Armutsgefährdung in Westdeutschland im 10-Jahres

Statistisches Bundesamt
Pressemitteilung vom 22. September 2016 – 334/16
Armutsgefährdung in Westdeutschland
im 10-Jahres-Vergleich gestiegen
WIESBADEN – Die Armutsgefährdungsquote lag im Jahr 2015 in allen westdeutschen
Bundesländern außer Hamburg über dem Niveau des Jahres 2005. Wie das Statistische
Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, war der Anstieg des Armutsrisikos in den letzten
10 Jahren in Nordrhein-Westfalen am stärksten. Dort erhöhte sich das Armutsrisiko im
Vergleich zum Jahr 2005 um 3,1 Prozentpunkte auf 17,5 % im Jahr 2015. In Berlin
(+ 2,7 Prozentpunkte) und Bremen (+ 2,5 Prozentpunkte) war der Anstieg des
Armutsrisikos im Jahr 2015 gegenüber 2005 ebenfalls überdurchschnittlich.
Mit Ausnahme von Berlin war die Armutsgefährdung in allen östlichen Bundesländern im
10-Jahres-Vergleich rückläufig. Am stärksten war der Rückgang um jeweils
2,4 Prozentpunkte in Brandenburg (2015: 16,8 %) und Mecklenburg-Vorpommern
(2015: 21,7 %), gefolgt von Sachsen-Anhalt mit einer Verringerung um
2,3 Prozentpunkte (2015: 20,1 %).
Das bundesweit höchste Armutsrisiko wies im Jahr 2015 Bremen mit 24,8 % auf, gefolgt
von Berlin mit 22,4 % und Mecklenburg-Vorpommern mit 21,7 %. Die niedrigsten
Armutsgefährdungsquoten 2015 hatten Bayern (11,6 %), Baden-Württemberg (11,8 %)
und Hessen (14,4 %).
Die zeitliche Entwicklung der Armutsgefährdung verlief in den Bundesländern
unterschiedlich und meist nicht kontinuierlich. Beispielsweise lag die Armutsgefährdung
in Hamburg im Jahr 2015 mit 15,7 % auf dem gleichen Niveau wie 2005. Wie in vielen
anderen Bundesländern war die Armutsgefährdungsquote hier zwischenzeitlich
rückläufig, um anschließend wieder anzusteigen. So sank in Hamburg bis zum Jahr 2008
das Armutsrisiko zunächst kontinuierlich auf 13,1 %. In Nordrhein-Westfalen ging das
Armutsrisiko ausschließlich in den Jahren 2006 und 2012 leicht zurück.
Diese und weitere Ergebnisse zur Armutsgefährdung, zum Teil in tiefer regionaler
Gliederung, sowie detaillierte Erläuterungen zu den Datenquellen und den angewandten
Berechnungsverfahren stehen im Internetangebot der Statistischen Ämter des Bundes
und der Länder zur Verfügung. Dort finden sich auch Armutsgefährdungsquoten, die auf
Basis regional unterschiedlicher Armutsgefährdungsschwellen ermittelt wurden.
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Armutsgefährdungsquoten1 für die Jahre 2005 und 2015 und
deren Veränderung nach Bundesländern
2005
Land
Veränderung 2015
gegenüber 2005 in
Prozentpunkten
2015
in %
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
nachrichtlich:
Früheres Bundesgebiet (ohne Berlin)
Neue Bundesländer (einschließlich Berlin)
10,6
11,4
19,7
19,2
22,3
15,7
12,7
24,1
15,5
14,4
14,2
15,5
19,2
22,4
13,3
19,9
11,8
11,6
22,4
16,8
24,8
15,7
14,4
21,7
16,5
17,5
15,2
17,2
18,6
20,1
14,6
18,9
+ 1,2
+ 0,2
+ 2,7
– 2,4
+ 2,5
0,0
+ 1,7
– 2,4
+ 1,0
+ 3,1
+1,0
+ 1,7
– 0,6
– 2,3
+ 1,3
- 1,0
13,2
20,4
14,7
19,7
+ 1,5
– 0,7
Ergebnisse des Mikrozensus, Berechnungen durch Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW).
1
Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 % des Bundesmedians der
Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung. Das Äquivalenzeinkommen wird
auf Basis der neuen OECD-Skala berechnet.
Weitere Auskünfte gibt:
Antje Lemmer,
Telefon: +49 (0) 611 / 75 81 57
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Methodische Hinweise:
Diese Ergebnisse gehen aus aktuellen Berechnungen auf Basis des Mikrozensus hervor,
die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder im Rahmen des
Arbeitskreises „Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik“ durchgeführt wurden.
Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Europa; er bietet
aufgrund seiner Stichprobengröße die Möglichkeit, für alle Bundesländer verlässliche
Indikatoren zu ermitteln und zu vergleichen. Das bedarfsgewichtete Einkommen
(Äquivalenzeinkommen) wird auf Basis der 1994 entwickelten neuen OECD-Skala
berechnet. Nach dieser wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das
Bedarfsgewicht 1 zugeordnet, für die weiteren Haushaltsmitglieder werden kleinere
Gewichte eingesetzt (0,5 für weitere Personen im Alter von 14 und mehr Jahren und 0,3
für jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch
gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen.
Die Grundlage der hier veröffentlichten Armutsgefährdung ist die
Armutsgefährdungsschwelle auf Bundesebene (Bundesmedian), die für Bund und
Länder einheitlich ist und somit einen regionalen Vergleich ermöglicht.
Für die Berechnung von Armutsgefährdungsquoten kommen mehrere Datenquellen der
amtlichen Statistik in Betracht. Auf europäischer Ebene und auf Bundesebene
(insbesondere im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung) wird zur
Berechnung von Indikatoren, die die Einkommensarmut und -verteilung betreffen, die
Statistik "Leben in Europa" (EU-SILC) als Datengrundlage herangezogen. Nach den
Ergebnissen der EU-SILC-Erhebung ergab sich, bezogen auf das Berichtsjahr 2014,
bundesweit eine Armutsgefährdungsquote von 16,7 %. Zu beachten ist, dass sich
Mikrozensus und EU-SILC sowohl hinsichtlich des zu Grunde liegenden
Einkommenskonzepts und der Einkommenserfassung als auch hinsichtlich des
Stichprobendesigns unterscheiden. Für die Darstellung vergleichbarer Indikatoren auf
Ebene der Bundesländer kann EU-SILC nicht verwendet werden, da die Stichprobe nicht
groß genug ist, um auch für kleinere Bundesländer die entsprechenden Indikatoren
auszuweisen.
Neben den dargestellten Armutsgefährdungsquoten gemessen am Bundesmedian
werden im Rahmen der Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik auch
Armutsgefährdungsquoten gemessen am Landes- beziehungsweise regionalen Median
berechnet. Hierzu wird das mittlere Einkommen (Median) im jeweiligen Bundesland
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beziehungsweise in der jeweiligen Region herangezogen. Dadurch wird den
Unterschieden im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern beziehungsweise
Regionen Rechnung getragen. Regionale Einkommensunterschiede werden zum Teil
durch Unterschiede im Preisniveau (insbesondere im Mietniveau) ausgeglichen. Dies
kann dazu führen, dass die Armutsgefährdung gemessen am Bundesmedian in
prosperierenden Regionen unterschätzt und andererseits die Armut in Regionen mit
einem relativ niedrigen Einkommensniveau überschätzt wird.
Armutsgefährdungsquoten sind gegenüber stichprobenbedingten Schwankungen des
mittleren Einkommens (Median) nicht sehr robust. Das bedeutet, dass bereits geringe
zufällige Schwankungen dieses Einkommens merkliche Veränderungen der
Armutsgefährdungsquoten zur Folge haben können. Deshalb sollten nur über einen
längeren Zeitraum stabile Entwicklungen inhaltlich interpretiert werden. Dies gilt
insbesondere für relative Armutsrisikoquoten kleiner Bevölkerungsgruppen oder für
regional tief gegliederte Ergebnisse.
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