Die Weißheit kommt aus Bayern

Jugend und Wirtschaft
S E I T E 20 · D O N N E R S TAG , 6 . O K T O B E R 2 0 1 6 · NR . 2 3 3
F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
Schüler schreiben: Ein Projekt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des Bundesverbandes deutscher Banken
Die Weißheit kommt aus Bayern
Den Kampf ums
Weiße Haus hat ein
bayerisches Unternehmen gewonnen.
Der Amtssitz wurde
mit seinen Farben
gestrichen, andere
bekannte Bauten auch.
as Weiße Haus, den Buckingham Palace und die Oper in Sydney kennen viele; doch wer weiß
schon, dass ihre Fassaden mit
den Farben desselben bayerischen Unternehmens gestrichen wurden? Die Keimfarben GmbH aus Diedorf bei Augsburg listet in ihren Referenzen noch viele weitere
Bauten – Regierungsgebäude, Schlösser
und Kirchen – rund um den Globus auf.
Das Unternehmen beschäftigt 450 Mitarbeiter und stellt Silikatfarben für den Innen- und Außenbereich her.
Die Erfindung der Silikatfarbe geht auf
König Ludwig I. von Bayern zurück. Er
wollte die Farbenpracht norditalienischer
Kalkfresken nach Bayern holen, doch die
Kalkfarben konnten dem rauhen deutschen Wetter nicht standhalten. Die Lösung fand Adolf Wilhelm Keim 1878, der
spätere Gründer von Keimfarben. Die von
ihm entwickelte erste Silikatfarbe hatte
die gleiche Farbbrillanz wie Kalkfarbe,
trotzte jedoch dem Wetter.
Farbe besteht aus einem Pigment, das
den Farbton bestimmt, einem Füllstoff,
der der Farbe ihre Konsistenz verleiht,
und einem Bindemittel, das dafür sorgt,
dass die Farbe an der Wand haftet. Silikatfarbe zeichnet sich durch das mineralische Bindemittel Kaliumsilikat aus, auch
Pigmente und Füllstoffe sind mineralisch. Beim Trocknen geht das Kaliumsilikat, hergestellt aus Quarzsand und Pottasche, eine chemische Verbindung mit
dem Untergrund ein. Dadurch hält Silikatfarbe deutlich länger als die Dispersionsfarbe, die auf organischen Bindemitteln basiert.
D
Die Wandmalereien am Rathaus in
Schwyz stammen von 1891. Die Fassade
wurde mit Szenen aus der Gründungsgeschichte bemalt. Verwendet wurden Produkte von Keimfarben. In der Regel halte
eine Silikatfarbe mindestens 25 Jahre, erklärt Rüdiger Lugert, Geschäftsführer von
Keimfarben, und fügt hinzu: „Das Wichtige an einer Fassadenfarbe ist, dass sie den
Farbton behält und dass die Fassade sauber bleibt. Und da sind Silikatfarben gegenüber Dispersionsfarben deutlich im
Vorteil.“ Denn Dispersionsfarben werden
bei Hitze klebrig und laden sich durch
Wind elektrostatisch auf, so dass Schmutz
haften bleibt. Sie würden nach etwa zehn
Jahren unansehnlich.
Ein Vorteil der Silikatfarbe ist zudem,
dass ihre mineralischen Pigmente im Sonnenlicht nicht ausbleichen. Für Lothar Kiefer, Geschäftsführer des Malerbetriebs Albert Kiefer GmbH in Freiburg, bedeutet
das: „Man kann mit recht kräftigen Farben
arbeiten, sogar mit Orangetönen, was
sonst im Fassadenbereich äußerst schwierig ist.“ Auch für Innenräume bevorzugt
Kiefer Silikatfarben, weil sie alkalisch sind
und so vor Schimmel und Algen schützen.
Die Forschung der Keimfarben GmbH
zielt darauf ab, die Farben mit weiteren positiven Eigenschaften auszustatten. So soll
die Dampfspeicherkapazität von Innenfarben verbessert werden. Auch gibt es Außenfarben, die dem Aufheizen der Fassade
bei Sonneneinstrahlung entgegenwirken.
Durch den Einsatz von Infrarotpigmenten
könne die Temperatur einer mittelgrauen
Fassade von 80 auf 60 Grad reduziert werden, erläutert Lugert. Doch auch ohne Sonderausstattung kommen Silikatfarben der
Umwelt zugute: Lugert zufolge enthalten
sie keine Giftstoffe; und ihre Langlebigkeit schone die Rohstoffvorräte. Trotz dieser Vorzüge haben Silikatfarben nach seinen Angaben in Deutschland einen Marktanteil von nur 12 Prozent.
Dispersionsfarben traten laut Lugert in
den fünfziger Jahren ihren Siegeszug an.
Zu dieser Zeit gab es nur zweikomponentige Silikatfarben. Ihre Anwendung erfordert wesentlich mehr Zeit und Wissen,
wie Malermeister Kiefer erklärt. Die Farbe muss vor der Verwendung angerührt
werden; auch das Auftragen ist aufwendiger. Zudem sind diese Farben auf minerali-
sche Untergründe beschränkt. Inzwischen
hat Keimfarben auch einkomponentige Silikatfarben entwickelt, die gebrauchsfertig
zu kaufen sind. Ihre Anwendung ist so einfach wie die der Dispersionsfarbe. Zudem
lassen sich die Produkte von Keimfarben
außer auf Metallen mittlerweile auf alle relevanten Untergründe auftragen.
Dispersionsfarben sind aber günstiger.
Für den Außenbereich kann man sie
schon ab drei Euro je Liter kaufen, während die untere Preisgrenze der Silikatfarben bei etwa 10 Euro liegt. In den oberen
Preisklassen sind die Preisunterschiede allerdings geringer. Langfristig gesehen seien Silikatfarben ohnehin billiger, betont
Kiefer: Nach ihrer Verwendung entfielen
mindestens eine Renovierung und die damit verbundenen Gerüstkosten.
Diese Vorteile überzeugen offensichtlich immer mehr Verbraucher, zumindest
ist 2015 der Silikatfarbenmarkt in Deutschland um sechs Prozent gewachsen, wie Lugert berichtet. Für Kiefer sind Dispersionsfarben nicht mehr zeitgemäß. „Sie waren
hauptsächlich in den achtziger Jahren
Stand der Technik.“ Damals habe man geglaubt, eine gute Fassadenfarbe dürfe keinerlei Feuchtigkeit eindringen lassen. Heute wisse man, die verschlossene Oberfläche zerstöre den Putz, ganze Putzteile
könnten von der Fassade abplatzen.
Keimfarben ist der größte Silikatfarbenhersteller: 2015 verkaufte man Lugert zufolge 26 000 Tonnen Farbe und erzielte einen Umsatz zwischen 80 und 100 Millionen Euro. „Wir haben immer eine gute
Entwicklung gehabt, aber in den vergangenen zehn Jahren hat sich das Geschäft
sehr dynamisch entwickelt.“ Der Anteil
am deutschen Silikatfarbenmarkt liege bei
50 Prozent. Im Inland, wo man rund die
Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet, gebe
es fünf bis sechs relevante Wettbewerber.
Außerhalb Europas sind Silikatfarben hingegen weniger verbreitet. „In den meisten
Märkten außerhalb Europas ist der Silikatfarbenumsatz zu 100 Prozent unserer.“
Das Unternehmen hat noch mehr Vorzeigeprojekte. Nicht nur der amerikanische Präsident und die Queen residieren
in Gebäuden, die seine Farben tragen,
auch das Bundeskanzleramt in Berlin wurde mit ihnen gestrichen.
Charlotte Simonyi
Erst einmal machen die Arbeiter dem amerikanischen Präsidenten etwas weiß.
Foto laif
Wentzinger-Gymnasium, Freiburg
Da geht der Oma das Herz auf
Gut behütet
Marktführer Cloer hat den Waffelautomaten erfunden / „Im Süden selten, im Norden selbstverständlich“
Kopfbedeckungen für krebskranke Frauen
it dem roten Lämpchen schaffte
die Cloer Elektrogeräte GmbH
aus Arnsberg im Sauerland in
den fünfziger Jahren einen Durchbruch
in der Welt des Waffelbackens. In „Wunderbare Waffeln“, einem Buch über die
Kulturgeschichte des beliebten Gebäcks,
erzählt die Autorin Ellen Henkel von der
Entstehung des Unternehmens und des
Waffeleisens. Ob es die ersten Waffeleisen im 9. Jahrhundert in Frankreich
oder im 7. bis 10. Jahrhundert in Skandinavien gab, wisse man nicht genau. Klar
sei, dass sie sich nach und nach in die anderen Länder Europas verbreitet hätten.
Die ersten waren die Zangenwaffeleisen,
die aus einer Zange mit zwei Platten am
Ende bestanden, aus Eisen geschmiedet
und mit unterschiedlichen Mustern versehen. In Deutschland gab es diese Eisen
seit dem 14. Jahrhundert. Die nächste
Entwicklung fand im 19. Jahrhundert
mit den Herdaufsatz-Waffeleisen statt.
Als die meisten Haushaltsgeräte elektrifiziert wurden, wurde auch das Waffeleisen elektrifiziert.
„Aus Sicht der Fertigung waren Bügelund Waffeleisen genau dasselbe, sie hatten beide einen beheizten Gusskörper,
ein Metallgehäuse und einen Holzgriff“,
erzählt Achim Cloer, der seit 2004 in der
vierten Generation Geschäftsführer von
Cloer ist. Unternehmensgründer war
Caspar Cloer, der im Jahr 1898 eine
ehrere tausend Menschen haben
seit 2006 vor ihr den Hut gezogen. Die Rede ist von Martina
Haagen, einer Geschäftsfrau aus Berlin
und Inhaberin des Geschäfts Gutbehütet.
Haagen hat es sich zur Aufgabe gemacht,
für an Krebs erkrankte Menschen Kopfbedeckungen herzustellen. Sie kam aus ihrer
eigenen Not heraus auf diese Idee. Haagen erkrankte an Krebs und verlor infolge
der Chemotherapie ihre Haare. Nun versuchte sie den, wie sie sagt, „Schmuck unseres Kopfes“ zu ersetzen. Sie wollte keine
Perücke, fand aber nichts Besseres. So entschloss sie sich, selbst Kopfbedeckungen
zu nähen. Anderen an Krebs erkrankten
Menschen gefielen ihre Entwürfe, sie fragten Haagen, wo sie diese gekauft habe.
2006, nachdem Haagen den Krebs bezwungen hat, beginnt sie, ein Geschäftskonzept auszuarbeiten. Sie gibt bei einer
Schneiderin etwa 25 Mützen in Auftrag.
Und sie beauftragt eine Grafikerin, Flyer
zu entwerfen. „Das war eine ganz kleine
Investitionssumme, die ich da auf mich genommen hatte, keine 1000 Euro.“ Fast
zehn Jahre später besteht ihr Sortiment
aus sechs Mützenmodellen mit unterschiedlichen Farben. Dazu kommen Accessoires und Verarbeitungsmöglichkeiten des verlorenen Echthaares. Letztlich
umfasst das Sortiment rund 250 Produkte.
Das billigste Produkt ist eine Nachtmütze, die 20 Euro kostet. Ein Haarkranz aus
eigenem Haar kostet bis zu 189 Euro. Gerade dieser Haarkranz wird laut Haagen
selten angeboten. Ein Haarkranz wird mit
einem Hut oder einer Mütze kombiniert,
so dass es den Anschein erweckt, als habe
man nie die Haare verloren.
M
Kunstschmiede gründete und eines der
ersten elektrisch betriebenen Waffeleisen erfand. Die ersten elektrischen Eisen waren aus Stahlguss, genauso wie die
Bügeleisen, die das Unternehmen ebenfalls herstellte. Sie wurden im Jahr 1936
auf der Leipziger Messe vorgestellt. Die
drei Söhne von Caspar Cloer fertigten
die Waffeleisen dann aus dem viel leichteren Aluminium.
Gebraucht wurde ein Thermostat, um
die Temperatur wegen des niedrigen
Schmelzpunktes zu begrenzen. Die Brü-
der Cloer fanden heraus, dass der Thermostat in dem Moment abschaltete, in
dem die Waffel fertig war und sie einen
guten Bräunungsgrad erreicht hatte. Mit
dem Hinzufügen des roten Kontrolllämpchens war der Waffelautomat erfunden,
der sich nach Achim Cloers Angaben gut
verkaufte.
Seit Anfang der neunziger Jahre produziert das Unternehmen ausschließlich in
Südchina. In den Bereichen Verwaltung,
Entwicklung und Service sind in Deutschland 35 und in China zehn Mitarbeiter tätig. „Das Besondere ist“, erzählt der Geschäftsführer, „dass der Waffeleisenmarkt besonders klein ist und wir einen
hohen Marktanteil haben.“ Er liege in
Deutschland bei mehr als 40 Prozent und
im Fachhandel noch höher. Cloer bietet
zehn Waffeleisenmodelle an. Die Verkaufszahl sei sechsstellig. „Wir erzielen
rund 15 Millionen Euro Umsatz im
Jahr.“ Das bestverkaufte Waffeleisen,
der Waffelautomat 1621, kostet rund 25
Euro. Das Unternehmen verkauft unter
anderem auch Wasserkocher, Toaster
und Barbecue Grills.
„Die Waffel ist ein Kulturgut“, sagt
Cloer. Es sei eine ganz alte Tradition,
dass Menschen zusammenkämen und
Waffeln backten. Fernsehkoch Johann
Lafer ergänzt: „Waffeln sind eine emotionale Erinnerung an unsere Kindertage,
ein Inbegriff der sonntäglichen Familien-
gemütlichkeit. Ein Gericht, das Generationen verbindet.“
Waffeleisen sind regional unterschiedlich verteilt, „im Süden selten, im Norden
selbstverständlich“, sagt Cloer. In Westfalen stehe in jedem Haushalt ein Waffeleisen. „Hier gehört ein Waffeleisen zur
Grundausstattung, auch wenn man es
nur einmal im Jahr verwendet.“ Südlich
der Donau sind Waffeleisen eher selten,
in Skandinavien dagegen alltäglich. Die
Schweden feiern am 25. März sogar einen
Tag der Waffel, den Våffeldagen.
„Deutschland ist Herzwaffelland“, berichtet Cloer. In Skandinavien sei eine
dünne aus sechs Herzen bestehende Waffel sehr beliebt, und in Friesland wird die
Hörnchenwaffel gebacken, eine dünne
zum Hörnchen gerollte Waffel. An der
Mosel sei die Zimtwaffel, ein viereckiger
Keks, eine Besonderheit.
Jede Familie hat ihre eigenen traditionellen Rezepte, und laut Cloer darf man
alles machen, nur nicht den Waffelteig
kritisieren, denn „Waffelbacken ist Freestyle“. Für ihn jedoch ist Milch im Teig
verboten; sie mache die Waffeln zäh.
Sternekoch Lafer schätzt neben den klassischen Waffeln mit Puderzucker, Sahne
und heißen Kirschen auch die herzhaften Varianten wie Parmesanwaffeln mit
Blattsalat und Lachs.
Karolin Bieder
Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung, Siegen
Auf Mangelhaftem muss man nicht sitzenbleiben
M
Haagen hat nach eigenen Angaben im
vergangenen Jahr einen Umsatz von
77 300 Euro erwirtschaftet. Rund 1700
Kopfbedeckungen hat sie verkauft. Ihre
Hüte unterschieden sich von herkömmlichen Hüten, weil sie „auf die Situation speziell abgestimmt“ seien. „Die Hüte verdecken den Haaransatz an der Schläfe und
am Hinterkopf sehr gut.“ Dies sei wichtig,
weil sie ihren Kundinnen verspreche, man
könne von außen nicht erkennen, dass sie
unter dem Hut keine Haare mehr besäßen. Auch hätten ihre Hüte mehr Volumen am Kopf. Der Kopf sehe deswegen
im Vergleich zum Körper proportionierter
aus. „Durch den Verlust der Haare sieht
der Kopf kleiner aus, weshalb er unproportional zum Körper wirkt.“
Sie arbeitet mit dem Berliner Schneiderei-Unternehmen Tinka Bell Nähwerkstatt zusammen. Verwendet werden Stoffe
aus natürlichen Rohstoffen wie Seide, Leinen und Wolle, da sie angenehm auf der
Haut liegen. Den Hüten wird ein Gummizug eingenäht, damit sie nicht verrutschen. „Man kann mit denen sogar Cabriolet fahren“, scherzt Haagen. Die Qualität
der Stoffe sei entscheidend dafür gewesen, dass ihre Flyer mittlerweile in mehr
als 1000 Krankenhäusern und Arztpraxen
auslägen, auch in Österreich und der
Schweiz. Zu den Kundinnen gehören neben Frauen, die an Brustkrebs erkrankt
sind, auch solche, die an der HaarausfallErkrankung Alopecia Areata leiden. Auch
die kürzlich an Brustkrebs gestorbene
Schauspielerin Hendrikje Fitz kaufte für
die Bambi-Verleihung 2014 einen schwarzen Samthut.
Lukas Radtke
Katholische Schule Liebfrauen, Berlin
Innatura sorgt dafür, dass neuwertige Ware nicht mehr im Müll landet / Spenden ist teurer als Vernichten
n Deutschland werden jedes Jahr neuwertige Waren im Wert von 7 Milliarden Euro entsorgt. Das sagt die Gründerin und Geschäftsführerin der Innatura
gGmbH aus Köln, Juliane Kronen. Rund
ein Drittel sei fabrikneu und habe bloß
kleine Mängel, wurde zum Beispiel falsch
abgefüllt oder etikettiert. So landen einwandfreie Spielzeuge, Heimtextilien und
Haushaltsgegenstände im Müll. Diese Verschwendung zu beenden, hat sich Kronen
zur Aufgabe gemacht.
Sie arbeitete 16 Jahre in der Unternehmensberatungsgesellschaft The Boston
Consulting Group, davon acht als Partnerin. Doch dann rief sie ein ehemaliger
Kollege an und fragte, ob sie jemanden
kenne, der 200 000 Flaschen Shampoo sofort gebrauchen könne – neu, original, unentgeltlich, allerdings nicht zum Weiterverkauf. Die Flaschen waren falsch etikettiert worden und sollten in Kürze vernichtet werden, da die Kapazität zur Lagerung benötigt wurde. „Ich telefonierte
mir die Finger wund, konnte aber leider
auf die Schnelle keinen Abnehmer finden, sodass die neuwertigen Waren
schließlich doch vernichtet wurden“, erzählt Kronen. Diese Begebenheit sei ein
Schlüsselerlebnis gewesen: Sie habe erkannt, „wie vorteilhaft es für Mensch und
Natur ist, wenn bereits vorhandene Wa-
I
ren vor der Vernichtung bewahrt und einem guten Zweck zugeführt werden“. Damit war die Idee für Innatura geboren.
Innatura ist nach eigenen Angaben die
erste Plattform ihrer Art in Deutschland.
In Kind Direct, eine Wohltätigkeitsorganisation in Großbritannien, die 1996 von
Prinz Charles gegründet worden war,
diente Kronen und zwei Kollegen, die Innatura 2011 mitgründeten, als Vorbild.
Schon 2009 fing Kronen an zu planen.
Non-Profit-Organisationen hätten es mit
der Finanzierung nicht leicht, sagt sie.
„Innatura bietet die Schnittstelle zwischen Unternehmen, die überschüssige
Waren spenden möchten, und gemeinnützigen Organisationen, die diese Produkte
dringend benötigen“, erklärt Kronen. Innatura ist für die Einwerbung, Lagerung
und Verteilung der Spenden zuständig.
Die Spenderunternehmen würden aktiv
angesprochen. Beiersdorf, Amazon, DM
und Mustang seien Beispiele für kooperierende Unternehmen. „Waschmittel, Körperpflege, Bettwäsche, Spielzeug und
Outdoor-Material sind die fünf Top-Artikel“, sagt Kronen.
Jede gemeinnützige Organisation könne Sachgüter bekommen. Ein gutes Drittel der Organisationen gehört zur Kinderund Jugendhilfe, 20 Prozent der Einrichtungen arbeiten mit Flüchtlingen. Auch
kleine soziale Einrichtungen sind auf die
Spenden angewiesen. Das betont Elke
Pfaffenberger, Geschäftsleiterin des Schumaneck Kinderhauses in Brühl: „In unseren Familiengruppen leben Kinder und
Jugendliche von null bis zwanzig Jahren,
und für jedes Alter gibt es nützliche Artikel zu einem sehr günstigen Preis“, berichtet sie. „Wir sparen in vielen Bereichen
wie Waschmittel, Windeln, Körperpflegeprodukte und Spielsachen.“
Im Jahr 2015 wurden nach Kronens Angaben Produkte im Wert von 3 Millionen
Euro eingeworben. Die Waren werden in
Troisdorf gelagert, bis eine bei Innatura
registrierte gemeinnützige Organisation
Bedarf anmeldet. Die Organisation übernimmt die Kosten für die Lieferung; und
sie muss laut Kronen eine Vermittlungsgebühr von 5 bis 25 Prozent des Warenwerts
bezahlen. „Wir werden irgendwann einmal von der Vermittlungsgebühr leben,
aber momentan machen wir noch Verluste“, berichtet Kronen. 1200 Empfängerorganisationen sind registriert, 500 Organisationen bestellen regelmäßig.
„Unternehmen können einen Beitrag
für ihre Corporate Social Responsibility
leisten, kriegen Arbeit abgenommen und
können sich auf das Spenden konzentrieren“, wirbt Kronen für ihr Konzept. Die
Produkte gelangten in die ganze Welt. So
helfen 6000 Sonnenbrillen, die Innatura
an die Kleine Hilfsaktion e.V. vermittelt
hat, Menschen in Kambodscha, sich vor
dem Grauen Star zu schützen.
Kronen bemängelt die steuerliche
Handhabung von Sachspenden: Als Entnahme müssen sie wie ein Umsatz versteuert werden. Deshalb sei es für die Unternehmen teurer, die Waren zu spenden,
als sie zu vernichten. Annekathrin Wernsdorf, Steuerfachfrau des Deutschen Steuerberaterverbands, bestätigt: „Grundsätzlich unterliegt eine Sachspende als sogenannte unentgeltliche Wertabgabe der
Umsatzsteuer. Eine Ausnahmeregelung
besteht lediglich für gespendete Lebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder der Verkaufsfähigkeit als Frischware.“ Es gebe dagegen für
Sachspenden wie Kleidung und Kosmetikartikel keine Ausnahmeregelung. „Eine
Gesetzesinitiative könnte hier die notwendige Klarheit schaffen.“
Steuerlich nehme man in Kauf, dass
das Spenden teurer sei, als die Ware zu
vernichten, sagt Manuela Rousseau, Leiterin Corporate Social Responsibility
der Beiersdorf AG. Vor Innatura habe es
keine Alternative zur Vernichtung von
Produkten gegeben.
Anna Voigt
Berufskolleg Siegburg
ZEITUNG IN DER SC HULE
Mehr zu den Projektpartnern im Internet unter
www.jugendundwirtschaft.de
Verantwortliche Redakteurin:
Lisa Becker
Verantwortlich im Bankenverband:
Anke Papke
Pädagogische Betreuung:
IZOP-Institut zur Objektivierung von Lern- und
Prüfungsverfahren, Aachen
Ansprechpartner:
Dr. Titus Maria Horstschäfer
An dem Projekt
„Jugend und Wirtschaft“ nehmen teil:
Alzey, Gymnasium am Römerkastell 앫 Aurich, Integrierte Gesamtschule Aurich-West 앫 Bad Iburg,
Gymnasium 앫 Bad Segeberg, Städtisches Gymnasium 앫 Bad Zwischenahn, Gymnasium Bad Zwischenahn-Edewecht 앫 Bassum, Lukas Schule 앫 Berlin, Kath. Schule Liebfrauen, Wilma-Rudolph-Oberschule 앫 Bernau, Barnim-Gymnasium 앫 Bonn, Clara-Schumann-Gymnasium, Kardinal-Frings-Gymnasium, Tannenbusch-Gymnasium 앫 Bremen, Her-
mann-Böse-Gymnasium, Oberschule Rockwinkel 앫
Brühl, Max-Ernst-Gymnasium 앫 Cochem, Martinvon-Cochem-Gymnasium 앫 Coesfeld, St.-PiusGymnasium 앫 Delmenhorst, Gymnasium an der
Willmsstraße 앫 Dieburg, Alfred-Delp-Schule 앫 Dillingen, Albert-Schweitzer-Gymnasium 앫 Dortmund, Mallinckrodt-Gymnasium 앫 Dreieich, Ricarda-Huch-Schule 앫 Duderstadt, Eichsfeld-Gymnasium 앫 Freiburg, Wentzinger-Gymnasium 앫 Fürstenwalde, Kath. Schule Bernhardinum 앫 Fürth, Heinrich-Schliemann-Gymnasium 앫 Geisenheim, Internat Schloss Hansenberg 앫 Gießen, Landgraf-Ludwigs-Gymnasium 앫 Hadamar, Fürst-Johann-Ludwig-Schule 앫 Hamburg, Gymnasium Ohmoor, Wilhelm-Gymnasium 앫 Herne, Mulvany-Berufskolleg
앫 Heubach, Rosenstein-Gymnasium 앫 Hohenmölsen, Agricolagymnasium 앫 Kaiserslautern, Albert-Schweitzer-Gymnasium 앫 Künzelsau, Schlossgymnasium 앫 Lohr a. Main, Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium 앫 Lübeck, Friedrich-List-Schule 앫
Magdeburg, Ökumenisches Domgymnasium 앫
Maxdorf, Lise-Meitner-Gymnasium G8 GTS 앫 Münster, Gymnasium Wolbeck 앫 Münstermaifeld, Kurfürst-Balduin-Gymnasium 앫 Oberursel, Feldbergschule 앫 Oberviechtach, Ortenburg-Gymnasium 앫
Osnabrück, Ursulaschule 앫 Paderborn, Gymnasium
Schloß Neuhaus 앫 Riedlingen, Kreisgymnasium 앫
Rodewisch,
Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium 앫 Rottweil, Droste-Hülshoff-Gymnasium 앫
Schopfheim,
Theodor-Heuss-Gymnasium
앫
Schweinfurt, Bayernkolleg 앫 Siegburg, Berufskolleg 앫 Siegen, Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung 앫 Stralsund, Berufliche Schule 앫 Uetersen,
Ludwig-Meyn-Gymnasium 앫 Wismar, GeschwisterScholl-Gymnasium 앫 Zwickau, Peter-Breuer-Gymnasium