Dirk Wallmeier Dr. med. Einfluss der Modulation des serotonergen

Dirk Wallmeier
Dr. med.
Einfluss der Modulation des serotonergen Signalwegs auf die Gewichtsreduktion und
Gewichtsstabilisierung
Fach/Einrichtung: Innere Medizin
Doktorvater: Prof. Dr. med. Gottfried Rudofsky
Der serotonerge Signalweg spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Adipositas.
In dieser Doktorarbeit wurde untersucht, inwieweit die Veränderung dieses Signalweges
durch Polymorphismen eine Auswirkung auf den Gewichtsverlust und die
Gewichtsstabilisierung bei 202 Teilnehmern eines einjährigen, zweiphasigen
Gewichtsreduktionsprogrammes (OPTIFAST® 52) hatte.
Der 5-HT transporter linked polymorphic region Polymorphismus (5-HTTLPR) im SLC6A4
Gen und der upstream variable number of tandem repeats (uVNTR) Polymorphismus im
MAOA Gen beeinflussen die serotonerge Aktivität. Beide Polymorphismen liegen in der
Promotorregion der jeweiligen Gene und sind mit Adipositas assoziiert. Diese
Polymorphismen wurden in einer Gruppe von 135 weiblichen und 67 männlichen
Teilnehmern per PCR bestimmt, die unter schwerer Adipositas litten (44 ± 13 Jahre, 122.3 ±
22.2 kg, BMI: 41.7 ± 6.7 kg/m2). Alle Teilnehmer nahmen am kommerziellen
Gewichtsreduktionsprogramm (OPTIFAST® 52) der Firma Nestle an der Universitätsklinik
Heidelberg teil. Das Programm bestand aus einer 12-wöchigen modifizierten Fastenphase in
der ausschließlich kalorienreduzierte Proteinshakes konsumiert werden durften, einer 8wöchige Umstellungsphase, in der mit Ernährungsberatern eine ausgewogene Mischkost
festgelegt wurde und der danach einsetzenden 32 wöchigen Stabilisierungsphase.
Durch das Programm konnten Frauen durchschnittlich 19.9 ± 9.8 kg (16.9 ± 8.3 %) und
Männer 27.4 ± 13.6 kg (20.4 ± 9.9 %) an Gewicht reduzieren. Körpermaße und Blutwerte
wurden am Anfang des Programms (T0), nach der Gewichtsreduzierungsphase (T1) und am
Ende des Programms (T2) ermittelt.
Die einzelnen Polymorphismen hatten jeweils keine signifikanten Auswirkungen auf den
Gewichtsverlust oder die Gewichtsstabilisierungsphase. Doch die Risikogenotypen beider
Polymorphismen (SS und 3/3) des serotonergen Signalweges, die zu einer Risikogruppe (R+)
zusammengefasst wurden, zeigten Auswirkungen auf den Gewichtsverlauf. Frauen mit beiden
Risikogenotypen hatten insgesamt einen geringeren Gesamtgewichtsverlust (R+: -12.6 ± 8.4
kg, R-: -20.9 ± 9.8 kg, p = 0.05) als die Nicht-Risikogruppe (R-). Dieses Ergebnis wurde
hauptsächlich durch eine schlechtere Gewichtsstabilisierungsphase hervorgerufen (R+: +4.4 ±
10.1 kg, R-: -2.5 ± 7.4 kg, p = 0.11) wohingegen die Gewichtsreduktionsphase nicht
beeinflusst wurde (R+: -16.7 ± 4.6 kg, R-: -18.4 ± 4.7 kg, p = 0.61).
Bei Männern konnte kein Einfluss der Polymorphismen, auch nicht der Risikogenotypen,
festgestellt werden.
Beide Polymorphismen wurden in der Vergangenheit bereits in Zusammenhang mit erhöhtem
Körpergewicht gebracht, doch bisher wurde nie deren Einfluss auf die Gewichtsreduktion
beschrieben. Die hier gefundenen Auswirkungen, insbesondere der Risikogenotypen (SS und
3/3), auf die Gewichtsstabilisierung könnten durch einen veränderten serotonergen Signalweg
hervorgerufen worden sein. Beide Polymorphismen sind auch mit psychischen Erkrankungen
wie affektive Störungen, Angststörungen und Depression assoziiert. Da beschrieben wurde,
dass diese psychischen Erkrankungen gehäuft mit unkontrolliertem Essverhalten und
Antriebslosigkeit einhergehen, könnte dies eine mögliche Erklärung für den geringeren
Gewichtsverlust in der psychisch stärker belastenden Gewichtsstabilisierungsphase sein.
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede lassen sich durch eine mögliche Beeinflussung des
serotonergen Signalwegs durch Östrogen und Progesteron erklären und/oder die stärkere
Wirkung des Risikogenotyps SS bei Frauen.
Die Modulation des serotonergen Signalwegs durch die Risikogenotypen scheint einen
Einfluss auf die Gewichtsreduktion von Frauen zu haben, die an ausgeprägter Adipositas
leiden. Dieser Effekt wurde hauptsächlich durch Probleme in der
Gewichtsstabilisierungsphase nach der Gewichtsreduktion hervorgerufen. Frauen mit den
Risikogenotypen sollten mit einer individuellen Therapie mit stärkerem Fokus auf
Psychotherapie oder alternativen Therapieoptionen behandelt werden, um den
Gewichtsverlust im Gesamten zu erhöhen.