Potenzial und Praxisbeispiele für die energetische Nutzung von Biomasse 1. Einleitung In diesem Artikel geht es um die energetische Nutzung von Biomasse und welchen Nutzen Gemeinden daraus ziehen können. Unter Biomasse werden hier tierische und pflanzliche Ressourcen zur Gewinnung von Wärme, Strom oder Treibstoff verstanden. Es wird unterschieden zwischen verholzter Biomasse also Waldenergieholz, Flurholz, Altholz und Restholz und unverholzter oder auch feuchter Biomasse wie landwirtschaftliche Ernterückstände, Hofdünger, organische Kehrichtanteile, Grüngut, biogene Industrie- und Gewerbeabfälle und Klärschlamm. Für die energetische Nutzung wird die verholzte Biomasse in der Regel verbrannt und die unverholzte Biomasse wird vergärt. Im Folgenden wird nun das Potenzial für die Biomassenutzung im Kanton Aargau dargestellt. Danach werden anhand einer Grafik die unterschiedlichen Nutzungsformen von Biomasse und deren Förderung aufgezeigt. Ausserdem werden die wichtigsten Themen beim Anpacken eines Projektes zur energetischen Nutzung von Biomasse kurz angerissen. Zum Schluss werden drei Beispiele der energetischen BiomasseNutzung aus Gemeinden porträtiert. 2. Biomasse Potenzial im Kanton Aargau Die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat 2015 eine Potenzialanalyse für die Biomassenutzung im Kanton Aargau erstellt. Dabei haben sich folgende zusätzliche Potenziale herausgestellt: Abbildung 1: zusätzlich nutzbares Biomasse-Energiepotenzial Quelle: WSL Beim zusätzlichen Potenzial wird vom nachhaltig nutzbaren Potenzial, also was ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, die bereits genutzte Menge abgezogen. Das mengenmässige Potenzial für Waldenergie- und Altholz sowie Grüngut und den biogenen Industrie- und Gewerbeabfälle wird bis 2050 abnehmen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das bereits genutzte Potenzial ausgebaut wird und das nachhaltig nutzbare Potenzial nicht in dem Ausmass zunimmt. Die zukünftige Entwicklung vom Hofdüngeranfall ist unklar. Beim Flur- und Restholz gehen die Studienautoren von einer konstanten Entwicklung aus. Das Potenzial für die Stromproduktion aus Biomasse ist verglichen mit anderen Technologien bescheiden. Aber Biomasse kann vielfältig eingesetzt werden und insbesondere bei der Wärme ist Biomasse eine gute Alternative. Hier geht es weiter zur Studie. Seite 1 von 7 3. Energetische Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse Biomasse ist vielfältig verwendbar, was in der nächsten Abbildung aufgezeigt wird. Die Nutzung von Biomasse wird auch gefördert, die unterschiedlichen, aktuellen Förderungen werden ebenfalls in der Grafik abgebildet. Abbildung 2: Biomassearten und energetische Nutzung Quelle: Novatlantis Argovia Es gibt die Möglichkeit Grüngut, organische Reststoffe und Hofdünger in einer Biogasanlage zu verwerten und somit Rohgas zu produzieren. Bei Abwasserreinigungsanlagen (ARA) wird Klärgas produziert. Dieses kann auf zwei unterschiedliche Arten weitergenutzt werden: Strom- und Wärmeproduktion Roh- und Klärgas können mit einem Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärme umgewandelt werden. Die Stromproduktion aus erneuerbarem Rohgas wird mit der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) gefördert. Direkteinspeisung in das Erdgasnetz Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Roh- oder Klärgas zu Biomethan aufzubereiten, welches ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Dies ist insbesondere für ARAs interessant, weil sie so die Abwärme des Abwassers für die Beheizung der Faultürme nutzen können. Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) fördert die Gaseinspeisung und vergütet die in den ersten drei Jahren eingespeiste Gasmenge. Zur Nutzung von Holz als Biomasse besteht zudem folgende Möglichkeit: Grossfeuerungsanlagen Mit Holz kann ebenfalls Wärme und Strom erzeugt werden. Grossfeuerungen werden vom kantonalen Förderprogramm unterstützt und für den erzeugten Strom gibt es die KEV. Seite 2 von 7 4. Abklärungen für die energetische Biomasse-Nutzung In der folgenden Grafik wird eine Themenübersicht gegeben, welche Abklärungen vor und bei der Projektentwicklung gemacht werden sollten: Abbildung 3: relevante Themen im Überblick Quelle: Novatlantis Argovia Nun werden drei Beispiele aus Gemeinden für die energetische Nutzung von Biomasse vorgestellt. Dabei wird kurz die Technologie vorgestellt und auch welche Rolle dabei die Gemeinde gespielt hat respektive immer noch spielt. Seite 3 von 7 5. Ein Wärmeverbund mit Stromproduktion in Hünenberg Quelle: Biomasse Energie AG www.bieag.ch Initianten: EGH Elektrogenossenschaft Hünenberg, Einwohnergemeinde Hünenberg, Korporation Hünenberg (BiEAG Biomasse Energie AG) Investitionssumme: 16 Millionen Franken Förderung: 41 Rp/kWh eingespeister Strom (KEV, WKK- und Landwirtschaftsbonus) Finanzierung: BiEAG (Korporation Hünenberg, EGH Elektrogenossenschaft, CKW Luzern und Kleinaktionäre wie die Einwohnergemeinde Hünenberg) und Zuger Kantonalbank Umsetzungsdauer: 10 Jahre (seit der Idee bis heute zur Hälfte ausgelastet) In Hünenberg wurde 2011 eine Biogasanlage in Betrieb genommen. Diese wird mit Gülle und Grüngut betrieben und ist mit einem Holzschnitzelverbund kombiniert. Die Interessensgemeinschaft IG erneuerbare Energien wurde 2006 von der EGH Elektrogenossenschaft Hünenberg, der Einwohnergemeinde Hünenberg und der Korporation Hünenberg gegründet und 2008 in die Aktiengesellschaft BiEAG Biomasse Energie AG umgewandelt. Das Land, auf dem die Anlage gebaut wurde, stellte die Korporation Hünenberg im Baurecht zur Verfügung. Für dessen Erstellung war eine Zonenplanänderung, eine Anpassung des gemeindlichen Richtplans und Detaillierungen in der Bauordnung nötig. Es gibt keine Anschlusspflicht, diese ist allerdings bei der Gemeinde in Diskussion. Die Gülle wird derzeit von 10 Landwirten (Potenzial für 20 Landwirte) in einem unterirdischen Druckleitungsnetz zur Biogas-Anlage geführt. Der Teil der Abwärme, welcher nicht für den Prozess benötigt wird, wird in einem Wassertank gespeichert. Der Wasserspeicher wird zusätzlich von einer HolzschnitzelHeizung gespeist. Die Holzschnitzel werden vom Unternehmen Amstutz Holzenergie AG geliefert. Ein Gaskessel dient als Notheizung. Es werden fast alle Liegenschaften der Gemeinde mit dem Verbund beheizt. Dadurch kann die Gemeinde viel CO2 einsparen. Insgesamt sind es umgerechnet 1‘800 Wohneinheiten (4.5 Zimmer-Wohnungen), welche mit der erneuerbaren Wärme versorgt werden. Somit ist der Wärmeverbund heute zur Hälfte ausgelastet. Ausserdem werden 2‘100‘000 kWh/a Strom ins lokale Stromnetz eingespeist. Die Anlage wird von Herrn Suter, welcher bei der Korporation Hünenberg angestellt ist, betrieben. Er hat von der Aktiengesellschaft ein Mandat (ca. 55 Prozent Pensum) für die Geschäftsleitung. Weitere Informationen unter: www.bieag.ch Seite 4 von 7 6. Biogas für das Erdgasnetz im Wynental aus der ARA in Reinach Quelle: IBAarau Initianten: Abwasserverband Oberwynental und IBAarau Investitionssumme: 1.3 Millionen Franken, 300 m neue Leitung für den Anschluss Förderung: 28‘800 Franken Investitionsbeitrag und ca. 122‘100 Franken für die Einspeisung durch den VSG Finanzierung: IBAarau, Förderbeitrag BFE, VSG Input: ca. 6‘000‘000 m3 Abwasser, 63‘500 Einwohnerwerte Biogasproduktion: 2‘000‘000 kWh/a, entspricht ca. dem Gasverbrauch von 100 Einfamilienhäuser Umsetzungsdauer: 1.5 Jahre (Planung und Realisierung) Im Kanton Aargau sind 47 kommunale und regionale Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in Betrieb. Davon sind bei zwei Anlagen Biogaseinspeisung ins Erdgasnetz geplant und in Reinach ist sie bereits realisiert. Die ARA in Reinach wird 2014 bis 2017 saniert und vergrössert. Das gesamte Projekt hat einen Kredit von 30 Millionen Franken und wird vom Abwasserverband Oberwynental, welchem 6 Gemeinden (davon 2 Luzerner Gemeinden) angehören und zwei Industriebetrieben finanziert. Das obere Wynental wurde 2011 mit Gas erschlossen. Da die ARA zu viel Wärme produzierte, kam die Idee ob, es nicht möglich wäre Gas zu produzieren und einzuspeisen. Somit wurde das Sanierungskonzept, welches ein neues BHKW vorsah, umgeändert und die IBAarau erstellte eine Biogasaufbereitungsanlage mit Membrantechnologie zur Einspeisung von Biogas ins Netz der Wynagas AG. Für die Beheizung der Faultürme und des Betriebsgebäudes wurde eine Wärmepumpe eingesetzt, welche die Abwärme aus dem Abwasser nutzt. Durch den Verkauf des Klärgases an die IBAarau und die Abwärmenutzung des Abwassers ist das ganze wirtschaftlicher für den Abwasserverband Oberwynental als ein neues BHKW. Auch wenn Sie nun den Strom für aus dem Netz und nicht mehr vom eigenen BHKW haben. Die Rohgasaufbereitung inkl. Gasnetzerschliessung war mit Kosten von 1.3 Millionen Franken verbunden. Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie zahlt Beiträge auf die Produktionskapazität (CHF/ Nm 3/h Biomethan) und in den ersten drei Jahren einen Betrag auf die eingespeiste Kilowattstunde Biomethan. Da es sich bei der Anlage um ein Pilotprojekt handelt, hat sich auch das Bundesamt für Energie (BfE) finanziell beteiligt. Weitere Informationen unter: www.ara-reinach.ch Seite 5 von 7 7. Holzkraftwerk in Dättwil Quelle: Regionalwerke AG Baden Initianten: Regionalwerke AG Baden Investitionssumme: 15 Millionen (finanziert durch Regionalwerke Baden) Förderung: 20-22 Rp/kWh eingespeister Strom (KEV, WKK und Holz-Bonus) Input: 7‘250 Tonnen Energieholz Produktion: 13‘250‘000 kWh/a Wärme und 4‘000‘000 kWh/a Strom Umsetzungsdauer: 3 Jahre (2014 Beginn Planung und 2017 Inbetriebnahme) Die Regionalwerke AG Baden planen in Dättwil ein Holzkraftwerk. Dieses hat zum Ziel den bestehenden Fernwärmeverbund, welcher derzeit mit einer Gasheizung im Kantonsspital betrieben wird, auf erneuerbare Energien umzustellen. Da es sich um einen bestehenden Fernwärmeverbund handelt, waren keine Richtplan- oder Zonennutzungsplanänderung nötig. Für die Energiezentrale des Holzkraftwerks wird der Werkhof des Forstamtes umgebaut. Dieser steht in einer ÖB-Zone (Zone des öffentlichen Interessens). Da im Energieleitbild der Stadt Baden die Nutzung erneuerbarer Energien gefordert ist, wird das öffentliche Interesse mit dem Holzkraftwerk erfüllt. Das Grundstück gehört der Ortsbürgergemeinde, welche es den Regionalwerken verpachten. Die Anlage wird ausserdem mit dem gesamten Waldhackschnitzelanfall (3000 Sm3) der Ortsbürgergemeinde betrieben, was attraktiv ist für die Ortsbürgergemeinde. Zusätzlich wird Landschaftspflegeholz genutzt, welches ein privates Unternehmen aus dem Kanton Aargau aufarbeitet und anliefert. Eine Anforderung des Projektes war, dass der Wärmepreis für die Fernwärmekunden gleich bleibt. Damit dies möglich ist, wird mit dem Holz nicht nur Wärme sondern auch Strom produziert. Für den produzierten Strom erhalten die Regionalwerke die kostendeckende Einspeisevergütung. Das Kraftwerk wird von den Regionalwerken betrieben werden. Dazu werden 1-1.5 neue Stellen geschaffen. Forstseitig wird mit 2-3 neuen Stellen gerechnet. Somit trägt das Projekt auch zur lokalen Wertschöpfung bei. Weitere Informationen unter: www.regionalwerke.ch Seite 6 von 7 8. Sie haben Interesse an der energetischen Nutzung von Biomasse oder planen eine Anlage? Die Zukunftsregion Novatlantis Argovia ist bestrebt den Gemeinden Wissen in den Bereichen Energie, Mobilität und Ressourcen zu vermitteln und die Vernetzung der Gemeinden sowie beteiligten Akteuren zu fördern. In Zukunft wollen wir bestehende Anlagen als auch laufende Projekte in den oben erwähnten Bereichen geografisch auf unserer Webseite darstellen. Möchten Sie Ihre Anlage auf der Webseite der Zukunftsregion Novatlantis Argovia sichtbar machen? Haben Sie Fragen zu den vorgestellten Projekten oder generell zum Thema Biomasse? Nehmen Sie mit uns Kontakt unter [email protected] oder 062 835 04 73 auf und wir helfen Ihnen Antworten und Lösungen zu finden. 9. Hilfreiche Adressen www.biomasseschweiz.ch für allgemeine Informationen zur energetischen Nutzung von feuchter Biomasse http://oekostromschweiz.adenco.ch/ für Informationen zum Thema Verstromung von Biomasse und Vergütung www.erdgas.ch/biogas/foerderung-der-biogas-einspeisung/ für Informationen zur VSG-Förderung von Biogas-Einspeisung Excel für eine erste Potenzialerhebung für feuchte Biomasse Autorin: Sabine Wirthner ([email protected]) Initianten der Zukunftsregion Novatlantis Argovia: Seite 7 von 7
© Copyright 2024 ExpyDoc