Geschichte Oberstufe C. Warlo Das zeitgenössische Verständnis der römischen Verfassung Polybios (um 200 – um 120 v.Chr.), VI, 11, 18 (zitiert nach: Franz-Josef Schütz: Geschichte – Dauer und Wandel. Von der Antike bis zum Zeitalter des Absolutismus. 1990 Cornelsen Verlag, Berlin; S.91-92) Polybios war ein griechischer Geschichtsschreiber, der 167 v. Chr. als Geisel nach Rom kam und dort der Freund Scipios wurde. Er verfasste eine Weltgeschichte, die die Epoche der außeritalischen Expansion Roms von 264 bis 144 V. Chr. umfasst. Von den 40 Büchern sind nur die ersten fünf vollständig überliefert. […] Es gab also [ ... ] drei Teile, die im Staat Gewalt hatten. So gerecht und angemessen aber war alles geordnet, waren die Rollen verteilt und wurden in diesem Zusammenspiel die staatlichen Aufgaben gelöst, dass auch von den Einheimischen niemand mit Bestimmtheit hätte sagen können, ob die ganze Verfassung aristokratisch, demokratisch oder monarchisch war. Und so 5 musste es jedem Betrachter ergehen. Denn wenn man seinen Blick auf die Machtvollkommenheit der Konsuln richtete, erschien die Staatsform vollkommen monarchisch und königlich, wenn auf die des Senats, wiederum aristokratisch, und wenn man auf die Befugnisse des Volkes sah, schien sie unzweifelhaft demokratisch. [ ... ] Obwohl jeder der drei Teile solche Macht hat, einander zu schaden oder zu helfen, so wirken sie 10 doch in allen kritischen Situationen so einträchtig zusammen, dass man unmöglich ein besseres Verfassungssystem finden kann. Denn wenn eine von außen her sie alle gemeinsam bedrohende Gefahr zum Zusammenstehen und gegenseitigen Beistand zwingt, dann zeigt dieser Staat eine solche Kraft, dass weder eine notwendige Maßnahme versäumt wird, denn alle wetteifern miteinander, Mittel zu ersinnen, um das Unheil abzuwehren, noch die Ausführung eines 15 Beschlusses zu spät kommt, da alle zusammen und jeder einzelne Hand anlegt, um das Beabsichtigte durchzuführen. Daher ist dieser Staat dank seiner eigentümlichen Verfassung unwiderstehlich, und er erreicht alles, was er sich vorgesetzt hat. Wenn sie dann aber, nachdem die Gefahr abgewandt ist, im Genuss des Reichtums, den ihnen die Siege gebracht haben, in Glück und Überfluss leben und, durch eigenen Leichtsinn oder von Schmeichlern verführt, 20 übermütig werden und außer Rand und Band geraten, wie dies so zu gehen pflegt, da kann man erst richtig erkennen, wie die Verfassung durch sich selbst ein Heilmittel dagegen findet. Denn wenn einer der drei Teile die ihm gezogenen Grenzen überschreitet und sich eine größere Macht anmaßt, als ihm zusteht, dann erweist sich der Vorteil dessen, dass keiner selbstherrlich ist, sondern in den anderen sein Gegengewicht hat und von ihnen in seinen Absichten gehindert 25 werden kann: keiner darf zu hoch hinaus, keiner alle Dämme überfluten. Dem ungestümen Machtdrang wird ein Dämpfer aufgesetzt, oder er scheut von vornherein den zu erwartenden Widerstand der anderen und wagt sich nicht erst hervor, und so bleibt der verfassungsmäßige Zustand sicher erhalten. RoemischeVerfassung.doc Seite 1 von 2 Geschichte Oberstufe C. Warlo Cicero (106 – 43 v.Chr.): De re publica, 1, 70; 2, 1 (zitiert nach: Franz-Josef Schütz: Geschichte – Dauer und Wandel. Von der Antike bis zum Zeitalter des Absolutismus. 1990 Cornelsen Verlag, Berlin; S.92) Cicero (106 bis 43 v. Chr.) war schon zu Lebzeiten berühmt als Redner und Politiker, der zunächst auch politische Erfolge in der Endzeit der Republik hatte, aber mit dem Aufkommen Caesars sich resigniert aus der Politik zurückzog und sich ganz seiner umfangreichen schriftstellerischen Arbeit widmete. Denn dahin geht meine grundsätzliche Einstellung, dahin meine Überzeugung, dahin mein fester Glaube: keine von sämtlichen Staatsformen ist hinsichtlich ihres inneren Aufbaues, hinsichtlich der Verteilung der Gewalten und der geregelten Ordnung mit der zu vergleichen, die unsere Väter schon von den Vorfahren übernommen und uns hinterlassen haben. [...] Cato1 also pflegte folgendes zu sagen: „Darin zeichnet sich die Verfassung unseres Staates vor den übrigen aus, 5 dass in diesen in der Regel Einzelpersönlichkeiten aufgetreten sind, von denen jede einzelne ihren Staat mit ihren Gesetzen und Einrichtungen aufgebaut hat. So war bei den Kretern Minos, bei den Lakedaimoniern Lykurgos, bei den Athenern, deren Verfassung oftmals verändert wurde, zuerst Theseus, dann Drakon, dann Solon, dann Kleisthenes, dann kamen viele andere [ ... ]. Unser Staat 10 dagegen hat sich nicht auf das Talent eines einzelnen, sondern vieler Persönlichkeiten gegründet, auch nicht auf ein einziges Menschenleben, sondern auf eine ganze Reihe von Jahrhunderten und Generationen. Denn [...] noch ist ein Genie aufgetreten, das so umfassend gewesen wäre, dass ihm überhaupt nichts entging, und selbst wenn man alle bedeutenden Geister in einer Person zusammenfassen würde, könnte sie in dieser zeitlichen Zusammenfassung nicht eine so 15 weitgehende Voraussicht walten lassen, dass sie unter Verzicht auf praktische Erfahrung und auf die Lehren der Vergangenheit alles umfassen würde." 1 Cato (234-149 v.Chr.), römischer Staatsmann, unversöhnlicher Gegner Karthagos, Anwalt römischer Sittenstrenge. RoemischeVerfassung.doc Seite 2 von 2
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