18 | Zürich Der Landbote Donnerstag, 29. September 2016 «Ich werde heute noch wütend» SR Technics streicht Jobs GROUNDING Notlandungen, eine Amour fou und eine Kerze zum Abschied: Die ehemalige Hostess Greta Gantenbein hat ein Buch über ihre Zeit bei der Swissair geschrieben und über das Ende der Airline, das sich am Sonntag zum 15. Mal jährt. FLUGHAFEN Der Abbau hat begonnen: SR Technics streicht in Kloten 200 Stellen. Dies im Rahmen der im letzten Jahr angekündigten Entlassung von bis zu 300 Mitarbeitenden. Frau Gantenbein, in Ihrem Buch «Zweite von links» ist oft von der Swissair-Familie die Rede. Was hat diese Familie ausgezeichnet? Greta Gantenbein: Wir hatten einen unglaublichen Zusammenhalt. Jeder schaute für den anderen, über Hierarchien und Berufsgruppen innerhalb der Firma hinweg. Dieser Teamgeist war einmalig. Wie entsteht so etwas? Ich glaube, es hatte viel damit zu tun, dass alle stolz waren, für diese Firma zu arbeiten. Die Swissair war ein Symbol. Zudem hatten wir auf unseren Reisen viel erlebt, Schönes, Spannendes, Trauriges. So etwas schweisst zusammen. Trotzdem war ja nicht alles rosig. Ihre männlichen Kollegen erhielten etwa viel mehr Lohn. Alles war natürlich nicht toll. Es gab ein paar Gruppenchefinnen, die richtige Drachen waren, Stewards, die sich wie kleine Könige aufführten – und Flugkapitäne, die Hostessen nachstiegen. Das Machogehabe hat sich aber mit den Jahren gelegt. Auch die Löhne wurden angepasst, wir wurden gleichberechtigt. Die Swissair gehörte zudem zu den ersten Firmen, die Arbeitsmodelle für Teilzeitmütter – das sogenannte Hausfrauengeschwader – einführten. Und dennoch: Viele Bewerberinnen hätten dafür gezahlt, um als Hostess bei der Swissair arbeiten zu dürfen. So begehrt war der Job zu jener Zeit. War dieser Stolz mit ein Grund, warum die Hunterstrategie intern kaum hinterfragt wurde? ZUR PERSON Greta Gantenbein ist 1948 in Zürich geboren und trat 1969 als – damals hiess es noch – AirHostess in die Swissair ein. Sie verfügt über dreissig Jahre Berufserfahrung und arbeitete zwischenzeitlich parallel für eine private Airline. Nach dem Grounding am 2. Oktober 2001 war sie bis 2006 bei der Swiss angestellt. Gantenbein ist Mutter von zwei Kindern und Grossmutter von zwei Enkeln. Sie wohnt im Kanton Aargau. hz Ich habe die Strategie schon mit Sorge verfolgt und nie verstanden, wieso die Swissair die Sabena und andere Schrottairlines kaufte. Doch es herrschte eine Art Gottvertrauen. Wir hofften, die Chefetage wisse, was sie tue. Mit einem Grounding hat niemand gerechnet, das war jenseits von allem. In Ihrem Buch kommen die Grossbanken schlecht weg. Sind sie schuld am Grounding? Natürlich lag es auch an den Swissair-Bossen, dem Verwaltungsrat und den Beraterfirmen. Aber es ist schon so: Seither sind für mich die Grossbanken ein rotes Tuch. Die UBS hätte die Swissair retten können. Sie hat es nicht getan. Und zum Dank haben wir später die UBS gerettet – mit dem zwanzigfachen Betrag, der uns damals vor dem Ende bewahrt hätte. Es ist eine Schande. Wenn ich daran denke, wie viele Menschen dadurch zu Schaden gekommen sind oder ihre Stelle verloren haben, werde ich heute noch wütend. Entstand das Buch aus dieser Wut? Nein. Ich wollte alle meine Erinnerungen an die Zeit bei der Swissair verarbeiten – von der Ausbildung, in der wir lernten, einen Hijacker zu überwältigen, bis zu Notlandungen, der Begegnung mit einer Schlange und der Liebesgeschichte mit einem Piloten. All dies – und dazu gehört auch das Grounding – wollte ich meinen Kindern erzählen. Und da ich sie ja nicht stundenlang vollplappern kann, habe ich eben alles aufgeschrieben. (lacht) Sie haben es gelesen und meinten, das könnte auch andere interessieren. So kam es zum Buch. Eine berührende Passage ist die Schilderung Ihres letzten Arbeitstages, als Sie mit 58 und nach 30 Jahren im Beruf Ihre Uniform abgeben mussten. Das war ein schwieriger Schritt. Als ich die Uniformierung verliess, fühlte ich mich verloren und nackt. Ich ging in den Andachtsraum und zündete Kerzen an: Für meine lieben Kolleginnen und Kollegen und für die Swissair, der ich diese tollen Begegnungen und Erlebnisse zu verdanken hatte. Die Swissair ist längst Geschichte. Mit welcher Airline fliegen Sie, wenn Sie verreisen? Mit gar keiner. Mir ist die heutige Reiserei zu stressig und zu an- In Kloten entlässt SR Technics in diesen Tagen 200 Mitarbeitende. Angekündet war der Abbau schon lange: Im Juli 2015 hat die Flugzeugwartungsfirma über 300 Kündigungen bis 2017 informiert. Nun wird ein Grossteil dieser Androhung in die Realität umgesetzt. Ob die restlichen 100 angekündigten Entlassungen bis 2017 auch noch folgen werden, ist derzeit noch nicht klar. Über 400 von 2400 entlassen Details zur Massenentlassung sind derzeit nicht bekannt. Letztes Jahr wurde ein Sozialplan versprochen. Nicht offizielle Quellen geben an, dass die ersten der 200 Kündigungen bereits per Ende September ausgesprochen wurden, von SR Technics gab es zum genauen Zeitplan aber noch keine Angaben. Nach dem Abbau wird die Firma in Kloten noch rund 2000 Mitarbeitende beschäftigen. Bereits letztes Jahr wurden 250 administrative Stellen nach Serbien verlagert. Waren Anfang 2015 noch 2400 Personen beschäftigt, dürfte es nach dem Abbau beim technischen Personal knapp ein Fünftel weniger sein. Andreas Frei In Kürze GEMEINDERAT 5-Prozent-Hürde nicht abgeschafft 1997 war Greta Gantenbein Teil der DC4Mission. Anlässlich der ersten Swissair-Nordatlantiküberquerung vor 50 Jahren flog das Propellerflugzeug noch einmal nach New York. strengend. Ausserdem ertrage ich die trockene Luft und die Zeitverschiebung nicht mehr. Nein, ich habe keine Lust mehr zu fliegen. Ausser wenn mich mein Sohn in seinem Segelflugzeug mitnimmt. Auf den ersten Seiten schreiben Sie vom Vagabunden-Gen, das Sie zur Swissair gebracht hat. Ist davon nichts mehr übrig? Ach, wissen Sie, mit dem Alter lässt das Fernweh nach. Ich hatte das Glück, so viele Länder zu bereisen, da schwindet mit der Zeit pd das Bedürfnis, noch möglichst viel sehen zu müssen. Interview: Heinz Zürcher Greta Gantenbein: Zweite von links – Mein Leben mit und ohne Swissair. WörtersehVerlag, 256 S., 39.90 Fr. Die 5-Prozent-Hürde im Wahlverfahren für den Gemeinderat soll nicht aufgehoben werden. Das Zürcher Stadtparlament hat die Volksinitiative «Faires Wahlrecht für Züri – jede Stimme zählt!» am Mittwochabend abgelehnt. Das letzte Wort hat aber das Zürcher Stimmvolk, das voraussichtlich im Frühjahr darüber befinden wird. Der Gemeinderat sagte mit 69 zu 51 Stimmen Nein zur Initiative. Dagegen sprachen sich die FDP und SVP sowie die Mehrheit der SP aus. Momentan kann eine Partei nur in den Gemeinderat einziehen, wenn sie in einem Wahlkreis 5 Prozent der Stimmen bekommt. Die Initianten wollen dieses Quorum aufheben. sda DATENSCHUTZ Haie und 70 weitere Arten im neuen Zooaquarium ZOO Nach zwei Jahren Bauzeit hat der Zoo Zürich sein Aquarium wiedereröffnet. Unter dem Motto «Das grosse Fressen» werden die Schönheit der Meere und deren Bedrohung thematisiert. Nach 27 Jahren mussten die Becken des alten Aquariums saniert werden. Doch statt diese nur zu renovieren, hat der Zoo Zürich die Anlage völlig neu konzipiert. Aus 22 kleinen und mittleren Becken sind acht grosse geworden. Der Besucherraum wurde ebenfalls neu gestaltet. Die acht Becken umfassen Lebensräume wie die «Seegraswiesen im Indopazifik». Hier leben der Partner-Krebs und die Partner-Grundel in einer Art WG zusammen: Während der Krebs im Sand eine Höhle gräbt, übernimmt der Fisch deren Verteidigung. Ausserdem finden sich hier Röhrenaale, Rasiermesserfische und ein Mandarinfisch-Pärchen. Sobald sich das Zusammenleben und die Biologie im Becken eingespielt haben, kommen noch Seepferdchen hinzu. Mit 600 Volt auf Beutezug Der grösste Bewohner des neuen Aquariums stammt aus dem Amazonasbecken. Der Zitteraal, der bis 2,5 Meter lang werden kann, betäubt oder tötet seine Beutetiere mit Stromstössen. Drei Viertel seines Körpers bestehen aus Muskeln, die eine kleine Spannung erzeugen können. In Serie geschaltet, summiert sich diese auf bis zu 600 Volt. Nach 35 Jahren sind zum ersten Mal auch wieder Haie in Zürich zu sehen. Den Lebensraum «Riffe und Felsküsten im Indopazifik» bewohnen zwei kleine Haiarten, der Epaulettenhai und der Korallenkatzenhai. Stein- und Weichkorallen bilden den Lebensraum von Fischen im Indopazifik. Bis sich in Zürich ein richtiges Korallenriff gebildet hat, braucht es aber noch Geduld. Die künstlich vermehrten, kleinen Ableger müssen sich erst an ihre Umgebung gewöhnen, bevor sie mit dem Wachstum loslegen. Das bislang aus abgestorbenen Korallenstöcken nachgebildete Riff bewohnen rund 30 Fischarten, darunter auch so bekannte wie Nemo und Dory, also Clownfische und Paletten-Doktorfische. Dazu kommt noch eine «Putzkolonne» aus Schnecken, Seeigeln, Seesternen und Garnelen. Sie helfen dabei, Algen und Futterreste zu beseitigen. Ein Clownfisch macht es sich in der Anemone bequem. Zoo Zürich / Enzo Franchini Im Gezeitenbecken können Ebbe und Flut sowie Gewitter und tropische Regenschauer simuliert werden. Hier leben die Schützenfische, die mit einem präzisen Wasserstrahl Insekten von Ästen «abschiessen», um sie an der Wasseroberfläche zu erbeuten. AquaLabor und Kino Das Leitthema «Das grosse Fressen» bezieht sich auf die Nahrungsketten. Es zeigt aber auch, wie der Mensch in die Prozesse eingreift. «Wir wollen den Besuchern möglichst realistisch zeigen, was in der Wildnis passiert», erklärte Zoodirektor Alex Rübel. Zu sehen ist daher auch Abfall aus dem Pazifik. Kleinste Plastikteilchen gelangen auch im Kanton Zürich durch die Filter der Kläranlagen ins Wasser. Wie viele es sind, können Besucher im AquaLabor erfahren. Um Abfallprobleme geht es auch in vier Kurzfilmen, die im Kleinkino laufen. sda Neue App beantwortet Fragen Wer Fragen zur Bearbeitung von Personendaten in Schulen hat, kann die Antworten ab sofort per Smartphone bekommen. Eine neue App des Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich listet praxisnahe Anweisungen auf – von A wie Adresslisten bis Z wie Zusammenarbeit mit schulexternen Diensten. sda KLOTEN/ZÜRICH Zwei Ladendiebe gefasst Die Kantonspolizei hat am Montagabend zwei Personen verhaftet, die letzte Woche in Dietikon einen Laptop und Kleider im Wert von über 10 000 Franken gestohlen hatten. Die Ermittlungen führten zu einem Mietfahrzeug, das ein 26-jähriger Mann am Flughafen abgab. Er wurde verhaftet. Sein Komplize wurde in Zürich verhaftet, als er nach Deutschland reisen wollte. Im Gepäck fand man das Diebesgut. sda
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