Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Held der Arbeit - Emil Gilels zum
100. Geburtstag (5)
Von Jörg Lengersdorf
Sendung:
Freitag 21. Oktober 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR2 Musikstunde mit Jörg Lengersdorf
Held der Arbeit - Emil Gilels zum 100. Geburtstag (5)
SWR 2, 17. Oktober - 21. Oktober 2016, 9h05 – 10h00
1968 rollen sowjetische Panzer durch Prag, beenden damit den Prager Frühling
der Hoffnung auf eine Entspannung des kalten Krieges. Emil Gilels befindet sich
wegen eines Konzerts in Stockholm, als der Kommunismus seine militaristische
Fratze zeigt. Im Westen gilt Gilels als politischer Repräsentant. Der schwedische
Veranstalter versucht, Gilels den Auftritt am Abend auszureden, das Stockholmer
Publikum würde möglicherweise das Konzert für eine politische Kundgebung
nutzen.
Gilels selbst scheint wenig Lust zu haben, einem feindseligen Publikum gegenüber
zu treten. Aber eine Konzertabsage aus politischer Rücksicht würde ihm in
Moskau einigen Ärger mit den Kulturkommissaren einhandeln. Zudem ist Gilels
gezwungen, über seine Konzerte Devisen nach Russland zu holen. Sagt er ab,
gibt es kein Geld. Eine Zwickmühle. Bei Honorarausfall droht weiteres Ungemach
in der Heimat. Er geht also abends auf die Bühne. Zitat Gilels: „Was sollte ich
machen? Es drohte eine hohe Konventionalstrafe. Was sage ich dazu bei der
Rückkehr in Moskau? Dieser Gedanke trieb mich an, während ich den Frack
anzog, die Fliege zurechtrückte. Wie ein Kopfsprung ins kalte Wasser – ein Ruck
und auf die Bühne. Bis zum Flügel gelangte ich nicht – mich riss buchstäblich eine
Welle entrüsteter Schreie, Beschimpfungen, Beleidigungen fort. Aber mein Ziel
hatte ich erreicht: wenn ich den Frack trug und auf die Bühne ging, galt das
Konzert entsprechend den Vereinbarungen meines Vertrages als gegeben, und
ich würde das Geld in vollem Umfang erhalten.“
Ein paar Sekunden steht Gilels also im hasserfüllten Pfeifkonzert, mit unbewegter
Miene, dann dreht er sich um, und verschwindet wortlos. Ein gedemütigter
Künstler in Frack und Fliege.
Musik 1, 3.35min
Johannes Brahms
Intermezzo a moll aus Fantasien op. 116
Emil Gilels
Deutsche Grammophon,
Gilels „Complete Recordings“ CD12
002894794651
Emil Gilels mit dem Intermezzo aus den Brahms Fantasien op. 116.
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Nach Auslandsaufenthalten muss Gilels manchmal bis zu 80 Prozent seiner
Honorare an die Sowjetbürokratie auszahlen. Oft werden Devisen bar über die
Grenzen gebracht, Gilels Ehefrau pflegt die Geldscheine nach den Konzerten
direkt in ihre Handtasche zu stecken. Dabei gibt es häufig nicht erst Probleme bei
der Abrechnung in Moskau. Oft suchen sowjetische Künstler zwecks
Gewinnmaximierung Lücken im ausländischen Steuerrecht, so versucht zum
Beispiel Gilels, seine mitreisende Ehefrau als Sekretärin gewinnmindernd
abzusetzen bei den US Behörden, was zu Schwierigkeiten führt.
Allein ist das Ehepaar bei West Tourneen dabei selten. Stets sieht man Gilels in
Begleitung eines „Übersetzers“ aus der Sowjetunion, der in Wahrheit ein Aufpasser
vom Geheimdienst ist. Keinesfalls sollen Künstler im Ausland feindliche Kontakte
knüpfen.
Um der enervierenden Beschattung zu entgehen, kann es vorkommen, dass das
Ehepaar Gilels mitunter fluchtartig oder auf Schleichwegen das Hotel verlässt, um
beispielsweise hektisch in den Wagen von Dirigent Zubin Mehta zu springen, der
mit laufendem Motor vor dem Ausgang wartet.
Zubin Mehta erinnert sich später an den konspirativen Ausflug, der eigentlich ein
harmloses Ziel hat: Avocados kaufen, denn Emil und Farizet Gilels haben noch nie
welche gegessen.
Jahrelang bewahrt Emil Gilels heimlich einen amerikanischen Zeitungsartikel über
den Emigranten Stravinsky in seiner Brieftasche auf. Im abgedruckten Interview
erklärt Stravinsky, er möge nur 2 Dinge an Russland: den Wodka und das
Ausreisevisum…
Musik 2, 5.47min
Franz Schubert
Fantasie d moll für Klavier 4händig D940 (Beginn)
Emil und Elena Gilels
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD17
002894794651
Im Juli 1978 macht Emil Gilels diese Aufnahme von Schuberts Fantasie d moll mit
seiner Tochter, Elena Gilels.
Es bleibt Spekulation, wie schwierig es für eine Tochter sein muss, in die
übergroßen Fußstapfen des Vaters zu treten. Wieder lohnt ein Blick in die Galerie.
Fast unheimlich wirkt auf manchen Fotos die Ähnlichkeit zwischen Vater und
Tochter, Elena ist noch ein wenig kleiner als der ohnehin schon gedrungene Herr
Papa. Oft richten beide denselben ernsten Blick in die Ferne. Es gibt das Foto der
13jährigen Elena Gilels beim Klavierüben. Ihr Vater schaut ihr über die Schulter, er
lächelt nicht, ist hochkonzentriert. Wie häufig, wenn es um Klavierspielen geht,
sind die Kiefermuskeln angespannt. Es gibt nun durchaus viele Bilder von Vater
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und Kind, auf denen beide gelöst wirken, aber selten findet ein Lachen in jene
Motive, auf denen es ums Musizieren geht. Ein Bild zeigt Elena Gilels direkt nach
ihrem Klavier Examen am Moskauer Konservatorium, mit
Glückwunschgeschenken im Arm. Emil Gilels steht seiner Tochter direkt
gegenüber, inmitten von Gratulanten. Fest ist sein Blick, freundlich durchaus,
lächeln tut er dennoch nicht.
Von Emil Gilels Kammermusikpartnern weiß man, dass er ausgesprochen streng
und unnachgiebig anspruchsvoll sein kann, wenn es um Kunst geht. Die Tochter
Elena wird ihren Vater zumindest beim Proben ähnlich erleben, Schlampereien
duldet er nicht.
Dennoch: „Nichts ist schöner im Leben“, sagt Gilels zu einem befreundeten
Dirigenten, als das Gespräch auf das gemeinsame Konzertieren mit der eigenen
Tochter kommt.
Im September 1973, ein Jahr nur nach Elenas Examen, nehmen beide im großen
Saal des Wiener Musikvereins Mozarts Klavierdoppelkonzert in Es Dur auf.
Musik 3, 7.12min
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für 2 Klaviere und Orchester KV365
Elena und Emil Gilels
Wiener Philharmoniker, Karl Böhm
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD16
002894794651
1973 entsteht die Aufnahme von Mozarts Konzert für 2 Klaviere in Es Dur in
denkbar festlichstem Umfeld mit denkbar prominentester Besetzung. Karl Böhm,
78jähriger Mozart-Altmeister dirigiert die Wiener Philharmoniker, Elena Gilels, 25
Jahre alt, hat gerade ihr Studium abgeschlossen, Papa Emil Gilels spielt an Klavier
Nummer 2.
In den frühen Siebziger Jahren führt Emil Gilels nicht nur seine hochbegabte
Tochter in den internationalen Musikbetrieb ein, sondern er beginnt auch mit der
Arbeit an seinem Vermächtnis, der Einspielung aller Klaviersonaten Ludwig van
Beethovens. Die erste Aufnahmesession findet 1972 in den UFA Studios in Berlin
statt. Gilels geht nicht chronologisch vor, von frühen zu späten Sonaten. Er
besteigt direkt einen der letzten Gipfel des Genres: Beethovens Opus 101.
Musik 4, 4.19min
Sonate Nr. 28 A Dur, op. 101
Emil Gilels
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD9
002894794651
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Gilels mit dem ersten Satz von Beethovens Sonate op. 101.
„Man sollte die Stille hören. Ihre einfangende, unerschütterliche Präsenz.“
Pianist Valery Afanassiev, selbst hochdekorierter Wettbewerbspreisträger, erinnert
sich mit diesen Worten daran, was man vor allem vom Pianisten Gilels lernen
könne. Während Konkurrent Sviatoslav Richter ein und dieselbe Passage
unzählige Male wiederholt habe, bis zur Erschöpfung, habe Gilels beim Üben
immer wieder innegehalten, nachgelauscht, die Stille gesucht.
13 Jahre lang arbeitet Gilels ab 1972 an den Sonaten Beethovens, ab den 1980er
Jahren sitzt er Jahr für Jahr im Studio, um den Zyklus weiterzuführen. Mit 68 Jahren
hat sich Gilels inzwischen völlig vom rasenden Virtuosentum gelöst. Wenn Gilels
ein Vorbild nennt, dann häufig den Pianisten Walter Gieseking. Klang erzeuge
man mit den Händen, das Pedal des Klaviers komme immer erst spät hinzu, „wie
ein Altweibersommer“.
Was Gilels Tempi nun, in seinen letzten Jahren, angeht, nimmt er sich manchmal
deutlich mehr Zeit als die Kollegen. Den folgenden ganz kurzen Satz aus
Beethovens op.110 spielt Gilels immerhin 40 Sekunden länger als Vorbild
Gieseking, und damit etwa ein Drittel langsamer.
Musik 5, 2.20min
Ludwig van Beethoven
Sonate Nr. 31 As Dur, op. 110
Emil Gilels
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD8
002894794651
Im Ungewissen endet das Allegro molto aus Beethovens Sonate op. 110.
An dieser Stelle würde selbstverständlich der letzte Satz folgen. Und, wenn man
im Rahmen des Zyklus denkt, würde anschließend noch Beethovens letzte
Klaviersonate folgen: op. 111, ein Heiligtum vieler Klavierfreunde. Eine Freundin
von Gilels hat einmal geäußert, sie habe eigentlich täglich auf seinen Anruf
gewartet, er habe endlich die 111 aufgenommen. So viel sei an dieser Stelle
verraten, der Anruf kam nicht. Er überlasse dem Schicksal, ob und wann er seinen
Beethoven Zyklus vollende, hat Gilels selbst gesagt. Das Schicksal wollte dieses
Werk unvollendet.
Weder Beethovens allererste Sonate, noch dessen letzte wird Gilels einspielen.
Aus jeder Schaffensperiode des Komponisten wird am Ende ein Werk fehlen, um
die Gesamtaufnahme vollständig zu machen.
Manchmal fühle er sich durch eine Aufnahme erleichtert, befreit, auch das
meinte Gilels. Man nehme sich das Werk sozusagen von der Seele. Nun gibt es
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trotzdem gleich mehrere Aufnahmen einiger Werke, mit denen sich Gilels immer
wieder beschäftigt hat.
Unverzeihlich wäre es jetzt, Gilels Einspielung von Brahms 2. Klavierkonzert zu
unterschlagen. Auch das hat er ab seinem 30sten Lebensjahr immer wieder
gespielt und aufgenommen. Zunächst 1946 in der Sowjetunion unter Dirigent Kirill
Kondrashin, dann in Chicago, später für den weltweiten Markt mit den Berliner
Philharmonikern unter Eugen Jochum.
„Ein deutsches Requiem… (mit) einem Priester der musikalischen Sammlung“,
nicht ganz ohne Pathos hat Kritiker Peter Cossé das formuliert…
Musik 6, 9.31
Johannes Brahms
Allegro Appassionato aus Klavierkonzert Nr. 2 op.83
Emil Gilels
Berliner Philharmoniker, Eugen Jochum
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD11
002894794651
Emil Gilels, die Berliner Philharmoniker und Eugen Jochum mit dem zweiten Satz
aus Brahms zweitem Klavierkonzert.
Die kommerziell erfolgreichste Aufnahme wird eine, die Gilels zunächst nicht
einmal aufnehmen will. Eine Freundin des Pianisten besucht Gilels eines Tages
während einer Tournee im Hotel in New York. Gilels sitzt am Klavier und spielt
gedankenverloren einige der lyrischen Stücke von Edward Grieg. „Das wäre
etwas für ein Konzert“, bemerkt die Freundin. Gilels winkt ab, nein, diese
Stückchen spiele er nur so zum Spaß.
Etwas später kommt es zum Treffen der beiden in Salzburg, diesmal ist ein
Produzent der Deutschen Grammophon dabei. Man sitzt im Café, wieder kommt
die Rede auf die lyrischen Stücke von Grieg, die Freundin erwähnt, wie
zauberhaft Gilels die Stücke spiele, ob nicht an eine Aufnahme der Miniaturen
lohne. Gilels verzieht das Gesicht, lehnt ab. Der Produzent ruft aus: „Lyrische
Stücke von Grieg – das kauft doch keiner!“
Dennoch scheint das Thema Gilels nicht aus dem Kopf zu gehen. Eines Tages ruft
er besagte Freundin spät abends aus Berlin an, er habe den ganzen Tag im
Studio gesessen. Er habe nun doch die Grieg Stücke aufgenommen.
Die Platte wird Gilels Bestseller. Scherzhaft bemerkt der Produzent am Rande
eines späteren Konzerts, er müsse der Freundin wohl jetzt Prozente vom Erlös
anbieten…
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Edvard Grieg
„Es war einmal“ op. 71,1 aus „Lyrische Stücke“
Emil Gilels, Klavier
Deutsche Grammophon, Gilels „Complete Recordings“ CD14
002894794651
Es war einmal. So heißt Edvard Griegs lyrisches Stück aus op. 71, und Emil Gilels
lässt die Erinnerung an ein Volksfest genauso melancholisch im Nichts verblassen,
wie sie erschienen war.
1982 stirbt Emil Gilels Schwager Leonid Kogan an einer Herzattacke im Zug.
Gerüchte, der KGB habe seine Finger im Spiel lassen sich nicht bestätigen, aber
Emil Gilels fühlt sich zunehmend von den Repressalien des sowjetischen Systems
gequält. Einige Freunde sind während der letzten Jahre emigriert, andere gelten
als Staatsbürger Israels oder der USA per Se als Systemfeinde. Als Gilels während
eines Schweden Aufenthaltes den Freund Yuri Aronovitch wiedersehen möchte,
der 1972 nach Israel emigriert ist, wird ein Treffen wegen der ständigen
Beschattungen nicht möglich. Beide telefonieren heimlich, 45 Minuten lang.
Aronovitch, dem möglicherweise klar wird, dass es der letzte Kontakt mit dem
lange vermissten Freund sein wird, bricht nach dem Gespräch zusammen.
Vor einem anderen Konzert mit dem jüdischen Dirigenten Uriel Segal, ebenfalls in
Schweden, muss Gilels noch kurz vor dem Auftritt ein langes Telefonat mit dem
KGB erdulden, während er sich eigentlich auf die Bühne vorbereiten möchte. Als
er schließlich unmittelbar vor dem Konzert mit dem Dirigenten zusammentrifft,
stammelt Gilels, offenbar völlig aufgelöst, er fühle sich bedroht, das alles bringe
ihn um, wie solle er spielen, wo doch seine Hände so zitterten…
Musik 8, 1.29min
Alexander Skrjabin
Prelude aus op. 74
Emil Gilels
BBC BBCL 4250-2, LC 10552
Bei einigen seiner letzten Konzerte spielt Gilels auch dieses Skrjabin Prelude aus
op. 74, verstörend tastet sich seine Interpretation durch die Dunkelheit.
Kurz vor seinem 69. Geburtstag, im Oktober 1985, kommt Gilels wegen einer
Vorsorgeuntersuchung in ein Moskauer Krankenhaus, er leidet wohl schon länger
unter Herzproblemen. Nachdem die behandelnden Ärzte ihm eine Spritze gesetzt
haben, ist er 3 Minuten später tot, Nierenversagen. Sviatoslav Richter wird später
vermuten, es sei die falsche Injektion gewesen, die Gilels das Leben gekostet
habe, eine vermeidbare Schlamperei sei Schuld gewesen. Zwar bleibt Richters
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Verdacht Spekulation, aber es wäre eine bittere Ironie, dass Emil Gilels, der seine
Kunst in den letzten Jahren mit geradezu heiligem Ernst betrieben hat,
ausgerechnet durch einen Kunstfehler der Ärzte ums Leben kommt. In dieser
Woche jährte sich der Geburtstag von Emil Gilels zum 100sten Mal.
Spitzenpianisten der folgenden Generationen, Grigory Sokolov, Valeriy
Affanassiev oder Evgeny Kissin berufen sich noch häufig auf Gilels als
leuchtendes Vorbild, die Emil Gilels Stiftung hat inzwischen ein eigenes Gilels
Festival in Freiburg ins Leben gerufen. Man könne die Stille hören, ihre
einfangende, unerschütterliche Präsenz, hat Gilels zu einem Schüler gesagt.
Sicher hatte Gilels das schon in seiner Jugend gelernt, in den lautlosen
geheimnisvollen Nächten der elterlichen Wohnung.
Er habe wenig geschlafen als Kind, hat er einmal berichtet. Stattdessen habe er
nachts in völliger Stille das Lineal des Vaters unter dem Kopfkissen hervorgezogen,
wo er es heimlich versteckte, sich damit mitten in den kleinen Raum gestellt und
sich vorgestellt, das Kinderzimmer verwandle sich in einen Konzertsaal. Vor ihm
das Orchester, habe er hinter sich die atemlose Erwartung des Publikums gespürt.
Dann habe er das Lineal wie einen Taktstock erhoben, und alles sei voller Klang
gewesen….
Musik 9
Peter Tschaikowsky
Andantino semplice aus: Klavierkonzert b Moll
Emil Gilels
Chicago Symphony Orchestra, Fritz Reiner
Documents 885150331996