Anschreiben an Ministerpräsident Horst Seehofer

Abgeordneter
Bernhard Pohl
MdL Bernhard Pohl Gutenbergstr. 2a 87600 Kaufbeuren
Herrn Ministerpräsident Horst Seehofer
Bayerische Staatskanzlei
Postfach 220011
80535 München
AZ 251/16 lö
Kaufbeuren, 21. Oktober 2016
Mitglied im Ausschuss für
Staatshaushalt und
Finanzfragen
Sprecher für Haushalts – und
Finanzpolitik
Sprecher für
Vertriebenenpolitik
Sprecher für
Angelegenheiten der
Bundeswehr
Geplante Änderung der Kompetenzverteilung im Bundesfernstraßenbau/
Infrastrukturgesellschaft
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
im Rahmen Ihrer Erklärung zum Länderfinanzausgleich haben Sie angekündigt,
dass die Zuständigkeit für den Bereich der Bundesfernstraßen
vereinbarungsgemäß künftig auf den Bund übergehen soll. Dieser plane eine
Infrastrukturgesellschaft, die an Stelle der Bundesauftragsverwaltung der Länder
nun für Neu- und Ausbau, Instandhaltung und Bewirtschaftung der
Verkehrsinfrastruktur – Straße und Schiene – zuständig sein soll.
Sie hatten, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, in Ihrer Regierungserklärung
am vergangenen Dienstag die Infrastrukturgesellschaft als einen Kompromiss
bezeichnet, den die Länder eingehen mussten. Dies sei quasi der Preis dafür
gewesen, den die Länder dem Bund für die Neugestaltung des
Länderfinanzausgleichs zu zahlen hätten.
Ich hatte Ihnen wiederum auf Ihre Regierungserklärung deutlich gemacht, dass
die Freien Wähler dies anders sehen. Weder halten wir den
Länderfinanzausgleich für einen großen Wurf, insbesondere dann, wenn man
die Maßstäbe Ihres eigenen Finanzministers anlegt. Umso weniger können wir
politisch akzeptieren, dass nun die Bundesfernstraßen aus der bewährten Hand
der Auftragsverwaltung des Freistaats Bayern – Autobahndirektionen, Oberste
Baubehörde, Staatliche Bauämter - in die Zuständigkeit des Bundes überführt
werden. Sagen Sie mir bitte einen Bereich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wo eine Verlagerung von Zuständigkeiten vom Freistaat Bayern auf den Bund
für uns Vorteile gebracht hätte. Mir fällt keine ein.
Dies umso mehr, als durch die gute Arbeit unserer Verwaltung und klare
politische Signale, der Modernisierung und dem
Ausbau unserer
Verkehrsinfrastruktur hohe Priorität zuzuweisen, Bayern immer deutlich mehr
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Mittel abschöpfen konnte, als eigentlich für uns vorgesehen waren. Jahr für Jahr
konnten wir so 100 Millionen Euro, teilweise auch mehr verbauen, weil andere
Länder ihre Mittel nicht abgerufen haben.
Die Überführung in die Bundeszuständigkeit und die Gründung der
Infrastrukturgesellschaft werfen nun eine ganze Reihe von Fragen auf. Fragen,
die im derzeitigen Stadium noch nicht eindeutig zu beantworten sind. Sie hatten
in Ihrer Regierungserklärung ausgeführt, es stehe weder der Zeitpunkt fest noch
seien die Einzelheiten ausgehandelt. Dies stehe noch bevor.
Aus diesem Grund wende ich mich nun an Sie und formuliere die Anliegen mit
der Bitte, diese im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen im Interesse des
Freistaats Bayern zu berücksichtigen.
Zunächst geht es mir um die Infrastrukturgesellschaft als solche. Ob diese
realisiert wird, ist nicht Sache der Länder, sondern ausschließlich Sache des
Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, an der Ihre Partei als
Koalitionspartner beteiligt ist. Sie stellen auch den Bundesverkehrsminister.
Ich möchte Sie als Ministerpräsident und als Parteivorsitzender darum bitten,
Ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass die Zuständigkeit für die
Bundesfernstraßen in staatlicher Hand bleibt. Eine Privatisierung der
Bundesfernstraßen wird unweigerlich mittelfristig mit zusätzlichen Abgaben für
die Straßennutzer verbunden sein. Selbst wenn Ihre Partei dies ausschließen
sollte: Privatisierung von Fernstraßen heißt Maut für alle! Auch wenn es am
Anfang noch anders geregelt sein sollte, über kurz oder lang wird dies kommen.
Zu befürchten ist aber auch, dass bei privater Finanzierung klare Prioritäten
gesetzt werden, und zwar nicht von der Politik. Ein Einstieg in eine private
Betreiber- und Investitionsgesellschaft wird dazu führen, dass Großprojekte,
internationale Magistralen bei Straße und Schiene mit höchster Priorität
ausgebaut werden, da dort die meisten Nutzer zu erwarten sind und am meisten
Geld verdient werden kann. Regionale Verkehrsprojekte hingegen werden noch
weiter ins Hintertreffen geraten. Das wiederum widerspricht unserem in der
Bayerischen Verfassung erst kürzlich verankerten Ziel nach gleichwertigen
Lebensverhältnissen im Freistaat.
Aus Allgäuer Sicht nenne ich hier insbesondere den vierspurigen Ausbau der
B 12 von Buchloe über Kaufbeuren nach Kempten, aber auch
Ortsumfahrungen in den Landkreisen Ostallgäu, Unterallgäu und Günzburg, um
einige beispielhaft herauszugreifen. Frau Staatssekretärin Dorothee Bär
berichtete mir in einem Gespräch im Juni 2015, es gebe ohnehin gegen diese
kleinen Projekte im Bundestag nicht zu unterschätzende Widerstände.
In der Einigung der Länderfinanzminister gibt es für die Bundesstraßen einen
„opt. out – Vermerk“. Den könnte man dahingehend interpretieren, dass die
Bayerischer Landtag
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Länder für diese Straßenkategorie das Recht haben, die Zuständigkeit wieder an
sich zu ziehen. Das wäre zumindest für diese Straßen ein kleiner Lichtblick.
Aus meiner Sicht bietet sich aber eine andere Lösung geradezu an. Letztlich
möchte der Bund durch die Verlagerung der Zuständigkeit doch nur erreichen,
dass nicht einzelne Bundesländer politisch motiviert den Bau und die
Erweiterung überregional wichtiger Verkehrsachsen blockieren und so der
Gesamtplanung des Bundes, wie sie im Bundesverkehrswegeplan ihren
Niederschlag findet, aber auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland und nicht
zuletzt der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrem eigenen Land Schaden
zufügen und so eine Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit auch und gerade im
Rahmen des gesamtstaatlichen Steueraufkommens verhindern.
Diesem Ziel kann man aber auch anders Rechnung tragen. Lassen Sie doch die
Kompetenz bei den Ländern und verankern Sie ein Selbsteintrittsrecht des
Bundes für ausgewählte Verkehrsprojekte mit gesamtstaatlicher oder
internationaler Bedeutung. Dann kann der Bund dem Land quasi „den Auftrag
entziehen“, wenn eine zügige und ordnungsgemäße Durchführung der
Maßnahme nicht gewährleistet ist. Sie würden so die Kompetenz, die die
bayerische Verwaltung in diesem Bereich hat, im Freistaat lassen, den Bürgern
verdeutlichen, dass sie sich auf keinerlei Verschlechterungen einzulassen haben
und im Übrigen auch ihren Beschäftigten eine langfristige Perspektive geben.
Die sozialverträgliche Lösung für die Beschäftigten, die Sie in Ihrer
Regierungserklärung angesprochen haben, müssten Sie dann gar nicht finden.
Abschließend komme ich noch auf die Zuteilung nicht abgerufener Mittel
einerseits und das Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland
andererseits zu sprechen. Ich bitte Sie darum, einen Mechanismus zu finden, der
dem Freistaat Bayern auch zukünftig zusätzliche Mittel garantiert, wenn er seine
Hausaufgaben besser als andere erledigt. Ich verstehe die Leidenschaft des
Bundes, den Bau und die Ertüchtigung nationaler und internationaler
Verkehrsachsen in Eigenregie erledigen zu können, wenn ein Land querschießt.
Dies trifft aber nur für die großen und bedeutenden Autobahnen in
Deutschland zu. Weder die Isental-Autobahn noch die A 70 von Schweinfurt
nach Bamberg gehören dazu, um einmal zwei Beispiele zu nennen. Wenn nun
einzelne Länder sich bewusst gegen den Ausbau dieser Straßen entscheiden, ist
es doch nur ein Gebot der Fairness, die Mittel denen zur Verfügung zu stellen,
die hier die richtigen Prioritäten setzen. Gleichwertige Lebensverhältnisse
bedeutet doch Chancengleichheit, nicht aber sozialistische Zwangsbeglückung.
Ich denke nicht, dass Sie dies anders sehen.
Zusammenfassend darf ich Sie also darum bitten, im Rahmen einer möglichen
Änderung bei den Bundesfernstraßen dafür zu sorgen, dass
Bayerischer Landtag
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auf Bundesebene eine Infrastrukturgesellschaft nicht weiterverfolgt
wird,
die drohende Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur gestoppt wird,
der Freistaat Bayern wenigstens die Zuständigkeit für die
Bundesstraßen, autobahnähnlichen Bundesstraßen und Autobahnen mit
nur regionaler Bedeutung behält,
Vorhaben mit nur regionaler Bedeutung nicht ins Hintertreffen geraten
und
der Freistaat auch künftig von nicht abgerufenen Mitteln der Länder
profitiert.
Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen!
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Pohl
Bayerischer Landtag
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