Oettinger setzt Online-Redaktionen unter Druck - K

Oettinger setzt Online-Redaktionen
unter Druck
© DPA
Günther Oettinger im Oktober 2015 in seinem Büro in Brüssel
.
EU-Kommissar Günther Oettinger hat die Verlagshäuser aufgefordert,
gegen die vornehmlich aus den Online-Redaktionen kommende Kritik an
einem europaweiten Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorzugehen.
Dieses
will
er
aktuell
im
Rahmen
der
EU-
Urheberrechtsreform durchdrücken. Kein Problem hat Oettinger mit den
klassischen Print-Redaktionen, die in Sachen Leistungsschutzrecht
meist auf Linie der Managements von Springer & Co. liegen. Bei diesen
bedankte
sich
der
EU-Kommissar
auf
dem
Jahreskongress
des
Branchenverbandes BDZV ausdrücklich für die „klare“ Stellungnahme.
.
.
In Richtung der Verleger sagte er: „Aber in vielen ihrer Häuser haben
sie Offline- und Online-Redaktionen. Und bei den Onlinern war die
Reaktion relativ negativ.“ Hier sollen die übergeordneten ManagementEbenen eingreifen. „Nicht Zensur ist gefragt, aber Überzeugung,
Argumente.“ Wenn die Verleger nicht in den kommenden Tagen den Kampf
vor Ort aufnehmen, würden sie ein wichtiges Zeitfenster, in dem es um
ihre ökonomischen Interessen gehe, versäumen.
.
Schwärmen Sie aus!
.
Oettinger kritisierte die Verleger dafür, dass sie sich viel mehr
darum kümmern würden, wie sie eine höhere Erbschaftssteuer vermeiden
könnten, während sie sich aus seiner Sicht viel zu wenig für die
Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes einsetzen würden. „Schwärmen
Sie
aus“,
appellierte
Kapitalkraft
und
er.
Sonst
Datenübermacht
würden
der
die
großen
Verlage
von
der
Online-Plattformen
überrollt.
Im Kern geht es darum, dass Google gezwungen werden soll, einen Teil
seiner Einnahmen aus dem Suchmaschinen-Betrieb an die Verlage
abzuführen. Da dies nicht durch eine direkte Weisung möglich ist, wird
versucht,
Rechtsverletzungen
zu
konstruieren,
wenn
in
den
Suchergebnissen Verweise auf die gesuchten Inhalte um Überschriften
und Anrisstexte ergänzt werden. Vorstöße auf nationaler Ebene sind in
Spanien und Deutschland vollkommen gescheitert.
.
Oettinger sieht die Felle schwimmen
.
Solche Auftritte zeigen, wie wichtig weitere Aufklärungsarbeit und
öffentliche
Beteiligung
sind.
Die
Stimmen
gegen
ein
Leistungsschutzrecht für Presseverleger werden immer lauter und
zahlreicher. Oettinger sieht seine Felle davon schwimmen, wenn er
schon diejenigen zu mehr Einsatz auffordern muss, die (seiner Ansicht
nach) profitieren werden. Kritik und Auseinandersetzung mit seinem
Reformvorschlag ist wohl nicht gewünscht.
Eines hat Oettinger jedoch offensichtlich ganz vergessen: Es gibt
keine überzeugenden Argumente pro Leistungsschutzrecht.
.
Katastrophales Demokratieverständnis von @GOettingerEU.
Klartext an Verleger: „Befehlen Sie ihren Onlineredaktionen
Konzernjournalismus!“ https://t.co/hvExUMPRTM
— Peter Hogenkamp (@phogenkamp) 27. September 2016
.
WHAT?! Öttinger ruft die Geschäftsführer von Print-Zeitungen
dazu auf, gegen ihre eigenen Online-Redakteure durchzugreifen.
https://t.co/5VWCozCAjL
— Barbara Wimmer (@shroombab) 27. September 2016
.
Schon
im
Vorfeld
der
Leistungsschutzrechtes
Verabschiedung
gab
es
Gerüchte
des
zu
deutschen
hören,
wonach
Verlagsvertreter Politikern angedeutet haben sollen, dass sie ein
Problem mit der Berichterstattung bekommen könnten, wenn sie sich den
Forderungen der Verlage widersetzen. Ob das wirklich so geäußert
wurde, weiß ich nicht. Aber theoretisch ist es vorstellbar.
Und dann haben die Verlage natürlich noch besondere Möglichkeiten, die
öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Klassisch ist der
Fall, wie die „Bild“-Zeitung im Herbst 2007 plötzlich eine massive
Kampagne gegen die Einführung von Mindestlöhnen führte – kurz nachdem
Axel Springer die Mehrheit an dem Briefzustelldienst PIN-AG erworben
hatte, dessen Geschäftsmodell nicht zuletzt auf Niedriglöhnen beruhte.
Vor der Einführung des Leistungsschutzrechtes in Deutschland mutierten
größere Teile der deutschen Presse zu Propagandaplattformen in eigener
Sache. Seitdem sind in vielen Verlagen Zweifel gewachsen, ob ein
Leistungsschutzrecht wirklich sinnvoll und hilfreich ist. An die
Stelle einer Kampagne für das Gesetz (und gegen Google) ist an vielen
Stellen, Achtung!, Journalismus getreten. Verschiedene Redaktionen und
verschiedene
Journalisten
bewerten
Oettingers
Pläne
und
die
Forderungen des Verlegerverbandes unterschiedlich.
.
(Dass es gerade Online-Redaktionen sind, wie „Zeit Online“ und
„Spiegel Online“, die sich kritisch äußern, könnte jemanden wie
Oettinger natürlich auch ins Grübeln bringen, ob dort nicht
womöglich ein größerer Sachverstand in solchen Fragen sitzt, aber
vielleicht sind die Kollegen natürlich auch alle von Google
gekauft.)
.
Und nun fordert der EU-Kommissar Oettinger also die Verlage auf, im
eigenen Interesse etwas gegen diese Meinungsvielfalt zu tun. Natürlich
nur durch Überzeugungsarbeit, was man sich wohl so vorstellen muss,
dass der Verlagschef mal die Onliner zu sich ruft und ihnen erklärt,
warum sie Unrecht haben, wenn sie das Leistungsschutzrecht ablehnen,
aber dass sie das natürlich trotzdem weiter schreiben können, wenn sie
wollen, außer, dass es natürlich gar keinen Grund mehr dazu gibt, es
anders zu sehen als der BDZV und Herr Oettinger, wegen der guten
Argumente, die er ihnen gerade mitgeteilt hat.
Oettinger will, dass die Verleger ihre Redaktionen auf Linie bringen,
und dass er behauptet, es gehe selbstverständlich nicht darum, die
„Redaktionsfreiheit“ einzuschränken, oder „Zensur“ zu betreiben, zeigt
nur, dass er genau weiß, dass er hier gegen innere Pressefreiheit und
Meinungsvielfalt in den Redaktionen argumentiert und Propaganda statt
Journalismus fordert.
Und der Saal voller Zeitungsleute applaudiert.
.
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Quellen:
uebermedien.de
winfuture.de
leistungsschutzrecht.info