Das neue Programm 2017 PREIS DEUTSCHLAND 4,90 € DIEZEIT 13:22 102424_ANZ_10242400008399 [P]_X4_ONP26 18.10.16 1 WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR Einzigartige Reisen für unsere Leser Eine Auswahl für Sie auf den Seiten 43-46. 20. OKTOBER 2016 No 44 13:24 102425_ANZ_10242500008400 [P]_X4_ONP26 18.10.16 1 Krieg in Syrien und dem Irak Ein Magazin zum Davonfahren Logieren in sehr besonderen Hotels in den bezauberndsten Städten Europas 30 Seiten Reise-Extra Noch leben wir! Tillich und die Detektive Wie der Fall AlBakr die Arroganz von Politik und Behörden in Sachsen entlarvt Dossier, Seite 15 Foto: privat Ein Architektenpaar und andere Überlebende melden sich aus dem zerbombten Aleppo. Was sie erleiden, droht auch den Bewohnern Mossuls. Ihre Zeugenberichte und was man tun könnte POLITIK SCHULE Keine Angst vor dem Computer! Lehrer fürchten die Digitalisierung. Warum bloß? VON MANUEL J. HARTUNG J ahrzehntelang heißt es: Wir brauchen mehr Geld für Bildung! Dann will der Bund ein paar Milliarden Euro mehr ausgeben – und Lehrer lehnen das ab. Klingt komisch? Ist aber so passiert. Als Bildungsministerin Johanna Wanka ankündigte, dass bald fünf Milliarden Euro an die Schulen fließen werden, damit die ein gutes WLAN und ordentliche Computer bekommen, sagten Lehrerverbände: Man möge mit dem Geld lieber Schulklos und Klassenzimmer sanieren. Das ist so, als ließe man den Musikunterricht ausfallen, weil das Wasser zum Gießen des Spitz‑ ahorns im Schulgarten fehlt. Hinter der Kritik an den Milliarden steckt eine merkwürdige digitale Bildungsangst, die sich an vielen Schulen breitmacht. Diese Bil‑ dungsangst hat vier Ursachen: Erstens gibt es einen digitalen Graben zwi‑ schen den Lehrern – jenen, die virtuos neue Lerntechnologien einsetzen, und denen, die nur Urlaubsfotos per Handy versenden können. Dass das manche verunsichert, ist zunächst normal. Zweitens ist ein diskursiver Graben aufge‑ rissen: Die Worte in der Digitaldebatte wer‑ den immer größer. »Disruption!«, rufen die Digitalfans, »Entmündigung!« die Kritiker, und alle ein bisschen zu laut. Drittens: Schnelles WLAN ist super; Inves‑ titionen in Technik lösen jedoch die Verunsiche‑ rung nicht auf, die die Schulen erfasst hat. Wie sollen sie Schüler zur Aneignung einer Welt er‑ ziehen, in der intelligente Roboter nicht nur Bandarbeiter überflüssig machen, sondern auch Anwälte, Ärzte, Analysten? Dieser schmerzhaf‑ ten Frage müssen sich die Schulen ehrlich stellen. Und viertens weiß kaum jemand, was richtig ist: Ist bald jeder, der nicht programmieren kann, ein Analphabet? Soll man die humanistische Bildung bewahren, damit etwas bleibt, wie es ist, weil die Weltbeschleunigung sonst alles ändert? So viel wie derzeit hat sich selten in den Schulen verändert. Ab Frühling lernen alle Drittklässler im Saarland mit einem Mini‑ computer das Programmieren. Was das bringt? Spaß und Weitblick. Vielleicht kön‑ nen sich die Digitalverweigerer etwas aus dem Silicon Valley abgucken. Ein Geschäftsprinzip dort heißt agile management. Das wäre ein gutes Mittel gegen die digitale Bildungsangst: einfach mal neugierig sein und ausprobieren. www.zeit.de/audio PROTEST POLITISCHER STIL Falscher Gegner Die Entgiftung des Parlaments Man kann ja gegen TTIP und Ceta sein. Doch es ist gerade die Globalisierung, die die Armut schwinden lässt VON LISA NIENHAUS E s gab eine Zeit, da war Globalisierung beinahe cool. Die Idee, dass freier Handel mit einem fremden Land beiden Ländern Wohlstand bringt, wurde im Vereinigten Königreich in den 1840er Jahren zur politischen Bewegung. Tausende gingen dafür auf die Straße. Sie woll‑ ten Hunger und Armut beseitigen – und natür‑ lich wollten sie exportieren. Im Jahr 2016 ist von solch positiven Ge‑ fühlen gegenüber dem Freihandel nichts zu spüren. Vielmehr ist in der ganzen westlichen Welt eine Bewegung gegen die Globalisierung entstanden, wie es sie lange nicht gab. »Take back control« ist einer ihrer Slogans. »Make America great again.« Oder: »Stoppt TTIP!« Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die die‑ sen Slogans folgen. Doch eines haben sie ge‑ meinsam: Von der Globalisierung und ihrem Kern, dem Freihandel, fühlen sie sich bedroht. In Deutschland gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen Freihandelsabkom‑ men wie Ceta mit Kanada oder TTIP mit Amerika zu demonstrieren. Die Briten haben sich entschieden, die Europäische Union zu verlassen. In Amerika will Präsidentschaftskan‑ didat Donald Trump alle Freihandelsabkom‑ men neu verhandeln, um einen »besseren Deal« zu bekommen. Auch seine Konkurren‑ tin Hillary Clinton ist nun freihandelskritisch. Die Bewegung gegen die Globalisierung gewinnt derzeit so viel Macht, dass es ihr bald gelingen könnte, neue Mauern zu errichten für Waren und für Menschen. Jeder fühlt mit dieser Bewegung. Man muss nur sehen, wie rasant die Globalisierung die Nachbarschaft, den Arbeitsplatz verändert, um den Impuls zu verstehen, das alles zurück drehen zu wollen. Und natürlich ist der Frei‑ handel keinesfalls immer für jeden gut. Man‑ ches ist sogar besonders hart, zum Beispiel wenn jemand seine Stelle verliert, weil ein aus‑ ländisches Unternehmen die Arbeit besser oder billiger macht. Dazu kommt, dass die westliche Mittel- und Unterschicht durch die Globali sierung zuletzt weniger an Wohlstand dazuge‑ wonnen hat als die Oberschicht. Auch das ge‑ fällt nicht jedem. Doch deshalb nun die Grenzen dicht zu machen ist auch nicht die Lösung. Denn rich‑ tig gemacht überwiegen die positiven Effekte des Freihandels für (beinahe) jedes Land. Die Länder der westlichen Welt verdanken ihren Aufstieg und ihr Wachstum nach dem Zweiten Weltkrieg der Tatsache, dass der Handel mit‑ einander freier wurde und die Welt durch neue Technologien zusammenrückte. Es gewannen dabei keineswegs nur die Akademiker, Reichen und Mobilen. Nein, auch Arbeiter und kleine Angestellte hatten und haben etwas davon. Heute gibt es in Deutschland die höchsten durchschnittlichen Bruttogehälter in Städten wie Wolfsburg (VW) oder Leverkusen (Bayer), wo nicht nur Manager arbeiten, sondern auch viele Arbeiter. Einst ärmliche Landstriche wur‑ den zuletzt aufgewertet, weil ihre mittelstän‑ dischen Unternehmen genau das herstellten, was China brauchte: deutsche Maschinen. Wer nicht über den Job profitiert, tut es als Konsument von Produkten, die er ohne Glo‑ balisierung entweder gar nicht oder nur zu viel höheren Preisen bekäme. Damit einher geht mehr Bewegungsfreiheit, die gerade Deutsche begeistert nutzen – sei es durch Reisen nach Mallorca oder nach Sydney. Wem das zu egoistisch, zu westlich ist, der kann sich anschauen, wie es anderen Ländern in jüngerer Zeit ergangen ist. Die Globali sierung ist das stärkste Anti-Armuts-Projekt der Geschichte. Lebten zur Jahrtausendwende nach Angaben der Weltbank noch rund 30 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut, so sind es heute weniger als 10 Prozent. Der wichtigste Grund dafür sind nicht Almo‑ sen – es ist der Handel. Nicht jeder profitiert gleich stark von der Globalisierung. Deshalb werden die Gewinne im Land umverteilt, damit alle etwas davon haben. Das ist es, was die Globalisierungs gegner verdrängen. Statt sich dafür einzu setzen, anders umzuverteilen, richten sie sich gegen die Globalisierung an sich. Das ist der falsche Gegner. Der richtige wäre die Politik des eigenen Landes. Sie könnten zum Beispiel fragen, ob Einkommen in ihrem Land grund‑ sätzlich anders besteuert werden sollten. Es ist Zeit, dem Globalisierungshass etwas entgegenzusetzen. Zeit für eine Bewegung, die daran erinnert, dass es nicht nur Globali‑ sierungsverlierer gibt, sondern dass wir alle Globalisierungsgewinner sind. Eine Bewe‑ gung, die weiß, dass Globalisierung kein neues, menschliches Antlitz braucht, sondern längst eines hat. www.zeit.de/audio Politische Debatten künftig ohne Hass? Großartig! VON MARIAM LAU D er Kompromiss hat keine gute Presse. »Kuhhandel«, »Hinter‑ zimmer-Deal« – wenn politische Gegner sich auf halbem Weg entgegenkommen, machen sie sich verdächtig. Die erschöpften Gesichter nach einem Verhandlungsmarathon sind kein gutes Fernsehen, und auch das Parteivolk applaudiert bestenfalls maulig, wenn die Frontfrau sich nur ein bisschen durchgesetzt hat, statt den totalen Sieg nach Hause zu bringen. Das ist eigentlich irre. Man muss gar nicht bis Amerika gucken, wo Hass und Vulgarität eine der ältesten Parteien der Welt zu zerstören drohen. Rings um uns herum, von Warschau bis Paris, von London bis Rom, wird mit dem Feuer gespielt, bis die eigene Jacke brennt. In diesem Klima haben die Berliner Regie‑ rungsfraktionen eine folgenschwere Entschei‑ dung getroffen. Sie werden, auch ein Jahr vor der Bundestagswahl, keinen Krieg gegenein an der führen. Sich nicht »anhassen«. Auch wenn viele Sozialdemokraten sich nichts sehn‑ licher wünschen als einen Feuer speienden Neinsager wie Jeremy Corbyn, auch wenn Kaminrunden in der Union endlich ein biss‑ chen mehr Kulturkampf von Angela Merkel sehen wollen – die Parteispitzen halten zäh daran fest, dass da noch was geht, gemeinsam. Manche von ihnen werden auf der Straße be‑ schimpft und angespuckt – auch deshalb. Es ist nicht nur die Suche nach einem Kan‑ didaten für das Amt des Bundespräsidenten. Es ist nicht nur die Einigung bei Rente, Erb‑ schaftsteuer, Länderfinanzausgleich oder der Aufteilung zwischen Bonn und Berlin. All diese Entscheidungen werden in der Sache hart kritisiert, womöglich zu Recht. Aber da‑ rum geht es nicht. Es geht um etwas Kostbares, schwer Greifbares. Wer ein paar Stunden im Bundestag sitzt, kann es sehen. Claudia Roth scherzt mit Norbert Lammert, Abgeordnete verabreden sich zum Fußball, einige beten morgens zusammen, tauschen Nachrichten zu Aleppo quer über die Fraktionsbänke aus. In den siebziger Jahren, als man sich im Bundes‑ tag noch »Ratten und Schmeißfliegen« nann‑ te, war so etwas undenkbar. Wir hatten schon giftigere Zeiten. Michelle Obama hat einen Begriff für all das. Sie nennt es »basic human decency« – einfachen menschlichen Anstand. www.zeit.de/audio Das unvollendete Universalgenie Was uns Gottfried Wilhelm Leibniz heute noch sagt Wissen, Seite 35 PROMINENT IGNORIERT Hitlers Haus Der österreichische Innenminister Sobotka hat angekündigt, Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn enteignen und abreißen zu lassen. Das Gebäude beherbergte einige Zeit eine Behindertenwerkstätte und steht seit fünf Jahren leer. Der Abriss soll Neonazis daran hin‑ dern, nach Braunau zu pilgern. Ob das hilft? Verschwundenes hat zuweilen eine größere Anziehungs‑ kraft als Vorhandenes. Auch der Ungeist weht, wo er will. GRN. Kleine Fotos (v. o.): K. Synnatzschke/plainpicture; action press; J. Lindenburger/TopicMedia Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail: [email protected], [email protected] ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de ABONNENTENSERVICE: Tel. 040 / 42 23 70 70, Fax 040 / 42 23 70 90, E-Mail: [email protected] PREISE IM AUSLAND: DK 49,00/FIN 7,50/N 66,00/E 6,10/ CAN 6,30/F 6,10/NL 5,30/ A 5,00/CH 7.30/I 6,10/GR 6,70/ B 5,30/P 6,30/L 5,30/H 2090,00 o N 44 7 0. J A H RG A N G C 7451 C 44 4 190745 104906
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