf1xf7 De8xf7
3.Dg5-e5+ Df7-g7 4.De5-b8+!
Le6-g8 5.Db8xg8+! Dg7xg8
6.Se7xg8 und plötzlich glänzt das
Metall hell auf. Auf 6...Kh8xg8
geht der weiße Bauern mit 7.c5c6 in eine neue Dame. Also spielte Meister Kavalek, ohne zu überlegen, 6...b5-b4. Doch der Weg
des schwarzen Freibauern war
lang, länger als der des weißen
Springers nach 7.Sg8-f6!
Sich an "Losern" schadlos zu halten war schon immer eine nahehttp://www.schattenblick.de/
liegende Idee, wenn der Druck
infopool/schach/schach/
der Verhältnisse auf den Knochen
sph06000.html
lastet und die soziale Entwertung
Do, 27. Oktober 2016
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am Selbstbewußtsein nagt. Wer
möchte schon Popanz im sozialdarwinistischen Rudeltreiben
sein, wer erträgt es leichten Herzens, daß die anderen über ihn
oder sie kaum versteckt lachen
oder Witze machen? '"Humor ist,
wenn man trotzdem lacht" - die
bittere Realität allgemeiner Erheiterung liegt darin, daß sie immer auf Kosten irgendeines anderen geht, der oder die dann "gute
Miene zum bösen Spiel" macht,
um nicht vollständig als "Miesmacher" oder "Spielverderber"
abgestraft zu werden.
Das von den Boulevardmedien
genüßlich aufgegriffene wie moralinsauer verurteilte Treiben sogenannter Horror- oder Gruselclowns ist mithin nicht so weit
von der sozialen Strategie entfernt, sich in die Position zu bringen, den anderen zur "Lachnummer" zu machen, anstatt selbst im
sozialen Hauen und Stechen ins
Visier der Alpha-Männchen und
ihrer Entourage zu geraten. Wie
sagt es Dieter Seeger, Vorsitzender des nun um das Ansehen des
ganzen Berufsstandes professioneller Spaßmacher fürchtenden
Verbandes Deutscher Zirkusunternehmen, doch so treffend: "Mit
einem Clown soll eigentlich
Spaß, Freude und Tollpatschigkeit assoziiert werden. Über ihn
soll man lachen." Was als Inszenierung für den hinter der Maske
steckenden Darsteller unproblematisch ist, weil er nicht gemeint
ist und im besten Fall dem PubliSeite 17
Elektronische Zeitung Schattenblick
kum einen entlarvenden Spiegel
vorhalten kann, ist von der grausamen Realität der Ausbeutung
und Anprangerung menschlicher
Schwächen nicht zu trennen. Jemanden zur Erheiterung vorzuführen gelingt nur aus einer Position der Stärke heraus, die nicht
selten in einem tiefverwurzelten
Konsens der Ablehnung bestimmter Verhaltensweisen und
Lebensformen wurzelt.
Es ist denn auch kein Zufall, daß
Angehörige ethnischer oder nicht
der heterosexuellen Norm entsprechender Minderheiten, körperlich oder geistig behinderte
Personen und andere Menschen,
die sich nicht adäquat verteidigen
können, zu den bevorzugten Zielen kollektiven Spottes werden.
Sich schadlos an den Problemen
anderer zu halten funktioniert am
besten, wenn diese sich in einer
unterlegenen Position befinden,
und das trifft in der Regel nicht
auf maskuline Herrenmenschen,
sondern Frauen, Ältere oder auch
Tiere zu. Die Zahl wortassoziativer Schmähungen, die feminine
oder animalische Zuschreibungen
zum Zweck des Verächtlichmachens einsetzen, ist Legion.
Kaum jemand denkt darüber
nach, was es über den Affen sagt,
daß jemand zu ihm gemacht werden kann. Die schmerzhafte Zurichtung von Elefanten, die Menschen körperlich haushoch überlegen sind, zum braven Männchenmachen oder anderen Kunststücken mit häufig devoter Pointe ist ein weiteres Beispiel dafür,
daß es in der sozialen Arena im
Kern um Dominanz und Unterwerfung geht.
die gemeinten Menschen trifft,
sondern Rassismus und Sexismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie zur sicheren Bank gewalttätiger Mehrheiten erklärt.
Mehr Empfindsamkeit für das,
was den anderen im Überschwang
der Heiterkeit angetan wird, trüge
viel dazu bei, daß vielleicht auch
einmal die Herren der Schöpfung
von ihrem hohen Roß, das sie
nicht danach fragen, ob es sie
überhaupt tragen möchte, herunterkämen. Wo das Lachen über
Ungeschicklichkeiten und Peinlichkeiten zum Volksvergnügen
der You Tube- und Facebook-Gesellschaft wird, sind Horrorclowns nicht fern. Die schon
dabei zu Tage tretende Gewalt
läßt ahnen, daß sie gegenüber
dem offenen Blutvergießen im
Nicht das durch protestantische Bürgerkrieg das kleinere Übel ist.
Strenge gebeugte Haupt oder moralinsaure Spaßfreiheit sind die http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/kommen/
Antwort aufeinen Humor, der mit
sele1002.html
kategorialen Anwürfen nicht nur
rätselhaft, wie es erscheint. Abgesehen von zahlreichen Vorbildern
aus dem Genre des Horrorfilms, die
dabei Pate stehen könnten, entspricht es der Absicht eines verletztenden Lachens oder diskriminierenden Witzelns. Die dabei hervortretende Aggressivität wird
meist nicht beim Namen genannt,
weil die Betroffenen doch "Spaß
verstehen" sollen, um nicht Schlimmeres befürchten zu müssen. Wie
blutig dieser Spaß werden kann,
zeigt sich immer dann, wenn die
Quälerei zur physischen Verletzung
ausartet oder sich Betroffene umbringen, weil sie nicht mehr wissen,
wie sie mit einer Ablehnung, die im
Gewand humorigen Spaßes um so
schwerer als solche zu demaskieren
ist, umgehen sollen.
POLITIK / SOZIALES / INTERNATIONAL
poonal ­ Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Afrika / Haiti / Mexiko
Überfüllte Flüchtlingsunterkünfte in Baja California
(Mexiko­Stadt, 13. Oktober
2016, desinformemonos­poonal)
Organisation für Migration
(IOM) in Mexiko bei einer Pressekonferenz in den Räumen der
mexikanischen Migrationsbehörde INM (Instituto Nacional de
Migración).
- Die Flüchtlingsunterkünfte in
Tijuana, im Bundesstaat Baja
California im Nordwesten Mexikos, sind überfüllt. Es fehlt an
Platz für Migrant*innen und GeDas unvermittelte Aufkommen ei- flüchtete aus Haiti und aus Afri- "Wir wissen noch nicht, wie lannes Phänomens wie das der Hor- ka, so Christopher Gascón, Be- ge diese Situation andauern wird
rorclowns ist denn auch nicht so auftragter der Internationalen und wie viele Menschen kommen
Seite 18
www.schattenblick.de
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
werden", erklärte Gascón. Laut
Gascón müssen Maßnahmen
und Räumlichkeiten optimaler
genutzt werden, um den Menschen helfen zu können, die als
Opfer des Hurrikans Matthew
aus Haiti oder aufgrund von
Gewalt und Armut aus afrikanischen Ländern kommen.
Von Seiten der US-amerikanischen Behörden sei auch eine
größere Hilfsbereitschaft gefordert, um die überfüllten Unterkünfte in Baja California etwas zu "entlasten".
Prekäre Lage in Tijuana
Aufgrund der Überfüllung der
Unterkünfte waren einige Migrant*innen gezwungen zu betteln und auf der Straße zu
schlafen. Es wird geschätzt,
dass noch weitere 6.000 Migrant*innen kommen könnten
zusätzlich zu den 9.000 Menschen, die sich schon seit rund
fünf Monaten in Tijuana aufhalten.
Das Stadtzentrum und der Norden von Tijuana, wo sich der
Großteil der Asylsuchenden
aufhält, werden in manchen
Kreisen schon als "schwarze
Stadtviertel" bezeichnet.
Die Vereinigten Staaten hatten
ein zeitlich befristetes Aussetzen der Abschiebung von Personen aus Haiti angekündigt,
die sich wegen der Naturkatastrophe durch Hurrikan Matthew illegal in den USA aufhalten, sobald sich die Situation in
Haiti jedoch Ort verbessere,
solle die reguläre Abschiebungspolitik allerdings wieder
fortgesetzt werden.
Do, 27. Oktober 2016
Fremdenhass gegenüber
Migrant*innen
Die Migrant*innen kommen vor
allem aus dem Kongo, aus Bangladesch, Sri Lanka, Angola,
In kürzlich erschienenen Veröf- Äthiopien, Nigeria sowie aus dem
fentlichungen der extrem rechten Sudan, aus Haiti und aus Kuba.
Gruppierung Nationalistische
Front Mexikos (Frente Nacionalista Mexicano) werden Ankunft URL des Artikels:
und Aufenthalt der Migrant*in- https://www.npla.de/poonal/uenen aus Haiti und Afrika abge- berfuellte-fluechtlingsunterlehnt, da sie den Mexikaner*in- kuenfte-in-baja-california/
nen die Arbeitsplätze wegnähmen
und es keinen Grund gäbe, warum
sie in Mexiko aufgenommen wer- Der Text ist lizenziert unter Creaden sollten.
tive Commons NamensnennungWeitergabe unter gleichen BedinAuf ihrer Facebook-Seite schrieb gungen 4.0 international.
die Gruppierung, dass es keinen https://creativecommons.org/liGrund gäbe, die Menschen aus censes/by-sa/4.0/
Haiti in Mexiko aufzunehmen, da
in ihrer "Kultur" satanische Kul*
te und Tieropfer gepflegt würden
und es ihre Bestimmung sei, in Quelle:
Schmutz und Elend zu leben. poonal - Pressedienst lateinameDeshalb werde die Nationalisti- rikanischer Nachrichtenagenturen
sche Front Mexikos alle friedli- Herausgeber: Nachrichtenpool
chen und legalen Wege ausschöp- Lateinamerika e.V.
fen, damit diese Menschen wieder Köpenicker Straße 187/188,
zurück in ihre Heimat abgescho- 10997 Berlin
ben werden.
Telefon: 030/789 913 61
E-Mail: [email protected]
Die Nationalistische Front Mexi- Internet: http://www.npla.de
kos bezeichnet sich selbst als "eine Bewegung der nationalen http://www.schattenblick.de/
Identität", da sie die mexikaniinfopool/politik/soziales/
sche Identität ohne Ausnahme
psi00207.html
achte.
Tapachula: Fehlende Versorgung in der Aufnahmestation
für Migrant*innen
Mehr als 20.000 Afrikanerinnen
und Afrikaner sind in der Aufnahmestation für Migrant*innen in der
Stadt Tapachula im Bundesstaat
Chiapas im Süden Mexikos gestrandet, wo sie auf Papiere warten,
damit sie auf dem Weg in die USA
frei durch Mexiko reisen können.
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von Schattenblick
Seite 19
Elektronische Zeitung Schattenblick
UMWELT / BRENNPUNKT / GEFAHR
Brandsatz Fukushima - der Entsorgungslimbus ...
Viele kleine Asse ...
Zwischenlager mit Dekontaminationsmaterial in der Provinz Fukushima
drohen ihrerseits zur Quelle von radioaktiven Kontaminationen zu werden
werden aufgrund der starken, küstennahen Strömung rasch verteilt,
aber sie ist damit nicht aus der
Welt. Indes versuchen die AkwBetreibergesellschaft Tepco und
die japanische Regierung den Eindruck der Harmlosigkeit dieser
permanenten Kontaminationsquellen zu erwecken.
Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick
Nach der
Zerstörung des Akw Fukushima
Daiichi am 11. März 2011, zunächst durch ein Erdbeben, dann
einen Tsunami, entstanden radioaktive Wolken, die sich als
Fallout auf Land und Leute legten. Zum Glück für die Bevölkerung drehte der Wind und kam
schließlich vorwiegend aus westlicher Richtung. Dadurch wurden
die radioaktiven Partikel hinaus
auf den Pazifischen Ozean getragen. Der hat ein so enormes Volumen, daß die Radioaktivität extrem verdünnt wurde.
(SB) 26. Oktober 2016 ­
Ähnliches gilt für die 300 bis 400
Tonnen an Grund- und Löschwasser, die Tag für Tag unterhalb des
zerrütteten Akw-Komplexes entlangfließen, sich dort mit Radionukliden aufladen und durch den
Meeresboden in den Pazifik dringen. Auch diese Strahlenteilchen
Seite 20
Auch wenn die Verstrahlung der
Landfläche noch viel schlimmer
hätte kommen können, steht Japan
nun vor der unlösbaren Aufgabe
der Dekontamination. Manche Befürworter der Kernenergie erklären, daß die Zerstörungen durch
Erdbeben und Tsunami ungleich
größer ausgefallen waren als durch
die Havarie des Atomkraftwerks.
Dieser Behauptung muß entgegengehalten werden, daß die Schäden
durch Erdbeben und Tsunami voraussichtlich in ein, zwei Jahrzehnten behoben sind, die radioaktive
Strahlung bis dahin jedoch nur partiell abgeklungen ist. So wurden
durch den Dreifach-GAU im Akw
Fukushima-Daiichi auch große
Mengen des langlebigen Radionuklids Cäsium-137 (Halbwertszeit
30 Jahre) freigesetzt.
"Die Folgen von Fukushima werden noch Jahrhunderte andauern",
sagt Heinz Smital, Kernphysiker
und Atomexperte der Umweltorganisation Greenpeace, laut der
Website scinexx.de. "Hunderttausende Menschen sind betroffen,
www.schattenblick.de
weite Regionen an der Ostküste
Japans bleiben radioaktiv belastet." [1]
Ein Großteil der waldreichen Fläche der Provinz Fukushima, in
der - abgesehen vom Pazifik - am
meisten radioaktiver Fallout eingetragen wurde, kann gar nicht
dekontaminiert werden und wird
auch noch in über 100 Jahren eine permanente Strahlengefahr
darstellen. Darüber hinaus werden die Kosten zur Beseitigung
der Verstrahlung mit der Zeit
nicht sinken, sondern von jährlich
derzeit rund 700 Mio. Euro auf
mehrere Milliarden Euro zunehmen, wie der japanische Industrieminister Hiroshige Seko am
Dienstag mitteilte. [2]
Vor diesem Hintergrund werden
erneut Probleme mit den etwa ein
Kubikmeter großen Plastiksäcken
gemeldet, in denen das bei den
Dekontaminationsarbeiten anfallende radioaktive Material (Erde,
Blätter, Hausrat, etc.) verbracht
und auf zahlreichen kleinen und
größeren, meist ländlichen Abstellflächen gesammelt wurde.
Durch das hohe Gewicht der teils
mehr als fünf Schichten übereinander lagernden, mit Erde gefüllten Säcke könnte mancherorts der
zuvor leicht aufgeschüttete Lageruntergrund so stark zusammengedrückt worden sein, daß
sich Senken gebildet haben, beDo, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
schwemmungen wurden schon
Dutzende von ihnen aufgerissen
und davongespült. Regen, Schnee
und Frost sorgen auf jeweils eigene Weise für eine Beanspruchung
des Materials und selbst Sonnenschein bildet eine Gefahr, denn in
Folge von Verdunstungsprozessen können radioaktive Partikelströme aus dem Innern an die
Oberfläche der wasserdurchlässigen oder eingerissenen Säcke
wandern und dort vom Wind abgetragen werden.
Vollständiger Abschluß des Dekontaminationsmaterials von der
Umwelt zweifelhaft.
Temporäres Lager in der Provinz Fukushima, 14. Dezember 2012
Foto: © Ricardo Herrgott (GLOBAL 2000), freigegeben als CC BY­
ND 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by­nd/2.0/] via Flickr
wurden, daß von ihnen nichts
nach außen dringen kann. Aber
das scheint genauso Wunschdenken zu sein wie die Erklärung,
daß Atomkraftwerke sicher sind.
Niemand weiß, wie es in der Mitte und unterhalb der temporären
Lager aussieht. Gut vorstellbar,
daß erst nach deren Räumung
Leckagen und Strahlenverseuchungen entdeckt werden. Ebenso gut vorstellbar, daß dann der
besorgten Bevölkerung mitgeteilt
wird, daß die ausgetretene Strahlenmenge sehr gering sei und man
schon eine Lösung für das Problem, mit dem niemand gerechnet
habe, parat hat. Die "Lösung" bestehe nun darin, den verseuchten
Nach Überprüfung von 34 der Untergrund abzutragen und das
insgesamt 106 temporären Lager, Erdreich in Säcken zu lagern ...
die zwischen 2012 und 2015 angelegt wurden, forderte die Kom- So sicher, wie die temporären Lamission das Umweltministerium ger, die eigentlich nur auf höchauf, zusätzliche Sicherungsmaß- stens drei Jahre ausgelegt sind,
nahmen in Erwägung zu ziehen. bezeichnet werden, sind sie nicht.
Das Ministerium wiederum er- Die Säcke sind Wind und Wetter
klärte, daß die Lager so gebaut ausgesetzt. Bei Sturm und Überfürchtet eine Überprüfungskommission der Regierung. In den
Senken hätte sich womöglich
Wasser gesammelt, aber das sei
von außen nicht nachweisbar, berichtete "Asahi Shimbun". [3] Zudem sind manche der verwendeten Säcke nicht wasserdicht. Die
Lager wurden zwar teilweise
nach oben und unten mit einer angeblich wasserdichten Folie bedeckt, so daß das Wasser in spezielle Auffangbecken am Rand
der Lager fließen kann. Aber
wenn sich dort kein Wasser sammelt, dann liegt es möglicherweise daran, daß es in die Mitte des
Lagers geflossen ist.
Do, 27. Oktober 2016
www.schattenblick.de
Somit bleibt ungewiß, ob nach der
Räumung der Lager auf der ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Fläche wieder Nahrungsoder Futtermittel angebaut werden können, wie es die Regierung
ursprünglich behauptet hat, oder
ob sich die Befürchtung mancher
Landbesitzer bewahrheitet, daß
ein Problem das nächste gibt und
sie ihr Land dauerhaft verloren
haben.
Unterdessen wird unter Berufung
auf einen Bericht in dem Lokalblatt "Hokkaido Shimbun" gemeldet, daß der Vorsitzende der
behördlichen Schilddrüsen-Untersuchungskommission, Dr. Kazuo Shimizu, Professor Emeritus
der Nippon Medical School, seinen Posten aufgegeben hat. Demnach soll er nicht mit der Aussage aus einem Interimsbericht,
demzufolge es "unwahrscheinlich" ist, daß die vermehrten Fälle von Schilddrüsenkrebs in der
Präfektur Fukushima strahleninduziert sind, einverstanden sein.
In einer ersten Untersuchungsrunde waren etwa 380.000 Personen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Fukushima-Katastrophe
18 Jahre oder jünger waren und in
der Präfektur Fukushima gewohnt haben, einer SchilddrüSeite 21
Elektronische Zeitung Schattenblick
von ihren Erfahrungen mit der
Informationspolitik der Regierung. Wenn ein Journalist eine
Frage stelle, die einen empfindlichen oder sensiblen Bereich
berühre, werde sogar direkt zugegeben: "Diese Information ist
nicht für die Öffentlichkeit bestimmt." Oftmals jedoch verheimlichten Regierung oder
Tepco die Informationen gar
nicht direkt, sondern brächten
sie lediglich nicht an die Öffentlichkeit, lieferte Oshidori
ein treffendes Beispiel für die
Feinheiten der Informationspolitik ihres Landes.
Prof. Toshihide Tsuda von der
Okayama University ist Hauptau­
tor einer breit diskutierten Studie,
in der von einem 20­ bis 50fachen
Anstieg von Schilddrüsenkrebs
bei Heranwachsenden in der Pro­
vinz Fukushima berichtet wird.
Foto: © 2016 by Schattenblick
senuntersuchung unterzogen
worden. Von diesen wurden 174
Personen mit Schilddrüsenkrebs
oder Verdacht auf Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Aufgrund
seiner langjährigen Erfahrung als
Arzt sei eine solche Häufung von
Vorfällen unnatürlich und könne
nicht mit dem Satz, "es ist unwahrscheinlich, daß dies von
Strahlung verursacht wurde", abgetan werden, sagt Shimizu inzwischen. [4]
Sein Unbehagen als Leiter der
Untersuchungskommission hatte sich schon im Mai vergangenen Jahres gezeigt, als er von der
bekannten, atomenergiekritischen Journalistin Mako Oshidori interviewt wurde. Auf die
Frage, ob die vielen Schilddrüsenkrebsfälle wirklich nur auf
Seite 22
die vermehrte Diagnose zurückzuführen seien, wie behauptet
werde, erklärte der Experte, er
befände sich nicht in der Position zu sagen, daß die Fälle nicht
auf die vermehrte Diagnose zurückgehen. Auch wenn es ihm
schwer falle, dürfe er als Leiter
des Unterausschusses nicht die
Ansichten der verschiedenen
Seiten bewerten. Er könne seine
Meinung deutlicher sagen, wenn
er nicht zum Vorsitzenden jenes
Unterausschusses gewählt worden wäre. [5]
Nichts sagen können ... auf solche und ähnliche Aussagen stößt
unvermeidlich, wer mehr über
die Folgen der Fukushima-Katastrophe in Erfahrung bringen
will. Beispielsweise schilderte
Mako Oshidori im Februar dieses Jahres am Rande eines Kongresses der deutschen Sektion
der Organisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. Ärzte in
sozialer Verantwortung) im Gespräch mit dem Schattenblick
www.schattenblick.de
Wie wir an früherer Stelle berichteten, sollen die Säcke mit
Dekontaminationsmaterial in
ein zentrales Zwischenlager gebracht werden. Ein Teil des
Strahlenmülls wird zuvor verbrannt; dessen radioaktive
Asche kommt dann ebenfalls in
das Lager. Die Pläne sehen vor,
daß nach 30 Jahren ein Teil des
Strahlenabfalls im Straßenbau
verwendet wird. Bis dahin
könnte in Japan an den vielen
temporären Lagern im kleinen
Maßstab das geschehen, was
derzeit im deutschen Endlager
Asse passiert: Grundwasser
wird radioaktiv verseucht, und
niemand kann den Prozeß aufhalten. Möglicherweise bilden
die temporären Sammelstellen
in der Provinz Fukushima jetzt
schon viele kleine "Asse".
Man hat es bei der Atomenergie
prinzipiell mit einem ständigen
Wechsel von Aufkonzentration
und Verteilung der Radioaktivität zu tun, angefangen von den
ersten Schritten der Urangewinnung bis zu den letzten
Schritten der Endlagerung.
Kontrollverlust entlang der geDo, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
KINDERBLICK
Alles für die Biene nicht für den Zivilgebrauch ...
Die Honigbiene lebt fast nur noch
als Imkerbiene
(SB) 26. Oktober 2016 ­ Wenn in
Auf Pressekonferenzen machen sich Mako Oshidori mit ihren
hartnäckigen Nachfragen und Ken Oshidori, der dies mit dem
Fotoapparat dokumentiert, manchmal unbeliebt ­ als Komikerpaar
auf der Bühne sorgen sie dagegen regelmäßig für Lacher.
Foto: © 2016 by Schattenblick
samten Produktionskette ist der
Technologie der Kernspaltung
immanent, und er ist gefährlich.
Daß die japanische Regierung
trotz der Erfahrung eines Dreifach-GAUs etwas anderes behauptet und auch vor einer UmInterpretation der Ergebnisse
epidemiologischer Untersuchungen zu Schilddrüsenkrebs
nicht zurückschreckt, ist als
Hinweis auf die Absicht zu verstehen, die Atomwirtschaft wieder zu stärken, gleichzeitig den
Sicherheitsstaat auszubauen
und sich den Zugang zu einer
militärischen Nutzung der
Kernspaltung zu bewahren.
Anmerkungen:
[1] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-19950-2016-0311.html
[2] http://www.reuters.com/article/us-tepco-fukushima-idUSKCN12P1JR
[3] http://www.asahi.com/ajw/articles/AJ201610210044.html
[4] tinyurl.com/za6nadb
[5] http://fukushimavoice-eng2.
blogspot.de/2015/08/oshidorimako-interviews-experts.html
http://www.schattenblick.de/
infopool/umwelt/brenn/
ubge0021.html
Liste der neuesten und tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ...
Interviews ... Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ...
Tips und Veranstaltungen ...
http://www.schattenblick.de/infopool/infopool.html
Do, 27. Oktober 2016
den Gärten, Parks, Wiesen und
Feldern Bienen fliegen, so gehören sie fast immer einem Imker.
Nachdem sie Nektar und Pollen
gesammelt haben, kehren sie zurück in ihren Bienenstock. Der
befindet sich in einem vom Imker
aufgestellten Bienenkasten, in
den die Bienen an eckigen Wabenrähmchen ihre Brut- und Vorratszellen aus Wachs gebaut haben. Sie liefern den gesammelten
Pollen ab, der in den Zellen der
Waben verstaut wird.
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Bienen lebten einst ganz anders ...
Doch das war nicht immer so.
Bienen gibt es schon sehr, sehr
lange. Forscher gehen davon aus,
dass sie bereits vor 20 Millionen
Jahren auf der Erde lebten. Ursprünglich bauten sie ihre Waben
in hohlen Baumstämmen und den
Honig nutzten sie als Nahrung
und Vorrat für den Winter. In die
Brutzellen legten sie ihre Eier, in
denen Arbeiterinnen und Drohen
heranwuchsen und auch immer
wieder ein paar Königinnen. Man
kann den Bienenstock als Heimstatt der Bienen ansehen, der in
erster Linie der Fortpflanzung
dient. Es handelt sich also um den
Nestbau der Bienen.
So eine Baumhöhle hat dicke
Wände, die gut isolieren. Das
schützt vor Überhitzung und zu
Seite 23
Elektronische Zeitung Schattenblick
Foto links: 1959
[Public domain],
via Wikimedia Commons
Foto rechts: 1790 by
Anton Janscha [Public domain],
via Wikimedia Commons
starker Abkühlung und hilft den
Bienen die geeignete Temperatur
im Stock zu halten. Das Holz einer Baumhöhle, die meist in toten
Bäumen angelegt wird, kann viel
Wasser aufnehmen, ohne dabei zu
schimmeln. Das ist wichtig für
die Bienengesundheit. Außerdem
ist in so einer Baumhöhle auch
noch Platz für kleine Mitbewohner. Der Bücherskorpion nistet
sich gern in den Nischen der rauhen Oberfläche des Holzes ein
und frisst gut und gerne 6 bis 8
Varroamilben am Tag. Für die
Bienen ist das ein Segen, denn die
Varroamilbe ist ihr ärgster natürlicher Feind. Doch auch die Roten Waldameisen sind gern gesehene Wohngenossen. Wo sie auftauchen, sorgen sie für eine Entfeuchtung des Bienenstocks auch das hilft den Bienen dabei,
für ein gutes Klima in ihrem Nest
zu sorgen.
deckten, so hoben sie ihn ganz
und gar aus und verschlangen ihn
mit Honigwaben, Bienen, Brut
und allem was sich dort drinnen
befand. Als viel später auch die
Menschen Geschmack an Honig
bekamen, machten sie sich aufdie
Suche danach. Die Bienennester
gab es an den verschiedensten Orten, manche in Bodennähe oder
aber hoch am Baum. Die sogenannten Honigjäger spürten die
Bienenstöcke auf und raubten den
Honig.
Vor ungefähr 150 Jahren wandelte sich die Imkerei zu einer
modernen Honigproduktion
Dabei ging es nicht in erster Linie
um das Wohl der Bienen, nicht
darum, ihnen eine gute Behausung zu bieten, sondern um eine
reiche Honigernte für die Menschen zu erwirtschaften.
Schon im Altertum hat der
Mensch den Bienen den Honig
geraubt. Um ihn besser absammeln zu können, erdachte man
sich viele Methoden und so wurden Bienenbehausungen gebaut,
die es möglich machten, den Honig leicht aus dem Stock zu entfernen. Zunächst waren es einfache Kästen aus Holz.
Die Bauweise der Bienenkästen
veränderte sich ständig. Einige
Wenn Bären oder andere Tiere, wurden den Baumhöhlen nachdie Gefallen am Honig fanden, empfunden, entweder direkt als
einen Bienenstock im Baum ent- Baumstamm oder aber in Form
Seite 24
von Bienenkörben, die aus Stroh
gefertigt wurden. Doch die Nachfrage nach Honig wuchs und es
wurde weiter daran gearbeitet,
den Bienenvölkern einfacher ihren Honig abnehmen zu können.
Mittlerweile sind die Bienen zu
richtigen Nutztieren des Menschen geworden.
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Foto: 2006, by Daniel Feliciano
[Public domain], via Wikimedia
Commons
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
In der modernen Imkerei, deren
erste Anfänge man ungefähr vor
150 Jahren annehmen kann, bedient man sich heutzutage ganzer
Bienenkastensiedlungen. Man
nennt sie auch Magazinbeuten.
(Eine 'Beute' ist eine Bienenbehausung). Im Unterschied zu früheren Zeiten sind diese Magazinbeuten gut zu transportieren, da sie
aus einzelnen Modulen aufgebaut
sind. Dadurch erinnern sie ein wenig an Hochhaussiedlungen. Sie
werden beispielsweise an Rapsfeldern aufgestellt und können dann
auch an andere Orte verfrachtet
werden, an denen die Bienen ihre
Arbeit, das Pollensammeln und
Bestäuben, übernehmen sollen,
zum Beispiel in Obstanbaugebieten. Man könnte es bereits als eine
Form der Massentierhaltung betrachten. Ob diese Art der Bienenhaltung wirklich gut für die Bienen ist, bleibt fraglich.
Kastenbauweise birgt Nachteile für die Bienen
Ein weiterer großer Nachteil dieser Bauweise ist, dass weder die
Rote Waldameise noch der Bücherskorpion oder andere Kleinstlebewesen in diesen Bienenkästen
einen Platz zum Überleben finden
können. Im Gegensatz zu den
Baumhöhlen tauchen sie dort
nicht mehr auf. Ein österreichischer Zoologe schrieb bereits
1951 unter dem Titel "Der Bücherskorpion, ein willkommener
Gast der Bienenvölker" über die
Nützlichkeit dieser winzigen Tiere für das Leben der Bienen im
Stock. Der Bücherskorpion,
Feind der Varroamilbe, wurde
vertrieben. Es ist nicht erwiesen,
dass diese Bauweise auch dazu
geführt hat, dass sich die Varroamilbe so gut vermehren konnte,
aber die Vermutung scheint nicht
ganz abwegig zu sein.
Wissenschaftler bemühen sich
neuerdings um die Konstruktion
einer bienenfreundlichen Behausung, die dem ursprünglichen
Nistplatz dieser Insekten nahe
kommt. Sie nennen es die "Bienenkugel". Sie soll alle Vorteile einer Baumhöhle mitbringen. Andere Forscher meinen, dass auch die
Art und Weise der Bienenzucht
dazu führt, dass die Bienen nicht
mehr widerstandsfähig genug
sind. So wachsen Bienen heran,
die abhängig von den Menschen
sind und mit chemischen Mitteln
und natürlichen Säuren
(Ameisensäure, Milchsäure) vor den Angriffen der Varroamilben
und Viren geschützt
werden müssen - was
aber leider nicht den
gewünschten Erfolg
zeigt.
Die heutigen Bienenkästen werden aus dünnem Holz oder sogar
aus Hartschaum (Kunststoff) gebaut. Und hier bahnt sich ein Problem an. Das dünne Holz isoliert
nicht gut, es wird schnell zu warm
und ebenso zu kalt. Die Bienen
müssen sich anstrengen, um ihre
Stocktemperatur von 30 bis 35°C
beizubehalten. Dabei verbrauchen
sie zur Stärkung sehr viel Nahrung, also Honig. Es bleibt weniger für den Winter. Außerdem
kann sich aufgrund des schlechten
Temperaturaustausches Kondenswasser in den Ecken des Kastens
sammeln. Eine Schimmelbildung,
gegen die die Bienen selbst nichts
ausrichten können, ist die Folge und trägt nicht zur Bienengesund- Im nächsten Teil geht
heit bei.
es um die "BienenkuDo, 27. Oktober 2016
www.schattenblick.de
gel" und die Überlegungen, wie
Menschen trotzdem nicht auf Honig verzichten müssten.
Fortsetzung folgt ...
Diesem Artikel liegen folgende
Quellen zugrunde:
- http://www.deutschlandfunk.de/bienenplage-buecherskorpiongegen-varroamilbe.676.de.html?dram:article_id=281477
- http://freethebees.ch/bienenhaltung/symbionten/buecherskorpion-pseudoskorpion
- http//www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/930945/
- http://www.die-umwelt-akademie.de/index.php/veranstaltungen/rueckblick/biodiversitaetrueckblick/513-baubiologie-symbiosen-und-gesunde-bienen-diehobosphere-bienenkugel
http://www.schattenblick.de/
infopool/kind/natur/
knti0096.html
Foto: 1998, by Axel Hindemith
(Self­photographed)
[Publicdomain],
via Wikimedia Commons
Seite 25
Elektronische Zeitung Schattenblick
BUCH / SACHBUCH / REZENSION
Speak Up!
Mordanschlag 9/11
Eine kriminalistische Recherche
zu Finanzen, Öl und Drogen
Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien
von Elina Fleig, Madhuresh Kumar, Jürgen Weber (Hg.)
Obgleich Indien zu den bevölkerungsreichsten Staaten der Welt
gehört und insbesondere aufgrund seiner mineralischen Bodenschätze eine immer größere
Rolle im kapitalistischen Weltsystem spielt, sind sozialkritische Sachbücher im deutschen
Sprachraum zum indischen Subkontinent recht dünn gesät. Indien ist ein Pulverfaß voller soziale Konflikte, ist doch das Gros
der 1,2 Milliarden Einwohner
sozial unterprivilegiert und
schlichtweg arm. Das Land ist
zudem Pakistan in nachbarschaftlicher Rivalität so feindselig verbunden, daß der indische
Subkontinent immer wieder an
den Rand eines atomaren Waffenganges gerät. Zwar ist Indien
weltpolitisch weniger präsent als
China, teilt mit diesem jedoch
seine eminente Bedeutung für
das verzweigte Netz des internationalen Ressourcenhandels und
Investivkapitals. Was Indien jedoch vor allen anderen beispielhaft macht, sind die gewaltigen,
im Westen kaum wahrgenommenen zivilgesellschaftlichen
Verwerfungen, mit denen sich
das Land seit den neoliberalen
Umbrüchen in den 90er Jahren
konfrontiert sieht.
(SB) 26. Oktober 2016 ­
"Die Privatisierung sämtlicher
Ressourcen und Dienstleistungen ist zur Regel geworden,"
(S.25) was zur Folge hat, daß
Seite 26
Lars Schall
Grundbedürfnisse wie sauberes
Wasser, qualitativ hochwertige
Lebensmittel und ausreichender
Wohnraum in den Elendsquartieren der Ärmsten und Marginalisierten zum unerschwinglichen
Luxusgut geworden sind. Fortschrittsapologeten neoliberalen
Zuschnitts nennen die rücksichtslos vollgezogene Industrialisierung "Shining India",
während der tägliche "Aufruhr
an zehntausend Brennpunkten"
(S.9) das Land in eine Spirale rigider Aufstandsbekämpfung und
ökologischer Katastrophen
treibt. Unruhen, die an Schärfe
zunehmen, je tiefer die von IWF
und Weltbank verordneten Wettbewerbsregularien in die überwiegend kleinbäuerlich geprägte Binnenwirtschaft eingreifen,
zeichnen den Alltag in Indien.
Speak up! Sozialer Aufbruch
und Widerstand in Indien erhebt
die Stimme gegen die mit dem
Versprechen neoliberalen Wohlstands durchgepeitschte Modernisierung des Landes, die den
Eliten unvorstellbaren Reichtum
brachte, aber Millionen zu einem
jeglicher Willkür ausgesetzten
Dasein als urbanes Subproletariat oder ländliche Elendsbevölkerung verdammt. Die Ghettoisierung orientiert sich nicht mehr
wie früher an der tradierten Kastenhierarchie. In der sich verdichtenden Enge sozialer Überlebensräume werden auch die
www.schattenblick.de
Schild­Verlag, Elbingen, 2011
335 Seiten
ISBN: 97838694013
Slums, noch vor Jahren letzte
Zufluchtsorte der um ihre Existenz betrogenen Landbewohner,
die in die Städte zogen, weil ihre kleinbäuerlichen Strukturen
unter dem Preisdiktat großer
Saatgut- und Agrarkonzerne zusammengebrochen sind, in neoliberale Stadtsanierungspläne
einbezogen.
An diesen Schauplätzen der
Hoffnungslosigkeit treibt die
Gärung sozialer Widersprüche
und Verdrängungskämpfe auf
eine Explosion zu, deren Auswirkungen und Konsequenzen
für das auf Störungen sensibel
reagierende Gefüge indischer
Gesellschaften nicht absehbar
sind. Slumräumungen, um Platz
für repräsentative Bauprojekte
zu schaffen, haben in der Vergangenheit als auch in der jüngeren Gegenwart zu heftigen
Protesten und Toten geführt. So
wurden in Mumbai 2004 bei einer Slumsanierung 75.000 Häuser zerstört. Um einen Eindruck
von der existentiellen Armutsmisere zu geben: Etwa 60 Prozent der Bevölkerung Mumbais
lebt in Slums auf nur 9,24 Prozent der Stadtfläche.
Über die innerstädtischen
Kämpfe, den Widerstand auf
dem Land gegen die Profitinteressen großer Minenbetreiber sowie die bürgerrechtlichen Bewegungen gegen den ökologiDo, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
schen Kahlschlag durch Staudammprojekte und den Bau von
Atomkraftwerken berichten 22
indische Aktivistinnen und Aktivisten in Einzelbeiträgen sowie
drei Gesprächen. Erstellt wurde
der Sammelband im Zeitraum
vom Mai bis Oktober 2012. Die
Beiträge geben den politischen
Protest lokaler Initiativen als
auch international agierender
Netzwerke wieder, die sich gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Großteils der
Menschen in der drittgrößten
Volkswirtschaft der Welt zur
Wehr setzen.
Im besonderen Maße betroffen
vom Landraub durch internationale Investoren sind die Dalits
und Adivasi, erstere, weil sie als
Mitglieder der untersten Kasten
überwiegend von Landarbeit ihr
Leben fristen, letztere, weil ihre
an Bauxit und anderen Metallerzen reichen Stammesgebiete
trotz verfassungsmäßiger Garantien zum Verhandlungsobjekt
zwischen lokaler Politbürokratie
und weltweit agierenden Konzernen geworden sind. "So hat
die Regierung den Kapitalist_innen durch die Unterzeichnung
vorvertraglicher Übereinkommen (Memorandum of Understanding - MoU) ganze Landstriche, Waldgebiete, Flüsse und
Landwirtschaftsbetriebe zugespielt, was sich für die arme Bevölkerung als absolut verhängnisvoll erwies" (S.82), so ein
Dalit-Aktivist. Für die Dalit und
Adivasi ist das internationale Investmentgeschäft nur ein anderes Wort für Ausplünderung und
Vertreibung.
Bevölkerung global integrierten
ökonomischen Interessen geopfert werden sollen, wird in den
von Adivasi bewohnten Regionen im Norden und Osten des
Landes seit Jahrzehnten erbittert
Widerstand geleistet. Paramilitärische Verbände der Polizei, aber
auch reguläre Armeeinheiten gehen gegen die sogenannten naxalitischen Rebellen, die sich mit
der Stammesbevölkerung solidarisch erklären, mit allen Mitteln der Staatsgewalt vor. Trotz
der populistischen Stimmungsmache gegen die Rebellen in der
Boulevardpresse des Landes begreifen immer mehr Menschen,
daß bei der "Kriegserklärung der
indischen Regierung" (S.109)
gegen die Naxaliten auch die
bürgerlichen Freiheitsrechte auf
dem Spiel stehen.
Der Konflikt hat indes ältere
Wurzeln, die auf die Zeit des britischen Kolonialsystems zurückgehen. Die Besatzer hatten
"durch die Festschreibung einer
permanenten Grundsteuer das
bis dahin in Indien unbekannte
Konzept des Privateigentums
eingeführt" (S.73), wodurch die
Rechte der Adivasi aufdurch den
Staat verliehene Privilegien reduziert wurden. Nach der Unabhängigkeit hatten der indische
Staat und seine regierende Klasse das koloniale Herrschaftsregime "skrupellos aufrecht erhalten und ausgeweitet" (S.73).
"Mehr als zehn Millionen Adivasis sind seit der Unabhängigkeit infolge staatlich geförderter
Entwicklungs- und Naturschutzprogramme vertrieben worden."
(S.73) So kam es von 2002 bis
2004 zu einer beispiellosen MiGegen die Entscheidungsprozes- litäraktion in den aneinanderse im Staat, mit denen die Über- grenzenden Adivasi-Gebieten
lebenschancen der einfachen der zentralindischen BundesDo, 27. Oktober 2016
www.schattenblick.de
staaten Andhra Pradesh, Orisha,
Chattisgarh, Jharkhand und Maharashtra. Diese Repressalien
forderten Opfer in unbekannter
Höhe, da die bewaffneten Übergriffe und Exekutionen nicht
selten nachts erfolgten und offizielle Meldungen bzw. Medienberichte weitgehend ausblieben.
Die weltweit bekannte Friedensaktivistin Arundhati Roy hat
2010 die Stammesgebiete im
zentralindischen Dschungel besucht und ein erschreckendes
Bild vom verzweifelten Kampf
der Adivasi gegen ihre staatlich
verordnete und systematische
Vertreibung gezeichnet [1].
Der indische Staat hat sich vom
einstigen Kolonialjoch der Briten längst nicht emanzipiert, wie
der in Indien lebende Aktivist
und Sozialanthropologe Felix
Padel an anderer Stelle einräumt.
Ihm zufolge hätten die indischen
Funktionseliten die Lebensart
der Briten samt deren avantgardistischer Arroganz gegenüber
den unteren Bevölkerungsklassen adaptiert [2]. Die indische
Rechtswissenschaftlerin und
Aktivistin Dr. Radha D'Souza
wird im gleichen Kontext, einer
dem internationalen Widerstand
gegen die kapitalistische Moderne gewidmeten Konferenzreihe, noch deutlicher: Seit der
Unabhängigkeit Indiens 1947
habe es "sehr starke und große
soziale Bewegungen im Land
gegeben, die niemals die Behauptung akzeptiert haben, daß
Indien eine Demokratie sei. Sie
haben statt dessen stets vertreten,
daß die weiße Herrschaft, das
britische Raj, in nichtweiße
Herrschaft, in ein nichtweißes
Raj übergegangen ist. Und das
ist nicht nur die Ansicht kleiner
linksradikaler Gruppierungen,
Seite 27
Elektronische Zeitung Schattenblick
sondern die Auffassung eines
großen Teils der MainstreamOpposition Indiens. Das gilt
auch für den Befreiungskampf
und erklärt, warum es so viel
Opposition gegen Figuren wie
Ghandi und andere prominente
nationale Führer gab. Für viele
Menschen waren sie einfach britische Liberale, die ihnen vorgesetzt wurden." [3]
Die Repression in Indien hat viele Gesichter. Dazu gehört auch
der Versuch weltweit aktiver
Agrokonzerne, die industrielle
Landwirtschaft gegen den traditionell kleinbäuerlichen Anbau
durchzusetzen, um die Bauern
durch die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu
zwingen, vor jeder Vegetationsperiode Saatgut und zudem
kostspielige Düngemittel zu erwerben. Dadurch werden sie bei
geringen Ernteerträgen oder unvorhersehbaren Katastrophen
wie Dürren oder Schädlingsbefall schnell in den finanziellen
Ruin gestürzt. Vorsichtigen Angaben zufolge haben zwischen
1995 und 2010 mehr als 250.000
Bauern den Freitod vor einem
ungewissen Leben in Armut gewählt. Diese tragischen Ereignisse haben zur Vernetzung
kleinbäuerlicher Bewegungen
geführt, die die Agrarökologie
und Saatgutsouveränität zu zentralen Pfeilern ihres Kampfes
gegen die Liberalisierung der
Landwirtschaft durch regionale
und bilaterale Handelsabkommen erhoben haben.
Eine der Sprecherinnen dieses
Bündnisses, die indische Physikerin und Ökofeministin Vandana Shiva, verurteilte denn auch
auf dem kürzlich in Den Haag
abgehaltenen Tribunal gegen den
Seite 28
Agro- und Chemiegiganten
Monsanto die Patentierung von
Saatgut als "Patentierung des
Lebens" und "Verbrechen gegen
die Natur" [4 ]. Sie erinnerte daran, daß Monsanto juristisch gegen die indische Regierung vorging, die die Saatgutpreise im
Interessen der Ernährungssicherheit regulieren wollte.
Dementsprechend wandte sich
Vandana Shiva gegen die geplante Übernahme Monsantos
durch den Chemiekonzern
Bayer, gehe es bei diesem von
den
Investitionsinteressen
großer Anleger motivierten Buyout doch darum, "den Namen
von Monsanto zu verbergen,
weil der Konzern mittlerweile
völlig in Verruf geraten ist" [5].
Es bleibt mithin zu wünschen,
daß die in Speak Up! den sozialen Bewegungen des Landes zugewiesene Widerstandskraft Zukunft hat: "Heutzutage sind sich
Dalits, Adivasis und die Slumbewohner_innen in den Städten ihrer Rechte deutlich mehr bewusst, als sie es noch einige Dekaden zuvor gewesen sind.
Durch ihre Basisbewegungen
und überregionalen Zusammenschlüsse wurden sie zu zentralen Akteur_innen im Widerstand gegen den Diebstahl der
natürlichen Ressourcen durch
lokale Eliten sowie nationale
und internationale Unternehmen." (S.57)
In Folge der weltweit wahrgenommenen Gruppenvergewaltigung in Delhi 2012, bei der das
Opfer von sechs Männern den
Verletzungen erlag, hat auch die
Bewegung für Geschlechtergerechtigkeit und die Befreiung der
Frau wie bislang unterdrückter
Lebensformen der LGBTI-Bewww.schattenblick.de
wegung an Fahrt aufgenommen.
Das traditionelle System der
Mitgift, der ökonomisch damit
verbundenen Abtreibung weiblicher Föten oder der Tötung
weiblicher Nachkommen kurz
nach der Geburt gibt viel Anlaß
zu Protest, und es ist bei weitem
nicht so, daß die Justiz des Landes auf der Seite der Schwachen
und Betroffenen steht.
Doch allein die Tatsache, daß
sich rund ein Drittel des Landes
dauerhaft im militärisch kontrollierten Ausnahmezustand
befindet, weil in zehn Unionsstaaten mehr oder minder offener
Bürgerkrieg herrscht, zeigt, wie
groß die Gefahren für emanzipatorische Bewegungen sind und
auf welch wackligem Boden
bürgerrechtliche Schutzgarantien stehen: "Immer öfter wird die
Frage nach den Gefahren für
Demokratie und Rechtsstaat angesichts eklatanter Mängel bei
der Umsetzung demokratischer
Kontrolle staatlichen Handelns,
der Aufrüstung des Sicherheitsapparates, neuer, weitgehender
Staatsschutzgesetze [...] und der
Rückständigkeit des Rechts- und
Justizsystems aufgeworfen"
(S.109). Diese Gefahren sind
nicht geringer geworden, nachdem der Kandidat der hindunationalistischen Bharatiya Janata
Party (BJP), Narendra Modi,
2014 zum indischen Premierminister gewählt wurde. Als Chief
Minister von Gujarat hatte er
2002 zumindest nichts unternommen, als Hindu-Fanatiker
ein Massaker an Muslimen verübten.
Zu all diesen Fragen und keiner
Fragezeichen bedürfenden Gewißheiten bietet der Sammelband auch drei Jahre nach seiner
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Erstveröffentlichung nützliche
Anregungen. In ihm manifestieren sich die verschiedensten Erfahrungen, Hoffnungen und stets
gebrochenen Teilerfolge des sozialen Aufbruchs und Widerstands gegen die Unerträglichkeit von Verhältnissen, die den
Menschen zu einer verwertbaren
Ressource degradieren. Um
nicht im jeweils eigenen Land
weltweit aktiven transnationalen
Akteuren zu unterliegen, ist der
internationale Zusammenschluß
widerständiger sozialer Bewegungen die logische Folge des in
Indien geführten Kampfes. So
kann die Lektüre des Buches auf
all jene inspirierend wirken, die
nicht vergessen haben, daß die
Menschenfeindlichkeit der Lebensverhältnisse in Indien exemplarisch ist für Ausbeutung
und Unterdrückung in aller Welt.
Anmerkungen:
[1 ] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/asie-767.html
[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0108.html
[3] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0266.html
[4] https://www.jungewelt.de/2016/10-21/043.php
[5] http://www.jungewelt.de/2016/10-21/036.php
http://www.schattenblick.de/
infopool/buch/sachbuch/
busar661.html
Do, 27. Oktober 2016
SPORT / BOXEN / MELDUNG
Poker um den heißbegehrten Gürtel
Wladimir Klitschko verschiebt seinen nächsten Auftritt
(SB) 26. Oktober 2016 ­ Wladimir
Klitschko wird nach Angaben seines Managers Bernd Bönte am
10. Dezember nicht in den Ring
steigen, sondern seinen nächsten
Kampf erst im März oder April
2017 bestreiten. Der Ukrainer
hatte seine vier Titel im Schwergewicht im November 2015 an
Tyson Fury verloren, der die vertraglich vereinbarte Revanche am
9. Juli und dann auch am 29. Oktober absagte. Inzwischen hat der
mit psychischen Problemen sowie
Alkohol- und Drogenkonsum
kämpfende Brite seine Gürtel zurückgegeben und damit den Weg
zur Neuvergabe freigemacht. In
Folge dieser mißlichen Entwicklung hat der mittlerweile 40 Jahre alte Klitschko bereits die mit
Abstand längste Pause seiner
Karriere einlegen müssen, die
sich nun um weitere drei bis vier
Monate streckt.
Der Ukrainer wollte eigentlich
am 10. Dezember in der Manchester Arena gegen den amtierenden
IBF-Weltmeister Anthony Joshua
antreten und hatte sicherheitshalber zum selben Termin die Hamburger Barclaycard Arena vorgebucht, um dort möglicherweise
gegen den Australier Lucas
Browne um den vakanten WBATitel zu kämpfen. Für die endgültige Absage beider Optionen führt
Bönte nun mehrere Gründe an.
Grundsätzlich sei die Vorbereitungszeit auf nur noch fünf Wochen zusammengeschrumpft, ohne daß eine definitive Planung
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vorliege. Um den Kampf angemessen zu bewerben, reiche diese Frist kaum aus. Zudem habe
die WBA noch immer nicht entschieden, ob bei einem Kampf
zwischen Joshua und Klitschko
auch der Titel dieses Verbands auf
dem Spiel steht. Laut WBA-Präsident Gilberto Mendoza hat der
zuständige Ausschuß zwar in der
vergangenen Woche einen diesbezüglichen Beschluß gefaßt,
dessen Bekanntgabe jedoch
mehrfach verschoben worden sei,
aber in Kürze erfolgen werde.
Hinzu kommt nach den Worten
Bernd Böntes eine leichte Muskelverletzung an der Wade, die
sich Klitschko vor wenigen Tagen
beim Training zugezogen habe.
Die Blessur sei nicht so schwerwiegend, daß man deswegen
einen bereits vereinbarten Kampf
abgesagt hätte. Man habe jedoch
die aktuelle Situation am Wochenende ausgiebig beraten und
sei in Erwartung einer positiven
Entscheidung der WBA zu dem
Entschluß gekommen, daß ein
Kampf gegen Joshua auf Grund
der längeren Vorbereitungszeit im
Frühjahr günstiger sei.
Beide Boxer wünschten sich diesen Kampf, der gegenwärtig der
bedeutendste im Schwergewicht
sei. Es bestehe also kein Anlaß zu
unnötiger Eile. Wie Joshuas Promoter Eddie Hearn rechne auch er
damit, daß die WBA einer Austragung im Frühjahr ihren Segen geben werde, zumal sie dann in eiSeite 29
Elektronische Zeitung Schattenblick
nem englischen Freiluftstadion
mit größerem Fassungsvermögen
als dem der Manchester Arena
über die Bühne gehen könne. Bis
dahin bleibe genug Zeit, nicht nur
eine Pressekonferenz, sondern
auch eine Präsentation in beiden
Ländern auf die Beine zu stellen,
um das Publikum auf das Ereignis einzustimmen. Der deutsche
Fernsehpartner RTL könnte seine
Werbeblöcke lukrativer vermarkten und Sky Sports würde in
Großbritannien absehbar höhere
Erträge im Pay-TV erzielen, so
Bönte.
Der 27jährige Anthony Joshua hat
noch immer vor, am 10. Dezember in Manchester seinen nächsten Kampf zu bestreiten. Ein
möglicher Gegner wäre sein
Landsmann David Price, der sich
in jüngerer Zeit mehrfach dafür
ins Gespräch gebracht hat. Der 33
Jahre alte Liverpooler, für den 33
Siege und drei Niederlagen notiert sind, steht beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag. Er galt einst als vielversprechendes Talent, mußte sich aber
seit 2013 dreimal frühzeitig geschlagen geben und hat zuletzt
zwei schwache Gegner kurzerhand in die Schranken gewiesen.
Für den in 17 Auftritten ungeschlagenen Joshua wäre dieser
Kontrahent absehbar ein weiteres
Opfer, das nach wenigen Runden
die Segel streichen müßte. [1]
Klitschko, der 64 Kämpfe gewonnen und vier verloren hat, möchte noch einmal an seine neuneinhalbjährige Regentschaft als
Weltmeister im Schwergewicht
anknüpfen. Wie er versichert, sei
er bald wieder gesund und bereit,
gegen Joshua oder einen anderen
Gegner anzutreten, um sich wenn
möglich mehrere Titel zurückzuSeite 30
holen. Daß er angesichts der Un- dabei der Gürtel der WBA neu
gewißheit, was die WBA plant, vergeben wird, dürfte so gut wie
auf einen Rundumschlag im ausgeschlossen sein. [2]
Frühjahr setzt, bei dem er zwei
Gürtel gewinnen und eine ansehnliche Börse einstreichen Anmerkungen:
könnte, ist nachvollziehbar.
[1] http://www.espn.com/boUmgekehrt dürfte auch das Tak- xing/www.espn.com/boxing/stotieren der WBA darauf zurückzu- ry/_/id/17877660/former-heavyführen sein, daß der Verband um weight-world-champion-wladidie bestmögliche Option pokert mir-klitschko-not-face-titleholund abwägt, welcher Weltmeister der-anthony-joshua-anyone-elseaus seiner Sicht der zukunftsfä- dec-10-sit-march-april
higste und einträglichste wäre. Da
die Verbände bei Titelkämpfen [2] http://www.boxingnews24.mit einem prozentualen Anteil an com/2016/10/wladimir-klitschkoder Gesamtbörse beteiligt sind, injured-wont-fight-decemberhaben sie größtes Interesse an at- 10/#more-219765
traktiven und entsprechend umsatzstarken Duellen. Daß dabei http://www.schattenblick.de/
sportliche Gesichtspunkte nicht
infopool/sport/boxen/
selten in den zweiten Rang versbxm2059.html
wiesen und die eigenen Statuten
und Regularien willkürlich interpretiert werden, liegt auf der
Hand.
VERANSTALTUNGEN
Um den vakanten Titel der WBO
kämpfen Joseph Parker und Andy
Dezember 2016
Ruiz am 10. Dezember in Neuseeland. Parker war bislang
Pflichtherausforderer beim Ver- LYSAX: SchlarAFFENland
band IBF, zieht aber die Gelegen- Gedichte und Geschichten
heit vor, sofort Weltmeister zu
werden, statt daraufzu warten, bis
ihm Anthony Joshua und dessen
Promoter Eddie Hearn eine Chance geben. Hearn hat kürzlich den
Kubaner Luis Ortiz unter Vertrag
genommen, der als gefährlichster
Kandidat im Schwergewicht gehandelt und deswegen von den
prominentesten Rivalen tunlichst
gemieden wird. Da Ortiz die
WBA-Rangliste anführt, wäre er
im Grunde der erste Anwärter für
einen Kampf um den vakanten Titel. Der Kubaner soll jedoch am
12. November in Monte Carlo gegen Malik Scott antreten, und daß
www.schattenblick.de
Do, 27. Oktober 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Das Komm du lädt ein zu einer
musikalischen Lesung am Don­
nerstag, den 01.12.2016, 20.00
bis 22.00 Uhr:
Achterbahn der Gefühle
(Rezitation und Saxophon von LYSAX)
LYSAX Rezitation und Saxophon
SchlarAFFENland ­
Gedichte und Geschichten
zum Müßiggang und zum
FaulSein
Lyrische Perlen werfen Jürgen
Siebers (Rezitation) und Friedrich Oechsle (Saxophon) mit
vollen Händen und Hälsen ins
Publikum. Dichtern wie Gernhardt, Jandl, Kafka, Kaleko
oder Kästner ist nichts hinzuzufügen - LYSAX interpretiert
und vertont sie! Jürgen Siebers
läßt den Unterkiefer los und rezitiert, Fritz Oechsle bläst gefühlige oder auch schrille Saxophontöne. In ihrem Spiel ergänzen sich die beiden Künstler oder bauen sich als Antipoden auf - um die Silben und
Worte selber zum Sprechen
und Klingen zu bringen. Erfrischende und zum Denken einladende Geschichten und Stimmungsbilder in streng subjektiver Auswahl ans Ohr, Auge
und Herz gelegt.
Die musikalische Lesung im
Kulturcafé Komm du beginnt
um 20:00 Uhr.
Quelle: http://www.lysax.de
LYSAX nimmt die Zuhörer mit
auf eine Achterbahn der Gedanken und Gefühle: Zwerchfellerschütterung folgt stecken
gebliebenem Lachen (im Halse) folgt nachdenklicher Stille
folgt... .
Weitere Informationen:
LYSAX ­ Homepage:
http://www.lysax.de
LYSAX zum Reinhören:
http://www.lysax.de/index.php?site=musik
LYSAX ­ Videotrailer:
https://www.youtube.com/watch?v=NDaGm8_ZW4
Über die Vortragenden:
Friedrich Oechsle, Jahrgang
1953, lebt seit über 30 Jahre in
Hamburg. Neben seiner Tätigkeit als Diplompädagoge und
Lerntherapeut in eigener Praxis
beschäftigte er sich schon immer
mit Musik und Musikimprovisation. Er spielt Gitarre, Altsaxophon, Midisax und Klarinette.
Jürgen Siebers, Jahrgang 1950,
arbeitet in Hamburg seit 35
Jahren als Diplompädagoge
und selbständiger Coach und
Trainer im Bereich Rhetorik
und Kommunikation. Seit seiner Jugend spielt er Improvisationstheater und rezitiert Texte.
Das Duo LYSAX
in Aktion:
Platzreservierungen per
Jürgen Siebers
Telefon: 040 / 57 22 89 52 oder
(Rezitation) und
E­Mail: [email protected]
Friedrich Oechsle
(Saxophon)
Eintritt frei / Hutspende
Foto: © by LYSAX
Do, 27. Oktober 2016
www.schattenblick.de
Seite 31
Elektronische Zeitung Schattenblick
Das Kulturcafé Komm du
in Hamburg-Harburg:
Kunst trifft Genuss
Hier vereinen sich die Frische der
Küche mit dem Feuer der Künstler
und einem Hauch von Nostalgie
Das Komm du in Harburg ist vor allem
eines: Ein Ort für Kunst und Künstler.
Ob Live Musik, Literatur, Theater oder
Tanz, aber auch Pantomime oder Puppentheater - hier haben sie ihren Platz.
Nicht zu vergessen die Maler, Fotografen und Objektkünstler - ihnen gehören die Wände des Cafés für regelmäßig wechselnde Ausstellungen.
Britta Barthel und Mensen Chu geben mit ihrem Kulturcafé der Kunst
eine Bühne und Raum. Mit der eigenen Erfahrung als Künstler und Eindrücken aus einigen Jahren Leben in
der Kulturmetropole London im Gepäck, haben sie sich bewusst für den
rauen und ungemein liebenswerten
Stadtteil Harburg entschieden. Für
Künstler und Kulturfreunde, für
hungrige und durstige Gäste gibt es
im Komm du exzellente Kaffeespezialitäten, täglich wechselnden frischen Mittagstisch, hausgemachten
Kuchen, warme Speisen, Salate und
viele Leckereien während der Veranstaltungen und vor allem jede Menge Raum und Zeit ...
Das Komm du ist geöffnet:
von Montag bis Freitag
7:30 bis 17:00 Uhr,
Samstag von 9:00 bis 17:00 Uhr und
an Eventabenden open end.
Näheres unter:
http://www.komm-du.de
http://www.facebook.com/KommDu
Kontakt:
Kulturcafé Komm du
Buxtehuder Straße 13
21073 Hamburg
E-Mail: [email protected]
Telefon: 040 / 57 22 89 52
Komm du­Eventmanagement:
Telefon: 04837/90 26 98
E-Mail: [email protected]
http://www.schattenblick.de/infopool/
d­brille/veranst/dbvl5483.html
Seite 32
__I n h a l t_____Ausgabe 1990 / Donnerstag, den 27. Oktober 2016__
1 POLITIK - REPORT: Menschenrechtsfreie Zone - Die Lizenz zum Töten (1)
11 POLITIK - REPORT: Menschenrechtsfreie Zone - Die Lizenz zum Töten (2)
16 SCHACH-SPHINX: Narren der Raffgier
17 POLITIK - KOMMENTAR: Stets auf Kosten des anderen ...
Unterwerfung in der "Spaßgesellschaft"
18 POLITIK - SOZIALES: Afrika/Haiti/Mexiko Überfüllte Flüchtlingsunterkünfte in Baja California (poonal)
20 UMWELT - BRENNPUNKT: Brandsatz Fukushima - der Entsorgungslimbus ...
23 KINDERBLICK - NATURKUNDE: Alles für die Biene - nicht für den Zivilgebrauch ...
26 BUCH - SACHBUCH: Fleig, Kumar, Weber (Hg.) - Speak Up!
Sozialer Aufbruch und Widerstand in Indien
29 SPORT - BOXEN: Poker um den heißbegehrten Gürtel
30 DIE BRILLE - VERANSTALTUNGEN: Hamburg - Kulturcafé Komm du
LYSAX: "SchlarAFFENland" ... Gedichte und Geschichten zum Müßiggang, 1.12.2016
32 DIENSTE - WETTER: Und morgen, den 27. Oktober 2016
DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN
Und morgen, den 27. Oktober 2016
+++ Vorhersage für den 27.10.2016 bis zum 28.10.2016 +++
Etwas steigt die Temp'ratur,
wenig Sonne, Winde heftig.
Jean-Luc schaut auf seine Uhr,
denn auch er ist heut' geschäftig.
© 2016 by Schattenblick
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Do, 27. Oktober 2016