SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Günter Burkhardt, Geschäftsführer Pro Asyl, gab heute, Telefon 29.09.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: Telefax EU-Zwischenbericht/Lage der Flüchtlinge in Griechenland. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph. Internet 07221/929-23981 07221/929-22050 www.swr2.de Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Datum: 29.09.2016 Flüchtlinge auf griechischen Inseln Baden-Baden: Pro Asyl-Geschäftsführer Burkhardt kritisiert den Umgang mit Flüchtlingen in Griechenland. Dort säßen mehr als 13tauend Menschen in den sogenannten Hot Spots auf den Inseln fest. Die Lager seien aber nur für die Hälfte ausgelegt. Ein Teil von ihnen soll jetzt auf dem Festland verteilt werden. Das hat die Regierung in Athen gestern angekündigt. Im SWRTagesgespräch weist Burkhardt darauf hin, dass unter den Betroffenen auch viele Frauen und Kinder seien, deren restliche Familie bereits in Deutschland und anderen EU-Staaten ist. Laut Burkhardt dürften sie nach den Gesetzen ausreisen. Das aber geschehe nicht. Es werde auf allen Seiten blockiert. Man könne Griechenland unterstützen, aber das sei nicht gewollt. Das Ziel sei, Schutzbedürftige aus Griechenland raus und in die Türkei zu bekommen. Was da mit ihnen geschehe, interessiere niemanden mehr. Burkhardt bekräftigt, dass die Türkei kein sicherer Staat. Von Flüchtlingsschutz könne keine Rede sein. Das aber werde in der EU schöngeredet. Wortlaut des Live-Gesprächs: Rudolph: Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt die Lage auf den griechischen Inseln derzeit als beherrschbar ein. Von einer akuten Krise könne nicht die Rede sein. Was ist denn Ihr Eindruck? Sie waren ja gerade da! Burkhardt: Das ist eine etwas seltsame Wortwahl, beherrschbar ist ja eigentlich das falsche Wort. Wir haben eine Situation, wo 13.000 Menschen ohne Perspektive auf Schutz, ohne Perspektive, dass ein Land sie aufnimmt, ihre Asylanträge inhaltlich bearbeitet, festsitzen. Das kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen, das UNHCR das formuliert. Rudolph: Ja gleichwohl will ‚Griechenland jetzt Flüchtlinge aus den überfüllten Hotspots aufs Festland bringen. Und da ja viele da unter das EU/Türkei-Rücknahme-Abkommen fallen, heißt das dann, die werden auf dem Peloponnes kaserniert? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Burkhardt: Ja. Das ist zu befürchten. Und wir haben unveränderte Situationen. Das Menschen fliehen, in Griechenland sind und ganz nahe Angehörige in Deutschland sind oder in anderen EU-Staaten. Eine Mutter mit einjährigem Kind, was auf der Flucht getrennt wurde vom Vater mit den anderen Kindern. Vater und Kinder in Deutschland, die Mutter dort. Seit einem halben Jahr sitzen die fest und nach den Gesetzen dürfen sie ausreisen nach Deutschland. Aber das passiert nicht. Es wird blockiert und zwar auf allen Seiten. Sowohl seitens der griechischen Regierung, die hat nämlich nur 13 Beamte für die Bearbeitung solcher Fälle. Aber auch in Deutschland. Wenn man will, könnte man diese Situation entschärften, Griechenland unterstützen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Man riegelt alle Grenzen ab. Das Ziel ist ja Schutzbedürftige rauszubekommen aus Griechenland in die Türkei und was da passiert, das interessiert dann niemanden mehr. Rudolph: Sie haben eben schon gesagt, da wird blockiert. Warum ist es denn trotz anders lautender Bekundungen so schwer, wirklich die Situation in Griechenland zu verbessern? Was vermuten Sie? Burkhardt: Es fehlt der Wille der Europäischen Staaten, Menschen aus Griechenland die Einreise zu erlauben. Und es ist der erklärte Wille, dass etwa Flüchtlinge aus Afghanistan, die vor dem Terror fliehen, ich habe ja auch welche gesehen, die für die deutsche Bundeswehr gearbeitet haben, dort seit Monaten festsitzen. Die sollen alle zurück in die Türkei und was dann passiert interessiert nicht. Die Türkei ist kein sicherer Staat. Die Türkei ist am Abrutschen in diktatur-ähnliche Zustände. Und von Flüchtlingsschutz kann doch keine Rede sein. Nur das wird in Europa schön geredet, vertuscht, weil man koste was es wolle, diesen Kontinent abriegeln will. Der Konflikt zwischen Orban, Seehofer und Merkel wird gelöst auf Kosten der Flüchtlinge. Grenzen dicht und raus aus den Grenzen. Rudolph: Dass die Umverteilung auf die übrigen EU-Staaten nicht läuft, das haben wir ja eben in der Anmoderation schon gehört und die Hälfte der dafür veranschlagten 2 Jahre ist um. Die EU-Kommission sagt jetzt aber, bis Ende nächsten Jahres sollen allein 30.000 Flüchtlinge aus Griechenland verteilt werden. Können Sie sich vorstellen, dass das hinhaut? Burkhardt: Das ist eine Frage des politischen Willens. Bei uns sind die Unterkünfte leer. Deutschland hat Möglichkeiten. Es sind bisher 195 Menschen in Deutschland aufgenommen worden. Das ist möglich. Rudolph: Das hieße am Ende, es ist wieder Deutschland alleine. Burkhardt: Nein. Nein. Es gibt Flüchtlinge, die wollen nach Frankreich. Menschen, wo der Bruder dort lebt und studiert. Also man muss den Flüchtlingen Möglichkeiten eröffnen und da sind alle EU-Staaten gefragt. Wenn es aber familiäre Bindungen gibt, dann haben diese Flüchtlinge einen Rechtsanspruch auszureisen. Unabhängig von staatlich festgesetzten Aktionen, die sinnvoll sind, um Griechenland zu entlasten. Nur man will das doch nicht. Man will im Moment die Grenzen schließen. Man will eine EU-Agentur Frontex gegen Griechenland einsetzen, damit die Grenze zu Mazedonien dicht ist. Die legalen Wege, nämlich zur deutschen Botschaft zu gehen, dort ein Visum zu beantragen, wenn hier die Angehörigen sind, dauern mehr als ein halbes Jahr und das treibt Menschen in die völlige Verzweiflung. Rudolph: In Deutschland sind unterdessen die Gesamtschutzquoten bei Syrer, Eritreern und Afghanen deutlich gesunken. Sie haben den Verdacht geäußert in der „Welt“ Anfang der Woche, dass politische Einflussnahme dahintersteckt. Können Sie das begründen? Burkhardt: Also ist irritierend, wenn im letzten Jahr bei Eritrea alle anerkannt wurden. Der Grund ist übrigens, das ist eine brutale Militärdiktatur. Männer, Frauen, werden unbefristet zu einem Militär-Zivildienst eingezogen und jetzt kommt das Bundesamt und sagt: Wie? Du hast ja den Bescheid noch gar nicht bekommen, dass du einrücken musst. Da bist du ja gar nicht verfolgt. Das ist irritierend. Da muss es etwas geben, eine politische Einflussnahme. Es ist nicht anders erklärbar. Wenn bei unveränderter Situation die Anerkennungsquoten so drastisch sinken. Übrigens, in diesem eritreischen Fall ist es ja so, man muss nicht gefoltert worden sein, um Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Flüchtling zu sein, wenn man die begründete Furcht hat. Das ist das Entscheidende. Wir halten das Vorgehen des Bundesamtes mit solchen Fällen für rechtswidrig und das Innenministerium muss offenlegen, wie es dazu kommt, dass das ihm unterstellte Bundesamt die Anerkennungsquoten so drastisch nach unten drückt, wie es gemacht wird. Rudolph: Das Bundesinnenministerium weist Ihren Vorwurf zurück. Lügt man beim Bundesinnenministerium? Burkhardt: Ich glaube, das Innenministerium hat einen Erklärungsnotstand. Man muss jetzt mal offenlegen, warum hat sich das zu Eritrea verändert. Rudolph: Lüge oder nicht, wenn man sagt, es stimmt nicht? Burkhardt: Nee, das ist die Frage. Die müssen offenlegen, wie sind die HerkunftsländerLeitsätze. Damit gibt das Innenministerium eine gewisse Linie mit vor. Die werden aber nicht öffentlich gemacht. Ich finde, hier muss das Innenministerium nicht einfach eine Schutzbehauptung aufstellen und sagen, nichts hat sich verändert, wo die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen. Afghanistan sinkt auf um die Hälfte. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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