Visionen

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Die Morgenandacht
Montag bis Samstag, 5.55 Uhr (NDR Info) und 7.50 Uhr (NDR Kultur)
17. bis 22. Oktober 2016: „Visionen“
Von Robert M. Zoske aus Hamburg
Was wäre das Leben ohne die Vision einer besseren Welt, fragt Robert Zoske? Menschen - woher sie auch kommen - neigen sich zueinander und der Himmel öffnet sich.
Redaktion: Claudia Aue
Evangelische Kirche im NDR
Redaktion Kiel
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Biblische und surrealistische Visionen
Zur Ausstellung der Hamburger Kunsthalle: DALÍ, ERNST, MIRÓ, MAGRITTE. Surreale Begegnungen aus den Sammlungen Edward James, Roland Penrose, Gabrielle Keiller, Ulla und Heiner Pietzsch, Hamburger Kunsthalle, 07. Oktober 2016 bis 22. Januar
2017. Katalog zur Ausstellung: Görgen, Annabelle / Gaßner, Hubertus (Hg.), München
2016. Ich danke Dr. Annabelle Görgen-Lammers und Dr. Désirée de Chair von der
Hamburger Kunsthalle herzlich für die freundliche Kooperation.
Montag, 17. Oktober 2016
Mir träumte, ich saß auf dem flachen Dach eines Hauses. Auf einmal sah ich den Himmel offen stehen. Etwas, das wie ein großes Leinentuch aussah, wurde an vier Zipfeln
niedergelassen. In dem Tuch waren viele vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und
Vögel des Himmels. Ich hörte eine Stimme: „Steh auf, schlachte und iss!“ Aber als
frommer Jude antwortete ich: „Oh nein, Herr; ich habe noch nie etwas Verbotenes und
Unreines gegessen.“ Da sprach die Stimme zum zweiten Mal: „Was Gott rein gemacht
hat, das nenne du nicht verboten.“ Das geschah dreimal; dann wurde das Tuch wieder
hinaufgenommen in den Himmel. Der biblische Petrus hatte diese Vision. Als er noch
darüber grübelte, was ihm Gott damit sagen wollte, standen drei Fremde vor der Haustür. Sie baten ihn, sie zu einem römischen Hauptmann zu begleiten. Der wollte mehr
über Jesus erfahren. Als Petrus im Haus des Römers ankam, warteten dort viele Menschen auf ihn. Es waren alles Ausländer. Jetzt verstand Petrus die Bedeutung seines
Traums. Gott hatte ihm gezeigt, dass er keinen Menschen meiden oder unrein nennen
soll. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Egal, woher er kommt. Eine Traumvision hatte
Petrus gezeigt, wie grenzenlos Gottes Liebe ist.
In Hamburg kann man gerade in viele Traumwelten eintauchen. Die Kunsthalle widmet
sich dem Surrealismus. Gezeigt werden Werke, die über die Wirklichkeit hinaus weisen. Ein Gemälde Salvador Dalís besteht aus zwei Bildern. Die beiden Leinwände sind
wie die Oberkörper zweier Menschen geformt. Sie neigen sich einander zu. Im Vordergrund stehen Tische. Gedeckt sind sie mit schweren weißen Leinentüchern, Weintrauben, einem Gewicht, und einem Pastisglas mit Löffel. Der Blick des Betrachters geht
über die Tische hinaus in eine weite, vom Sonnenlicht durchflutete, karge Landschaft.
Hoch oben am Himmel sind Wolken. Sie ziehen durch die Köpfe der Zwei. So heißt
auch das Gemälde: „Paar, die Köpfe voller Wolken“. Was wäre das Leben ohne die
Vision einer besseren Welt? Menschen - woher sie auch kommen - neigen sich zueinander und der Himmel öffnet sich.
Apostelgeschichte 10,1-47/Salvador Dalí (1904-1989), Paar, die Köpfe voller Wolken, 1936, Öl auf Leinwand, linke Figur 82,5 x 62,5 cm, rechte Figur: 92,5 x 69,5 cm, Museum Boijmans Van Beuningen,
Rotterdam.
Dienstag, 18. Oktober 2016
Mir träumte, ich erblickte ein riesiges, hell glänzendes Standbild. Es war schrecklich
anzusehen. Das Haupt der Statue war von feinem Gold. Seine Brust und Arme bestanden aus Silber, Bauch und Lenden aus Kupfer. Es hatte eiserne Schenkel. Die Füße
aber waren aus Eisen und Ton. Da rollte ein Stein heran. Er traf das Standbild an seinen Füßen und brachte es zum Einsturz. Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold wurden
zu Staub zerrieben. Wind kam und verwehte ihn. Von der Statue war nichts mehr zu
sehen. Der Stein aber wurde zu einem großen Berg, der die ganze Welt füllte. Da erwachte ich. Der biblische König Nebukadnezar hatte diese Vision.
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Daniel, ein Gelehrter, deutete ihm den Traum: Das goldene Haupt sei der König selber.
Nach ihm kämen geringere Herrscher. Das letzte Reich sei stark und schwach zugleich. Da man Eisen und Ton nicht mischen könne, werde es keinen Bestand haben.
Der heran rollende Stein bedeute, dass der Gott des Himmels alle Königtümer zermalmen werde. Danach werde er ein ewiges Reich aufrichten. Der Traum aus dem alten
Babylon ist eine Parabel auf die Vergänglichkeit. Alle Macht der Welt steht auf tönernen
Füßen. Ein Anstoß kann alles umstoßen.
In Hamburg kann man gerade in viele Traumwelten eintauchen. Die Kunsthalle widmet
sich dem Surrealismus. Gezeigt werden Werke, die über die Wirklichkeit hinaus weisen. Die französischen Künstler André Breton, Jacquelin Lamba und Yves Tanguy haben eine Papiercollage erstellt. Man sieht eine überaus kunstvolle Figur. Doch sie ist
sehr zerbrechlich. Der Kopf und die Beine gehören zu einem Mann. Unter seinem Bart
fährt eine alte Dampf-Lokomotive. Als Helm trägt er ein [Baum]Blatt, über das eine
Raupe kriecht. Seine Beine stecken in engen Hosen. Doch die Hosenträger passen
nicht auf den Körper, denn der besteht aus Maschinenteilen. Sie sind wacklig aufeinander gesetzt. Die Gestalt erzählt von der Hinfälligkeit aller Dinge. Die Vergangenheit
ist unveränderbar. Die Zukunft liegt im Dunkeln. In der Gegenwart kann ein Anstoß alles umstoßen. Das Leben steht auf schwachen Füßen.
Die Bibelgeschichte deutet die Unsicherheit, die Dunkelheiten des Lebens. Es sei Gott,
der Könige ab- und einsetze. Er kenne das Gestern und das Morgen. Er sieht, was im
Finstern liegt. Bei Gott ist lauter Licht.
Daniel 2/André Breton (1896-1966), Jaquelin Lamba (1910-1993), Yves Tanguy (1900-1955), ohne Titel
(Köstlicher Leichnam), 1938, Collage auf Papier, 31 x 21,2 cm, Scottish National Gallery of Modern Art,
Edinburgh.
Mittwoch, 19. Oktober 2016
Mir träumte, eine Leiter stand auf der Erde. Sie reichte mit ihrer Spitze bis an den
Himmel. Engel stiegen daran auf und nieder. Oben war Gott. Ich hörte, wie er sagte:
„Ich bin dein Gott, das Land, wo du bist, will ich dir und deinen Nachkommen geben.
Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst. Ich will dich nicht verlassen, bis
ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ Da erwachte ich. Der biblische Jakob hatte
diese Vision. Er war überzeugt: „Wirklich, Gott ist an dieser Stätte, und ich wusste es
nicht!“ Und er erschrak: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist Gottes Haus, und hier ist die
Pforte des Himmels.“ In seiner Traumvision erkannte Jakob, dass es Orte gibt, an denen der Himmel offen steht.
In Hamburg kann man gerade in viele Traumwelten eintauchen. Die Kunsthalle widmet
sich dem Surrealismus. Gezeigt werden Werke, die über die Wirklichkeit hinaus weisen. In Dorothea Tannings Gemälde „Avatar“ blickt der Betrachter von oben in die abgründige Tiefe eines Zimmers. Tief unten sind ein Kamin, darüber eine Uhr und ein
Spiegel zu erkennen; durch eine halb geöffnete Tür fällt Licht. Neben einem aufgedeckten, leeren Bett wächst ein Baum in die Höhe. Durch den Raum schwebt ein junges
Mädchen. Sie hat die Arme über ihren Kopf gestreckt und schwingt an einer Trapezschaukel - wie eine Artistin im Zirkus. Ihre Augen sind geschlossenen, der Mund ist
halb geöffnet. Sie träumt versunken. Auf ihrem Rücken lodern feuerrote Flammenflügel.
Sie nehmen von ihr Besitz. Das überlange Haar windet sich wie eine Nabelschnur aus
der schlundartig geöffneten Baumkrone.
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Die Seile der Schaukel sind irgendwo weit außerhalb des Bildes befestigt. Hinter dem
Mädchen gleitet ein zweites Trapez durch den (T)Raum. An ihr schwingt ein dunkelviolettes Abendkleid. Das Licht der Deckenlampe wirft bizarre Schatten.Der „Avatar“ von
Dorothea Tanning ist die Verkörperung eines Traums. Nachts im Schlaf erscheint eine
andere Welt. Als Jakob seine Vision sieht, ist er gewiss, an diesem Ort wohnt Gott. Das
Gemälde zeigt, dass die göttliche Himmelsleiter, das phantastische Traumtrapez, direkt
neben uns schwingt. Eine andere Wirklichkeit kann sich überall öffnen.
Genesis 28,10-17/Dorothea Tanning (1910-2012), Avatar, 1947, Öl auf Leinwand, 35,6 x 27,9 cm, Privatsammlung.
Donnerstag, 20. Oktober 2016
Plötzlich blendete mich ein grelles Licht. Ich fiel zu Boden und hörte: „Saul, Saul, was
verfolgst du mich?“ Ich fragte: „Wer bist du?“ und vernahm: „Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh nach Damaskus. Dort wird man dir sagen, was du tun sollst.“
Ich öffnete die Augen, aber ich konnte nichts erkennen. Ich hatte mein Gesicht verloren. Gedemütigt und hilflos, musste ich mich in die Stadt führen lassen. Drei Tage und
drei Nächte aß und trank ich nichts. Aber ich betete. Da hatte ich eine neue Vision. Jemand würde mir die Hand auflegen. Dann könnte ich wieder sehen. Tatsächlich kam
ein Mann, der sagte, Jesus habe ihn gesandt, ich solle den Geist Gottes empfangen.
Als ich seine Hände spürte, fiel es wie Schuppen von meinen Augen. Ich erkannte alles
ganz klar und ließ mich taufen. Der biblische Paulus hatte diese Erscheinungen. Seine
Visionen machten aus dem fanatischen Christenverfolger einen bedingungslosen
Christusapostel. War das die sprichwörtliche Bekehrung vom Saulus zum Paulus? Oder war der Eine nur das Spiegelbild des Anderen?
In der Hamburger Kunsthalle kann man gerade über Schein und Sein nachdenken. Die
Surrealismus-Ausstellung zeigt Werke, die über die Wirklichkeit hinaus weisen. Ein
Gemälde René Magrittes zeigt die Rückansicht eines Mannes im schwarzen Anzug. Er
blickt in einen Spiegel schräg vor ihm. Dort müsste sein Gesicht erscheinen. Aber wieder sieht man nur die Rückenpartie. Ist das mehr als ein Spiel mit den Naturgesetzen?
Eine Antwort gibt das Buch, das auf dem Sims unter dem Spiegel liegt. Es ist Edgar
Allan Poes fantastischer Roman „Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon
Pym“. Die Buchstaben erscheinen korrekt im Spiegel, also seitenverkehrt. Poes Werk
ist allerdings eine Mischung aus Wahn und Wirklichkeit, eine Beschreibung menschlicher Extremsituationen, eine existenzielle Entdeckungsreise. Traumgesichte werden zu
Tatsachen.
Magrittes Gemälde ist eine Frage nach der Wirklichkeit des Ich, nach der Individualität.
Wie real ist das, was wir „Persönlichkeit“ nennen? Was würde wohl Paulus im surrealistischen Spiegel sehen? Den alten Saulus, den neuen Paulus, ein Doppelporträt? Vor
Damaskus hatte er sein Gesicht verloren. Neue Orientierung fand er in Christus. Bald
darauf schrieb er: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“ (Philipper
1,21).
Apostelgeschichte 9,1-19/René Magritte (1898-1967), Reproduktion verboten, 1937, Öl auf Leinwand,
81,5 x 65,5 x 2 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam. Magritte porträtierte den Kunstsammler Edward James, dem das Bild bis 1977 gehörte.
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Freitag, 21. Oktober 2016
Mir träumte, ich stand auf einem Weizenfeld. Meine elf Brüder waren auch da. Wir
banden Getreidehalme zusammen. Da richtete sich plötzlich meine Garbe auf. Die
Bündel der Geschwister kamen, stellten sich ringsherum und verneigten sich. Als ich
den Brüdern das sagte, wurden sie ärgerlich. Sie fragten, ob ich über sie herrschen
wolle. Doch ich hatte noch einen zweiten Traum. Da sah ich, wie sich die Sonne, der
Mond und elf Sterne vor mir verbeugten. Als ich das erzählte, schimpfte mein Vater, ob
ich mir einbilde, die ganze Familie werde vor mir niederfallen.
Der biblische Joseph hatte diese Visionen. Es vergingen Jahre, bevor seine Traumgesichte Wirklichkeit wurden. Bis dahin musste er Todesangst, Sklaverei, Verleumdung,
Gefängnis und Undankbarkeit ertragen. Doch zuletzt gelangte er im Ausland zu Ansehen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht, kommen tatsächlich seine Brüder zu ihm als
Bittsteller. Als sie ihn erkennen, fürchten sie sich. Doch Joseph ist frei von Rachegelüsten. Er versöhnt sich mit ihnen und sagt: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen,
aber Gott gedachte es gut zu machen.“ (Genesis 50,20)
In Hamburg kann man gerade in viele Traumwelten eintauchen. Die Kunsthalle widmet
sich dem Surrealismus. Zu sehen sind Werke, die über die Wirklichkeit hinaus weisen.
„Wartende Kinder“ heißt ein Gemälde von Richard Oelze. Neben einem alten Baumstamm kauern Mädchen und Jungen. Ihre Kleider sind in warmen, leuchtenden Farben
gemalt: beige, blau und rot-orange. Die Blicke schweifen über dichtbewachsenes Gelände. Schlingpflanzen überwuchern schemenhaft hohe Gebäude. Im Hintergrund ziehen düster-graue Wolken ab. Das Bild entstand 1948. Nach einer dunklen Vergangenheit symbolisierten Kinder die Hoffnung auf einen Neuanfang. Kind sein heißt, Zukunft
zu haben. Kind sein heißt, viel und Neues vom Leben zu erwarten.
Joseph erträumte und erarbeitete sich eine helle Zukunft. Trotz vieler Rückschläge war
er davon überzeugt: Gott wird mich nicht vergessen. Er sorgt für mich. (Genesis 50,24)
Seine Traumvisionen als Jugendlicher hatten ihm gezeigt, was er von Gott erwarten
durfte. Darauf vertraute er.
Genesis 37-50/Richard Oelze (1900-1980), Wartende Kinder, um 1948, Öl auf Papier auf Malpappe, 25 x
32,5 cm, Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch, Berlin.
Samstag, 22. Oktober 2016
Ich stand auf einem großen und hohen Berg. Da sah ich, wie eine Stadt aus dem Himmel herabkam. Sie hatte die Form eines Würfels; Länge, Breite und Höhe waren gleich.
Die Stadt ruhte auf zwölf Grundsteinen und leuchtete voller Edelgestein. Eine große,
hohe Mauer mit zwölf Toren aus Perlen umgab sie. Darüber standen zwölf Engel.
Überall waren Halbedelsteine und Gold. Der Marktplatz war aus besonderem Gold wie durchscheinendes Glas. Der biblische Seher Johannes hatte diese Vision. Er war
wegen seines Glaubens auf die griechische Insel Patmos verband. Dort schaute er die
zukünftige Welt. Im letzten Gesicht erblickte er einen „neuen Himmel“, eine „neue Erde“
und das „heilige Jerusalem“. Die Stadt senkte sich von Gott herab auf die Erde. Das
Gesicht verspricht eine Traumstadt. In ihr zerstören nicht Chaos und Gewalt, sondern
es gedeihen Harmonie und Frieden.
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In Hamburg kann man gerade in viele Fantasiewelten eintauchen. Die Kunsthalle widmet sich dem Surrealismus. Gezeigt werden Werke, die über die Wirklichkeit hinaus
weisen. Max Ernst hat auf seinem Gemälde „Türme“ eine irdische Traumstadt errichtet.
Das Bild ist in warmen Erdfarben gemalt: rot-braun, ocker-beige und blau-grau sind
wohl aufeinander abgestimmt. Wie aus Holzspielzeug zusammengesetzt, sind unterschiedliche Bauteile harmonisch aufeinander getürmt. Mauerwerk verleiht der aufstrebenden Konstruktion Stabilität. Sie wächst gleich einer Kathedrale mit großem Chorfenster gen Himmel. Das göttliche Jerusalem schwebt visionär aus der Höhe herab; die
menschliche Stadt steigt aus der Tiefe hinauf.
Auch die AIDS-Seelsorge Hamburg hat eine Vision. In der Hansestadt soll ein Haus der
Vielfalt gebaut werden. Im Auftrag der Nordkirche und mit der Brigitte-Kreßner-Stiftung
ist ein Wohnprojekt geplant. Menschen mit und ohne HIV und AIDS, mit und ohne Behinderung, sollen dort lebenswert wohnen. Es ist egal, wie alt man ist, oder welche sexuelle, soziale und religiöse Orientierung jemand hat. Ein Zuhause entsteht, das jedem
offen steht - Schwulen, Lesben und Heterosexuellen. Wenn diese Vision wahr wird, ist
das noch nicht das „himmlische Jerusalem“, aber doch hoffentlich ein Stück „Himmel
auf Erden“.
Offenbarung 21 ff./Max Ernst (1891-1976), Türme, 1916, Öl auf Leinwand, 60 x 43 cm, Scottish National
Gallery of Modern Art, Edinburgh.
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