Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz

Europäische Kommission - Factsheet
Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz
Brüssel, 25. September 2016
Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz
Die Schweiz steht der EU sowohl geografisch als auch politisch, wirtschaftlich und kulturell sehr nahe.
Sie ist nach den USA und China und vor Russland und Japan der drittwichtigste Wirtschaftspartner
der EU (Handel mit Waren und Dienstleistungen zusammengenommen). Im Gegenzug ist die EU der
bei weitem wichtigste Handelspartner für die Schweiz: 2015 stand sie für 65 % der Einfuhren und
44 % der Ausfuhren von Waren. Auch bei Handelsdienstleistungen und ausländischen
Direktinvestitionen ist der Anteil der EU ähnlich hoch. Dies ist für beide Seiten von Vorteil – nicht
umsonst stellt sich die Schweiz aufgrund ihrer engen Einbindung in den EU-Binnenmarkt außenpolitisch
als Tor zur EU dar.
Zudem leben über eine Million EU-Staatsangehörige in der Schweiz, und 300 000 weitere pendeln
täglich zur Arbeit in das Nachbarland. In der EU leben etwa 450 000 Schweizer Staatsangehörige.
Der Grundpfeiler der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz ist das Freihandelsabkommen
von 1972. Nach der Ablehnung der EWR-Mitgliedschaft durch die Schweizer Bevölkerung 1992
vereinbarten die Schweiz und die EU 1999 ein Paket von sieben sektorspezifischen Abkommen, die
in der Schweiz „ Bilaterale Abkommen I“ genannt werden. Sie beziehen sich auf: Freizügigkeit von
Personen, technische Handelsbarrieren, Vergabe öffentlicher Aufträge, Landwirtschaft sowie Luft- und
Landverkehr (Straße und Schiene). Dank des Abkommens über die wissenschaftliche Forschung ist die
Schweiz außerdem vollständig in die EU-Forschungsrahmenprogramme einbezogen.
Im Jahr 2004 wurden weitere sektorspezifische Abkommen unterzeichnet („Bilaterale Abkommen
II“), mit denen unter anderem die Beteiligung der Schweiz an Schengen und Dublin sowie Abkommen
über die Besteuerung von Spareinlagen, landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte, Statistiken,
Betrugsbekämpfung, Beteiligung am EU-Programm MEDIA und der Umweltagentur, sowie der Beitrag
der Schweiz zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion in den neuen EU-Mitgliedstaaten geregelt
wurden. 2010 wurde ein Abkommen über die Beteiligung des Landes an den EU-Programmen für
allgemeine und berufliche Bildung und Jugend unterzeichnet [1].
Aktuelle Schwerpunkte der Zusammenarbeit:
Schweizerisches Referendum über die Massenzuwanderung, 9. Februar 2014
Der freie Personenverkehr ist ein entscheidender Aspekt unserer Beziehungen zur Schweiz und
allgemeiner Bestandteil der Abkommen.
Mit der Volksabstimmung am 9. Februar 2014 wurden jährliche Beschränkungen für „Einwanderung“
eingeführt, womit gleichermaßen Grenzgänger, Asylbewerber, Arbeitssuchende aus der EU und aus
Drittländern gemeint sind. Dieses Ergebnis stellt das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz
hinsichtlich der Freizügigkeit von Personen in Frage, weshalb gefordert wurde, dass der schweizerische
Bundesrat das Abkommen mit der EU „neu verhandeln“ solle. Nach Beratungen mit den Mitgliedstaaten
lehnte die damalige Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, im
Juli 2014 die Anfrage der Schweiz auf Neuverhandlung des Abkommens mit dem Ziel der Einführung
von Quoten und nationalen Präferenzen ab. Die Durchführungsbestimmungen für die Umsetzung der
schweizerischen Initiativen sollen bis zum 9. Februar 2017 vom Bundesrat erlassen werden.
Im Anschluss an ein Treffen zwischen Kommissionspräsident Juncker und dem früheren
schweizerischen Präsidenten Sommaruga im Februar 2015 wurden informelle Beratungen zwischen der
Kommission und den Schweizer Behörden über eine mögliche Einigung eingeleitet. Diese Gespräche
werden fortgesetzt; das letzte Treffen zwischen Präsident Juncker und Präsident Schneider-Ammann
fand am 19. September 2016 in Zürich statt. Anlässlich des 70. Jahrestags von Winston Churchills
Züricher Rede hielt Präsident Juncker eine Grundsatzrede. Darin wies er darauf hin, dass zwar
zahlreiche Fragen offen geblieben seien, die Gespräche jedoch in die richtige Richtung gingen.
Im Dezember 2015 beschloss der Schweizer Bundesrat, die Gespräche mit der EU fortzusetzen und
parallel an einem Durchführungsrechtsakt zu arbeiten.
Institutionelle und bereichsübergreifende Fragen
Die EU und die Schweiz sind durch über hundert bilaterale Abkommen verbunden. Der Rat der
Europäischen Union hat den Abschluss weiterer Abkommen, die der Schweiz Zugang zum weltweit
größten Binnenmarkt geben, von der Lösung der seit langem ausstehenden institutionellen Fragen vor
allem hinsichtlich der dynamischen Einbeziehung der sich weiter entwickelnden EU-Rechtsvorschriften
in Bereichen mit schweizerischer Beteiligung sowie einem wirkungsvollen Streitbeilegungsmechanismus
abhängig gemacht.
Diese bereichsübergreifenden Angelegenheiten sind zu lösen, bevor die EU zum Abschluss neuer
Abkommen bereit ist, die der Schweiz weitere Bereiche des Binnenmarktes öffnen (z. B Elektrizität).
Verhandlungen über diese institutionellen Fragen wurden im Mai 2014 aufgenommen und seither mit
Erfolg vorangetrieben.
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit zwischen der EU und der
Schweiz gibt es bereits seit 2002 – sehr zum Vorteil beider Seiten [2]. Die Ausweitung des Abkommens
auf Kroatien wurde jedoch dadurch aufgehalten, dass der Schweizer Bundesrat beschloss, das so
genannte Kroatien-Protokoll nicht zu unterzeichnen. Nach zweijährigen Verhandlungen und angesichts
des Zusammenhangs mit der Forschungszusammenarbeit EU-Schweiz (siehe unten) wurde das
Protokoll am 4. März 2016 unterzeichnet und muss nunmehr von der Schweiz umgesetzt werden. Die
EU hat die Schweiz aufgerufen, dies baldmöglichst zu tun.
Überdies gibt es weiterhin Schwierigkeiten mit Begleitmaßnahmen, die von der Schweiz im Jahr 2006
unilateral getroffen wurden, um ihren Arbeitsmarkt zu schützen. Aus Sicht der EU sind mehrere dieser
Einschränkungen offenkundig mit den geltenden Abkommen unvereinbar und behindern den Handel
mit Dienstleistungen für aus der EU entsandte Arbeitnehmer und unabhängige Dienstleistungsanbieter.
In den Jahren 2012 und 2013 aktivierte die Schweiz außerdem die so genannte „Schutzklausel“ und
führte damit erneut eine Quote für langfristige Arbeitserlaubnisse spezifisch für Staatsangehörige aus
acht neuen Mitgliedstaaten (zusätzlich zu 15 Mitgliedstaaten 2013) ein. Dies wurde von der EU als
Diskriminierung und unvereinbar mit den geltenden Abkommen EU–S chweiz heftig kritisiert.
Steuertransparenz: Seit 2004 gilt zwischen der EU und der Schweiz ein Abkommen über die
Besteuerung von Spareinlagen, dem zufolge seit 2005 die Quellensteuer auf Einkünfte aus
Spareinlagen von EU-Staatsangehörigen erhoben wird, für die eine Schweizer Bank als Zahlstelle
fungiert. Im Jahr 2015 wurden Verhandlungen über ein überarbeitetes Abkommen abgeschlossen, mit
dem der Geltungsbereich erweitert und internationalen Entwicklungen für mehr Steuertransparenz
(etwa automatischer Informationsaustausch) Rechnung getragen wurde.
Am 27. Mai 2015 unterzeichneten die EU und die Schweiz ein historisches neues Abkommen über
Steuertransparenz, das wesentlich dazu beitragen wird, die Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu
verbessern. Im Rahmen des Abkommens werden beide Seiten ab 2018 automatisch Informationen
über die Finanzkonten der Einwohner des jeweils anderen Landes austauschen. Dies bedeutet das Ende
des schweizerischen Bankgeheimnisses für in der EU wohnende Personen und wird verhindern, dass
Steuerhinterzieher nicht versteuerte Einkünfte auf schweizerischen Konten verbergen. Das Abkommen
wurde von Kommissar Pierre Moscovici und dem lettischen Finanzminister Janis Reirs im Namen des
lettischen EU-Ratsvorsitzes für die EU sowie vom schweizerischen Staatssekretär für internationale
Finanzfragen, Jacques de Watteville, unterzeichnet.
Darüber hinaus wurden – ebenso wie mit anderen Nicht-EU-Ländern – Verhandlungen über ein
Kooperationsabkommen zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts (Informationsaustausch)
abgeschlossen. Die Verhandlungen über das Emissionshandelssystem (EHS) befinden sich in der
Endphase. Die Schweiz beteiligt sich außerdem am Satellitennavigationssystem GALILEO.
Im März 2016 ratifizierte die Schweiz das Abkommen zur Festlegung der Modalitäten ihrer Beteiligung
an der Arbeit des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO). Das EASO und die
Schweiz können nun besser zusammenarbeiten, und die Schweiz kann sich nicht nur an der Arbeit des
EASO beteiligen und Unterstützung erhalten, sondern auch von dem dort gebündelten Fachwissen über
die Herkunftsländer, von Fortbildungsangeboten und anderen Hilfsangeboten profitieren. Nationale
Experten aus der Schweiz können jetzt vom EASO eingestellt und für EASO-Maßnahmen eingesetzt
werden, so auch in den Hotspots in Italien und Griechenland.
Forschungszusammenarbeit/Horizont 2020
Die Schweiz ist derzeit in einige Bereiche von Horizont 2020, (EU-Förderprogramm für Forschung und
Innovation), das Euratom-Programm für Forschung und Ausbildung und das ITER-Projekt eingebunden.
Sollte die Schweiz das Protokoll über die Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen
der Schweiz und der EU (FMOPA) auf Kroatien vor dem 9. Februar 2017 ratifizieren, wird sie
automatisch zum 1. Januar 2017 in das gesamte Programm Horizont 2020 einbezogen. Wenn nicht,
wird die Teilassoziierung mit Horizont 2020 rückwirkend zum 31. Dezember 2016 aufgehoben.
Beteiligung der Schweiz an Erasmus+
Die EU hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass die schweizerische Beteiligung an Erasmus+ an die
Ratifizierung des Protokolls geknüpft ist, da das Programm eng mit der Freizügigkeit von Personen
zusammenhängt (Austausch von Forschenden und Studierenden). Unter den gegebenen Umständen
haben sich die EU und die schweizerischen Behörden auf eine Aussetzung der laufenden Verhandlungen
über die Beteiligung der Schweiz an Erasmus+ geeinigt. Es wurde vermerkt, dass das Abkommen nicht
rechtzeitig unterzeichnet werden kann, um Verträge mit im Rahmen der Aufforderung zur Einreichung
von Vorschlägen im Jahr 2014 ausgewählten Mittelempfängern schließen zu können.
Wie in der Erasmus+-Verordnung vorgesehen, nimmt die Schweiz daher nicht – wie ursprünglich
vorgesehen – gleichberechtigt mit den Mitgliedstaaten an Erasmus+ teil (d. h. als „Programmland“),
sondern erhält denselben Status wie andere Nicht-EU-Länder (d. h. „ Partnerland“).
[1] Siehe http://eeas.europa.eu/switzerland/index_en.htm für weitere Informationen. Bis heute haben
die EU und die Schweiz über 120 bilaterale Abkommen abgeschlossen. Ihre sehr komplexen
Beziehungen werden von Dutzenden Ausschüssen und Untergruppen verwaltet.
[2] Mit den 2004 und 2008 unterzeichneten Protokollen wurde die Freizügigkeit auf die neuen
Mitgliedstaaten ausgeweitet. Für die EU-15-Länder sowie Zypern und Malta endete die Übergangsphase
2007. Für die Länder, die der EU im Jahr 2004 beitraten, endete die Übergangsphase 2011. In beiden
Fällen hatte die Schweiz bis 2014 die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Für Bulgarien und
Rumänien enden die Übergangsphasen jeweils 2016 und 2019.
MEMO/16/3185