Weiße Kühe nach Kambodscha

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Tandem
Weiße Kühe nach Kambodscha
Mom Saroeun und Norbert Klein
Ein Doppelporträt von Wolfgang Bauernfeind
Sendung: Freitag, 28. Oktober 2016 um 10.05 Uhr
Redaktion: Rudolf Linßen
Regie: Wolfgang Bauernfeind
Produktion: SWR 2016
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
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MANUSKRIPT
Erzähler:
Morgenappell in der Technical School in Kep im Süden Kambodschas, an der
Grenze zu Vietnam. Die Nationalhymne wird gesungen, so wie jeden Morgen in
dieser Bildungseinrichtung der Salesianer. Ich stehe am Rand, nehme auf, in den
nächsten zwei Monaten werde ich hier den jungen Studenten versuchen, Radio
beizubringen: unser europäisches Radio, Reportagen, Kurzbeiträge, Kommentare,
Moderation, und wie man das macht. Ein Beitrag für ihre Zukunft im
kambodschanischen Medienalltag, wie die Salesianer vom Orden Don Bosco hoffen:
„Education for the Poorest“. Heute ist auch Saroeun Mom Gast in Kep, ein
sogenannter „representative“, zuständig für Experten wie mich, die der „Senior
Expert Service“ in alle Welt hinausschickt. Hauptamtlich arbeitet er für die KonradAdenauer-Stiftung in der Hauptstadt Phnom Penh, ist ihr zweiter Mann vor Ort. Am
Abend dann bei einem Essen erzählt er aus seinem Leben. Ich schnappe Stichworte
auf, Jahrgang 1959, die Pol- Pot- Zeit habe er als Jugendlicher erlebt, überlebt, dabei
lächelt er zweideutig. Ich bin neugierig geworden, wir verabreden uns zu einem
längeren Interview in Phnom Penh, dann will er aus seinem Leben erzählen.
Atmo: Pfefferfarm Hier haben wir dann……
Erzähler:
Nicht weit weg von der Technical School lebt Nobert Klein. Eine EntwicklungshelferLegende, wie mir die Salesianer versichern. Und wenn ich über kambodschanische
Verhältnisse etwas erfahren wolle, solle ich bei ihm vorbeischauen. Jetzt führt er
mich durch seine Pfefferfarm, Roter, schwarzer, grüner Pfeffer wird hier geerntet und
….
O-Ton: Norbert Klein
The Royal Fruit…eine königliche Frucht, halt die königliche Stinkfrucht…(Lachen) Wir
haben aber zur Zeit keine Früchte…..…
Erzähler:
Norbert Klein ist im Auftrag des lutherischen Weltdienstes nach Kambodscha
gegangen. Vor fünfundzwanzig Jahren. Das Landwirtschaftsministerium hatte
damals für zwei Jahre einen Experten gesucht, der nach 30 Jahren Krieg und
Isolation bei dem Aufbau internationaler Kontakte im ostasiatischen Raum helfen
sollte. Das Land war bei seiner Ankunft 1990 noch längst nicht befriedet. Die Roten
Khmer kontrollierten die Gebiete im Norden, an der Grenze zu Thailand und auch im
Süden die Bergregionen. Sie führten weiter einen Guerillakrieg im Dschungel und die
von den Vietnamesen und der Nationalen Front eingesetzte Regierung in Phnom
Penh war ständig in Scharmützel verwickelt.
Atmo: Pfefferfarm
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O-Ton: Norbert Klein:
Wie man nach Kambodscha kommt, das war damals auch nicht so einfach,
Zwischenstation in Bangkok, habe dort die westdeutsche Botschaft besucht, habe so
einen Höflichkeitsbesuch gemacht „Morgen fliege ich nach Kambodscha“. „Das
können Sie doch nicht machen, da werden sie sofort verhaftet“ „Ja, ich bin ja da
eingeladen“, „Das kann doch gar nicht sein“, also dann wurde mir erklärt: „wir haben
die besten Beziehungen zur bürgerlichen Opposition in Kambodscha, und von da
wissen wir, es ist alles ganz schlimm“, und man hat mir ganz dringend geraten, das
zu vergessen. Ich habe gesagt „Ja, ich fliege da morgen hin“ „Ja, da kann kein
Mensch ihnen helfen, das wird also ganz schwierig für Sie und so. Hab gesagt:
„Werden wir mal sehen“ Ich bin dann von Bangkok, nach Ho Shi Minh Stadt
geflogen, und dann von dort gab es zweimal die Woche ein kleines Flugzeug nach
Kambodscha. Und so kamen wir dort an und am nächsten Abend war dann großer
Empfang im Landwirtschaftsministerium mit Becks Bier auf dem Tisch. Ich wurde
nicht verhaftet, sondern wurde herzlich begrüßt und so…
Atmo: Hotelzimmer
O-Ton: Saroeun Mom:
So mein Name ist Mom Saroeun. Ich bin Kambodschaner und ich bin schon
verheiratet und ich habe drei Kinder gehabt und ich wohne jetzt in Phnom Penh…
Erzähler:
Wie in Kambodscha üblich, nennt er den Nachnamen zuerst und dann erst den
Vornamen. Zunächst will er mir seine Stadt zeigen, nebenbei gibt er mir ungefragt
Geschichtsunterricht. Immer wieder würde im westlichen Ausland die Pol Pot Zeit auf
die vier Jahre reduziert, in der er die Macht hatte. Es hätte doch alles viel früher
angefangen, der Terror der Roten Khmer, vor dem seine Familie aus ihrer
Heimatprovinz Takeo fliehen musste.
O-Ton: Saroeun Mom:
Das war so in Pol Pots Zeit….manche im Westen verstehen nicht genau, richtig, Die
Roten Khmer existierten seit langem hier….sie lebten im Dschungel, vor 1970 im
Dschungel, im Urwald , verstehen Sie…, Sihanouk hat auch solche Leute unterstützt,
und deswegen 1970 …kam in ländliche Gebiete sofort okkupiert bei den Roten
Khmer… Und z.B. meine Heimat in Takeo Provinz…..
Erzähler:
Sihanouk, der von vielen Kambodschaner verehrte König, hätte zunächst
gemeinsame Sache mit den Roten Khmer gemacht, sei dann von dem General Lon
Nol mit Unterstützung der Amerikaner 1970 entmachtet worden. Er konnte aber nur
die Städte halten, während die ländlichen Regionen nach und nach in die Hände der
Roten Khmer fielen.
Der Vater war wohlhabend, Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen
Genossenschaft „Pol Pot schob meine Familie in die Tiefe“ sagt Saroeun Mom. Dann
floh seine Familie nach Phnom Penh in die Hauptstadt Kambodschas. Hier hatten sie
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ein neues Zuhause, bis die Roten Khmer auch dorthin kamen. Am 17. April 1975
zogen sie durch die Straßen, „Bauernjungen, die den Tod aus dem Effeff
beherrschten“, wie sich der britische Journalist John Swain erinnert.
O-Ton: Norbert Klein:
Da hat man nicht überlebt, wenn man da nicht mitgespielt hat….
Erzähler:
erklärt mir Norbert Klein beim Rundgang durch seine Pfefferfarm, als ich ihn nach
seiner Einschätzung der Pol-Pot-Zeit frage.
O-Ton: Norbert Klein:
Das ist also die eine Seite. Warum hat`s keinen Widerstand gegeben, weil der eben
von der Wurzel her ausgerottet wurde….
Erzähler:
Er war vor seiner Reise nach Kambodscha viel in der Welt herumgekommen. Nach
dem Studium der Evangelischen Theologie und einem Studienaufenthalt in Japan an
einer evangelischen Akademie in Kyoto landete er 1972 beim evangelischen
Entwicklungsdienst, der sich den Ausbau von unternationalen Kontakten zum Ziel
gesetzt hatte. Die Organisation von Tagungen, Konferenzen, Seminaren gehörte nun
zum Aufgabenbereich von Norbert Klein. In Kambodscha war er bald nach seiner
Ankunft 1990 mit einer Notlage konfrontiert, wie er mir auf seiner Pfefferfarm erzählt.
In Phnom Penh tummelten sich damals viele Berater aus den osteuropäischen
Ländern, die nach dem politischen Umbruch aus ihrer Heimat abgezogen wurden.
Wer sollte nun Entwicklungshilfe im vom Krieg geschundenen Land leisten? Es ging
um Trinkwasserprogramme, den Aufbau einer ertragreichen Rinderzucht
beispielsweise...
O-Ton: Norbert Klein:
Wenn sie jetzt im Land herumfahren, sehen sie fast überall große, weiße Rinder, die
haben wir ins Land gebracht und zwar war das ein großes Programm, vorher gab es
eine Rinderart, die hießen China Jallow, das ist ein kleineres etwas gelb-bräunliches
Tier, und wir haben dann erstmals eine DC 8 von den „Flying Tigers Airline“
…...gehabt, in dem haben wir 200 dieser weißen Rinder aus den Philippinen
eingeflogen.
Atmo: Hotelzimmer
Erzähler:
Von draußen hört man Straßenverkäufer bis hinauf in das Hotelzimmer, das mir das
Management zur Verfügung gestellt hatte. Er ist jetzt mein Studio und in diesem
Studio sitzt noch seine Frau, die ihm Beistand leisten will, wenn zu schreckliche
Erinnerungen hoch kommen. Über seine Erlebnisse während der Pol-Pot Herrschaft
hat er lange nicht geredet, es hatte ihn auch keiner gefragt. Mehr als 35 Jahre nach
dem Ende dieser Tyrannei will man dieses Thema in Kambodscha immer noch
verdrängen.
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O-Ton: Saroeun Mom:
Ja, 1975 am 17. April marschierten die Roten Khmer sehr viel in Phnom Penh, die
jungen Soldaten kamen von Tür zu Tür des Hauses und sagten: „Geht aus der
Stadt, nur kurz, ein oder zwei Wochen weg, weil die Amerikaner werden die
Hauptstadt bombardieren und wir müssen die Bevölkerung schützen und deswegen
muss die Bevölkerung aus der Hauptstadt weggehen…bitte nicht die Sachen
mitnehmen.
Erzähler:
Die Familie machte sich auf den Weg Sie wollte in Richtung Battambang, eine Stadt
im Nordwesten von Kambodscha, doch sie wurde bald getrennt. Saroeun Mom blieb
bei seinem Bruder, der seinen dreijährigen Sohn dabei hatte.
O-Ton: Saroeun Mom:
Zu Fuß, alle Menschen dicht zueinander auf der Straße, kein Auto, kein Fahrrad, kein
Motorrad mitnehmen, er darf nur Kleinigkeiten. Und ich hatte auch nicht so viele
Sachen mitgenommen, ich hab nur ein paar Bücher und ein paar Kleidung, und
mein Bruder nur Reis. Wasser trinken wir nur vom Teich, vom Fluss, wir haben kein
sauberes Wasser zu trinken…
Erzähler:
Sie blieben eine Zeitlang in einem Dorf 50 Kilometer entfernt von Phnom Penh Die
älteren Leute wussten, dass es keine Hoffnung auf eine Rückkehr mehr gibt, aber
Saroeun Mom wollte diese Hoffnung nicht aufgeben. Eines Tages kamen Soldaten
der Roten Khmer und fragten nach dem Lebenslauf von seinem Bruder, kamen
immer wieder, einmal, zweimal, dreimal. Er begann zu verstehen….
O-Ton: Saroeun Mom:
Was jetzt passiert mit uns. Und eines Tages in der Nacht um zwölf Uhr, kam die Pol
Pot Armee zu uns und sagte, jetzt, alle Familien sollten jetzt mit uns kommen, um
zwölf Uhr nachts, … Und dort hat wieder die Pol-Pot Armee nach Lebenslauf
gefragt: Was haben sie im Lon Nol Regime gemacht, aber ich hatte keine Antwort
gegeben, aber nur mein Bruder, ne und er hat immer gesagt, ich bin ein Angestellter
von einer Fluggesellschaft.. Bist du Pilot oder bist du Angestellter? Und dann mein
Bruder hat immer gesagt, ich bin ein Angestellter, ich bin armer Mann, und dann die
Pol Pot Armee ging weg und kommt nächsten Morgen und hat gesagt, nur deine
Familie geht zurück, wo wir waren.
Erzähler:
Zurück in das Dorf, wo sie jetzt bei der Reisernte helfen mussten. Saroeun Mom
hörte dort später, dass alle, die nicht zurück durften, im Dschungel erschlagen,
erschossen oder in eine Schlucht gestürzt wurden.
O-Ton: Saroeun Mom:
Sehr tief, 50 Meter tief, hinuntergestoßen…
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Erzähler:
Sie wurden dann weiter geschickt. Der Bürgermeister sagte, er hätte kein Reis mehr
für sie, sie sollten in ihre Heimat zurückkehren, in die Takeo-Provinz
Saroeun Mom hat vom Ende des Roten Khmer Regimes und seiner endgültigen
Rettung nur ein Bild im Kopf. „1978 herrschte Chaos im Lande“, sagt er, er sei in
einen Abnutzungskrieg geschickt, bis ihm die Flucht in befreite Gebiete gelang. Nach
Amerika habe er gewollt, an der Grenze nach Thailand sei er schließlich von
Kontrollposten der vietnamesischen Armee aufgegriffen worden, die ab dem 7.
Januar 1979 mit der Eroberung der Hauptstadt Phnom Penh die neuen Herren in
weiten Teilen des Landes waren. Er schlug sich nach Phnom Penh durch, war zu
Fuß einen Monat unterwegs, fand dort Überlebende seiner Familie und erfuhr vom
Tode seines Vaters, der an einer Lungenentzündung gestorben war.
O-Ton: Saroeun Mom:
Ich hatte meine Mutter hier getroffen in Phnom Penh, Das war in der Zeit, wir haben
kein Geld, wir haben nur Gold, und es gab immer nur Tauschen von
Nahrungsmitteln, entweder in Form Austausch von Gold gegen anderen
Gegenstand oder ich gebe Reis. Reis spielt eine sehr große Rolle in der Zeit…
Erzähler:
Saroeun Mom ist nach vier Stunden Erzählen erschöpft, bittet um eine Pause, um
ein Glas Tee. Auch dass er seine Geschichte auf Deutsch erzählt, ist für ihn
anstrengend. Oft muss er nach Worten suchen. Es sei lange her, die Zeit in der
DDR und dann im wiedervereinigten Deutschland, als er diese Sprache erlernte. Ich
bin überrascht, wie kam er nach Europa?
1980 bewarb er sich um ein Stipendium aus „den sogenannten kommunistischen
Ländern“, wie er sagt, „der brüderlichen Länder“, die für den Aufbau Kambodschas
Fachkräfte ausbildeten. Er wurde in die DDR geschickt und dort zum „GießereiIngenieur“ ausgebildet.
Seine ersten Eindrücke nach seiner Ankunft in einer fremden Welt. Eben noch im
Krieg und jetzt im wohlgeordneten sozialistischen Deutschland.
O-Ton: Saroeun Mom:
Als ich ankam in Berlin-Schönefeld, es gab eine kambodschanische Stellvertreter
von unserer Botschaft Empfang und sie hat uns in einen Personenzug gebracht, und
wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten. Ja, wir wussten nicht, wie die Welt
aussieht und dann plötzlich von „Gar Nichts“ und in die reiche Staat wie die
ehemalige DDR, sehr großer Unterschied, als ich dort ankam, ich habe gesehen, wie
sagt man , ein Himmel für uns, eine herrliche Staat für uns, das ist weit entwickelt, im
Vergleich mit Kambodscha, weil durch Pol Po Zeit war alles zerstört, die Infrastruktur
war total zerstört und dann haben wir in der ehemaligen DDR gesehen, das war ein
Paradies für uns…
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!990 bewarb er sich noch einmal um ein Stipendium im wiedervereinigten
Deutschland, wo er zu einem Ingenieur in Keramik ausgebildet wurde Er erhielt das
Angebot einer deutschen Firma zu bleiben, aber er wollte nach Hause.
O-Ton: Atmo: Pfefferfarm
Erzähler:
Als Saroeun Mom seinen Entschluss wahr machte, hatte Norbert Klein das
Landwirtschaftsministerium bereits verlassen, engagierte sich in Gesprächsforen,
wobei seine Kontakte zu evangelischen Akademien in Europa nutzte. Dann
kümmerte er sich um die elektronische Kommunikation im Lande.
O-Ton: Norbert Klein:
Ich habe die erste Verbindung zum Internet aufgebaut in Kambodscha, dann 96 die
Landesadresse ,Punkt DE in Deutschland, Punkt KH, habe ich eingerichtet, 98 ans
Postministerium gegeben, 99 haben wir dann angefangen die kambodschanische
Schrift zu definieren für Computerbenutzung, 2003 haben wir angefangen
kambodschanisch-sprachige Programme zu entwickeln, also Text, ,Rechenblatt usw
..
Erzähler:
Während mir Norbert Klein von seiner Karriere als Internetpionier erzählt, ist um ihn
herum ein lebhaftes Gespräch in Gang gekommen., Touristen, Freunde, Nachbarn
bewundern seine Pfefferfarm, die er seit drei Jahren mit seiner kambodschanischen
Frau bewirtschaftet. Seine Zukunftsvision: Das Land muss auf eigenen Füßen stehen
und darf nicht weiter vom ausländischen Kapital abhängig sein. Ein frommer
Wunsch? Nein, sagt er, wir müssen nur selbst damit anfangen….
O-Ton: Norbert Kein:
Wir verkaufen also eine Menge Kokosnüsse hier, zum Austrinken, die kaufen wir
natürlich unten im Dorf…..das ist auch ein kleiner Wirtschaftszweig, die wir aufgebaut
haben und andere Lebensmittel, die es hier gibt. Und dann haben wir eben versucht,
abgesehen von der eigenen Produktion auch Exportbeziehungen aufzubauen, und
zwar insofern als diese Farm hier ein Mitglied der etwa zweihundert Mitglieder der
Kampot-Pfeffer-Fördervereinigung sind. Wir sind also Produzent und Verkäufer, d.h.
einen Teil exportiert, einen Teil an die Besucher aus 70 Ländern, die in den letzten
zwei Jahren hier waren, direkt verkauft. Das ist mein Altersitz, ich bin im Ruhestand,
wie sie sehen……(Lachen)
Atmo: Straße in Phnom Penh, Autos, Passanten
Erzähler:
Mit Sarouen Mom unterwegs in Phnom Penh. Er hätte Norbert Klein treffen können.
Er war ja 1996 wieder zurück in Kambodscha, arbeitete zunächst in einem
Ministerium, ab 2002 dann in der Konrad-Adenauer-Stiftung als Senior Programm
Manager, dort zuständig für Bildungsprojekte, weil er die NGO`S im Lande fördern
wollte. Heute initiiert und begleitet er mehrere Gesprächskreise, wie „Law-Talk“ über
Wahlreformen, einen „Politkoffee“ über aktuelle Tendenzen in der
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kambodschanischen Politik, Diskussionszirkel und Tagungen zum Thema, was eine
Demokratie aus dem Buddhismus lernen kann. Über den Weg gelaufen sind sie sich
in den Gesprächszirkeln aber nicht.
Ich zeig ihnen was, sagt Saroeun Mom unvermittelt. Ich zeige ihnen meine alte
Schule. In der Pol-Pot-Zeit wurde sie das berüchtigtste Gefängnis im Land. Der
Name: S.21. .Keiner traute sich ihn offen auszusprechen. S21…
Atmo: Autotür schlagen, Eingang S21
Erzähler:
Vor dem Eingang stauen sich die Besucher. Ich sehe kaum Kambodschaner aber
viele Touristen aus Australien, Japan, Amerika und Europa
O-Ton: Saroeun Mom:
Ja, hier, das war meine Schule, ich habe von 1972 bis 1975 gelernt. Ja, hier ist
meine Klasse, wo ich Sport gemacht habe, ja, man hat diese Leute dort
gehängt….aufgehängt…. Normalerweise hier, man hängt hier die Seile und man
kann so Sport treiben, aber man benutzt diese Stelle, Folter. Und dann, man wollte
gern die Antworten, wenn die Leute nicht richtig antworten, dann bringt man sie in
diese Behälter und in den Behältern ist ein stinkendes Wasser und viele Wasser
hier, damit die Opfer ertrinken, wenn sie nicht die richtige Antwort geben. Vielleicht ist
auch für die Roten Khmer, die die Leute hierher gebracht und gefoltert, weil..….
Erzähler:
Wir gehen von Raum zu Raum, und er findet kein Ende bei der Aufzählung der
Methoden, mit denen die Roten Khmer hier ihre Opfer quälten, um weitere Namen
von sogenannten Spione, Agenten Verrätern aus ihnen herauszupressen. Nachdem
sie die erwünschten Antworten bekommen hatten, töteten sie dann ihre Opfer im
Gefängnis S21 oder brachten sie außerhalb Phnom Penhs zu den sogenannten
„Killing Fields“. Über zweihunderttausend Menschen seien damals auf diese Weise
verschwunden, sagt Saroeun Mom, „einfach so“, denunziert von Nachbarn,
Freunden, der eigenen Familie. Jeder misstraute jedem „Paranoia, verstehen Sie“. Er
drängt zur Eile. Er will hier weg.
O-Ton: Saroeun Mom:
Ich hab so sehr schlechte Gefühle, was alles so…warum so was passiert und so
weiter, warum gerade diese Schule S21 war, das war furchtbar, finde ich….
Atmo: Phnom Penh, S 21
Erzähler:
Und heute? Will Saroeun Mom Rache, will ich wissen. Eine Wiedergutmachung für
den toten Vater und die anderen Opfer in seiner Familie?. Wenigstens die
Anerkennung einer Schuld von offizieller Seite?
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O-Ton: Saroeun Mom:
Zum Beispiel in meiner Familie, mein Onkel, das ist der jüngste Bruder von meinem
Vater, der war von Pol Pot sofort umgebracht. Man wusste, dass die Täter immer am
Leben, aber man kann nichts machen, sogar bis jetzt, aber Kambodscha, verstehen
Sie, ist buddhistisch lehrt uns , das kambodschanische Wort sagt (er spricht Khmer)
das bedeutet das, wenn sie schlechter getan haben, werden sie sich von selber
zerstören. Ich kann nachlassen, weil, ich wollte nicht mehr die Rache und
deswegen, wenn ich in meine Heimat entlang gehe, ich sehe diese Familien von den
Tätern. Wir leben mit den Tätern zusammen, im Moment, obwohl wir wussten, dass
sie Täter waren, wir lassen ihn einfach leben. Sie müssen verstehen…...
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