And now, I see - Alles, was ich brauche, bist du Impressum Text: © Copyright by Isabella Kniest, 9184 St. Jakob im Rosental, Österreich Cover: © Copyright by Isabella Kniest E-Mail: [email protected] 1. Auflage 2016 Nun, hier noch der übliche rechtliche Mist: Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig. Markennamen, die von der Autorin benutzt wurden, sind Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber und wurden rein zu schriftstellerischen Zwecken benutzt. Weitere Informationen entnehmen sie bitte dem Anhang und den Danksagungen am Ende des Buches. Ich sagte es früher schon und ich sage es jetzt auch wieder: ... Nein, so funktioniert das heute nicht. Das passt nicht zum Thema, das ich heute ansprechen will. Diejenigen, die schon einen meiner Romane gelesen haben, wissen, dass ich diesen Teil des Buches immer als eine Art Ablassventil benutze. Ich erzähle über Dinge, die mir auf die Nerven gehen. Heute aber muss ich etwas gänzlich anderes loswerden. Für jedes Buch recherchiere ich sehr viel im Internet. Und während einer dieser Recherchen war ich über einen mich wahrhaftig schockierenden Artikel gestoßen. Darin ging es um Männer, die vor Selbstzweifel, Panik und Unsicherheit sich Viagra einwerfen, wenn sie mit einer neuen Freundin das erste Mal Sex haben wollen. Erst dachte ich, es ginge womöglich um etwas betagtere Männer ... weit gefehlt! Die besagten Personen befinden sich in meinem Alter. Und da fing ich echt mal an, zu überlegen. Weshalb muss sich ein gesunder im besten Alter befindlicher Mann ein Potenzmittel einwerfen, das erstens gar nicht mal so ungefährlich ist und zweitens nie so wirkt, wie man das gerne hätte? Und die wichtigste Frage: Weswegen machen sich Männer bloß solch einen gewaltigen Druck? Sex ist etwas wunderschönes, das man nur mit jemand machen sollte, den man liebt, bei dem man sich sicher fühlt und bei dem man sich fallen lassen kann. One- Night-Stands hin und her, aber am allerschönesten ist Sex noch immer mit einem Partner, den man wahrhaftig und bedingungslos liebt. Und das bringt mich gleich weiter zum Punkt, weshalb kein junger gesunder Mann Viagra brauchen kann. Liebe Männer - sollte es denn welche unter meiner kleinen Leserschaft geben: Lasst euch nicht unter Druck setzen! Wenn eine Frau tatsächlich meint, ihr seid Schlappschwänze, bloß weil ihr einmal keinen hochbekommt, dann ist diese Frau es auch gar nicht wert, geliebt zu werden. Ein Körper ist keine Maschine. Und dass ein Mann immer kann, ist der größte Blödsinn, den die Gesellschaft in Umlauf gebracht hat. Genauso wie die Annahme, eine Frau braucht Stunden, bis diese erregt ist. ... Langsam fühle ich mich wie Dr. Sommer ... aber das muss einfach einmal gesagt werden. ... Also, jede Person, die sich jetzt angesprochen fühlt, sei gesagt: Geht nur mit Leuten ins Bett, bei welchen ihr euch tatsächlich wohl und sicher fühlt. Dann gibt es auch keinen Grund, Angst davor zu haben, zu versagen. Denn ein liebender Partner würde sich niemals über ein »Missgeschick« im Bett lustig machen. Egal, ob es ein nicht erigierter Penis oder eine nicht feucht werdende Vagina ist. Manchmal will es einfach nicht. Da muss dann aber nicht gleich der Partner schuld dran haben. Stress, Krankheiten, Angst, das alles kann Gründe haben. Doch wenn man sich fallen lassen kann, seinen Partner vertraut, verschwinden diese Gefühle und der Sex wird wunderschön. Habt das immer im Hinterkopf. Und das Wichtigste: Sex kann nur dann gut sein, wenn man offen darüber spricht, was man möchte und was nicht. Und dazu gehört auch, zu sagen, wenn man nicht erregt ist, oder - und das gilt ganz besonders den Frauen - keinen Orgasmus vorspielen! Niemals! Ernsthaft. Das ist das Bescheuertste, das eine Frau tun kann und stellt, meiner Meinung nach, einen ähnlichen Verrat dar, wie ein Seitensprung. Selbstverständlich liegt es an einem selbst, und verpflichten kann ich niemand zu irgendetwas. Nur dürft ihr dann auch nicht jammern, dass ihr nicht zum Zug kommt. Und an die Männer: Wenn ihr euch auf die Frau einlässt, braucht ihr auch keine zwei Stunden herumfummeln. Ein nettes Wort, eine zarte Berührung, mehr braucht es nicht - außer sie steht auf BDSM ... oder wie der ganze Schrott heißt. So, das wäre es an dieser Stelle. Und nun, viel Spaß beim Lesen! Inhaltsverzeichnis Prolog Kapitel 1 - 9x19 mm Luger Kapitel 2 - Abflug Kapitel 3 - Theo Kapitel 4 - Eine zweite Begegnung Kapitel 5 - Abendessen Kapitel 6 - Sexfrust und Morgenspaziergang Kapitel 7 - zum Frühstück Kopfzerbrechen Kapitel 8 - Ein neuer Versuch oder eine letzte Chance? Kapitel 9 - Ebbe und Flut der Gefühle Kapitel 10 - Pop Culture Reference - oder was ist Romantik Kapitel 11 - Ein Erwachen wie im Traum Kapitel 12 - Rambo II Kapitel 13 - Abschied Kapitel 14 - Sonderauftrag Kapitel 15 - Zurück in die Realität Kapitel 16 - Expendables Kapitel 17 - Takeoff Kapitel 18 - Dunkelheit Kapitel 19 - Palmyra Kapitel 20 - Nur ein Traum Kapitel 21 - Der Weg zurück in die Realität Kapitel 22 - Traum und Wirklichkeit Kapitel 23 - Licht und Finsternis Kapitel 24 - Der erste Kuss Kapitel 25 - Eine Therapie für Zwei Kapitel 26 - Ein neuer Abschied Kapitel 27 - Willkommen zurück in der Realität Kapitel 28 - Von sich öffnenden und schließenden Türen Kapitel 29 - Terroristen und Vorstellungsgespräche Kapitel 30 - Ein wenig durch den Wind Kapitel 31 - Ey Mann, ich verkauf mein Auto nicht! Kapitel 32 - Rote Rosen und blaue Wunder Kapitel 33 - Panikattacken und andere Süßigkeiten 6 9 19 26 33 40 45 53 64 82 89 115 119 143 150 151 159 181 186 189 202 206 224 227 234 240 275 284 293 301 331 350 362 379 Kapitel 34 - Zu schön, um wahr zu sein Kapitel 35 - Die Frage Kapitel 36 - Kein sanfter Tod Kapitel 37 - Bis ans Ende aller Tage? Kapitel 38 - Hass und Liebe Epilog Anhang/Danksagungen 390 393 395 399 409 429 436 Für Erwin Für die Leute von der Klagenfurter Hauptpostfiliale Prolog Er hielt meine Hand - ein strahlendes Lächeln auf seinen Lippen. Der kalte Wind wehte mir die Haare ins Gesicht. Beinahe konnte ich die warme Meerluft fühlen, so sehr erinnerte es mich an unseren Urlaub. An unser Zusammentreffen. Wie viel hatte sich verändert. Wie viel würde sich noch ändern? Zum Guten? Zum Schlechten? Ich suchte seine Augen. Verspielt funkelte das Goldbraun in der spätherbstlichen, allmählich von bedrohlich wirkenden Regenwolken verdeckenden Nachmittagssonne. So verspielt wie einst - frei und unbekümmert. Und doch zeigte es mir etwas Unbekanntes. Etwas gänzlich Neues. Eine Art Tiefe, eine Erkenntnis, welche sich mir damals, im Schein der aufgehenden Sonne, nicht offenbart hatte. Dieser Moment bewies mir aufs Neue, wie richtig meine Entscheidung gewesen war. Egal, wie viel sich noch ändern möge, ich würde an seiner Seite bleiben. Ich hatte es ihm versprochen. Und noch nie war mir ein Versprechen so leicht gefallen, einzuhalten, wie dasjenige, welches ich ihm gegeben hatte - im Auge des Terrors, im Schatten der Angst. »Lust auf einen kleinen Kampf?«, fragte er, das Lächeln zu einem schmutzigen Grinsen anwachsend. Kichernd schweifte mein Blick über den leeren Strand. »Vergiss es. Der Wind ist mir definitiv zu kalt.« Er trat hinter mich, schlang seine Arme um meinen Oberkörper und hauchte in mein Ohr: »Aber hier ist niemand außer uns. Und sollten doch noch Leute auftauchen - dort hinten im hohen Gras würde uns niemand vermuten.« Augenschließend und völlige Sicherheit empfindend, lehnte ich meinen Rücken an seinen Oberkörper. »Du kannst mich nicht überreden.« »Der Sand?«, ahnte er. »Der Sand.« »Damals hat er dich aber auch nicht gestört.« »Wer weiß«, konterte ich. »Vielleicht hat es mich ja gestört, aber habe ich dir nichts gesagt.« Ein tiefes Kichern ließ mich erschauern. »Ist dir kalt, oder ist das wegen mir?«, kam es mit der alten, seit den Sommermonaten stetig zugenommenen Schlagfertigkeit aus seinem Mund. »Beides.« Meine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Wie schön war es, endlich wieder so unbeschwert und sexistisch herumzublödeln. In der Vergangenheit waren diese Zeiten viel zu kurz gewesen. Immer bloß kleine Lichtblicke, ehe über uns eine neue Katastrophe hereingebrochen war. »Dann gehen wir in unser Hotel zurück?«, riss er mich aus meinen Gedanken. »Und was machen wir da?« »Es so lange treiben, bis wir unsere Augen nicht mehr aufhalten können.« Eine schaurig-schöne Vorstellung. »Wie damals?« Er küsste mir den Nacken. »Genau. Wie der Morgen danach ... Darf ich dich wieder von hinten nehmen?« »Klar, wenn du es wieder so machst, wie an dem Morgen, habe ich keine Einwände.« »Dann fangen wir mit einer heißen Dusche an, gehen darauf ins Bett über und zum Nachtisch können wir es ja einmal im Stehen machen ... bei der Minibar ... Das Licht bringt da deine Muskeln so schön zur Geltung.« Dieser Verrückte! »Du bist unmöglich«, säuselte ich, die stürmische Ostsee betrachtend. »Nein, ich bin bloß gut ... und du stehst drauf.« Ich drehte mich zu ihm um und fasste nach seiner Hand. »Gut, dann gehen wir, Sexgott.« Seine Lippen zeigten mir ein gewaltiges Grinsen. »Ja genau! Mach dich auf was gefasst. Morgen kommst du erst gar nicht mehr aus dem Bett.« Er lehnte sich zu mir, legte seine Lippen auf meine. »Vielleicht bringe ich dich sogar so weit, dass du für den restlichen Urlaub nicht mehr richtig gehen kannst.« Doch so schlagartig wie diese erotische Aussage über seine Lippen gekommen war, so heftig machte er einen Rückzieher - wie so oft in den letzten Wochen. »Habe ich jetzt wohl nicht übertrieben? Du weißt, ich will nicht, dass du dich dadurch in irgendeiner Weise bedrängt fühlst.« Seine Miene wirkte sekündlich verzweifelter. »Du kennst mich ja ich liebe es einfach, dir diese schmutzigen Sachen zuzuraunen.« »Das weiß ich doch!« Kopfschüttelnd schenkte ich ihm ein sanftes Lächeln. »Ich habe dir doch gesagt, dass es in Ordnung ist ... Du bist nicht sie.« Für einen kurzen Moment der Erinnerung fachte diese verdammte fürchterliche Angst auf. Doch so schnell, wie sie gekommen war, war sie auch wieder verschwunden. »Außerdem habe ich nie das durchmachen müssen, was du durchgemacht hast.« »Ach, Kleine.« Behutsam umfasste er mein Gesicht, welches von meinen wehenden Haaren umspielt wurde. »Du sagst es mir immer wieder ... und trotzdem kommt es mir vor, dass es dir doch mehr ausmacht, als du zugibst.« Ich legte meine Hände auf seine. Ja, es war schrecklich gewesen. Ja, ich hatte ein paar Wochen gebraucht ... doch nun war dieses, mich stetig begleitende, beklemmende Gefühl verschwunden. Natürlich - Erinnerungen brachten mir diese Empfindungen zurück. Doch damit konnte ich gut umgehen - genauso wie er es gelernt hatte, es zu akzeptieren und sich mit seiner Vergangenheit abzufinden. »Mit deiner Liebe ... mit deiner Zärtlichkeit hast du mir meine dadurch entstandenen Ängste schneller genommen, als ich es selbst jemals für möglich gehalten habe.« Seine, von mir so geliebte Unbeschwertheit fing an, seine sorgenvollen Züge zu verdrängen. »Wirklich? Es macht dir echt gar nichts mehr aus? Ich darf wirklich und ohne mir Sorgen zu machen, dir meine sexistischen Fantasien anvertrauen?« Ich nickte. »Sprich so schmutzig, wie du willst ... du weißt doch, wie sehr mir das einheizt.« Und damit entlockte ich ihm ein neues gigantisches Grinsen. »Na dann auf ein Neues: Ich werde dich so fertig machen, dass du den restlichen Urlaub nicht mehr aus den Federn kommst.« Er befeuchtete seine Lippen - vermutlich vor sexueller Vorfreude. Oder, weil ihm etwas neues Verruchtes eingefallen war. »Meinen Namen schreien ... das war gestern. Du wirst gar nicht mehr schreien können, so weit werde ich dich bringen.« »Na, das hoffe ich doch«, entgegnete ich kichernd und mit gewaltigen Schmetterlingen im Bauch. »Nichts anderes erwarte ich mir von dir.« Als Antwort schlang er seine muskulösen Arme um mich, presste mich gegen seinen Leib und schenkte mir einen unbeschreiblich leidenschaftlich wie zärtlichen Kuss, der mir auch noch die restlichen angedeuteten Sorgen der letzten Monate aus meinen Gedanken verbannte. »Du weißt aber schon«, raunte ich in seinen Mund. »Dass ich das mit dir genauso machen kann - und werde.« Seine Augen fingen an, zu funkeln. »Oh Scheiße, ja!« Er zog mich Richtung Hotel zurück. »Dann mach mich heute so fertig, wie du willst ...« Unser Gelächter wehte mit dem immer stärker werdenden Wind hinaus aufs Meer, über die mit schneeweißen Schaumkronen bestückten Wellen, welche sich höher und höher aufzutürmen begannen. Und so wie die Wellen anwuchsen, so wuchsen in mir Hoffnung und Zuversicht für unsere Zukunft. Nun begann ein neues Leben. Ein Leben zu zweit. Ein Leben in Liebe. Kapitel 1 - 9x19 mm Luger Zehn Monate zuvor Wenn man bedenkt, dass eine 9x19 Luger mit einer Geschwindigkeit von bis zu 580 Metern pro Sekunde auf ihr Ziel zurast, dabei eine Energie von bis zu 700 Joule aufbringt, kann ich es nicht verstehen, weshalb vergleichsmäßig weniger Frauen gegenüber Männern eine Waffenbesitzkarte beantragen. Was gibt es denn, Bitteschön, besseres, als seinen Frust beim Schießstand abzulassen - wie wild durch die Gegend zu ballern? »Volltreffer«, kommentierte Dan einen jeden einzelnen meiner Schüsse. Ich war schon äußerst lange nicht mehr beim Training gewesen. Wofür auch? Wurden in meiner Abteilung gute Schießfähigkeiten ohnehin nicht gebraucht. »Und noch einer.« Darüber hinaus kamen Einsätze mit aktivem Schusswaffengebrauch äußerst selten vor. »Noch ein Zehner.« In meinen Augenwinkeln durfte ich beobachten, wie mein dunkelhaariger Kollege seinen Kopf leicht schüttelte. »Mann, Evina, wieso triffst du immer?« Es war schon seltsam. Dan war mit Schusswaffen aufgewachsen. Sein Vater hatte ihn bereits im zarten Alter von sechs Jahren an Faustfeuerwaffen herangeführt. Dennoch traf er nur halb so viel wie ich. Dabei hatte ich eine richtige Pistole zum ersten Mal erst mit achtzehn Jahren in der Hand gehalten - mächtig Schiss inklusive. Das bewies einmal mehr: Auch Dinge, die man später lernt, kann man perfektionieren. Man benötigt nur etwas Talent und Geduld. Oder, wie in meinem Fall, viel Munition. »Oh!«, rief er, mit versucht erstaunter Stimme aus, als ich meinen letzten Schuss abgegeben hatte. Der Schwerpunkt lag auf ›versucht‹, vermochte er es, den leicht schadenfrohen Klang, welcher üblicherweise in harten Vernehmungen zum Einsatz kam, nicht wirklich zu unterdrücken. »Ein Neuner.« »Fuck!« Frustriert entnahm ich das leere Magazin und warf dieses und die mit offenem Verschluss befindliche Glock 17 auf den Tresen. »Zur Hölle noch mal!« Da heute glücklicherweise bloß mein Kollege und ich uns im Keller gelegenen Schießstands des in die Jahre gekommenen Polizeipräsidiums austobten, durfte ich den lästigen Ohrenschützer und die juckenden Ohropax entfernen. Dan wirkte entgeistert. Dies erkannte ich daran, dass er den vorderen Teil seiner leicht geschwungenen Augenbrauen nach oben zog. Und das wiederum sah jedes Mal zum Brüllen komisch aus. Heute konnte ich aber nicht darüber lachen. »Was ist los?«, fragte er. »Na was wohl!«, schimpfte ich, die Arme in die Luft reißend und mein Gesicht verziehend. »Eine verkackte Neun!« Ein neues Kopfschütteln folgte. »Du bist doch nicht mehr ganz dicht.« Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Nur, weil ich besser sein will, als der Durchschnitt?« Schließlich musste ich besser sein, wollte ich in meinem Leben irgendwann noch einmal weiterkommen. Er ergriff meine Schultern und schüttelte mich einmal kräftig durch. »Du bist besser, als der Durchschnitt.« »Und trotzdem bin ich immer noch hier in Hintertuxing und ärgere mich im besten Fall mit alkoholisierten Vollidioten rum.« Oder mit senilen alten Säcken, die ihre Krankenpflegerinnen auf dem Balkon aussperren, splitterfasernackt aus dem Haus rennen, dann noch die Haustür absperren und den Schlüssel irgendwo ins nahegelegene Gebüsch werfen und schreien: »Ich bin frei ... ich bin frei!« »Das nächste Mal schaffst du den Aufnahmetest«, versuchte er, mich zu trösten. »Bedenke, dass es erst zwei Frauen in die Spezialeinheit geschafft haben. Du brauchst dich deshalb nicht verrückt machen.« Das tat ich aber. Und wie! Seit meinem sechzehnten Lebensjahr träume ich davon, in das Einsatzkommando Cobra aufgenommen zu werden. Anfangs war ich bereits mehr als zufrieden, den polizeilichen Aufnahmetest überstanden zu haben, infolge dessen ich einige Jahre glücklich und stolz in diesem kleinen Kaff für Recht und Ordnung sorgen durfte. Letztlich fing mich aber die permanente Unterforderung an, zu langweilen, woraufhin sich der Wunsch einen vernünftigen, sprich aktiven und gefährlichen Job auszuüben, Schritt für Schritt in den Vordergrund drang. Ergo: Ich bewarb mich um einen Posten bei der österreichischen Spezialeinheit. Ich trainierte wie eine Verrückte, dennoch versagte ich bei einer der vier KOPrüfungen: eine Distanz vom dritten bis zum fünften Stock eines Kletterturms bloß mithilfe einer Stahlstrickleiter in weniger als fünf Minuten zu überwinden. Ich brauchte nämlich fünf Minuten und zehn Sekunden. Verfickte zehn Sekunden! »Ja, ich weiß«, entgegnete ich frustriert. »Trotzdem. Es kotzt mich einfach an.« Ich warf die Arme in die Luft. »Es kotzt mich alles an.« Seine Züge nahmen einen seltsamen Ausdruck an. »Was du brauchst, ist ein vernünftiger Mann.« Oh Mann! Jetzt fing auch noch das wieder an! Bloß weil alle Kollegen in unserem Stützpunkt verheiratet und mit zwei bis drei Kindern bestraft worden waren, bedeutete das nicht automatisch, dass ich eine ähnliche Karriere anstrebte. Ich war doch nicht zur Polizei gegangen, bloß um dann eine Familie zu gründen und auf schreiende Kinder aufzupassen, während mein ach so braver Mann sich mit Lorbeeren schmückt! Nein, ganz bestimmt nicht! Ich wollte Erfolg, Anerkennung und in meiner spärlichen Freizeit mein Leben genießen. Eine Beziehung hatte da keinen Platz - und würde niemals einen Platz finden ... konnte einfach keinen Platz finden. Dan wütend anfunkelnd, fasste ich nach meiner Waffe. »Hör mir bloß auf mit dem Scheiß! Schließlich bin ich die Einzige von euch, die nicht in einer erbärmlichen Beziehung steckt.« Seine Züge härteten sich. »Ganz genau! Du bist die Einzige! Es wird echt Zeit, dass du langsam sesshaft wirst.« Sesshaft. Am liebsten hätte ich ihn geschlagen. Um Fassung ringend, betrachtete ich die Glock in meiner Hand. »Wechseln wir das Thema.« Selbst für mich klang meine Stimme äußert aggressiv. »Nein-« Wie es schien, interessierte meinen lästigen Kollegen dies nicht im Geringsten. »Doch!«, fuhr ich ihn an. »Mich interessiert deine romantische Einstellung überhaupt nicht, okay? Und wenn du mir noch einmal mit dem Blödsinn kommst, dann ziehe ich dir diese unpraktische Waffe über deinen Lockenkopf.« Meine Drohung entlockte ihm bloß ein niedliches Schmunzeln, welches meine Wut nicht sonderlich abzumildern vermochte. »Wenn du einmal jemand Besonderes begegnest, dann wirst du deine Meinung schon noch ändern. Inklusive Kinderwunsch. Wetten?« »Das passiert nie.« Seine Mundwinkel zuckten. »Das habe ich auch gesagt.« »Aber ich bin nicht du!«, konterte ich. »Ich hasse Kinder! Ernsthaft, ich halte das nicht aus.« »Wetten wir! Du wirst Mama, hundertprozentig!« Mir wurde es schlecht. Aber okay. Wenn er wetten wollte, dann bitte. »Gut.« Ich steckte das leere Magazin in die dafür vorgesehene, auf meinem Rücken befindliche Gürteltasche. »Um was wetten wir?« Er grinste. »Tausend Schuss Munition - Kaliber .45.« Natürlich! Das hätte ich mir gleich denken können, hatte sich Dan doch eine Smith &Wesson SW 1911 bestellt. Und .45 Patronen waren nicht eben günstig. Ich seufzte. »Okay. Abgemacht ... Hast du deine Waffe eigentlich schon bekommen?« Er schüttelte den Kopf. »Erst nächste Woche. Verschärfte Einfuhrbestimmungen durch die anhaltende Terrorgefahr.« »Ahh, okay. Verstehe.« Ich warf einen weiteren Blick auf meine Glock 17. Schön war etwas anderes, ebenso sicher. »Wann werden wir im Dienst wohl endlich unsere eigene Waffe tragen dürfen? In den USA ist das gang und gäbe.« Dan füllte sein Magazin auf. »In unserem Leben sicherlich nicht mehr.« Ich griff nach einem vollen Magazin »Weshalb überhaupt eine Glock? Die ist doch gemeingefährlich! Jedenfalls die Sache mit dem Verschluss. Einmal hätte ich mir beinahe den halben Daumen weggerissen.« Ich hielt die Mündung Richtung Zielscheibe, führte das volle Magazin ein und betätigte den Verschlussfanghebel. Dann sicherte ich sie. »Diese Waffe ist absolut nichts für Anfänger. Obwohl jeder Depp das Gegenteil behauptet.« »Das stimmt, der Verschluss ist echt Scheiße. Aber dafür gibt es ja verbreiterte Griffe.« »Die bei einem Mann mit vernünftigen Händen-«, Ich blickte auf die zierlichen Händchen meines ein Meter siebzig großen Kollegen und steckte meine Waffe in den rechten Holster. »Trotzdem nicht viel nützen würden.« »Hey!«, kam es beleidigt von der Seite. »Kritisierst du etwa gerade meine Körpergröße?« Theatralisch sicherte er seine Waffe und steckte sie weg. »Du kritisierst echt meine Körpergröße?« Dan und seine Komplexe! Weshalb regte er sich überhaupt auf? Schließlich war er mit einer wunderschönen Frau verheiratet, die ihm zwei Kinder geschenkt hatte. Da brauchte er sich also wahrhaftig nicht bezüglich irgendwelcher Äußerlichkeiten aufzuregen. »Nun.« Ich überlegte absichtlich lange. »Nein, eigentlich nicht. Ich stelle hier nur eine Tatsache fest.« »Ja, sicher doch!«, presste er sichtlich pikiert hervor. »Was auch sonst!« »Sei keine Muschi.« »Dann kritisiere mich einfach nicht.« Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Das ist aber Fakt! Du bist zierlicher. Deshalb kommst du mit der Glock auch viel besser zurecht. Aber wenn ein Mann mit einer vernünftigen Körpergröße ... also über eins achtzig ... solch ein Ding in die Hand nimmt, ist sie verschwunden und die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger mit ziemlicher Sicherheit weggerissen.« Dan krauste die Stirn. »Dann sollen sich diese Adonise doch eine CZ besorgen.« »Und damit wären wir wieder beim eigentlichen Thema: Ich will endlich meine eigene Waffe benutzen!« Er griff nach seiner Jacke. »Deine Wilson?« Ich nickte. »Ja. Sie liegt einfach super in der Hand.« »Kostet aber auch eine Stange.« Die Schulter zuckend zog ich meine Lederjacke über und steuerte die Tür an. »Dafür steht sie für Qualität.« »Hey!«, hielt mich mein Kollege ab, weiterzugehen. »Was ist mit der Zielscheibe?« »Die wechselst du aus.« »Du hast mich aber beleidigt«, gab er zurück. »Und du hast damit angefangen. Außerdem muss ich heute pünktlich zu Hause sein.« Sein Blick wurde milder. »Ach ja, dein erster Urlaub seit ...?« »Seitdem ich zum Arbeiten angefangen habe«, beendete ich seinen Satz. »Morgen um diese Zeit stecke ich die Füße in den weißen Sand und schlürfe irgendwelche Sundowner.« Mein Kollege seufzte. »Das erinnert mich an meine Flitterwochen.« Oh Gott! Jetzt fing er schon wieder mit diesem romantischen Gesülze an! Ehe ich ihm etwas Schnippisches an den Kopf werfen konnte, härteten sich seine Züge. »Evina.« »Ja?« »Du weißt doch noch, was du damals über einen Partner gesagt hast, oder?« Ich runzelte die Stirn. »Wie ... was?« »Tu nicht so!«, jammerte er mit den Händen gestikulierend. »Du hast zu mir gesagt, wenn du jemand triffst, bei dem du dir hundertprozentig sicher bist, dann lässt du diesen Mann nie mehr los.« Nun war ich es wieder, die seufzte. Ja, das hatte ich ihm einmal in einer meiner seltenen schwachen Stunden meines Lebens erzählt - nämlich nach drei Gläsern Whiskey, um genau zu sein. »Ja ... auf was willst du hinaus?« »Du hast das ernst gemeint ... also lass dich dann auch echt darauf ein.« Ich drehte mich im Kreis. »Bisher habe ich niemand gefunden. Oder siehst du hier jemand, der zu mir passt?« Seine Lippen formten ein breites Grinsen. »Nun, vielleicht ja im Urlaub?« »Ja, sicher doch. Ganz bestimmt!« Kopfschüttelnd griff ich nach der Türschnalle. »Na, ist ja auch nicht so wichtig«, entgegnete Dan kichernd. »Schönen Urlaub. Und bring mir irgendetwas mit.« Zum Abschied warf ich ihm mein strahlendstes Lächeln hin, woraufhin er mir noch schnell zurief: »Wenn du einen alleinstehenden Mann auf diese Weise anlächelst, kannst du dir sicher sein, dass dich dieser heiratet.« Ich erwiderte nichts mehr darauf, sondern eilte nur mehr zu meinem Spind. Die Malediven. Wie lange hatte ich nicht für diesen Urlaub gespart? Jahre. Ernsthaft. Jahre. Und nun war es endlich so weit! In zwei Stunden ging mein Flug. Meine Koffer gepackt hatte ich zum Glück bereits gestern. Bloß noch vernünftig essen und das Handgepäck herrichten - und es konnte losgehen. Ich griff nach meiner Tasche und schloss den Spind ab. Dann verabschiedete ich mich noch bei meinen anderen Kollegen, die sich bezüglich mangelnder Arbeit in der Küche eine Kaffeepause genehmigten, ehe ich aus dem Gebäude trat und die kalte Januarluft tief einatmete. Die Nacht hatte sich längst über das Land gelegt. Sterne sah ich bedauerlicherweise keine, wurden diese doch von dichten Schneewolken verdeckt. Das aufgeregte und so schrecklich nervige Bellen eines in der Nachbarschaft wohnenden Hundes wurde zum Teil vom Lärm der viel befahrenen - und einzigen Hauptstraße dieses langweiligen Kaffs verschluckt. Eine Welle Vorfreude verdrängte meinen Frust und brachte meine Beine in Bewegung. Fünf Tage Sommer, Sonne, Stand und Meer. Und erst die daraus resultierenden Urlaubsfotos! Wie sehr freute ich mich, das kristallklare Wasser, den weißen Sandstrand und die kleinen ins Meer gebauten Bungalows zu fotografieren! Ich öffnete meinen Wagen, einen schwarzen Honda Civic aus 1996, warf die Tasche auf den Beifahrersitz und startete den laufruhigen 1,6 Liter Ottomotor. Kaum hörbar fuhr ich aus der Einfahrt Richtung Bank. Ich brauchte noch etwas Bargeld. Zwar würde ich auf der Insel ohnehin nur mit Kreditkarte bezahlen, außerdem hatte ich bereits fünfhundert Euro in Dollar umwechseln lassen, doch war es mir wichtig, ebenfalls einen Notgroschen in meiner eigenen Währung bei mir zu haben. Man wusste schließlich nie, was so alles schiefgehen konnte. Womöglich verlor ich meine Kreditkarte, oder sie wurde kaputt. Vielleicht musste ich auch eine Übernachtung aufgrund unerwartetem Wetterchaos in Wien oder Deutschland in Kauf nehmen. Im Januar waren Schneestürme und Kälteeinbrüche schließlich keine Seltenheit. Ich parkte direkt neben der kleinen Filiale und stieg aus. Fühlte sich der Sandstrand auf den Malediven genauso an, wie in Italien? War er grober, feiner, fester, leichter? Mit meiner Brieftasche in den Händen betrat ich das Geldinstitut, ein fünfundzwanzigjähriger schwarzhaariger und äußerst fleißiger Bankangestellter Namens Sandro mich fröhlich begrüßend. Er machte wohl wieder einmal Überstunden. Braver Junge. Er war der Einzige von der ganzen Sippe, welcher beinahe jeden Tag bis spät in die Nacht schuftete. »Wie kannst du bloß immer so gut drauf sein und trotzdem so viel arbeiten?«, fragte ich ihn kopfschüttelnd und schob dabei die Bankkarte in den Geldautomaten. »Ich hab eine nette Freundin.« Ich atmete hörbar aus. Was hatte alle Welt bloß mit diesem Beziehungsscheiß? Ich musste froh sein, dass ich alleine lebte. Kein Stress, keine Putzerei, kein Wäschewaschen, kein Fremdgehen, keine üblen Launen, die durch die männliche Ansicht entstand, ich hätte nie Lust auf Sex, bla, bla ... . Während ich den Code eintippte, meinte ich: »Mir können Männer gestohlen bleiben!« »Wenn du den Richtigen triffst, wirst du deine Meinung ändern, glaubs mir«, kam es schlagfertig zurück. Und mir wurde es erneut schlecht. Hatten heutzutage alle die Weisheit mit Löffeln gefressen, oder was? »Ich bleibe alleine. Das kannst du mir glauben.« Ich wählte fünfhundert Euro an und das Gerät begann zu arbeiten. Nach einigen Sekunden wurden fünf Einhunderter-Scheine aus einem kleinen unter dem Bildschirm befindlichen Schlitz herausgeschoben, die ich sofort in die goldene Brieftasche steckte. »Und, wann fliegst du weg?« Ich blickte zu ihm. »Noch heute.« Er warf mir ein breites Lächeln zu. »Na, dann wünsche ich dir viel Spaß und Erholung.« Es folgte eine kurze Pause. »Und vielleicht triffst du dort ja jemand.« Innerlich verzog ich das Gesicht. Es wurde immer schlimmer ... »Ich treffe gar keinen. Dafür werde ich schon sorgen!« Sein breites Lächeln verwandelte sich in ein ungleich größeres Grinsen. »Du wirst dich wohl nie ändern.« »Natürlich nicht. Was hast du denn gedacht?« »Einen Sinneswandel.« Ein beinahe unmerkliches Kopfschütteln folgte. »Man kann nicht ewig alleine sein.« »Ich bin dreiunddreißig!«, gab ich schroff zurück und trat zum Tresen. »Nicht sechzig! ... Ich bin doch keine alte Oma.« »Das weiß ich doch«, versuchte Sandro mit entschuldigender Stimme zu beruhigen. »Aber trotzdem ist das Leben doch viel schöner, wenn man einen Partner hat. Jemand, mit dem man gemeinsam Dinge unternimmt - seine Freizeit verbringt.« Sein Blick wurde eindringlich. »Das braucht jeder. Sogar du!« »Nein. So was brauchen bloß Muschis.« Diese Worte härteten seine Miene. »Hey! Ich bin keine Muschi!« »Hier Anwesende ausgeschlossen«, fügte ich augenrollend hinzu. »Nope.« Er schien richtig angefressen. »Das lasse ich dir nicht durchgehen! ... Außer, du reagierst so frustriert, weil du unausgeglichen bist.« Damit formten seine Lippen ein neues breites Grinsen, welches ich ihm am liebsten aus seiner geschniegelten Visage geschlagen hätte. Die Autoschlüssel in meine Hosentasche steckend, vermutete ich: »Du meinst wohl so etwas wie Sex, oder?« Sandro schnippte mit den Fingern. »Ganz genau!« Ein frustriertes Grummeln drang aus meinem Mund. »Denkt eigentlich die ganze Ortschaft, ich sei sexuell frustriert, oder so?« »Wie kommst du darauf?« Seine Stimme klang ernsthaft überrascht, sein anwachsendes Grinsen jedoch strafte diese Lügen. Ich blickte zur Decke. »Ihr seid doch alle total bescheuert. Ernsthaft!« Diese Worte kundgetan, wollte ich mich Richtung Ausgang begeben, als da wie aus dem Nichts ein vermummter Mann die Filiale betrat - eine Pistole auf mich gerichtet. Ganz klasse! Echt Super! Es wurde immer besser heute ... Von einer Sekunde auf die andere kippte mein Schalter um. Dies bedeutete im Detail, alle unwichtigen Dinge wurden ausgeblendet, mein Gefühl wurde auf ein soziopathisches Niveau heruntergeschraubt und mein Herzschlag, welcher sich erst beschleunigt hatte, senkte sich - wie in weiterer Folge meine Atmung - damit sich mein Körper nicht in einen Ausnahmezustand begab. Hyperventilation hätte mich nämlich alles andere, denn unterstützt. »Auf den Boden, oder ich knall dich ab!«, brüllte der Saftsack mit leicht slawischem Akzent, die Waffe wild durch die Luft fuchtelnd. Dabei erhaschte ich einen Blick auf seinen Finger, den er einen Tick zu fest auf dem Abzug hielt. Glock 17, Gen 4. Gesicherte Waffe. Sehr interessant. »Hey, Pussy! Auf den Boden habe ich gesagt!« Der Pseudo-Bankräuber war wohl ein wenig nervös. Ohne lange herumzufackeln fasste ich nach der Dienstwaffe unter meiner Lederjacke, entsicherte sie, während ich sie auf den Kerl richtete und erklärte: »Jetzt legst du dich auf den Boden, Muschi, oder ich vergesse mich.« Erst trat eine Pause ein. Als er nach zwei Sekunden noch immer keine Anstalten machte, meinen Anweisungen folge zu leisten, wurde ich wütend. Richtig wütend. Unheimlich wütend. Als wäre dieser Tag nicht bereits stressig genug gewesen! Und jetzt würde ich auch noch meinen Flieger verpassen - und das bloß aufgrund eines Vollidioten, der glaubte, eine Bank ausrauben zu können ... In meinem Kaff! In meiner Freizeit! Und bei einem überstundenschiebenden Sandro! »Hey, Fucker! Willst du mir echt den Tag versauen? Ja? Echt?« Ich zielte auf seinen Brustkorb, den Abzug langsam durchdrückend. »Dann tu es. Versau mir meine ersten Urlaubsstunden ... dann versau ich dir dein Leben.« Jäh fing seine Hand an, zu zittern. Und schließlich bemerkte ich, wie er seinen Daumen bewegte. Ein gewaltiger Stoß an Adrenalin wurde in meine Blutbahn gepumpt. Die Waffe war scharf. Sollte ich abdrücken? Ihn direkt ins Herz schießen? Der ganze elendige Papierkram, der darauf folgen würde, hätte mir meinen Urlaub komplett zunichtegemacht. ... Damit war klar, was zu tun war. Noch bevor er einen Schuss auslösen konnte, hatte ich mich bereits fallengelassen, dabei auf seinen Oberschenkel gezielt und abgedrückt. Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch das Foyer, dann erklang ein Schmerzschrei und der Typ brach zusammen. »Sandro, hast du schon die Polizei informiert?«, rief ich, während ich mich aufrappelte und zu dem Drecksack sprintete. Ehe ich ihm Handschellen anlegte, kickte ich erst einmal die keinen Meter neben ihm liegende Glock zur Seite. »Sandro?« Nach einer angefühlten Ewigkeit hörte ich ihn sagen: »Das brauch ich doch gar nicht. Du bist doch schon da.« Ich schüttelte den Kopf, den Bankräuber die Sturmhaube vom Kopf reißend. »Mach keine Witze und melde das der Zentrale.« Der Kriminelle zeigte mir eine hässliche Visage, welche sich durch die Schmerzen in seinem Bein ungleich hässlicher verzog. »Hab ich schon«, kam es von hinten. »Bin ja nicht blöd.« Gott, die jungen Leute heutzutage! »Fotze«, würgte mein neuer Freund hervor. »Du blöde Fotze.« Ich zog ihn hoch. Er war unerwartet leicht. Hatte wohl mit seiner geringen Körpergröße von nicht einmal einem Meter siebzig zu tun. Waren heute eigentlich alle Männer so groß wie Frauen aus den Siebzigern? »Halt einfach deine Fresse«, gab ich zurück. »Sonst breche ich dir auch noch einen Arm, Arschloch.« »Hey!«, rief Sandro von hinten. »Keine Kraftausdrücke.« Ging’s dem eigentlich noch gut? Ich drehte mich zu dem hübschen Jüngling, den Pseudo-Bankräuber hielt ich dabei weiter fest im Griff. »Alter, was ist bloß los mit euch allen? Du hättest erschossen werden können. Hast du das eigentlich schon kapiert?« »Klar.« Sichtlich unberührt zuckte er die Schultern. »Aber ist ja nichts passiert.« Ich wollte etwas erwidern, da unterbrach mich vertrautes Sirenengeheul. Und keine zehn Sekunden darauf, wurde die Bank in ein leichtes Blau getaucht. »Ist ja nichts passiert«, wiederholte ich Sandros Worte mit gesenkter wie ungläubiger Stimme und schleppte den Jammerlappen von einem Kriminellen nach draußen. »Die spielen alle zu viele Ballerspiele.« Ich trat vor die Tür - und konnte bloß wieder den Kopf schüttelnd. Die gesamte Polizeistation hatte sich vor der Bank versammelt - mit teils glücklichen, teils leicht verängstigten Augen. Das passierte, wenn eine Polizeidienststelle an permanentem Arbeitsmangel litt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie unseren Posten aus Kostengründen dicht machen würden. Meine Kollegen liefen zu mir - Tom, dieser Idiot, die Waffe gezogen. »Bist du verletzt?«, fragte Dan mit besorgtem Blick. Ich zeigte ihm ein sarkastisches Lächeln. »Nein, das siehst du doch. Aber der.« Damit übergab ich den Ausländer meinen Kollegen. »Den Bericht kriegt ihr von meinem Urlaub aus per Mail zugeschickt. Ich hab nämlich keine Zeit für ein Aufnahmeprotokoll.« Ich nickte Richtung Bank. »Und das Wichtigste hat eh Sandro gesehen.« Wütend schaute ich zu Tom. »Und du, Tom. Steck die Waffe weg, du Depp. Die Drecksarbeit ist schon erledigt.« Seine Züge härteten sich. »Wir haben bloß einen Alarm bekommen. Wir wussten ja nicht, was los ist, also komm mal wieder runter.« Scheiße, das war wohl doch ein wenig zu hart von mir gewesen. Ich rieb mir die Stirn. Vielleicht lagen Dan und Sandro ja doch nicht so sehr im Unrecht, wie ich es mir die ganze Zeit einzureden versuchte ... Aber vielleicht war ich auch bloß vom harten Training überarbeitet. Jeden Tag fünf Kilometer Schwimmen und eine Stunde Klettern konnte ganz schön an der Substanz ziehen. »Sorry«, entschuldigte ich mich. »Hast ja recht ... Tut mir leid ... Also.« Damit winkte ich der versammelten Mannschaft. »Ich bin dann mal weg.« ›Und ihr habt wenigstens etwas zu tun‹, vervollständigte ich im Geiste und eilte zu meinem Wagen. Kapitel 2 - Abflug Zwar hatte ich meine Koffer gepackt, dafür vergessen, die Wäsche aufzuhängen. Fuck. Irgendetwas übersah ich andauernd. Also in Rekordzeit das Gewand aufgehangen, welches für die nächsten Tage friedlich vor sich hin trocknen konnte. Hauptsache alle meine Geräte waren ausgeschaltet. Einen Wohnungsbrand wollte ich nicht heraufbeschwören. Apropos Wohnung: Ich bewohnte eine sechzig Quadratmeterwohnung, welche sich von meinem Arbeitsort zehn Kilometer entfernt befand. Sie war vielleicht nicht sonderlich groß, dafür punktete sie mit einer sonnigen ruhigen Lage und freundlichen Mietern, sowie einem Gratisparkplatz und einem großen Kellerabteil. Was wollte ich mehr? Ja, genau! Etwas Essen. Ich holte einen Teller und schüttete etwas von dem Hühnereierreis, welchen ich bei meinem Stammchinesen - der Einzige in der näheren Umgebung - mitgenommen hatte. Geschickt brach ich die Holzstäbchen auseinander und begann zu essen. Es gab kein chinesisches Gericht, das ich nicht mit Stäbchen aß. Warum? Aus Prinzip, und um die eigene Komfortzone immer wieder zu durchbrechen. Mann konnte doch - und sollte auch - ab und zu etwas nicht auf die übliche Weise machen. Das Leben war langweilig genug, da vermochten ein paar kleine Besonderheiten, wie Stäbchenessen, das Geschirr mit der nicht dominanten Hand abschrubben oder alle drei Monate einen Ort besuchen, den man noch nie gesehen hat, den Alltag ganz schön aufzuwerten. Darüber hinaus erweitert man seinen Horizont und behält seine Flexibilität. Möglicherweise lag es aber auch bloß an meinem Singleleben. Ich trank einen Schluck Orangensaft. Tatsache war: Da gab es niemand, mit dem ich meine Freizeit verbringen durfte oder konnte. Also blieb mir gar nichts anderes übrig, als mir immer wieder neue Freizeitbeschäftigungen auszudenken. Schließlich fingen mich die meisten meiner Hobbys ziemlich schnell an, zu langweilen: Laufen - obgleich hier auch mein gesundheitlicher Aspekt eine Rolle gespielt hatte, hatte ich mir damit nämlich meine Knöchel und den Rücken beleidigt - Fahrradfahren, Kochen, Basteln und Malen oder Stricken. Stricken! Wie ich bloß auf diesen Schwachsinn gekommen war, entzog mir meiner eigenen Kenntnis. Das Fotografieren hatte ich jedoch beibehalten. Viel mehr ging sich ohnehin nicht aus, da das Ausdauertraining, Schießtraining und die Selbstverteidigung übermäßig viel Zeit in Anspruch nahmen. Nun, ich hatte mich für dieses Leben entschieden - und es bisher nicht eine Sekunde lang bereut. Da durften die einsamen Stunden nicht wirklich schwer wiegen. Sobald ich den Reis verschlungen hatte, wusch ich das Geschirr ab und packte den restlichen Kram ein. Für den insgesamt dreizehnstündigen Flug zog ich mir eine schwarze Anzughose und ein schwarzes Hemd an. Dazu schwarze flache Schuhe. Meine rückenlangen braunen Haare ließ ich offen. Es tat gut, einmal ohne strengen Dutt herumzulaufen. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, dann verließ ich die Wohnung. Um 18:00 Uhr erreichte ich den Klagenfurter Flughafen, um 18:35 hoben wir ab und um 19:25 landeten wir ohne Komplikationen in Wien. Ich ließ meinen Blick über die große Halle des Flughafens gleiten. Dutzende Geschäftsmänner, ein paar Ausländer und einige Pärchen, deren weibliche Hälften mir giftige Blicke zuwarfen, sprangen mir ins Auge. Welch wundervolle Begrüßung. Wien. Erst einmal hatte ich unserer Hauptstadt einen Besuch abgestattet - und da war ich durch die Aufnahmeprüfung der Cobra gerasselt. Demgemäß wenig Lust hatte ich empfunden, länger zu bleiben und irgendwelche Touristenattraktionen, erstens alleine und zweitens mit hunderten von Pärchen umzingelt, anzugaffen. Die Blicke der mich musternden Weiber standen an der obersten Stelle meiner »Das-halte-ich-beim-besten-Willen-nicht-aus-Liste«. So, wie ich es eben wieder erleben durfte. Aber noch so viel bescheuerter wurde es, wenn diese Zicken meine Musterung abgeschlossen hatten und kurz darauf ihren Lebensgefährten an sich zogen, um diesen einen stürmischen Kuss zu verpassen. So in der Art: »Der gehört mir. Such dir einen eigenen Freund.« Als würden mich diese Schlappschwänze von Pussies interessieren! Männer, die solche komplexbehafteten Weiber ihr Eigen nannten, waren meiner Meinung nach ohnehin nicht ganz dicht. Nun, was soll’s. Wer sagte auch, dass alle Leute vernünftige und anständige Individuen darstellten? Der zweite Flug startete um 21:45, mehr als genug Zeit also, um sich einen letzten österreichischen Kakao zu gönnen. Während ich den Saal durchquerte, hielt ich nach einem Lokal Ausschau. Ein kleines braunes Schild auf dem in geschwungenen weißen Buchstaben »Café« geschrieben worden war, lenkte meine Schritte in die linke Richtung. Mein Handy vibrierte. Wahrscheinlich bloß wieder diese bescheuerte FacebookApp, die mir sagen wollte, dass ich noch viel mehr Freunde auf Facebook hatte, als ich dachte. Leicht genervt, zog ich mein Smartphone hervor - da rempelte mich plötzlich jemand leicht an. ›Taschendieb‹, war mein erster Gedanke, woraufhin ich mich sofort in eine Art Kampfmodus brachte: Trolley losgelassen, den Griff um meine Handtasche verstärkt, den Blick auf den Rempler gerichtet. Der vermeintliche Kriminelle, ein Mann mit leicht zurückgegelten dunklen Haaren und einer Sonnenbrille auf der Nase, war jedoch bereits dabei, völlig unbeeindruckt an mir vorbei zu gehen. Vier Fragen schossen mir durch den Kopf: Weshalb trug dieser Idiot eine Sonnenbrille bei Nacht? Warum zeigte er ein derart verschmitztes Macho-Gelächle? War er bloß derart in Gedanken vertieft oder war die Aktion Absicht gewesen? »Sorry, Kleine«, kam es mit satter tiefer Stimme salopp wie selbstbewusst über seine mit einem anwachsenden Grinsen zur Schau tragenden Lippen, seine Schritte bloß eine Idee verlangsamend. Obgleich er diese nachtschwarze Sonnenbrille trug, hatte ich das Gefühl, er würde mir bis in die tiefsten Winkel meiner Seele blicken. Unauffällig und in sekundenschnelle ließ ich meine Augen über seine überraschend große und breite Gestalt huschen. Er trug ein dunkles Hemd, darüber eine kurze Lederjacke und eine hautenge Jeans, die seine muskulösen Beine nicht wirklich zu verstecken vermochte. Schwarze Lederstiefel rundeten sein lässiges Outfit ab. Die selbstbewusste Körperhaltung, das unverbindliche Grinsen und der gepflegte kurz geschnittene zarte Bart, welcher seine leicht kantigen Gesichtskonturen ungleich stärker zur Geltung brachte, verliehen ihm eine schwer zu ignorierende Ausstrahlung. Ich musste mir eingestehen: Er sah verdammt attraktiv aus ... nun ... mehr als das. »Geiler Arsch.« Mir wurde es schlecht. So viel zum ersten Eindruck. »Hat auch viel Zeit und Mühe gekostet«, gab ich angewidert zurück, drehte mich um, packte den Trolley und marschierte weiter. Solch ein aufgeblasener Gockel! Und genau das verdeutlichte wieder einmal, weshalb ich mich mit Männern außerhalb meines Jobs nicht abgab! Dumme Kommentare und viel zu viel Selbstbewusstsein, welches letztlich in Arroganz mündete, brauchte ich wahrhaftig nicht, um glücklich zu werden. Das erinnerte mich an Dans Aussage: »Was du brauchst, ist ein Mann!« Ja genau. Vielleicht auch noch solch einer, wie dieser Rempler vorhin? Mit Sicherheit nicht! Kopfschüttelnd betrat ich die Café-Lounge. Was ich brauchte, war höchstens jemand, auf den ich mich verlassen konnte. Einen guten Kumpel. Aber ein Macho, wie der eben, konnte mir das nicht in hundert Jahren bieten. Der Flug startete planmäßig und verlief - wenn man von dem kleinen Missgeschick eines sehr betagten Mannes einmal absah - recht unspektakulär: Die halbe Zeit schlief ich, und wenn ich wach war, zog ich mir ein paar Songs von einem italoamerikanischen Sänger namens Slim Man rein, dessen wunderbare, an Vollmilchschokocreme erinnernde Stimme mich in richtige Urlaubslaune brachte. Gut, die Texte waren allesamt relativ schmalzig und schnulzig und kitschig ... dennoch. Irgendetwas hatte dieser Mensch an sich, das er scheinbar ebenso in seine Songs unterzubringen vermochte: So etwas, wie Seele. Um 5:20 Uhr Ortszeit landete die Boeing in Dubai. Nun musste ich drei Stunden warten, ehe mein nächster vierstündige Flug mich nach Male brachte. Die Wartezeit nutzte ich, um meinen Polizeibericht zu schreiben. So ein MacBook Air mit seiner zwölfstündigen Akkulaufzeit konnte da ganz schön praktisch sein. Seufzend fing ich an, mein kleines Abenteuer in der Bank nieder zu tippen. Und keine Stunde später klickte ich auf den Senden-Button des Mail-Programms. Nun hieß es: warten. Also zückte ich Barry Eislers - Tokyo Killer und begann zu lesen. ... Eben war Rain dabei, so einen Arschsack umzubringen, da hörte ich den Aufruf für meinen Flug. Nur widerwillig packte ich das Buch weg, ergriff mein Zeugs und begab mich zum Boarding. Aber mein Unmut hielt nicht lange an, schließlich schien das Meer nun zum Greifen nahe. Alsbald ich auf meinem Platz saß, steckte ich mir wieder die Ohrenhörer ein, wählte Slim Man’s Album »Thousand Miles Away« aus und schloss die Augen. Die vier Stunden rasten dahin und mir nichts dir nichts stand ich bei der Einwanderungsbehörde von Male und füllte ein Formular aus. Und keine halbe Stunde später saß ich im Wasserflugzeug Richtung Urlaubsparadies. Nachdem wir bereits zwei Inseln angeflogen und Passagiere abgesetzt hatten, kam endlich meine an die Reihe. Bereits aus der Luft sah die Insel einfach nur traumhaft aus - wie auch all die anderen, die wir über- oder angeflogen hatten. Der Pilot landete und wir wurden aufgefordert, das Flugzeug zu verlassen. Der Geruch von Meerwasser, Kerosin und Holz stieg mir in die Nase, als ich meinen ersten Schritt auf den langen weißen Steg auf Naladhu setzte, ein südliches Male Atoll und mein Aufenthaltsort für die nächsten fünf Tage. Mitreisende, ein japanisches Pärchen - ich tippte auf Flitterwochen - ein kaukasischer Berufsfotograf und ein weiteres, um die sechzig angesiedeltes hellhäutiges Pärchen folgten. Während wir darauf warteten, unser Gepäck ausgehändigt zu bekommen, richtete ich meinen Blick zur kleinen Insel, welche sich wie auf den Fotos des Reiseveranstalters präsentierte: azurblauer Himmel, grüne Palmen, strahlend weißer Sandstrand und zwischen all der Schönheit, braune Schilfdächer der Bungalows. Mit meinem Trolley und dem Handgepäck ging ich schließlich los, dem Indischen Ozean einer genauen Prüfung unterziehend. Die zärtlichen Wellen des türkisfarbenen, klaren Wassers funkelten in der nachmittäglichen Sonne, dass es mir beinahe in den Augen schmerzte. Eine warme Brise, die mir meinen lockigen, kinnlangen Pony ins Gesicht wehte, bewies: Ich hätte mir meine Haare wohl doch zusammenbinden sollen. Hasse ich es bekanntlich, wenn sich meine Mähne verselbstständigt und mir andauernd in die Augen fliegt - mir dadurch in weiterer Folge meine Sicht stiehlt. Besonders jetzt, wenn sich das Meer dermaßen perfektionistisch in Szene setzte. Noch vor zwei Stunden war ich mir nicht sicher gewesen, wie ich den restlichen Tag verbringen sollte. Nun wusste ich es: Ich würde bloß Fotos machen. Alles andere konnte warten! Auf der Insel angekommen, wurde unsere kleine Gruppe von einer überaus netten Reiseleitung empfangen, die uns mit den wichtigsten Informationen betraute: Dass man sich vor neugierigen Haien und Rochen nicht fürchten brauche, wann Schnorchelausflüge und andere Touristenattraktionen auf dem Plan standen, und ein paar administrative Angelegenheiten, die mich im Grunde genommen nicht wirklich interessierten, von meinem Verstand dennoch abgespeichert wurden. Für mich zählten bloß drei Dinge: Die Rochenfütterung - sie fand um 17:30 Uhr statt - die Essenszeiten - Frühstück von 7:30 Uhr bis 10:30 Uhr, Mittagessen von 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr, kleine Snacks zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr, Abendessen von 18:30 Uhr bis 20:30 Uhr und ein Mitternachtssnack in der Bar und die Lage meines Wasserbungalows. Von der Rezeption befand sich dieser keine fünfzig Meter weit entfernt, umringt vom glitzernden Wasser des Ozeans - welchen ich keine halbe Stunde später, erschöpft und ausgelaugt, betrat. Ich ließ mein Handgepäck auf den Boden fallen, rollte den Trolley dazu und zog meine Schuhe aus. Dann durchquerte ich den unerwartet großen Wohnbereich, der mit einer weiß gepolsterten Couch, den dazu passenden Stühlen und einem runden Holztisch mit Glasplatte eingerichtet worden war. Links ging es ins schönste Bad, das ich jemals in meinem Leben gesehen hatte: Eine Steinwanne, eine Regendusche und einen direkten Abstieg ins Meer wurde mir hier ebenso geboten wie zwei riesige Spiegel, Steinwaschbecken und einen weiteren Durchgang zur Terrasse, in der ein rechteckiger Pool mit Meerwasser angelegt worden war. Ich konnte also im Meer baden, ohne überhaupt ins Meer zu gehen. Sehr praktisch, wenn man Angst vor Haien hatte, welche man durch das klare Salzwasser schon von Weitem erblicken konnte. Da ich mich von diesen anmutigen Meeresbewohnern jedoch nicht im Geringsten fürchtete, konnten sich diese sicher sein, mich in den nächsten fünf Tagen in ihrer natürlichen Umgebung anzutreffen. Schließlich wollte ich ein paar Fotos machen - und da gaben Rochen und Haie die perfekten Models ab. Mit leisen Schritten huschte ich hinaus auf die Terrasse, um meinen Blick über den Ozean schweifen zu lassen - und was sah ich? Ein kleiner hellhäutiger Hai, der an meinem Domizil vorbei Richtung Strand schwamm. Ich bekam Herzklopfen - vor Freude und Glück. Das war tatsächlich ein Paradies auf Erden! Kein Wunder, dass hier derart viele Leute ihre Flitterwochen verbrachten. ... Und mit diesem Gedanken legte sich meine überschäumende Freude und wurden von Erinnerungen verdrängt, die ich stets zu vergessen versuchte. Verfluchte Scheiße! Weshalb hatte ich es mir damals bloß angetan, und mich mit diesem Vollidioten eingelassen? Wie ich nur so blöd sein konnte und mich von seinem Äußeren hatte blenden lassen! ... Und seinem Gemaule. »Du bist so hübsch. Du bist so klug. Du bist eine echte Traumfrau.« Ja ne, is klar! Deshalb betrog er mich ja auch mit einer Putzfrau - keine fünf Monate später. Klasse. Den Gedanken auf die Seite schiebend, ging ich zurück ins Bad, dann weiter ins Schlafzimmer, in dem ein schneeweißes Himmelbett stand. Zahllose Fenster boten mir einen atemberaubenden Blick aufs Meer und die Insel. Dennoch wollte sich eine neue Freude nicht mehr wirklich einstellen. »Verdammt!«, fluchte ich laut. »Du lässt es auch noch zu, dass dir dieses Arschloch, das du schon seit vier Jahren nicht mehr gesehen hast, deinen Urlaub verdirbt!« Ich atmete einmal tief durch. Es war nun mal passiert. Weshalb? Ich wusste es nicht, und ich verstand es nicht. Ich hatte keinen blassen Dunst, was ich falsch gemacht hatte. Tausendmal stellte ich mir immer wieder dieselben Fragen: War ich nicht sein Typ? War ich zu hässlich? War ich nicht gut im Bett? War ich zu introvertiert? Zu extrovertiert? Zu aufbrausend? Erfahren würde ich es wohl nie mehr. Und immer wieder darüber nachzudenken half mir letztlich ebenso wenig, wie mir durch diese Sache den Urlaub verderben zu lassen. Bedauerlicherweise gab es da einen weiteren Grund, welcher mich dieses Drama nicht einfach so aufarbeiten ließ: Er war mein Erster gewesen. Mein erster Freund. Dabei hatte ich bis achtundzwanzig gewartet. Mich davor erst gar nicht auf irgendwelche Idioten eingelassen, in der Hoffnung, den Richtigen zu begegnen. Und was passierte? Ich musste mich in diesen verlogenen Bastard verlieben! Mit Beziehungen hatte ich wohl im Allgemeinen kein sonderliches Glück: Entweder wurde ich bloß von Leuten angesprochen, die ich nicht einmal ansatzweise sympathisch fand, oder wurden meine Versuche, nette Männer näher kennenzulernen, mit Ignoranz beantwortet. Oder aber, sie waren verheiratet, schwul oder irgendwie anders vergeben. Diese Umstände schmerzten, und bewiesen mir, dass ich wohl besser alleine bleiben sollte. Denn, so lange ich alleine war, konnte mich niemand mehr verletzen. Wie sagte Sherlock noch so treffend: »Alone protects me.« ... Und dann wollten meine Kollegen und Bekannten, dass ich endlich sesshaft wurde? Ernsthaft? Was denn, heiraten? Und Kinder kriegen? Sich mit noch mehr Sorgen überladen? Ich hatte genügend Stress mit meiner eigenen Psyche. Sollten diese taktlosen, gefühlslosen, verfluchten Männer doch jemand anderes auf den Sack gehen! Schließlich gab es genügend dumme Pussies, die ihnen auf Schritt und Tritt nach putzten und die Beine breitmachten, sobald sie riefen. Nein, mit mir nicht, Freunde! Mit mir nicht. Nie mehr! Ich packte meinen Trolley aus und startete meine Canon EOS 5D Mark III. Fotos. Eine Fotosession würde mich auf andere Gedanken bringen. Das hatte bisher immer geholfen. Kapitel 3 - Theo In der deutschen Botschaft in Dubai. Gelaber. Immer dieses gottverdammte, diplomatische, schleimige Gelaber! Das linke Bein auf seinem rechten Oberschenkel gelagert, fuhr sich Theo durchs kastanienbraune Haar, welches durch zu wenig Gel und zu viel Luftfeuchtigkeit sich allmählich anfing, zu locken. Wie er das hasst! Und diese gottverdammte Hitze - welche er im klimatisierten Büro des deutschen Botschafters zum Glück für eine kurze Zeit entfliehen durfte. Unauffällig lockerte er seine Krawatte. Wie gerne hätte er jetzt wieder sein schwarzes Leinenhemd angehabt. Seine Gedanken schweiften zurück zu dem kleinen Spießrutenlauf quer durch die pulsierende Stadt Dubais. Dreimal das Taxi gewechselt (zweimal hatte sich der idiotische Fahrer auch noch verfahren!) und drei verschiedene Einkaufszentren aufgesucht, um durch Hinterausgänge in stark frequentierte Gassen unterzutauchen, ehe er letztendlich verschwitzt und erschöpft in der Botschaft eingetroffen war. Eine einzige Tortur war das gewesen! Eine einzige Tortur - und die ganzen Mühen bloß wegen ein paar verfickter Terroristen ... und eines bescheuerten Berichts. »Ja, das war ein grandioses Manöver!« Der Schlipsträger mit der dunklen Hornbrille und den Schweinsaugen laberte mit seinem Boss im BKA in Berlin nun seit einer halben Stunde. Erst ging es um das typisch diplomatische Geplapper, dann um gewisse Kleinigkeiten, welche man in Zukunft größerer Beachtung schenken musste - wollte sich Theo mit der Justiz nicht ernsthafte Probleme einhandeln - und schließlich erklangen die Lobeshymnen. Theo vermutete, dass sein Boss dem Diplomaten auf seine typisch sarkastischintellektuelle Weise näher gebracht hatte, was es bedeutete, in der Abteilung für Terrorismusbekämpfung zu arbeiten, und wie schwer es war, die Regeln einzuhalten sich dem Gesetz und dem Protokoll zu beugen. »Ja, absolut«, schleimte der Botschafter. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich und die arabische Regierung sind. Herr Böhm hat ausgezeichnete Arbeit geleistet.« Natürlich hatte er ausgezeichnete Arbeit geleistet! Er machte seinen Job schließlich immer gut! Er war besser, als die restlichen Luschen seiner Abteilung. Theo lehnte sich zurück, sich in der spiegelnden drei Meter hohen wie breiten mit bunten Mosaiksteinchen verzierten Wandverglasung betrachtend. Obzwar er den Anzug nicht ausstand, musste er sich eingestehen, dass er doch verdammt gut darin aussah. Und das Wichtigste: Die Frauen standen darauf. »Ich bin Ihnen natürlich ebenfalls zum Dank verpflichtet«, sprach der Lackaffe mit übertrieben freundlicher Stimme in den schwarzen Hörer. Wie lange hatte er wohl geübt, um dermaßen speichelleckermäßig zu klingen? Theo vermutete, dass es da wahrscheinlich einen Kurs gab, den ein jeder politische Sack erfolgreich ablegen musste, ehe sie irgendein Amt antreten durften - klangen diese Typen doch allesamt gleich. Selbst Mimik und Gestik schienen ident. Angewidert schweifte sein Blick zurück zu seinem Spiegelbild. Verdammt, diese verfluchten Locken! Seitdem er denken konnte, verabscheute er sie. Im Laufe der Jahre hatten sie sich zum Glück ein wenig verändert. Sah er anfangs noch wie David Hasselhoff aus - und das war wahrhaftig eine einzige Qual gewesen! - zeigte sein Haupthaar nun bloß noch leichte Wellen mit vereinzelten großzügigen Locken - nicht diese Korkenzieherlocken, die ihn an griechische Gottheiten erinnerten. Er bekam das Grausen. Seine Mutter hatte seine Locken heiß geliebt, dementsprechend selten war sein Haar geschnitten worden und das wiederum hatte Theo zum Gespött der gesamten Schule gemacht. »Na Rapunzel, hey Tarzan, seht mal, da kommt Schmachtlocke.« Verfluchte Rotznasen! Wenigstens seine Mutter hatte ihm einen netteren Kosenamen verpasst: mein kleiner Engel. Er musste Lächeln. Wenn sie wüsste, wie viele Frauen dieser kleine Engel bereits flachgelegt hatte, und in den nächsten Tagen noch würde ... Dubai. Heiße Nächte. Geile Bräute. Exklusive Hotels. Wenn er schon hier war, dann konnte er sich zumindest ein paar hübsche dunkle Frauen aufreißen. Aber andererseits verbot der muslimische Glaube ja alles, was Spaß macht. Das hatte er bei seinem allerersten Einsatz vor zwei Wochen bereits auf amüsante Weise erfahren müssen. Eine wunderschöne junge Frau mit anständigen Kurven, dunklen Augen und vollen Lippen hatte ihn für den Bruchteil einer Sekunde angeblickt - und er selbstverständlich packte die Gelegenheit beim Schopf und sprach sie an. Und damit ging’s los: Erstens verstand sie kein Englisch, auch kein Französisch und noch weniger Deutsch oder Italienisch, und zweitens wurde er von einem ziemlich behaarten und fetten Typen angelabert, der, wie sich später herausstellte, der zukünftige Ehemann des heißen Fegers werden sollte. Das würde er wohl nie verstehen. Weshalb wurden die hübschesten Frauen immer mit den hässlichsten Typen verheiratet? Wie auch immer. Fetti war von seinem Flirtversuch logischerweise alles andere, als begeistert. Aufgrund dessen - und vermutlich noch bezüglich irgendwelcher Ehrenkodexe oder eines Ramadanblödsinns - wollte dieser ihm seine Grenzen aufzeigen, indem er und seine drei Cousins oder Brüder - so genau wusste er das nicht, doch ähnelten diese sich wie ein Ei dem anderen - fluchend und mit erhobenen Fäusten auf ihn losgingen. Nun, Theo reagierte selbstredend diplomatisch: Er nahm die Beine in die Hand. Obwohl er einem guten Kampf üblicherweise ebenso wenig zu widerstehen vermochte wie einer hübschen Frau, war Rückzug hier die einzig vernünftige Entscheidung gewesen, hätte ihm eine Schlägerei bloß strafrechtliche und dienstliche Konsequenzen eingehandelt. Er hätte auf seinen Kollegen hören sollen. Lautlos atmete er aus. Und dennoch, diese dunkelhaarige Schönheit hätte er gerne vernascht. Die Sprachbarriere wäre sogar zu etwas gut gewesen! Damit hätte er sich eine Menge hohles und kitschig romantisches Gelaber erspart, genauso wie Vorwürfe, Kritik und/oder uninteressantes Allgemeinwissen ihrerseits. Bloß eine heiße Nacht und kein Wiedersehen - keine Pflichten, keine Dramen, keine Sorgen. Besser ging’s doch gar nicht! »Natürlich. Ich werde es dem Scheich weiterleiten.« Um was ging es jetzt wohl wieder? Bestechungsgelder für billigeres Öl? Theos Augen wanderten zu der gewaltigen bauchigen dunkelroten Vase, welche sich selbstbewusst in der linken Ecke des bestimmt fünfzig Quadratmeter großen Büros präsentierte. Ein teures Kunstobjekt irgendeines durchgeknallten Künstlers? Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit. Er blickte etwas genauer hin. Irgendwie erinnerte sie ihn an den roten Topf, bepflanzt mit der Amaryllis, welchen er seiner Ex-Frau zu ihrem ersten Jahrestag geschenkt hatte. Mann, das war ein Gezeter gewesen! Hatte sie sich scheinbar so etwas wie einen Diamantring gewünscht, oder irgendeine andere teure Aufmerksamkeit. Gut, sein Gehalt war nicht der Schlechteste, jedoch bedeutete das nicht automatisch, zu den Top-Ten-Verdienern Deutschlands zu zählen. Weshalb wollten Weiber bloß das Teuerste vom Teuersten? Konnten die nicht einmal mit einer Kleinigkeit zufrieden sein? Darüber hinaus hatte er ihr immer wieder Geschenke mitgebracht: Blumen, Schokolade, Kinotickets ... und das ganz ohne einen speziellen Anlass. Also, was wollte sie denn noch? Er fuhr sich durchs Haar. ... Ein Kind, schoss es ihm in den Kopf. Ja, immer hatte sie sich ein Kind gewünscht. Nur konnte er es sich so gar nicht vorstellen, ein liebender Vater zu werden. Zumal ihn sein Beruf ständig zum Reisen verpflichtete. Er schloss die Augen. Dieses gottverdammte Kindthema war eine einzige Qual gewesen! Jedes Mal, wenn er nach einem anstrengenden Auftrag nach Hause kam, lag sie ihm mit diesem Blödsinn in den Ohren. Ein Beispiel gefällig? »Ich will ein Kind. Mach mir ein Kind. Ich will nicht länger alleine zu Hause rumhocken, während du durch die Weltgeschichte reist. Ich brauchte eine Aufgabe. Eine Frau braucht ein Kind!« Monatelang ging es auf diese Tour durch. So lange, bis er ihr Folgendes vorschlug: »Besorge dir doch einen Hund. Dann musst du Gassi gehen, mit ihm spielen und ihn füttern. Das ist dann so wie mit einem Kind.« Zu seinem Pech war sie über diese Aussage nicht so erbaut gewesen, wie er sich das erhofft hatte. Nun gut, er musste zugeben, es hatte schon ein wenig hart geklungen ... Aber ... stimmte es doch! Weshalb ein Kind? So viel Verantwortung! Nachwuchs machte man sich doch nicht, weil einem langweilig war! Schließlich klebt dir ein Kind bis zu deinem Lebensende am Arsch! Wieso begreifen diese dummen Puten das einfach nicht? Nun ... letzten Endes brachte sie ihren Willen durch, indem sie einfach - und ohne sein Wissen - die Pille abgesetzt hatte. »Ich bin schwanger«, hatte sie in den Hörer geflötet. Diese Erinnerung entfesselte ihm selbst jetzt einen eisigen Schauer. Und kein halbes Jahr später waren sie getrennte Leute. Er überlegte. Wie alt war sein Sohn jetzt? Vier? Fünf? Er wusste es nicht - und interessierte es ihn auch nicht. Schließlich wollte Mara keinen Kontakt mit ihm, genauso wenig wie Unterhalt. Ihm war es nur recht. Er verabscheute Verpflichtungen. Und alle zwei Wochen einen Hosenscheißer besuchen und die heile Familienwelt vorspielen konnte er sich ohnehin nicht vorstellen. Er wollte frei sein, und das war er nun. Seit über drei Jahren. Jeder Tag ein einziger Genuss. Wenn er da an seine Ehe zurückdachte, fragte er sich immer öfter, weshalb er sich auf diesen Blödsinn überhaupt eingelassen hatte. Weil alle seine Kollegen verheiratet waren? Weil sie seine Hemden gebügelt hatte? Weil der Sex geil war? Nein. Weil er ein einziger Idiot war! Weil er aufgrund einer bescheuerten Mini-MidlifeCrisis - ausgelöst durch seinen dreißigsten Geburtstag - die nackte Panik bekommen hatte. Damals dachte er ernsthaft, sein Leben wäre vorbei - mit den Frauen wäre es vorbei. Wenn er bloß gewusst hätte, dass seine besten Jahre erst vor ihm lagen! Er hätte sich niemals auf eine Ehe eingelassen. Klar, sie hatten eine schöne Zeit gehabt. Mara war hübsch, experimentierfreudig im Bett - wenn sie denn einmal Lust hatte, wohl angemerkt - und kümmerte sich vorbildlich um den Haushalt. Doch sonst lebten sie in zwei verschiedenen Welten. Sie träumte von einem Ehemann, der jedes Wochenende zu Hause verbrachte und mit Kind und Kegel in den Park fuhr, um Picknicks abzuhalten. Er dagegen wollte eine Frau, auf die er sich verlassen konnte. Eine Frau, die hinter ihm stand und an der auch er sich einmal lehnen durfte, wenn es ihm schlecht ging. Ein Kumpel, mit dem man die Höhen und Tiefen des Lebens bestritt. Gut, dass seine Ex-Frau bloß das Hausmütterchen spielen wollte, wäre ja noch irgendwo verkraftbar gewesen, wogen die Vorteile, die sich dadurch ergaben, doch ganz schön hoch: ein warmes Essen auf dem Tisch, frisch gewaschene Wäsche und eine saubere Wohnung. Anders wurde es allerdings, wenn sie ihm mit dem ewig gleichen Gelaber in den Ohren lag: »Du hast keine Zeit, du bist nie da, du willst nur Sex, du hörst nicht zu, du willst keine Kinder, du, du, du ...« Und was hasst er mehr, als Vorwürfe? Genau! Klagende, frustrierte, fremdgehende Weiber. Betrogen. Nach drei Jahren Ehe betrogen. Das war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. War das Kind bereits ein Schock ... aber ihn zu allem Überfluss noch betrügen - ja, das schmerzte. Gewaltig. Zugegeben, sie hatten keine Bilderbuchehe geführt, aber ihn deshalb betrügen? Wenn sie es leid war, sich mit ihm herumzuplagen, weshalb hatte sie nicht einfach die Scheidung eingereicht? ... Aber das I-Tüpfelchen folgte erst noch: ein Versicherungsvertreter! Ein gottverdammter Versicherungsvertreter seiner Hausbank hatte sie gefickt! Bloß der Gedanke daran entfachte in ihm eine leichte Übelkeit. Erst regte sie sich auf, dass er zu viel Sex wollte - und dann ging sie ihm fremd! Verstehe einer die Weiber! Seufzend lehnte er sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Es stimmte zwar, dass er in seiner Sturm- und Drangphase nichts hatte anbrennen lassen - wahrhaftig gar nichts. Aber eines hatte er und würde er niemals tun: Seine Partnerin betrügen. War er in einer Beziehung, gab es keine anderen Frauen. Punkt. Das hat schlichtweg etwas mit Respekt und Anstand zu tun. Wenn es ihm bloß um Sex geht, dann lässt er sich doch erst gar nicht auf eine Beziehung ein. Dann lebt er so wie jetzt: frei und ungebunden. »Ich werde Ihnen die restlichen Bescheide per Mail zukommen lassen«, riss der Botschafter ihn aus seinen Gedanken. Nun, wie auch immer. Was geschehen war, war geschehen. Jetzt genoss er sein Leben. Ja! Und wie! Jeden Tag eine andere Frau. ... Bloß in Dubai musste er ernsthaft aufpassen, waren ihm die Gepflogenheiten dieses Landes doch relativ unbekannt. Sein Kollege John hatte ihm, vor der Kulisse nackt tanzender Weiber und zwischen einigen wohlschmeckenden Whiskeys, zwar einen kurzen Überblick verschafft. Bedauerlicherweise war ihm von diesem Briefing nicht mehr in Erinnerungen geblieben, als ein paar arabische Beleidigungen und das sexy Dekolleté einer rassigen Brasilianerin. Wer konnte auch ahnen, dass er noch ein zweites Mal hierher kommen würde? Zählten zu seinen Aufgabengebieten üblicherweise nur die USA und Europa. »Ja, ich werde es ihm ausrichten.« Theo blickte zum Botschafter, der noch ein paar Mal nickte, ehe er endlich den Hörer auflegte. »Sie haben hervorragende Arbeit geleistet«, wiederholte dieser mit zuckersüßer Stimme. »Und ich bedaure die Unterbrechung Ihres Urlaubs zutiefst.« ›Du kannst mich mal am Arsch lecken‹, ging es ihm durch den Kopf, während er dem Heini ein unverbindliches antrainiertes Lächeln zuwarf. »Ist schon in Ordnung. So ist das nun mal, wenn man für Interpol arbeitet, nicht wahr?« ›Ich hätte ein ganz gewöhnlicher Polizist bleiben sollen. Keine verkackten Aufträge am anderen Ende der Welt, keine Urlaubsunterbrechungen, keine Idioten, die einem den Kopf wegschießen wollen. Vielleicht wäre mir dann sogar diese blöde Ehe erspart geblieben.‹ »Wir haben eine kleine Entschädigung für Sie.« Nun wurde er hellhörig. Er setzte sich auf. »Tatsächlich? Ich habe noch nie eine Entschädigung erhalten … wenn ich ehrlich bin.« Weshalb hatte er das jetzt nur gesagt? Da wirkte er ja wie ein kleines Kind, das um Aufmerksamkeit und Mitleid bettelte! Scheinbar benötigte er einen längeren Urlaub, als vier Tage in einem Wiener Hotel und anschließendem Flug nach Dubai, nur um dort einen verdammten Bericht abzuliefern, welchen sein Boss - und Gott sei ihm gnädig, wenn er wieder in Berlin war - dem Botschafter per E-Mail ganz locker flockig hätte zukommen lassen. Aber nein. Da Theo den terroristischen Anschlag durch stundenlange Recherche und ebenso lange Verhöre aus diesem Abschaum von IS-Drecksfotzen herausgekitzelt und letzten Endes den Einsatz in Dubais Flughafengebäude angeführt hatte, musste er persönlich auftauchen und Bericht ablegen, und zu allem Überfluss noch diesen schweißtreibenden langen Aufklärungsgang absolvieren, da ihm möglicherweise Terroristen an den Fersen hefteten. »Dann wird es höchste Zeit,« entgegnete der Botschafter und griff nach einem Kuvert, um es ihm über den wuchtigen Mahagonitisch zu reichen. »Machen Sie sich ein paar schöne Tage.« Theo runzelte die Stirn. Vielleicht hatte diese ganze Sache ja doch einmal etwas Gutes. Er griff danach und öffnete es: ein Ticket und Bargeld. »Mit Ihrem Einsatz und Engagement haben Sie dutzende, ja wenn nicht hunderte Menschenleben gerettet und darüber hinaus einen weltweiten Skandal verhindert. Terrorwarnungen in Dubai hätten dem Scheich nämlich nicht sonderlich gut gefallen.« Ungläubig schüttelte Theo den Kopf. »Ich habe bloß meinen Job getan. Das ist wirklich nicht nötig.« Durfte er das Geschenk überhaupt annehmen? Womöglich wollte er ihn ja bestechen? Womöglich wollten die Abteilung ihm etwas anhängen? ... Nein. Er war ja nicht in einem Agentenfilm der Neunzigerjahre. »Vielen Dank.« Er warf dem Botschafter ein ehrliches freundliches Lächeln zu. »Damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet.« Der alte Mann erwiderte das Lächeln. »Nichts zu danken. Und ich hoffe, wir sehen uns nicht mehr.« Es folgte eine Pause. »Sie wissen, wie ich das meine, oder?« Theo grinste. »Absolut. Keine Sorge.« Damit erhob er sich, der Botschafter es ihm gleichmachend. Sie schüttelten sich die Hände, dann machte sich Theo auf den Weg. Urlaub. Weiber, Strand, Meer und Sauferei! Yes! Kapitel 4 - Eine zweite Begegnung Das Meer. Unendliche Weiten. Und mittendrin eine kleine unscheinbare Insel mit neunzehn Hotelzimmern, einem Restaurant und derart viel Ruhe, dass es mir schon wieder unheimlich wurde. Ich saß auf der kleinen Terrasse und beobachtete die funkelnden Sterne. Ein zarter, meine Seele liebkosender Duft von Holz und Meerwasser lag in der Luft. Seufzend strich ich mir mein Haar aus dem Gesicht und ließ die letzten Stunden nochmals Revue passieren: Erst hatte ich mir die Rochenfütterung angesehen. Dadurch war es mir möglich gewesen, ein paar wunderschöne Aufnahmen dieser anmutigen Tiere zu machen. Nach dem Abendessen machte ich noch ein paar Fotos der untergehenden, von cremefarbenen Schleierwolken eingehüllten Sonne. Als sich schließlich die Nacht über die Insel legte, war ein Lagerfeuer entzündet worden, dessen hektisch in den schwarzen Himmel züngelnden Flammen mich unweigerlich an meine Kindheit erinnert hatten. An mein erstes Osterfeuer. Ich war damals keine fünf Jahre alt gewesen. Und dennoch schienen die Bilder so klar, als hätte ich es eben erst erlebt. ... Vaters warme Hand die meine hielt. Eine Hand, die Sicherheit, Schutz und Liebe bedeutete ... Doch ebenso Einsamkeit, Verlust und Strenge. ... Es war schon seltsam, wie unwichtige Kleinigkeiten dich an längst vergangene Erlebnisse erinnerten. Ob ein Feuer, ein Auto, ein Kleidungsstück, ein Duft oder ein Song. Ich erhob mich. Es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Schließlich wollte ich morgen früh aufstehen, um Fotos vom leeren Strand zu machen. Erschöpft, doch mit leichtem Herzen legte ich mich ins weiche Himmelbett, den Blick hinaus auf das Meer gerichtet. In dem Moment fühlte ich mich behüteter, als in den Armen meines vermaledeiten Ex in unserer ersten Nacht. Das musste ein gutes Omen sein. So gut gefühlt hatte ich mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Ehe ich einschlief, ging mir nur noch ein Gedanke durch den Kopf: Ich will für immer hierbleiben. Sonnenstrahlen weckten mich, kitzelten in meiner Nase, dass ich erst einmal laut Niesen musste. Noch etwas benommen, drehte ich mich zum Nachtkästchen und warf einen verschwommenen Blick auf mein Handy: 10:00 Uhr. Damit fing mein Verstand wieder an, zu arbeiten. Fuck. Ich wollte doch den Sonnenaufgang fotografieren! ... Nun, dann eben morgen. Mit bleiernen Schritten stolperte ich ins Bad, entleerte meine Blase und richtete mich fürs Frühstück her. Dazu stellte ich mich erst einmal unter die Dusche, putzte darauf meine Zähne und zog mir eine lange weiße Leinenhose und ein gleichfarbiges kurzärmeliges Hemd über. Meine Haare band ich locker zusammen. Ich griff nach meinem Zimmerschlüssel und rauschte Richtung Restaurant. Da es auf der Insel bloß neunzehn Hotelzimmer und zehn Wasserbungalows gab, traf man dementsprechend wenig Urlauber an. Und das wiederum bot den größten Genuss überhaupt! Keine Kinder, nur ein paar verliebte Pärchen, die ich so gut wie möglich ignorierte, und ein paar Pensionisten. »Good morning!«, riss mich der Berufsfotograf aus meinen Gedanken. Ach ja, der Fotograf. Den gab es ja auch noch. Mit ihm hatte ich gestern einen kurzen Plausch geführt. Er war vierzig, lebte in London und arbeitete für ein Reisemagazin, welches sich auf Inselparadiese spezialisiert hatte. Michael, so sein Name, hatte ebenfalls für fünf Tage gebucht. Der einzige Unterschied: Er musste nichts bezahlen. Ich hatte mein komplettes Erspartes hingeblättert. So war das Leben. »Did you sleep well?« Ich schenkte ihm ein Lächeln. »I couldn’t remember a night I have slept that peacefully before.« Bereits gestern hatte er mir einige unterschwellige Avancen gemacht. Beim Rochenfüttern zum Beispiel war er ganz nahe zu mir getreten, um mir behilflich zu sein, meine Kamera richtig einzustellen. Er lächelte immer eine Idee zu viel, des Weiteren suchte er ständigen Blickkontakt. Ich musste zugeben, ich fühlte mich geschmeichelt. Schließlich sah er ganz passabel aus: grünblaue Augen, eine normale Figur - mit einem angedeuteten Wohlstandsbäuchlein - und diese umwerfende einladende Art gepaart mit seinem strahlenden Lächeln. Dennoch. Ich war nicht aus auf einen One-Night-Stand oder eine Fernbeziehung. Darüber hinaus zeugte ein weißer Rand auf seinem Ringfinger von einem Ring, welchen er mit ziemlicher Sicherheit in seinem Koffer versteckte. Und darauf hatte ich schon mal überhaupt keinen Bock. Niemals würde ich mit einem Mann ins Bett springen, dessen liebende Ehefrau zu Hause auf ihn wartete. Jedoch ein wenig Flirten - das ging immer. Außerdem lenkte es ab. Sonst wäre es mir ohnehin langweilig geworden. »May I ask you if you want to sit with me?« »Yes, that’s nice. Thank you.« Ich setzte mich zu ihm - und er warf mir ein breites Lächeln zu. »You are looking incredible today.« Typischer englischer Charmeur. »Thank you.« »What do you want to drink?«, unterbrach uns ein Kellner. Ich bestellte einen Kakao, Michael einen Tee. Wie britisch. »I will go snorkeling today. Do you want to come with me?« Ich verneinte. »I am not into diving or snorkeling. I just want to relax or swim - at least today.« Er wirkte betrübt. »Aww, that’s really bad. I really hoped we could spend more time together.« »Maybe tomorrow?« Michael nickte. »Alright. Tomorrow.« Mahnend erhob er den Zeigefinger. »But don’t dare to turn me down again.« Ich schmunzelte. »I promise.« Der Kleine würde mir wohl länger erhalten bleiben, als gedacht. Nach dem Frühstück warf ich mich auf eine weiße Liege, vergrub die Füße im schneeweißen Sand und schloss die Augen. Erst gestern hatte ich schlechte Laune gehabt, aufgrund meines vermaledeiten Ex. Und heute fühlte ich mich, als läge diese Sache bereits dreißig Jahre hinter mir. Scheinbar hatte ich den Urlaub tatsächlich mehr als nur gebraucht. Das Geräusch eines Wasserflugzeugs riss mich aus meinen Gedanken. Da wurden wohl neue Urlauber angeliefert. Hoffentlich nicht noch mehr Frischverheiratete. Das ewige Geschmuse und Geturtle ging mir nämlich ganz schön auf den Sack. Klar, ich freute mich für diese Leute. Es ist doch schließlich immer schön, wenn es den Menschen gut geht. Andererseits störte es mich - und es tat weh. Möglicherweise lag dies an dem Umstand, selbst niemals glücklich verliebt gewesen zu sein - und sich durchwegs alleine durch das Leben plagen zu müssen. Nein. Es war besser so. Das Alleinsein schützte mich vor weiteren Enttäuschungen. Seufzend schweifte mein Blick Richtung Wasserflugzeug. So viel ich in der grellen Sonne erkannte, stiegen zwei Pärchen aus. Ich kniff die Augen zusammen. Und ein einzelner Mann. Noch ein Fotograf vielleicht? Oder einmal jemand, der seine Scheidung feierte? Ich musste über meinen eigenen bescheuerten Gedanken schmunzeln. Wenn es solche Feiern überhaupt gab, dann wäre er wohl eher nach Spanien geflogen. Ballermann hätte da bestimmt besser gepasst. Ich ließ es dabei bewenden und schloss die Augen - plante noch ein wenig die nächsten Tage durch: Heute würde ich bloß relaxen. Das bedeutete konkret: Massagen und kleine Nickerchen, morgen ein wenig schwimmen und ein paar Fotos, und übermorgen gab es das Highlight: Einige Stunden auf einer einsamen Insel verbringen. Für gewöhnlich nahmen dieses unter Anführungszeichen Abenteuer bloß Frischverliebte in Anspruch. Was gab es auch Schöneres, als mit dem Menschen, den man unendlich liebte auf einer winzigen Insel alleine Zeit zu verbringen? Keine anderen Urlauber, kein Hotelpersonal ... bedingungslose Privatsphäre. Sex auf dem weißen Sandstrand? Mir wurde es etwas warm. Das hätte sogar mir gefallen. Nun. In meinem Fall ging es aber nicht um Sex, sondern bloß um Fotos der verschiedenen Muster des Sandes - entstanden durch Ebbe und Flut. Hier, auf Naladhu wäre es mir natürlich ebenso möglich gewesen, jedoch störten mich Urlauber, welche den Sand mit ihren Füßen aufwirbelten oder mir immer wieder vor die Linse traten. Auf einer verlassenen, kleinen Insel irgendwo weit entfernt konnte ich stundenlang auf einem Platz hocken und die Wellen beobachten - und wie diese die schönen Linien in den Sand malten. Einen ruhigeren Fotoausflug konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Keine Leute, keine Pärchen, kein Geplapper - bloß ich und meine Kamera. Mit aufkommender Vorfreude fiel ich in einen tiefen Schlaf. Und erwachte friedlich und ausgeruht. Und zum Glück nicht verbrannt, dem Schatten nach zu urteilen, der gefährlich weit weggewandert war. Wie lange hatte ich wohl geschlafen? Schätzungsweise an die drei oder vier Stunden. Ich stand auf, ergriff mein Handtuch und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Bungalow. Wenn ich richtig vermutete, müsste das Mittagessen bereits voll im Gange sein. Lächelnd ließ ich meinen Blick über die sattgrüne Vegetation schweifen. Zu Hause war ich normalerweise die Pünktlichkeit in Person. Aber hier? Da schaffte ich es nicht einmal, rechtzeitig zum Essen zu erscheinen, geschweige denn den Sonnenaufgang zu fotografieren. »Na, den Arsch kenne ich doch von irgendwo her«, zog mich eine tiefe Stimme aus meinen Überlegungen. Es dauerte noch ein paar wenige Sekunden, bis ich verstand, was der Typ damit gemeint hatte und von woher die Stimme überhaupt kam: nämlich von rechts hinten. Ich drehte mich umUnd blickte einem mir bekannt vorkommenden, breit grinsenden Macker mit Sonnenbrille ins Gesicht. Der Typ vom Flughafen? Konnte das denn die Möglichkeit sein? »So einen Arsch vergesse ich nicht«, posaunte er weiter. »Der Gockel?«, entgegnete ich, die Augenbrauen zusammenziehend. »Nein. Das glaube ich ja nicht!« Für den Bruchteil einer Sekunde ließ ich meinen Blick über seine unverschämt gut aussehende Gestalt huschen: Ein überwältigendes Sixpack - oder genauer gesagt Eightpack - durchtrainierte wohlgeformte lange Beine, ein Bizeps, bei dem selbst Jean Claude van Damme vor Neid erblassen würde ... Weshalb sahen Machos bloß immer dermaßen gut aus? Dann fiel mir etwas Weiteres auf: Dieses Mal schien er kein Haargel verwendet zu haben. Glücklicherweise! Stand ihm das leicht lockige Haar doch um Welten besser. »Der Gockel?«, kam es beleidigt aus seinem Mund. »Ich bin kein Gockel!« Darauffolgend nahm er die Sonnenbrille abUnd mir jagten gefühlte tausend heißkalte Schauer über den Leib. ... Diese Augen. Solch wunderschöne Augen. Sie waren braun - aber nicht ein einfaches langweiliges Braun. Nein. Hellbraun, ja beinahe Gold schimmerten sie im Licht der Sonne. Und dann erst ihr Ausdruck, in welchem sich unbeschreiblich viele Charakterzüge widerspiegelten. Darunter Kraft, Selbstbewusstsein, Mut, Beharrlichkeit, Spontanität, Verwegenheit, CourageEin zweiter Schauer, ausgelöst durch die Entdeckung weiterer, ungleich berührenderer Seiten, unter anderem Aufrichtigkeit, Sanftheit, Loyalität, Ergebenheit, raubte mir schier den Atem. Meine Fresse! Sah ich richtig, oder bildete ich mir das jetzt bloß ein? Wer war der Typ? Und weshalb versteckte er solch wunderschöne Augen hinter einer billigen Sonnenbrille? Aber die wichtigste Frage: Was tat er hier? Die Brille lässig in der rechten Hand haltend, musterte er mich intensiv. »Ich zähle mich zur Riege der letzten richtigen Männer«, erklärte er mit stolzer Stimme. »Nicht diese metrosexuellen Schwuchteln, die länger im Bad brauchen, als ihre Tussenfreundinnen.« ›So sollte ein Mann auch sein‹, schoss es mir durch den Kopf, ohne das ich irgendetwas dagegen unternehmen konnte. Verdammt! Nicht noch einmal! Ein bescheuerter Ex-Freund reichte völlig. Einen zweiten Angeber brauchte ich wahrhaftig nicht in meinem Lebenslauf unter ›Beziehungen, die mir meine Seele abtöteten‹ auflisten. »Auf gut Deutsch: Sie sind ein Macho«, gab ich mit gespielt unbeeindruckter Stimme zurück. Irgendetwas blitzte in seinen Augen auf. »Ihr Frauen steht doch drauf.« Er machte einen Schritt auf mich zu. »Auf selbstbewusste Männer, die zeigen, wo es langgeht.« Ein weiterer Schritt. »Wilder, hemmungsloser Sex, bei dem der Mann die Zügel in die Hand nimmt.« Schluckend reckte ich mein Kinn. »Ich stehe nicht auf ›Fifty Shades of Grey‹.« Er zeigte mir ein verschmitztes Grinsen. »Aber scheinbar auf einen echten Kerl.« Obgleich ich solche aufgeblasenen, selbstverliebten Macker zum Tode nicht aushielt, hatte er etwas an sich, das mich erreichte. Irgendetwas, das in mich drang. Eines jedoch war klar: Weder war es sein bescheuertes Gelaber, sein Aussehen, die Selbstsicherheit noch seine Stimme. Und schlagartig fiel es mir auf: Es lag an seiner Wirkung. Zwar verhielt er sich wie ein Macho, doch strahlte er das genaue Gegenteil aus: Loyalität, Achtung und Respekt. So, wie seine Augen vorhin. »Schon möglich.« Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Aber bestimmt nicht auf Sie!« »Ganz sicher?« Ein weiterer Schritt folgte, woraufhin ich zurückwich. »Lieber einen George-Clooney-Waschlappen, als einen draufgängerischen Macker«, gab ich bissig zurück. Ich durfte erst gar nicht anfangen, Sympathie für diesen Sack zu entwickeln passierte dies nämlich viel schneller, als ich es wollte. So geschehen bei meinem Ex und anderen männlichen Egoisten, die mich dann wie eine heiße Kartoffel hatten fallenlassen, ehe überhaupt etwas passiert war. Er verzog sein Gesicht. »Oh Mann! Ihr Weiber steht wohl alle auf die gleichen Langweiler.« »Bloß besser für uns. Dann fallen wir wenigstens nicht auf aufgeblasene Machotypen herein.« Sein Blick wurde giftig. »Ist schon witzig. Auf der einen Seite wollt ihr einen Macho, auf der anderen einen Softi, der mit euch »In den Schuhen meiner Schwester« ansieht und dabei Heulkrämpfe bekommt. So jemanden gibt es in Wirklichkeit aber nicht. Also entscheidet euch besser einmal.« Oh mein Gott! Mir wurde es schlecht. Psychologische Weiberfilme und Drecksschnulzen, die im Cineplexx unter die Rubrik »Ladys Night« fielen, stellen für mich die größte Qual des Jahrhunderts dar von Hämorrhoiden und Blasenentzündungen einmal abgesehen. Ich zeigte ihm einen Vogel. »Wer zieht sich schon diese bescheuerten Schinken rein? Das ist ja Folter!« Er gestikulierte zu mir. »Na du, wahrscheinlich.« Ja, ging’s denn noch!? »Erstens wissen Sie nichts über mich und zweitens sind wir noch lange nicht per Du!« Alsbald ich diese Worte gesprochen, machte ich auf dem Absatz kehrt und steuerte meinen Bungalow an. Was bildete sich dieser Kerl überhaupt ein?! Mich als solch eine elendige, verweichlichte, heulende, nichtsnutzige Dreckstusse abzustempeln ... am liebsten hätte ich ihm seine gut aussehende Fresse poliert. Mit einer immer weiter anwachsenden Wut im Bauch betrat ich den hellen Holzsteg. Das hatte mir noch gefehlt! Für die restlichen vier Tage mit diesem Volldouche bestraft zu werden! Das durfte einfach nicht wahr sein! Jetzt blieb bloß zu hoffen, dass dieser Arsch die meiste Zeit irgendwelchen sportlichen Aktivitäten frönte. Der Körperbau schloss jedenfalls darauf. Oder womöglich liebte er es, zu tauchen und zu schnorcheln. Was auch immer er tat, Hauptsache er würde nicht den ganzen Tag am Strand neben mir auf der Sonnenliege verbringen! Kapitel 5 - Abendessen Theo konnte es noch immer kaum fassen. Das heiße Fahrgestell vom Wiener Flughafen! Und wie heiß! Verdammt heiß! Einen solchermaßen durchtrainierten Körper sah er selten. Und dann erst der sexy knappgeschnittene Bikini. Konnte das Zufall sein? Oder war sie etwa ein Spion, den man auf ihn angesetzt hatte? Die letzte Aktion hatte ihm schließlich nicht eben Freunde eingebracht. Weder in Dubai noch in anderen Ländern, in welchen sich Terroristen aufhielten. Wie Wien. Dieses stellte gleich nach Deutschland - eine inoffizielle Hochburg dar. Brüssel lag zwar an erster Stelle, wenn es um Terrorangriffe ging, doch bedeutete dies nicht, dass sich Terroristenzellen bloß dort versteckten. Koordiniert wurde nämlich von allen Herren Ländern aus. War sie also ein Spitzel? War sie auf ihn angesetzt worden? Hatte sie ihn bereits von Wien aus verfolgt? Nein. Dann hätte sie nach ihm eintreffen müssen - und nicht früher. Des Weiteren wusste niemand über seinen Urlaub Bescheid. Kurzfristiger hätte seine Auszeit niemals ausfallen können. Er schüttelte den Kopf. Was dachte er da überhaupt? Hier gab es keine Terroristen! Es wurde wirklich Zeit, auf andere Gedanken zu kommen und den Stresspegel abzubauen - die Seele baumeln lassen, schlafen, sich von einer hübschen, vollbusigen Schönheit massieren lassen. Außerdem: solch eine mauerverbeißende Zicke wie sie arbeitete bestimmt nicht als Agent, Spitzel oder Terrorist. Die war höchstens sexuell frustriert oder frisch geschieden. Aber was machte sie dann, in Gottes Willen, hier auf den Malediven? Was machte er überhaupt hier? Er blickte sich um. Bloß verliebte Pärchen oder alte Säcke. Er wollte doch Party und Sex! Scheiße. Und die einzige Möglichkeit eines One-Night-Stands musste selbstverständlich in Form dieser Furie daherkommen! Fuck. Warum musste das Leben bloß immer so grausam sein? Seufzend machte er es sich auf seiner Liege bequem. Mehr vermochte er jetzt ohnehin nicht zu tun. Doch! Beten. Beten, dass sie sich nicht jeden Tag auf dem Strand herumtrieb. Da würde nämlich er liegen. Den ganzen Tag - und als Abwechslung ein wenig Schwimmen und ein paar Eigengewichtsübungen. Hoffentlich liebte sie es, zu tauchen und zu schnorcheln. Es gab ja genügend Möglichkeiten, wie sie ihre Freizeit verbringen konnte. Nur bitte nicht neben ihm am Strand liegen! Bitte Gott! Bis zum Abendessen vertrieb er sich die Zeit mit Schlafen. Dementsprechend gering fiel sein Appetit aus. Gemütlich schlenderte er in das aus Holz gefertigte Restaurant, dessen Innenräume von der untergehenden Sonne erleuchtet wurden. Eben erst hatte er die Begegnung mit der Zicke vergessen, da musste sie natürlich sofort wieder in seinem Blickfeld auftauchen: Mit einem weißen im Wind wehenden Strandkleid, welches ihre ewig langen Beine, die trainierten Oberarme und den langen Schwanenhals perfekt in Szene setzte. Getoppt wurde ihr Erscheinen durch die langen lockigen Haare, welche sich wie ein Wasserfall über ihre Schultern ergossen. Verdammt noch mal! Weshalb musste ausgerechnet sie dermaßen betörend aussehen?! Konnte sie nicht klein, fett und verrunzelt sein? Oder überhaupt auf einer anderen Insel Urlaub machen? Alsbald sie ihm gewahr wurde, schleuderte sie ihm einen tödlichen Blick zu und setzte sich zu einem der letzten freien Tische. Ganz klasse! Dabei hätten sie ein paar unvergessliche Nächte miteinander verbringen können. Bei einem dermaßen trainierten Körper wie der ihre wäre ein One-Night-Stand doch noch so viel schöner ausgefallen, als mit irgendwelchen notgeilen Thekenweibern, die man am nächsten Morgen gar nicht mehr wiedererkannte. Ergo: Bei ihr hätte er das Licht nicht auszuschalten brauchen. Scheiße. Aber andererseits ... Theo fing zum Grübeln an. Vielleicht sollte er es trotzdem versuchen? Womöglich hatte sie einen schlechten Tag? Womöglich konnte noch etwas daraus werden, wenn er seine, zugegebenermaßen derben, jedoch in der Vergangenheit durchgehend erfolgreichen Machosprüche beiseitestellte? Scheinbar stand sie nicht auf Großspurigkeit, womit er auch überhaupt kein Problem hatte. Wenn er sie mit ein paar schleimigen Komplimenten und etwas Charme um den Finger zu wickeln vermochte, würde er es eben auf diese Art versuchen. Was hatte er schon großartig zu verlieren? Schließlich lockte eine geile Nacht. Und mehr, als eine Abfuhr konnte er ja nicht kassieren. Außerdem: Was sollte er sonst tun? Neben seinen Nickerchen und Trainingseinheiten blieb viel Zeit, um sie zu umwerben - oder sie zu verarschen. Er trat zu ihr, die Hände in die Hosentaschen seiner naturfarbenen Strandhose gesteckt. »Ist der Tisch noch frei?« Ihre gesamte Körperhaltung zeigte Abweisung. »Nein. Ich sitze hier, falls Sie das noch nicht gesehen haben.« »Deshalb frage ich ja.« Sie wirkte ungleich angepisster. »Ein ganzer Saal gefüllt mit Tischen und Sie wollen sich genau zu mir setzen? Weshalb? Um mich wieder blöd von der Seite anzumachen?« Das war der Beweis. Sie stand tatsächlich nicht auf billige Sprüche. Diese Erkenntnis reizte ihn ungleich mehr. »Nein. Ich wollte mich zu dir setzen, weil es hier vor Pärchen nur so wimmelt und ich mich schlecht zu diesen setzen kann.« Sie nickte nach links. »Da hinten ist noch ein freier Tisch. Nehmen Sie doch den.« »Ich möchte mich aber mit jemand unterhalten.« »Dann hätten Sie nicht alleine auf Urlaub gehen sollen. Erst recht nicht auf die Malediven.« Theo seufzte. Die war aber ein harter Brocken. Dann eben auf die andere Art: Ohne weiter nachzufragen, ließ er sich auf den Holzstuhl mit der Bastsitzfläche ihr gegenüber nieder. »Hallo?! Geht’s noch?« Jetzt schien sie richtig angefressen. »Was tun Sie da?« »Ich setzte mich zu dir.« »Na, das hätte ich jetzt aber nicht für möglich gehalten«, kam es sarkastisch zurück. »Du hast ja gefragt.« Er konnte sich ein abschließendes Lächeln nicht verkneifen, worauf sie ihm wohl am liebsten einen Stuhl über den Schädel gezogen hätte, so fuchsteufelswild wie ihre Augen anfingen, zu funkeln. Hach, wie er es liebte, Weiber mit solcherlei Aussagen auf die Palme zu bringen! »Sie kommen doch aus Berlin, oder?« Theo riss die Augen auf. »Ja.« Scheinbar hatte ihn sein Dialekt verraten. »Dann verstehen Sie auch Deutsch, nehme ich an?« Okay ... jetzt kam die Retourkutsche, die er ihr jedoch sogleich zurückschickte. »Ja, neben Französisch, Italienisch und Englisch.« Für eine Millisekunde huschte so etwas wie Überraschung über ihre eleganten feinen Gesichtszüge, ehe dieser neuer Wut wich. »Dann noch einmal, damit Sie es kapieren: Ich möchte alleine sitzen. I want to sit here on my own. Ci siamo capiti?« Es wurde ihm heiß. Wow. Dass sie mehrere Fremdsprachen beherrschte, damit hatte er - zugegebenermaßen überhaupt nicht gerechnet. Englisch, okay - aber Italienisch? Womöglich sprach sie sogar Französisch? Eine Gänsehaut, ausgelöst durch reine sexuelle Vorfreude, überrannte seinen Körper. Sich gegenseitig auf Französisch schmutzige Wörter zuraunen, während er es mit ihr trieb - hemmungslos, bedenkenlos, zügellos. Scheiße, ja! Das hatte er sich immer mit seiner Ex gewünscht, sprach sie ja fließend Französisch. Aber nein, die Dame wollte nie. Die verschiedensten Stellungen, ja - ein paar unanständige Wörter in den Raum werfen, nein. Theo blickte ihr tief in die mit ewig langen Wimpern umsäumten Augen, die ihn sekündlich abstoßender musterten. Sie konnte so verbissen schauen, wie sie wollte - er ließ sich nicht mehr verjagen, war sie scheinbar doch keine reine angeberische Tusse mit Sexfrust, sondern eine intelligente Tusse mit Sexfrust! Und wenn die Sache mit dem Sexfrust tatsächlich stimmte, konnte es des Nachts ganz schön heiß her gehen. Wenn sie es schon so dermaßen nötig hatte, müsste sie ziemlich schnell kommen ... und das bedeutete dann weniger Rücksicht, mehr Genuss - geilster Sex überhaupt! »Ma chérie-« »Ich spreche kein Französisch, also ersparen Sie mir das schwülstige Gelaber und gehen Sie einfach.« Scheiße, nein! Damit konnte er die Französisch-Nummer wohl abhaken. Verfluchte Scheiße! ... Aber andererseits ... Drauf geschissen auf französisches Geraune! Schließlich konnten sie es dennoch hemmungslos miteinander machen. Er schüttelte den Kopf. »Nope. Du hast mich jetzt neugierig gemacht.« Er lehnte sich auf die Tischplatte, woraufhin sie zurückwich. Sehr interessante Körperreaktion. War sie etwa schüchtern, und keifte aus diesem Grund so laut? »Weshalb so abweisend? Nur wegen der Aussage am Nachmittag?« Genervt schaute sie Richtung Bar. »Unter anderem.« »Und sonst?« Ihre blaugrauen Augen huschten zu ihm zurück, bloß um ihn abschätzig zu mustern. »Lassen Sie es einfach. Ich bin nicht auf einen One-Night-Stand aus.« Es traf ihn. Gewaltig. Obwohl es dies doch gar nicht sollte! ›Mein Gott, Theo, dann will sie eben keinen Fick. Was trifft dich das denn so?‹ Scheiße noch mal! Hatte er etwa ein leichtes Burn-out? Oder irgendwelche anderen psychischen Probleme? Bisher hatte ihn eine Abfuhr nicht im Geringsten gekratzt! Die bescheuerten Gedanken auf die Seite schiebend, fragte er weiter: »Bist du verheiratet?« Ein vernichtender Blick folgte. Diese Aussage durfte er dann wohl als einen weiteren Griff ins Klo abhaken. »Sehe ich etwa so aus, als würde ich auf diesen altmodischen Kram stehen?«, zischte sie, die Augen verengend. »Außerdem: Hätte ich einen Partner, dann würde ich wohl nicht alleine auf Urlaub gehen, oder?« Sein Zorn - ob ihrer Abweisung, der Kaltschnäuzigkeit und des arroganten Blickes - begann zu wachsen. Na gut! Wenn die freundliche Schiene nicht funktionierte, dann eben auf die altbekannte Harte. »Sexfrust.« Vor Wut fingen ihre Wangen an, zu glühen. »Was?!« »Sex-frust«, wiederholte er absichtlich langsam und eine jede Silbe betonend, damit sie es auch richtig verstand. »Du leidest scheinbar an Sexfrust. Und glaub mir - da hilft nur eines: wilder Sex mit einem Unbekannten.« Ja genau, mit ihm! Darauf antwortete sie gar nicht mehr. Stattdessen wurde ihr Gesicht knallrot. »Wir könnten echt viel Spaß haben.« Ihre Augen wuchsen an. Theo zeigte zu den Wasserbungalows. »Mein Zimmer ist dort hinten. Wenn du Lust hast, können wir uns einen schönen Abend machen. Mit Sex in der Badewanne oder im Pool. Im Bett ist aber genauso in Ordnung. Oder in der Regendusche ... ist mir alles recht.« »Geht’s noch?« Ihre Stimme hatte einen überraschend rauen Klang. Turnte sie sein Vorschlag etwa dermaßen an, oder fühlte sie sich doch nur vor den Kopf gestoßen? Egal, was der Grund dafür war, er musste sie weiter anstacheln. Womöglich hatte er ja doch Chancen. Chancen auf eine relaxende Nacht mit einem, vielleicht sogar zwei Höhepunkten, welche seinen Verstand für eine kurze Zeit außer Gefecht legen würde. »Über uns der Sternenhimmel«, raunte er. »Und du unter mir. Das würde mir echt gefallen.« Ohne ein weiteres Wort zu sagen, erhob sie sich und eilte davon - das dichte Haar hinter ihr herwehend. Fuck. Irgendwie hatte er sich den Ausgang dieses Gespräches anders vorgestellt. Kapitel 6 - Sexfrust und Morgenspaziergang Scheiße, scheiße, scheiße! Mein pochender Unterleib löste heißkalte Schauer aus, welche manchmal langsam manchmal schnell über meinen Rücken jagten. Das konnte einfach nicht wahr sein! Das durfte nicht wahr sein! Nein, nein, nein. Ich riss mir das Kleid vom Leib und stellte mich unter die Dusche - unter eine eiskalte Dusche, um genau zu sein. Jedoch fiel der Schock dermaßen schmerzhaft aus, dass ich das Wasser nach nicht einmal zehn Sekunden auf ›Warm‹ drehte. Wie konnte mich ein wildfremder Mann bloß solcherart erregen? Und das nur durch ein paar blöde Aussagen, die er ohnehin nicht ernst meinte! Vier Jahre. Verfickte vier Jahre hatte ich keinen Sex mehr gehabt, ebenso wenig einen richtigen Flirt oder ein Date. Und dann tauchte da plötzlich dieser sexy Typ mit seiner tiefen Stimme und diesen hypnotisierenden Augen auf und raunte mir schmutzige Sachen zu! Ob dieser gedanklichen Zusammenfassung fingen meine Wangen erneut an, zu prickeln. Die Stirn gegen die kühlen Fliesen gelehnt, schlang ich die Arme um meinen Oberkörper. In drei Teufels Namen! Wieso?! ›Über uns die Sterne - und du unter mir.‹ Diese Worte waren wie ein Blitz in meinen Unterleib gefahren - erregten mich, dass es mir schwindlig wurde. Und damit begann mein Unterleib erneut brutalst zu krampfen. Nein, nein, bitte Gott, nein! Das musste aufhören! Auf die Unterlippe beißend, versuchte ich, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren: das schöne Meer, meine Waffen - die sexy Wilson - mein Auto ... aber keine Minute verging, ehe sein verschmitztes Lächeln und seine strahlenden Augen vor mir aufblitzten. Scheiße! Ich wollte es nicht, wirklich nicht. Letzten Endes konnte ich mich jedoch nicht mehr dagegen wehren, meine Gedanken zu entfesseln: nackt mit ihm im Pool. Leidenschaftliche Küsse, die zu vereinigten Körpern führten. Er in mir, über uns die leuchtenden Sterne, während wir einem gemeinsamen Höhepunkt zusteuerten. Das Krampfen und Ziehen dort zwischen meinen Beinen wurde schlimmer und schlimmer. Und schließlich ertappte ich mich dabei, wie ich laut seufzend meine Finger in meinen nassen Leib schob. Zentimeter für Zentimeter. Dann wieder zurück und vor, zurück und vor. Ich schloss die Augen - stellte mir vor, dass es seine Finger waren, die sich in mir bewegten. Wie würde er mich wohl anblicken, wenn er kurz davor stünde, zu kommen? Welchen Ausdruck würden seine goldenen Augen zeigen? Keuchend presste ich meinen Handballen gegen meine Klit, worauf ein prickelndes Gefühl durch meinen Unterleib Richtung Oberkörper jagte. Wie würde es sich anfühlen, wenn er sich in mich stieße? Wild ... sanft ... seine Arme um mich geschlungen, seinen glühenden Körper gegen den meinen gepresst ... seine tiefe, vor Lust stöhnende Stimme ... rhythmische Bewegungen, die uns den Verstand raubten. Abermals presste ich dagegen - und erschauerte. Lange, intensive Küsse ... Seine Hände in meinen Haaren ... ›Ich will dich. Nur dich. Keine andere.‹ Ein letztes Pressen gegen meine Perle und die Welle brach. Bebend hielt ich die Luft an, presste mich gegen die Fliesenwand, sog dieses intensive Gefühl der Ekstase mit jeder Faser auf, während mein Unterleib wie wild zuckte. Oh Gott. Wieso war es nur so schwer, alleine durchs Leben zu gehen? Weshalb brach meine Sehnsucht immer wieder durch? Außer Atem duschte ich mich zu Ende. Dann trocknete ich mich ab und verkroch mich in mein Bett. Ich fühlte mich erschlagen, depressiv und einsam. Wieso jetzt? Wieso hier? Wieso hatte meine Beziehung nicht funktionieren können? Nie wollte ich mich austoben oder irgendwelchen krankhaften sexuellen Praktiken frönen. Einfach geliebt werden. Das war alles. Keine Spielchen, keine Zwänge, keine Vorwürfe, keine Manipulationen. Bloß lieben und geliebt werden. Den anderen so zu akzeptieren, wie er war. Mit Haut und Haar. War das zu viel verlangt? Alles andere, denn ausgeruht erwachte ich in der einsetzenden Dämmerung. Zumindest war es mir nun möglich, den Sonnenaufgang zu fotografieren - und den zu dieser Zeit hoffentlich noch verlassenen Strand. Während ich mich wusch, änderte ich meine Meinung. Ich fühlte mich einfach zu ausgelaugt, um eine Zwei-Kilo-Kamera und ein Stativ herumzuschleppen. Lieber gefiel mir ein ruhiger Spaziergang. Morgen war schließlich auch noch ein Tag. Ich trat nach draußen, schlenderte den verlassenen Steg entlang, der fünf der zehn Wasserbungalows miteinander verband. Außer leichter Wellen, die gegen die Stegpfeiler klatschten, das leise Summen der Stromerzeuger und hier und da ein lautes Geschrei der scheuen indischen Koel, welches der leichte Wind vom Dickicht aus zu mir trug, war nichts zu vernehmen. Die drei kleinen Holztreppen überbrückte ich mit einem beherzten Sprung in den kühlen vom Zwielicht gräulich schimmernden weichen Sand. Ich atmete die salzige frische Luft ein, fühlte meine Haare, die sanft im warmen Wind wehten und meinen freien Rücken kitzelten. Der feine Stoff meines weißen Kleides umspielte meine Beine, woraufhin es mich nötigte, mich im Kreis zu drehen. Eine Pirouette, zwei, drei. Das Training hatte meinen Gleichgewichtssinn äußerst gutgetan, fühlte ich doch keinerlei Schwindel. Hätte ich dies als Teenager gemacht, wäre ich längst orientierungslos durch die Gegend getaumelt. Mein Blick glitt gen Himmel. Zarte Punkte waren zu erkennen, die aber mit jeder Minute mehr an Strahlkraft verloren. »Du wirkst ja wie eine Fee.« Mir wurde es kalt. Eisig kalt. Und letztlich heiß. Glühend heiß. Nein. Nicht schon wieder! Alles, bloß das nicht! Langsam drehte ich mich um. Nein. Es war keine Einbildung. Wäre auch zu schön gewesen. Der Typ, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte, aber mich dennoch mehr erregte, als irgendjemand sonst in den letzten Jahren, schritt grinsend auf mich zu. »Was machst du schon so früh auf? Konntest du nicht schlafen?« Plötzlich rief mein Verstand die Bilder auf, welche ich mir für meine Selbstbefriedigung ausgemalt hatte. Scheiße. »Ja«, würgte ich irgendwie hervor, um Fassung ringend. Sein Blick wurde etwas milder. »Ich kenne nicht einmal deinen Namen.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Also mache ich jetzt einmal den Anfang. Ich heiße Theo.« Nur mit knapper Not brachte ich es zustande, nicht zurückzuweichen und sie letzten Endes äußerst zögerlich zu ergreifen, worauf mich ein gewaltiges Prickeln erfasste. Zweimal Scheiße. ›Beruhig dich. Beruhig dich. Er ist niemand. Gar niemand. In drei Tagen siehst du ihn sowieso nicht mehr.‹ Und dieser Gedanke verpasste mir einen neuen Schlag - einen unangenehmen Schlag. Dreimal Scheiße. »Warum auf Englisch?«, brachte ich mit kratziger Stimme und unter großer Anstrengung hervor. Seine Lippen formten ein breites Lächeln. »Das klingt einfach lässiger. Sonst hört sich das doch wie nach einem alten pensionierten Sack der Nachkriegszeit an.« Von seinen Worten musste ich kichern. »Echt jetzt?« »Ja«, meinte er mit sachlicher Stimme, das Lächeln nochmals anwachsend. »Schon vergessen? Ich bin ein Macho. Der Name würde doch nie zu einem Macho passen, oder?« Ungläubig riss ich die Augen auf. Mit solch einem Sinn für Humor hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. »Meinst du das jetzt ernst?« »Absolut.« »Oder willst du dich bei mir bloß wieder auf irgendeine andere Art einschleimen?« Theos Augen verengten sich. »Ich wollte dir damit eigentlich ein Friedensangebot machen.« Ich zog meine Brauen hoch. »Friedensangebot? Waren wir denn im Krieg?« Er wirkte belustigt. »Ja, so wie du reagiert hast, schon.« Da musste ich ihm wohl, leider Gottes, recht geben. Ich hatte tatsächlich einen Tick zu aufbrausend reagiert. Lag wohl an meinem »Sexfrust«. »Okay.« Seufzend atmete ich aus. »Und wie heißt du?« Theo beäugte mich eindringlich, wodurch in mir eine neue stürmende Adrenalinwelle ausgelöst wurde. Gar nicht gut. »Evina.« Sein Händedruck wurde eine Spur fester - und dadurch bemerkte ich erst, dass wir uns nach wie vor die Hände hielten. Scheinbar wurde er dieser kleinen peinlichen Tatsache ebenfalls erst jetzt gewahr, warf er mir doch einen verwirrten Blick zu, ehe er seine Hand zurückzog. »Evina, also.« Plötzlich blitzte es in seinen Augen auf. »Das klingt ja wie Vagina.« So schnell konnte ich gar nicht darüber nachdenken, hatte ich ihm bereits eine gescheuert und den Rückmarsch angetreten, ihm die einzig passende Charakterbeschreibung zurückrufend: »Arschloch.« Diese verfluchte Arschgeige! Was glaubte der eigentlich?! Erst auf freundlich machen, und mich dann verarschen! Es war so typisch! »Hey, warte!« Und da war er schon, packte mich an der Schulter, infolgedessen ich seine Hand ergriff und sie ihm zurückbog. Vor Überraschung - oder doch aufgrund der Schmerzen? - stieß er einen unterdrückten Schrei aus. Währendessen hatte ich ihn bereits zu mir gezogen, mein linkes Bein zwischen seine gehakt und ihn schließlich auf den Boden der Tatsachen also mit dem Gesicht voraus in den Sand - gestoßen. Zum Abschluss kniete ich mich auf seinen Rücken. Halleluja! Bestand der Typ aus Stahl, oder was? Selbst mit meinem Knie spürte ich eine jede Erhöhung, einen jeden Muskelstrang. Wie viele Trainingseinheiten musste er dafür täglich absolvieren? Und was machte der Typ dann überhaupt beruflich? Bodygard, Bodybuilder oder Türsteher? Mein Blick fiel auf sein lockiges Haar. Solch einen Sparring-Partner hätte ich gerne für zu Hause gehabt. Ein durchtrainierter Körper, ein hübsches Gesicht und bescheuerte Meldungen, die mich anstachelten, ihn wieder und wieder zu verdreschen. Und dann heißer Sex. Über diesen wahrhaftig behämmerten Gedanken schüttelte ich bloß noch den Kopf, mich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierend. »Scheiße!«, kam es laut unter mir hervor. Ich bog seinen Arm weiter nach hinten und dann ein Stück weit nach oben. »Fass mich noch ein einziges Mal an und du musst mehr über dich ergehen lassen, als dass ich dir deine elendige Fresse in den Sand stecke, kapiert?« »... Schei ... ße«, stammelte er. »... okay.« Ehe ich von ihm herunter ging, zog ich ein letztes Mal an seinem Arm. »Und wenn du mich noch einmal beleidigst, dann mache ich dich erst recht fertig.« Keuchend und mir giftige Blicke zuwerfend, erhob er sich. Damit hatte er wohl nicht im Geringsten gerechnt. Theo wischte sich den Sand aus seinem Gesicht, oder genauer gesagt, aus seinem Bart. »Du bist gut.« Seine Stimme klang heiser, rau ... sexy. Wie klang sie wohl, wenn er kam? »Das war noch gar nichts.« Seine Augen zeigten Streiteslust. »Dann würde ich dich gerne einmal richtig in Aktion sehen.« »Das würdest du nicht überleben.« Eben wollte ich mich umdrehen, da packte er erneut nach mir und zog mich zu sich. Ich reagierte - viel zu langsam. Somit gelang es ihm, seine Arme durch meine Achseln zu schlingen. Mit ruckartigen Bewegungen versuchte ich noch, ihn davon abzuhalten, seine Hände hinter meinem Kopf zu verschränken - doch Pech gehabt. Er war schneller und brachte mich mit einem Tritt auf die Knie. »Ja, du bist wirklich gut«, säuselte er in mein Ohr, dass es mir heißkalt den Rücken runter lief. »Aber niemals so gut wie ich.« »Lass mich los«, presste ich hervor. »Lass mich los.« Seine Antwort? Ein genüssliches »Nein.« Und meine? »Fick dich!« »Ich glaube eher, du wolltest sagen: Fick mich.« Völlig sinnfrei versuchte ich, mich aus seinem Griff zu befreien: Dies beinhaltete unter anderem, nutzlose Versuche, nach seinen Händen zu greifen und mit lauten, wilden Flüchen, wie Dreckssack, Arschloch, Hundesohn, um mich zu werfen. »Hey, hey«, entgegnete er mit samtweicher Stimme. »Wenn du mich weiterhin beleidigst, lass ich dich überhaupt nicht mehr los.« Verfluchter Scheißdreck! Und als wäre diese Situation nicht bereits peinlich und erniedrigend genug, musste sich sein durchtrainierter Körper, welchen er zum Teil an meinen Rücken presste, so unglaublich heiß anfühlen, dass sich mein kruder Verstand allmählich wieder verselbstständigte und mir allerlei erotische Bilder lieferte: er mich zu Boden gedrückt, seine Hand unter meinem Sommerkleid, meinen Oberschenkel massierend. Dann langsam weiter zwischen meine Beine gleitend und seine Finger letztlich in meinen Leib schiebend. »Also«, riss seine Stimme mich aus meinen Tagträumen. »Wie wäre es mit einer kleinen morgendlichen Zärtlichkeit?« Diese Worte brachten meinen Körper in eine Art Ausnahmezustand. Ein heftiges Zittern ergriff Besitz von mir, jedoch versuchte ich es, so gut wie möglich zu unterbinden. Des Weiteren breitete sich eine verstandabdrehende, gewaltige Hitze in meinen Wangen und meinem Unterleib aus. Doch etwas hielt mich davon ab, nachzugeben: mein Ego und meine Erinnerungen. Keine Beziehung, keinen One-Night-Stand, nichts würde ich mehr zulassen, nichts würde mehr passieren. Ein weiteres Mal derart gekränkt zu werden, hätte ich nicht überlebt. »Ehe ziehe ich es vor, mein Leben lang alleine zu bleiben, als es mit dir zu treiben!«, keuchte ich und versuchte erneut, mich loszureißen. Und keine Sekunde später bereute ich diese Aussage wieder. War ich bereits derart verzweifelt? Hatten mich die letzten einsamen Jahre so verkorkst? Weshalb konnte ich es nicht zugeben, dass er recht hatte? Dass ich endlich wieder berührt werden wollte? Weshalb spielte ich der ganzen Welt vor, dass ich niemand brauchte, wo es doch nie gestimmt hatte? »Wieso reagierst du so heftig?«, hörte ich ihn raunen. »Da stimmt doch was nicht.« Mir wurde es kalt. »Lass mich einfach in Ruhe.« Und er ließ mich tatsächlich los. Ich wollte mich von ihm entfernen, mein Ego hatte da anscheinend andere Pläne: Ich schlug zurück. Mit einem Kopfstoß gegen sein Kinn und nachfolgendem perfekt platzierten Schlag meines Ellbogens in seinen Magen, worauf er taumelnd auf dem Rücken landete. Ich wollte ihm einen weiteren Schlag ins Gesicht verpassen - dieses Mal mit der Faust - wurde dann aber abgeblockt, bei den Armen gepackt und zu ihm zu Boden gezerrt. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht drückte er mich in den kühlen, feuchten Sand und fixierte meine Hände über meinem Kopf. Plötzlich erhob sich die Sonne, schickte ihr goldenes Licht über das Meer - und für einen kurzen Moment blieb die Zeit stehen. Theos Haare leuchteten kupferbraun, seine Augen funkelten wie pures Gold. Es raubte mir den Atem. »Das gefällt mir«, entgegnete er, sich zu mir lehnend. »Ich stehe auf widerspenstige Frauen. Das macht mich heiß.« Ich wusste wahrhaftig nicht, was ich dazu noch entgegenbringen konnte. Schließlich gefiel es mir doch ebenfalls! Seit jeher war ich streitlustig und aufbrausend - und genauso schnell erregte es mich, wenn mich jemand herausforderte. Erst recht in der Abteilung Kampfsport. Und bei solch einem Körper? Da konnte man doch bloß auf schweinische Gedanken kommen, oder? »Also, sollen wir uns noch ein wenig zusammenschlagen oder überspringen wir das Ganze und gehen in meinen Bungalow?« Mein Ego schaltete sich wieder ein - und meine Vernunft, oder besser gesagt, mein Verstand. »Nein. Ich habe bereits gesagt, dass ich nicht auf One-Night-Stands stehe, kapiert?« »Irgendwie kann ich dir nicht glauben.« »Glaub, was du willst.« Ich versuchte mich, unter ihm herauszuwinden. »Nein, nein«, tadelte er. »Vergiss es. Du stehst erst auf, wenn ich dich lasse.« Diese Worte gesprochen, setzte er sich auf meinen Bauch. Fuck! »Okay.« Seufzend entspannte ich mich. »Was willst du?« Er zog seine rechte Augenbraue nach oben. »Na, Sex. Worüber unterhalten wir uns denn die ganze Zeit?« »Gibt es auch etwas anderes für dich, als das?« Hörbar ließ er seinen Atem entweichen. »Ich bin auf Urlaub. Ich bin Single und ich habe verdammt viel Stress abzubauen. Also, nein! Warum auch? Sonst habe ich ja alles, was ich mir wünsche.« »Bloß eine Nutte fehlt dir?«, stellte ich ernüchternd fest. Männer waren doch alle die Gleichen! Seine wohlgeformten Augenbrauen zogen sich bedrohlich nach unten. »Ich brauche keine Nutte! Ich wollte bloß ein wenig Spaß. Das ist doch kein Verbrechen!« »Und wenn du keinen gratis Sex bekommst, was dann?« Theos Lippen deuteten ein Lächeln an. »Dann mache ich es mir eben selbst.« Oh Gott. Wie würde er aussehen, wenn er sich selbst anfasste? Wie fasste er sich dann an? Würde er es sich sitzend, liegend oder stehend machen? Eine heiße Welle brauste durch meinen Körper. Wie würde er reagieren, wenn ich es wäre, die ihm seine Härte massierte? ›Hör auf, Evina! Hör auf, darüber nachzudenken.‹ »An was hast du jetzt gedacht?«, riss er mich aus meinen erotischen Fantasien, ein breites wissendes Grinsen auf den Lippen - worauf es mir die Schamesröte ins Gesicht trieb. Hatte ich ihm irgendeinen Grund geliefert, zu erkennen, welche schmutzigen Gedanken in meinem Verstand herumgeisterten? Und schlagartig kapierte ich: Die heißen Wangen waren doch Beweis genug! »Du unanständiges Ding«, säuselte er mit dieser tiefen sexy Stimme. »Ich glaube, du hast es faustdick hinter den Ohren!« Das Grinsen wuchs an. »Du sagst zwar, du willst nichts von Sex wissen, dabei spielt sich da so viel in deinem Kopf ab, dass es mir bereits deshalb heiß wird.« »Red keinen Unsinn!«, fauchte ich, mein Gesicht glühend. »Lass mich einfach in Ruhe!« Sekündlich wurde es peinlicher! Ich musste hier weg, sofort! Nur in meinen Bungalow - und für die restlichen Tage erst gar nicht mehr vor die Tür treten. Ich drehte meinen Kopf auf die rechte Seite. »Lässt du mich jetzt endlich los?« »Was bekomme ich dafür?« Mein Blick sprang in sein Gesicht zurück. »Was meinst du damit?« Seine blitzenden Augen und das nach wie vor gewaltige Grinsen entfesselten eisige Schauer. »Ich will eine Entschädigung.« »Bitte was?!« »Eine Entschädigung für die Körperverletzung, die nach §223 des Strafgesetzbuches normalerweise mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet wird.« Meine Alarmglocken ertönten. Er kannte sich mit den deutschen Strafgesetzen aus! War er etwa ein Polizist? »Aber für mich reicht ein Candlelight-Dinner am Strand, das selbstverständlich du zahlst.« Nach wie vor geschockt ob seiner Aussage, stimmte ich, ohne weiter nachzudenken, einfach zu. »Super!«, rief er und ließ von mir ab. »Heute Abend. Also vergiss nicht, früh genug zu Buchen!« Damit zog er von dannen. Und ich vermochte nicht mehr, als liegen zu bleiben und mich selbst zu verfluchen. Immer und immer wieder. Was zur Hölle hatte ich da bloß wieder verbockt?!
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