schönheit! natur! lebensfreude!

LOTUS CAROLL @ FLICKR.COM [CC-BY-NC-SA-2.0]
’SCHÖNHEIT! NATUR! LEBENSFREUDE!‘
Weibliche Idealkörper in der Illustriertenpresse der Weimarer Republik
Für die Visualisierungspraktiken in der Illustriertenpublizistik der Weimarer Republik besaßen Ablichtungen von Frauen eine erhebliche Bedeutung: Damen der Gesellschaft, Film-Starlets und RevueTänzerinnen, dazu die „Mädchen von nebenan“ und
die ersten Mannequins. Die für die visuelle Konstruktion der „neuen Frau“ in diesen Jahren maßgeblichen
Rollenbilder – von der Diva über die Garçonne und
dem Girl bis zur berufstätigen und zur Kindfrau
(Gozalbez Canto 2012) – sind in all diesen Verwendungskontexten anzutreffen. Getreu dem von Vicki
Baum kolportierten Motto Hermann Ullsteins – „Ich
will Schönheit sehen! Natur! Lebensfreude!“ – konfrontierten Magazine ihr Publikum regelmäßig mit
leicht bis gar nicht bekleideten Frauenbildern. Nacktheit, Erotik und Sexualität repräsentierten einen weit
verbreiteten visuellen Code, um die genannten Frauentypen zu inszenieren (Rocco 2011).
Im Gegensatz zu ‚prüderen‘ Gesellschaften wie die
der USA war es in der hiesigen Illustriertenpresse
kein Tabu mehr, Nacktfotos zu zeigen. Entsprechendes Material lieferten die mondänen Fotostudios in
hinreichendem Umfang, nicht zu vergessen die einschlägigen Motive aus dem Umfeld der Lebensreform-Bewegung und die „dokumentarischen“ Aufnahmen von „excentrischen“ Nackttänzerinnen und
von den Auftritten der Revuegirls in den großen Unterhaltungspalästen der „Roaring Twenties“ (vgl.
Faber 1998). Man versprach sich von den freizügigen
Abbildungen (die allerdings niemals die Grenze zum
Pornographischen überschritten und im Bereich der
primären Geschlechtsmerkmale konsequent mit Retuschen arbeiteten) nicht nur eine voyeuristische
Anziehungskraft auf das männliche Publikum; Frauen
als die Haupt-Zielgruppe der Magazine konnten diesen Darstellungen recht detailliert entnehmen, welches Schönheitsideal gerade gefragt war.
Aufbauend auf früheren Studien zum visuellen Framing der neuen Frau (Rössler 2013) und den Bildstrategien der Illustriertenpresse in der Zwischenkriegszeit (Rössler 2014) untersucht der Beitrag anhand von zeitgenössischem Illustrationsmaterial und
standardisierten Analysen, welche Idealkörper seinerzeit vermittelt wurden, und wie diese im Kontext
des Konzepts von der „neuen Frau“ zu verorten sind.
Als ein Ergebnis aus dieser Studie sei herausgegriffen, dass die angetroffenen Körperbilder eine beachtliche Heterogenität aufweisen und gerade kein
einheitliches Schönheitsideal propagiert wird. Die
klassischen Inszenierungsstrategien, wie sie etwa im
UFA-Kulturfilm „Wege zu Kraft und Schönheit“ (1925) noch erforderlich gewesen schienen,
weichen einer selbstbewussten Präsentation in der
Magazinpresse, die den dokumentarischen Anstrich
der FKK-Bewegung nur ausnahmsweise bemüht, um
seine Nacktaufnahmen zu platzieren. Insgesamt ist
die Illustrationspraxis von Magazinen der Weimarer
Republik aus heutiger Sicht kritisch zu bewerten,
weil sie die weiblichen Idealkörper zumeist ohne
inhaltliche Kontextualisierung, sondern primär als
visuellen Oberflächenreiz inszenierten.
Patrick Rössler | Universität Erfurt
[email protected]
’BEAUTY! NATURE! JOY OF LIVING!‘
Ideal female bodies in the Weimar Republic‘s illustrated review press
Literaturauszug | Literature [excerpt]
Faber, M. (1998). Die Frau, wie Du sie willst. Glamour, Kult und korrigierte Körper. Atelier Manassé 1922-1938. Wien:
Brandstätter.
Hanisch, E. (2005). Männlichkeiten: Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wien: Böhlau.
Gozalbez Canto, P. (2012). Fotografische Inszenierungen von Weiblichkeit. Massenmediale und künstlerische Frauenbilder der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland und Spanien. Bielefeld: transcript.
Rocco, V. (2011). Bad Girls. The New Woman in Weimar Film Stills. In E. Otto & V. Rocco (eds.), The New Woman International (pp. 213–230). Ann Arbor: The University of Michigan Press.
Rössler, P. (2013). Markante Profile und edle Körper. Zum visuellen Framing der ‚neuen Frau‘ in der illustrierten Massenpresse der 1920er Jahre. In S. Geise & K. Lobinger (eds.), Visual Framing. Perspektiven und Herausforderungen der Visuellen Kommunikationsforschung (pp. 286–310). Köln: Herbert von Halem.
Rössler, P. (2014). Zwischen ‚Neuem Sehen‘ und der bildpublizistischen Massenware: Der Aufstieg des Fotojournalismus
in Uhu, Querschnitt und Berliner Illustrirte Zeitung. In D. Oels & U. Schneider (eds.), “Der ganze Verlag ist einfach eine
Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (pp. 287–319). Berlin u. a.: de Gruyter.